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2 Funktionsweise der Marktwirtschaft(Überblick)

2.4 Funktionsweise der Marktwirtschaft (Überblick)Marktversagen

Gerechtigkeit zu tun hat. Effizienz und Gerechtigkeit stehen vielmehr in einem nicht aufgelösten Konkurrenzverhältnis, weil der Markt im Wettbewerb Leis-tungsanreize benötigt und bietet, die mit einer materiellen Gleichbehandlung der Menschen nicht vereinbar sind.

2.4 Marktversagen

Die Behauptung der Optimalität der kapitalistischen Marktwirtschaft gilt, wie ausgeführt, nur grundsätzlich, nur bei Erfüllung der oben genannten Bedin-gungen:

쑺 Definition und Durchsetzung von Eigentumsrechten ist möglich;

쑺 Strukturbedingungen des Wettbewerbs sind erfüllt und

쑺 Markttransparenz ist gegeben.

Wenn diese Bedingungen nicht hinreichend erfüllt sind – in der Regel ist dies eine Frage des Grades, nicht der Existenz – resultieren eine Reihe von Ausnah-metatbeständen, die in der Ökonomie unter dem Begriff Marktversagen zu-sammengefasst werden. In diesen Fällen funktioniert die Allokation durch Märkte nicht optimal. Das bedeutet dann allerdings nicht, dass andere Organi-sationsmodelle a priori überlegen sind. Dies könnte nur durch konkrete Kos-ten-Nutzen-Analysen festgestellt werden.

Die Ausnahmetatbestände sind:

쑺 die Existenz öffentlicher Güter,

쑺 die Existenz externer Effekte (in beiden Fällen können bzw. sollen Eigen-tumsrechte nicht definiert und durchgesetzt werden),

쑺 die Existenz kontinuierlich sinkender Durchschnittskosten der Produktion (diese begründen Strukturprobleme des Wettbewerbs) und

쑺 die Existenz von Informationsmängeln, insbesondere der Konsumenten.

2.4.1 Öffentliche Güter

Ein Gut hat den Charakter eines reinen öffentlichen Gutes, wenn es ohne Riva-lität von allen Nachfragern konsumiert werden kann (Nicht-RivaRiva-lität) und wenn ein Ausschluss vom Konsum nicht möglich ist (Nicht-Ausschluss). Dies steht im Gegensatz zu einem privaten Gut, wie z. B. Champagner, bei dem Nicht-Zahler von der Nutzung im Regelfall ausgeschlossen werden und der Konsum durch ei-nen Konsumenten den Konsum durch eiei-nen anderen Konsumenten ausschließt.

Nicht-Rivalität im Konsum liegt dann vor, wenn ein Gut von vielen Perso-nen gleichzeitig konsumiert werden kann, ohne dass der Konsum einer Person den Konsum anderer Personen beschränkt. Beispiele sind zahlreich zu finden, Effizienz und Gerechtigkeit

stehen in einem nicht aufgelösten Konkurrenz-verhältnis.

Ausnahmetatbestände

Öffentliche Güter sind durch …

… Nicht-Rivalität im Konsum …

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2.4

Marktversagen

etwa die Nicht-Rivalität im Konsum der Güter Sicherheit, saubere Umwelt, Stra-ßenbeleuchtung, Fernsehprogramme, Informationen usw.

Nicht-Ausschluss (Versagen des Marktausschlussprinzips) liegt vor, wenn potenzielle Konsumenten nicht von der Nutzung des Gutes ausgeschlossen wer-den können – auch dann nicht, wenn sie keinen (angemessenen) Beitrag zur Finanzierung der Produktion leisten (Free-Rider oder Trittbrettfahrer). Die Möglichkeit des Ausschlusses bzw. Nicht-Ausschlusses ist, anders als bei der Nicht-Rivalität, in der Regel eine Frage der Technik und der Kosten. So könnte man Nicht-Zahler von der Straßennutzung oder der Nutzung eines Leuchtturms oder der Nutzung eines Rundfunkprogramms ausschließen, aber dies ist in der Regel teuer. Der Leser wird erkennen, dass ein Ausschluss vom Gut Sicherheit auch technisch nicht möglich ist.

