• Keine Ergebnisse gefunden

3.2. Ergebnisse der ExpertInnen

3.2.2. Probleme in der deutschen Physiotherapie

Dieses Kapitel befasst sich mit den Aussagen von VerbandsvertreterInnen, welche auf mögliche Probleme in der deutschen Physiotherapie hinweisen. Es werden zunächst die allgemein begründenden Faktoren und Beschreibungen zitiert. Darauf folgen Aussagen in Bezug auf die Ausbildung und Akademisierung, sowie über die allgemeinen Arbeits- und Rahmenbedingungen. Worauf Aussagen über die Attraktivität, das Ansehen und die Wertschätzung des Berufes weitere Faktoren erkennen lassen, die laut ExpertInnen Probleme hier darstellen könnten. Als weitere Kodierungen werden Aussagen zu allgemeinen Belastungen und in Bezug auf Gesundheitsförderung und Prävention für Berufsangehörige aufgezeigt.

Allgemeine Gründe und Beschreibung

In dieser Kodierung benennen alle drei Verbände die zu niedrige Vergütung als das schwerwiegendste Problem in der deutschen Physiotherapie. Die geringe Vergütung und die selbst zu zahlende teure Ausbildung machen den Beruf nicht attraktiv, wie zwei der VerbandsmitgliederInnen nennen (Interview EXP01, 2017, Z. 70ff &177ff; Interview EXP02, 2017, Z. 106ff). Laut der ExpertInnen gab es bis zuletzt ebenfalls keine positive Entwicklung in der Vergütungsituation (Interview EXP02, Z. 100ff, Interview. Folgende Zitate sollen die Ansichten der Verbände bzgl. dieses Problems deutlich machen:

„Genau, Vergütungssituation riesen Problem, weil Physiotherapeuten ihre Ausbildung in der Regel selbst bezahlen müssen bis auf wenige Ausnahmen. Es ist eine sehr teure Ausbildung, und wenn man dann sieht, was, womit man dann später vergütet wird, ist das natürlich ein Problem. Und das macht den Beruf nicht attraktiv." (Interview EXP02, 2017, Z. 106ff)

„Nur mit der Vergütung ist es einfach zu schlecht, durch die Grundlohnsummenbindung. Wir waren zehn Jahre an die Grundlohnsumme gekoppelt. Das war eine, die Deckelung war eine

Ergebnisse

Katastrophe. Die Gehälter im ambulanten Bereich sind kaum gestiegen." (Interview EXP03, 2017, Z 317ff)

Zwei ExpertInnen nannten außerdem, dass die Fortbildungen, die den PhysiotherapeutInnen angeboten werden, problematisch sein könnten, da diese

„Zertifikate und Weiterbildungen viel Geld kosten“ (Interview EXP02, 2017, Z.176).

Außerdem zeigt nächstes Zitat einen Eindruck über das vorhandene Weiterbildungsangebot in Deutschland.

„Also auch dort gibt es den Wildwuchs. Immer mehr. Es gibt auch Scharlatane, die meinen mit Fortbildungen, damit viel Geld verdienen zu wollen. Speziell die privaten Anbieter.“ (Interview EXP03, 2017, Z1072ff)

Ausbildung und Akademisierung als Gründe

Auch unter dieser Kodierung spielen die Kosten für die Ausbildung eine große Rolle. So benannten alle ExpertInnen die hohen Schulgelder als problematisch (Interview EXP03, 2017. Z. 122f; Interview EXP02, 2017 76ff).

Weiterhin wurde von den Verbänden bemängelt, dass die Ausbildung teilweise sogar von Schule zu Schule sehr unterschiedlich sei. Je nach vorhandenen Lehrkräften würden Schulen häufig die Schwerpunkte in ihrem Lehrplan setzen. Somit seien die TherapeutInnen teilweise sehr unterschiedlich ausgebildet und „so zeigt sich hier diese Landschaft in Deutschland, weil es sehr individuell ist. Und von daher ist auch die Vergleichbarkeit einfach schwierig." (Interview EXP02, 2017, Z. 136ff).

Grundlegendes Problem hier sei es, dass es keine landesweit einheitliche Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gebe, und diese erneuert werden müsse (Interview EXP01, 2017, Z89ff).

„Aber jeder macht so sein eigenes Ding. Jeder hat natürlich einen Rahmenlehrplan, das heißt ja Ausbildungsprüfungsverordnung. Aber auch die Ausführungsbestimmungen werden ja von den Ländern erlassen." (Interview EXP03, 2017, Z.110ff)

„Ja genau, die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, die Inhalte, die ist von 1994. Da ist klar, dass nach über zwanzig Jahren da sicherlich Bearbeitungsbedarf hat. Und das soll jetzt auf jeden Fall in der nächsten Legislaturperiode in Angriff genommen werden, (…) die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu aktualisieren." (Interview EXP02, 2017, Z. 112ff)

Ergebnisse

Der Novellierung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung stehen laut den Verbänden die voranschreitende Akademisierung gegenüber. So gibt nach Angaben der ExpertInnen der deutsche Wissenschaftsrat einen Prozentsatz an wissenschaftlich tätigen PhysiotherapeutInnen vor, um sich in der Forschung stärker zu etablieren (Interview EXP01, 2017, Z. 97ff; Interview EXP02, 2017, Z. 144ff; Interview EXP03, 2017, Z.138ff).