Die Konsequenzen dieser Tatbestände sind zweierlei. Wenn Nicht-Rivalität im Konsum besteht, dann ist es nicht sinnvoll, Preise zu fordern und damit ei-nen Konsumenten vom Konsum auszuschließen, denn dieser zusätzliche Konsu-ment würde ja keine zusätzlichen gesellschaftlichen Ressourcen verbrauchen.

In der Sprache der Theorie der Eigentumsrechte ausgedrückt, ist die Definition und Durchsetzung von Eigentumsrechten nicht effizient, sie würde unnötige volkswirtschaftliche Kosten verursachen. Andererseits ist zu sehen, dass die Produktion eines solchen Gutes auch Kosten verursacht und dass diese Kosten gedeckt werden müssen.

Hieraus resultiert einDilemma: Entweder finanzieren die privaten Konsu-menten – sofern möglich – ihren privaten Konsum doch durch Preise, die die Nutzung durch andere dann ausschließen (z. B. Pay-TV), oder ein Typ kollekti-ver Finanzierung durch alle bezahlt die Produktion, was dazu führt, dass der individuelle Finanzierungsbeitrag im Allgemeinen nicht der individuellen Nut-zung entspricht (z. B. bei der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks). Aus diesem Dilemma resultieren die volkswirtschaftlich nicht op-timale Produktionsmenge, Produktionsstruktur und Zuteilung dieses Güter-typs. Man spricht von Suboptimalität: Es wird zu viel, zu wenig oder in fal-scher Zusammensetzung produziert.

Wenn Nicht-Ausschluss gegeben ist, dann können Preisforderungen nicht durchgesetzt werden. In der Sprache der Theorie der Eigentumsrechte können Eigentumsrechte also nicht definiert und durchgesetzt werden. Kein ökono-misch rational handelnder Konsument würde nämlich für ein Gut zahlen, von dessen Nutzung er nicht ausgeschlossen werden kann. Er könnte vielmehr als Free-Rider unentgeltlich in den Genuss solcher Güter kommen. Da Preisforde-rungen also nicht durchgesetzt werden können, wird auch kein privater Unter-nehmer bereit sein, ein solches öffentliches Gut zu produzieren. Gemessen an den ja durchaus vorhandenen Präferenzen der Konsumenten für ein solches Gut wird es dann in zu geringem Umfang oder gar nicht produziert. Man spricht vonUnterproduktion; klassische Beispiele sind der Umweltschutz, die innere und äußere Sicherheit und die Grundlagenforschung.

… und die

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Funktionsweise der Marktwirtschaft (Überblick) Marktversagen

2.4.2 Externe Effekte

Externe Effekte sind die unmittelbaren Auswirkungen der ökonomischen Akti-vitäten eines Wirtschaftssubjekts, die vom Verursacher nicht berücksichtigt werden und – im Gegensatz zu anderen ökonomischen Transaktionen – zwi-schen den Beteiligten keine Rechte auf Entgelt oder Kompensation begründen.

Es sind also Wirkungen auf unbeteiligte Dritte (Drittwirkungen). Wenn es ex-terne Effekte gibt, kann die Marktproduktion die optimale Allokation nicht ge-währleisten, weil die Drittwirkungen ex definitione nicht in die privaten Kos-ten-Nutzen-Kalküle der Produzenten eingehen.

Die privaten Kosten und Erträge entsprechen somit nicht den sozialen (ge-sellschaftlichen) Kosten und Erträgen.

Externe Effekte gibt es in großer Fülle. Von großer praktischer Bedeutung sind externe Effekte im Umweltbereich (vgl. Kapitel 29.3.2). Typisches Beispiel ist ein Unternehmen, das seine Abwässer und Abgase an die Umwelt abgibt, ohne für die Schädigung zu zahlen. Da niemand Privateigentum an Luft und Wasser besitzt, werden den Verursachern die entstandenen Schäden nicht in Rechnung gestellt. Entsprechende Überlegungen gelten für den privaten Kon-sumenten – man denke z. B. an die Luftverschmutzung durch Autoabgase. Es gibt dann keine Preise, z. B. für die Luftverschmutzung, und die Konsumenten und Produzenten haben keinen Anreiz, die Luftverschmutzung einzuschrän-ken.

2.4.3 Strukturprobleme des Wettbewerbs

Strukturprobleme des Wettbewerbs resultieren in Märkten, in denen erhebliche Größenvorteile der Produktion oder ausgeprägte Fixkostendegressionen beste-hen. Beide Charakteristika werden oft miteinander verwechselt, sind gleich-wohl analytisch streng zu unterscheiden.

Größenvorteile der Produktionbestehen, wenn ein großer Betrieb billiger produziert als ein kleiner Betrieb, wenn die Stückkosten der Produktion mit steigender Ausbringung sinken. Ursache sind die so genannten economies of scale und scope (vgl. Kapitel 7.2.2.1). Dies ist typisch etwa für die Stahlpro-duktion, die Automobilproduktion oder die Produktion von Energie. In einem solchen Fall bietet der Markt nur wenigen Betrieben ein konkurrenzfähiges Überleben, es gibt dann nur wenige Wettbewerber und wenig Wettbewerb.

Wenn die Stückkosten sogar kontinuierlich sinken, bietet der Markt nur Raum für einen einzigen Anbieter, denn am billigsten produziert dann der Alleinan-bieter, der Monopolist. Man spricht von einemnatürlichen Monopol. Wettbe-werb kann es in einem solchen Markt von Natur aus nicht geben, er muss viel-mehr veranstaltet werden (vgl. Kapitel 7.3.2).

Signifikante Fixkostendegressionen entstehen in Betrieben, die mit einem hohen Anteil an fixen Kosten produzieren, also mit Kosten, die von der Pro-duktionsmenge unabhängig sind (vgl. Kapitel 5.5). Einen hohen Fixkostenan-Keine optimale Allokation

bei externen Effekten

Wenig Wettbewerb bei Größenvorteilen der Produktion

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Marktversagen

teil haben z. B. Verkehrsbetriebe, Telekommunikationsnetze oder Fernsehveran-stalter. Diese haben nämlich praktisch nur fixe Kosten, unabhängig davon wie viele Personen befördert werden, wie viele Telefongespräche geführt werden oder wie viele Zuschauer ein Programm sehen. Eine solche Fixkostendegression ist ein starker Anreiz, vorhandene Kapazitäten auszunutzen und hierzu auch aggressive Verkaufsmethoden einzusetzen. Daher werben z. B. die Lufttrans-portunternehmen, die Telekommunikationsnetzbetreiber oder Pay-TV-Veran-stalter mit immer neuen Tarifen, mit Lockvogelangeboten, mit Rabatten und Sonderkonditionen. Hier ist der Wettbewerb in der Regel aggressiv und biswei-len ruinös. Der Wettbewerb muss in solchen Branchen speziell überwacht wer-den.

2.4.4 Mangelnde Transparenz für die Konsumenten

Ob der Wettbewerb eine vom Konsumenten gewünschte Qualität hervorbringt, hängt auch davon ab, ob Konsumenten die Qualität der Produkte erkennen und bewerten können. Hier gibt es erhebliche Mängel. Ganz generell besteht ein strukturelles Informationsgefälle zwischen Produzent und Konsument. Der Pro-duzent kennt die Qualität seiner Produkte in der Regel ungleich besser als der Konsument und kann die Transparenz zudem durch Werbung beeinflussen. Dies gilt insbesondere für Güter, deren Qualität sehr komplex ist und weder vor dem Kauf noch nach dem Kauf richtig beurteilt werden kann. Dies gilt z. B. ausge-prägt für die Qualität medizinischer Leistungen, für die Qualität von Arznei-mitteln, aber auch für die Qualität von Bildungseinrichtungen, von Versiche-rungen oder komplexen Finanzprodukten.