Das nächste Zitat zeigt einen kritischen Gedanken über die Akademisierung der Physiotherapie, den alle drei Verbände miteinander teilen:

„Die Akademisierung ist ja auch in erster Linie zur Wissenschaft und Forschung gedacht. Nichtsdestotrotz muss auch der Patient weiterhin versorgt werden. Aber wir wollen auch keine Zweiklassen-Physiotherapie schaffen. Das muss also ineinander übergehen."

(Interview EXP03, 2017, Z. 144ff)

Die Bestrebungen nach der Akademisierung seien ebenfalls von allen Vorständen vorhanden, da die BRD auf europäischem Gebiet das „Schlusslicht“ sei (Interview EXP03, 2017, Z. 77f). Jedoch entsteht bei den Verbänden gleichzeitig der Gedanke, dass die Umsetzung zunächst zu „einer in der Anfangszeit (…), eine größere Verknappung der jetzigen der Fachkräftesituation [führen könnte], weil wir ja den Realschülern quasi den Zugang verweigern würden.“ (Interview EXP02, 2017, Z. 59ff). An dieser Stelle, „ist eine Gefahr, dass eine Zweiklassen-Therapie entsteht, (…) und das ist ja ein Ziel, was wir mit Sicherheit nicht erreichen wollen. Und dafür müssen Lösungen gefunden werden.“

(Interview EXP02, 2017, Z. 123ff).

Arbeitsbedingungen

Unter nächster Kodierung nannten die ExpertInnen mögliche Faktoren, weshalb es zu Komplikationen für PhysiotherapeutInnen in ihrer Arbeit kommen könnte. Einerseits seien die Arbeitszeiten in der Menge, teilweise auch begründet durch zu wenig Fachkräfte, ein Problem (Interview EXP01, 2017, Z. 177 & 182ff). Weiterhin erläuterten die ExpertInnen Gründe in Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft. Diese sei nach Aussage von EXP03 oft

„kontraproduktiv und auch kontraindiziert“ (Interview EXP03, 2017, Z. 254ff). Das nächste Zitat zeigt eine gute Sichtweise, inwiefern die Physiotherapeuten ihre Kompetenzen in Zusammenarbeit mit den Ärzten nutzen möchte, und wie die Ärzteschaft diese Wünsche nach Angaben von EXP03 behandelt werden:

„Wenn ich den deutschen Ärztetag gerade wieder lese, Substitution und Delegation wird von denen gänzlich abgelehnt und die Diagnose muss beim Arzt liegen. Wir wollen ja auch keine ärztliche Diagnose, wir

Ergebnisse

gucken, sind Kontraindikationen vorhanden, schicken wir den Patienten weiter zum Arzt, oder können wir den Patienten selbst behandeln. Aber da gibt es aber schon noch einen Stolperstein." (Interview EXP03, 2017, Z. 263ff)

Attraktivität

Besonders ist, dass die ExpertInnen unter dieser Kodierung zunächst sehr positiv von dem Beruf der PhysiotherapeutIn in Bezug auf die Zufriedenheit berichten. Hierbei sprechen sie davon, dass es „schon ein sehr attraktiver Beruf. Also [sei] jeder, der Physiotherapeut ist, (…) es mit Leib und Seele." (Interview EXP03, 2017, Z.315ff.) Außerdem würden die TherapeutInnen von den PatientInnen eine hohe Wertschätzung erfahren (Interview EXP01, 2017, Z. 238ff).

Diese positiven Aussagen führen dann jedoch hinüber zu den Einbußen der Attraktivität als PhysiotherapeutIn zu arbeiten, da „junge Leute auch über den Verdienst nachdenken und über die Zukunft logischer Weise nachdenken, und sagen "kann ich denn da mit dem was ich verdiene auch eine Familie aufbauen, eine Zukunft aufbauen, kann ich meine Rente damit sichern?“ (Interview EXP01, 2017, Z. 73ff).

Abschließend zeigt die folgende Aussage einen guten Eindruck, weshalb die Physiotherapie in Deutschland an Attraktivität verloren haben könnte:

„Genau, Vergütungssituation riesen Problem, weil Physiotherapeuten ihre Ausbildung in der Regel selbst bezahlen müssen bis auf wenige Ausnahmen. Es ist eine sehr teure Ausbildung, und wenn man dann sieht, was, womit man dann später vergütet wird, ist das natürlich ein Problem. Und das macht den Beruf nicht attraktiv. Und dann gibt es natürlich da diese Weisungsgebundenheit, also wir setzen uns ja auch dafür ein. Also wir wollen ja nicht ohne den Arzt arbeiten, das ist klar.

Aber wir wollen mit dem Arzt arbeiten und das nicht nur nach Anweisung.“ (Interview EXP02, 2017, Z. 106ff)

Ansehen/Wertschätzung

Neben der Attraktivität in diesem Beruf zu arbeiten, zeigt diese Kodierung nun die Einschätzung der ExpertInnen über das Ansehen des Berufes in der Gesellschaft. Nach Angaben von zwei interviewten VerbandsvertreterInnen würde die Wertschätzung von Seiten der PatientInnen recht hoch sein (Interview EXP01, 2017, Z.191ff & 207ff;

Interview EXP02, 2017, Z. 231ff).

Dagegen steht jedoch auch die Aussage von EXP02, dass „es in der Gesellschaft auch so ein Bild ist, man kennt das ja, dass viele nur über die Masseure reden und (…) Von

Ergebnisse

diesem Bild müssen wir auch wegkommen, dass in der Physiotherapie nur massieren ist." (EXP02, 2017, Z. 224ff).

Außerdem stellen die ExpertInnen das Ansehen von Seiten anderer Berufsgruppen, wie z.B. der ÄrztInnen, in Frage. Die zwei aufgeführten Zitate zeigen die Sichtweisen im Detail:

„Im Moment, also Physiotherapeuten haben kein schlechtes Ansehen.

Also man hört es von Patienten ganz oft, dass sie gern zum Physiotherapeuten gehen. Und dass es dort auch genießen, und in der Regel mit der Kompetenz zufrieden sind. Also von daher denke ich, dass wir da gar nicht so das Problem haben. Bei den anderen Berufsgruppen ja. Da merkt man das eher, z.B. bei den Ärzten, da merkt man das schon, dass die noch so dieses Bild der Masseure im Kopf haben. Aber man sieht es ja nun auch schon bei der Arbeit an den Leitlinien, da kommt uns auch schon ein ganz anderer Tenor auch uns gegenüber." (Interview EXP02, 2017, Z. 231ff)

„also ich sage ja, das Ansehen bei den Ärzten ist es noch nicht so, wie wir es gerne hätten. (…) In Deutschland ist das immer noch schwierig.“

(Interview EXP03, 2017, Z. 253) Allgemeine Belastungen

Zu allen möglichen bisher sehr allgemeinen Faktoren, die ein Problem in der Physiotherapie darstellen können, folgt nun ein Abschnitt, in dem die VerbandsvertreterInnen Belastungen einschätzen, die in dem Beruf der PhysiotherapeutIn entstehen können. Darunter fallen sowohl psychische als auch physische Belastungen.

Erstere werden insbesondere nach Angaben von EXP01 wenig offen angesprochen und kundgegeben (Interview EXP01, 2017, Z. 270ff). Folgendes Zitat zeigt die Erfahrungen von EXP01:

„Ja, ich kann ein Beispiel nennen. Wir hatten glaube ich, wir machen ja in Leipzig immer die große Therapiemesse, und wir hatten, ich glaube, vor 2-4, vor 6 Jahren hatten wir einen Workshop für Therapeuten für Burnout. (...) Und Stressbewältigung und all diese Dinge. Wir hatten gar nicht so viel Platz, so viele Therapeuten, wie sich dafür angemeldet hatten, für den Workshop. Also das hat uns dann signalisiert, es gibt hier Bedarf. (…) Wir sind eigentlich die Seelsorger der Patienten. Keine

Ergebnisse

Auch EXP03 sagte aus, dass die psychische Belastung von PhysiotherapeutInnen je nach Fachbereich stark variieren und entsprechend belastend sein könne (Interview EXP03, 2017, Z. 214ff).

Außerdem sei die körperliche Belastung, die auf viele PhysiotherapeutInnen lastet ebenfalls nicht zu leugnen. Zwei ExpertInnen gaben hier Beispiele, dass z.B. die Arbeit mit stark Hilfebedürftigen PatientInnen, oder eine überwiegend manualtherapeutische Arbeit, viel körperlichen Einsatz verlangt und daher auch sehr belastend sein könne (Interview EXP03, 2017, Z. 202ff; Interview EXP02, 2017, 292f).

Prävention und Gesundheitsförderung

In dieser letzten Kodierung bezieht sich nach den möglichen Belastungen eine der VerbandsvertreterInnen auf die Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention für die PhysiotherapeutInnen selbst. Es wird genannt, dass eine finanzielle Unterstützung für Prävention für angestellte PhysiotherapeutInnen gesetzlich gewährleistet wird, und vom Arbeitgeber einmal jährlich genutzt werden kann. Allerdings sei nach Aussage von EXP01 fraglich inwiefern das Angebot aktuell genutzt werde (Interview EXP01, 2017, Z.

266ff).