Zentrale Folge der Qualitätsunkenntnis und der Asymmetrie der Information ist die so genannte »adverse Auslese« (adverse selection). Wenn Konsumenten die Qualität von Produkten vor dem Kauf und vor dem Konsum nicht beurteilen können und wenn sie sich dessen bewusst sind, sind sie bei rationalem Verhal-ten auch nicht bereit, eine bessere und üblicherweise teurere Qualität zu be-zahlen. Denn immer würde das Risiko bestehen, ein Produkt von minderer Qua-lität zu erwerben, ohne es zu merken. Entsprechend besteht für Produzenten kein Anreiz, eine bessere Qualität mit höheren Kosten anzubieten, weil die Konsumenten dies nicht erkennen können und nicht mit höheren Nachfrage-preisen honorieren würden. Das bewirkt, dass nur die schlechtere gleich billi-gere Qualität auf den Markt kommt, die Produkte mit höherer Qualität verlas-sen den Markt. Es kommt zu einem so genanntenMarktversagen in Bezug auf die Produktqualität, weil die Konsumenten eigentlich bereit wären, die bes-sere Qualität nachzufragen und zu bezahlen, wenn sie nur sicher sein könnten, die bessere Qualität auch zu bekommen. Die adverse Auslese hat zur Folge, dass der Preis und die angebotene Qualität so lange sinken, bis am Ende nur noch schlechte Qualität angeboten wird.

Aggressiver Wettbewerb bei großer Fixkostendegression

Adverse Auslese bei Quali-tätsunkenntnis

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Funktionsweise der Marktwirtschaft (Überblick) Marktversagen

2.4.5 Marktversagen und seine Regulierung

Die beschriebenen Bereiche möglichen Marktversagens sind Gegenstandsbe-reich staatlicher Wirtschaftspolitik. Diese Verhaltensbeeinflussung von Unter-nehmen mit dem Ziel, Marktversagen zu korrigieren, bezeichnet man als Regu-lierung. Grundsätzlich sollen dabei Marktergebnisse simuliert werden.

Klassisches Feld der Regulierung sind die natürlichen Monopole, insbesondere Versorgungs-, Telekommunikations- und Verkehrsunternehmen, daneben die Festlegung von Qualitätsstandards bei mangelnder Markttransparenz, insbeson-dere bei Banken und Versicherungen sowie im medizinischen Bereich, und schließlich Umweltschutzauflagen zur Korrektur negativer externer Effekte.

Es gibt zwei Formen der Regulierung:

쑺 die öffentliche Kontrolle privater Unternehmen und

쑺 öffentliche Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag.

Die öffentliche Kontrolle privater Unternehmen ist insbesondere in den USA ausgeübt worden: Hier waren Verkehrs-, Telekommunikations- und Versor-gungsbetriebe meist private Unternehmen, die aber durch spezielle Regulie-rungskommissionen überwacht wurden (z. B. die Federal Communication Com-mission FCC). In Deutschland hat man eher öffentliche Unternehmen mit einem spezifischen öffentlichen Auftrag versehen, so seinerzeit die Versorgungsunter-nehmen, die Deutsche Bundesbahn, die Deutsche Bundespost oder staatliche Krankenhäuser. Oder es gibt eine staatliche Qualitätskontrolle, so bei Arznei-mitteln oder bei Automobilen.

Gegenstandsbereich der Regulierung sind je nach Marktgegebenheiten der Preis, die Produktqualität und oder die Produktionsmenge. So wurde bei den Versorgungsunternehmen eine Preiskontrolle ausgeübt, bei Bank- und Versiche-rungsdienstleistungen wird die Qualität überwacht, insbesondere die Sicher-heit, und bei der Post und den Versorgungsunternehmen gibt es z. B. einen Zwang zur Belieferung, auch in ungünstig gelegene Gebiete wie Halligen oder Bergbauernhöfe.

Mittlerweile wird angestrebt, viele Regulierungen abzubauen, weil man ein-gesehen hat, dass der Staat mit manchen Kontrollen überfordert ist, dass auch der Staat versagen kann (vgl. Kapitel 2.8) und dass die private Wirtschaft Me-chanismen entwickeln kann, mit Marktversagen umzugehen. So ist die Etablie-rung eines Markennamens mit dem Versprechen gleich bleibender guter Quali-tät eine Möglichkeit, die mangelnde Markttransparenz für die Konsumenten bezüglich der Qualität auszugleichen. Garantien und Haftungen können Konsu-menten schützen. Den Abbau von Regulierungen bezeichnet man als Deregu-lierung,sichtbar seit Jahren in vielen Bereichen der Wirtschaft.

Ziel der Regulierung ist es, Marktversagen zu korri-gieren.

Zwei Formen der Regulierung: Öffentliche Kontrolle und öffentliche Unternehmen

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