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II Problemstellung

II.6 Vernetzte Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland

II.6.3 Projekte zur „Vermeidung von Krankenhauseinweisungen“

II.6.3.1 Praxiskliniken

Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Praxisklink ergeben sich aus dem § 30 der Gewebeord-nung, darüber hinaus müssen die Anforderungen an ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V erfüllt sein. Der letzere Gesetzestext schreibt vor, dass eine ständige ärztliche Leitung vorhanden sein muss. Gemäss dem Versorgungsauftrag sind die entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sicherzustellen. Dies schließt die Behandlung nach dem aktu-ellen Stand der Medizin ein. Des Weiteren ist Sorge zu tragen, dass eine ausreichend ärztliche und pflegerische Betreuung garantiert ist. Darüber hinaus sind auch die Unterbringung und Verpfle-gung der Patienten sicherzustellen. Neben diesen formalen Voraussetzungen ist aber auch der Abschluss eines Versorgungsauftrages, bzw. die Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan des entsprechenden Bundeslandes für die Abrechnung von Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich (19). Im Entwurf des NOG (1997) sollte zunächst darauf ver-zichtet werden, die Praxiskliniken der Bedarfsplanung zu unterstellen. Aber aus Angst könne es hierdurch zu einer unkontrollierten Kapazitätserweiterung kommen- letztlich ist auch durch Druck der Länder darauf verzichtet worden (59, 192).

Nach dem §115 Abs. 2 Ziff. 1 SVG V sollen in einer Praxisklinik Kassenärzte verschiedener Fachgebiete bei der Patientenbehandlung den ambulanten, und teilweise auch den stationären

Vernetzte Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland Bereich gemeinsam abdecken. Diese Aufgaben sollen unter einem Dach erfüllt werden, wobei die räumliche Ausstattung der Praxis eine stationäre Behandlung ermöglicht. Versorgungsschwer-punkte sollten hierbei die Fächer bilden, die ambulante Operationen, minimalinvasive und thera-peutische Verfahren durchführen, nach deren Anwendungsverfahren eine kurze stationäre Ver-weildauer bis zu 72 Stunden notwendig ist (19, 25).

Die Vorteile einer Praxisklinik liegen nach Asche P. darin, dass eine Behandlungskontinuität der Patienten sichergestellt ist, so dass keine Doppeluntersuchungen anfallen und Patientenakten voll-ständig vorhanden sind. Weiterhin könnten, auf Grund der kurzen Wege, Konsilaruntersuchungen problemloser durchgeführt werden, so dass Verzögerungen bei der Behandlung vermieden werden könnten. Weiterhin betont der Autor, dass Einsparungen durch eine gemeinsame, oder gar ausge-lagerte Administration wahrscheinlich wären. Die Medizintechnik könnte gemeinsam genutzt werden, wodurch Anschaffungen sich eher rentieren würden. Für die in den Praxiskliniken tätigen Ärzte besteht die Möglichkeit, sich einen neuen Markt zu erschließen. Dies würde zu Lasten des stationären Sektors gehen. Asché. unterstellt jedoch, die Praxiskliniken würden günstiger wirt-schaften, was auch im Sinne der Kostenträger sein müsste (19). Als Nachteil wird aber anerkannt, dass Rahmenbedingungen für die Praxiskliniken durchaus zu einer Risikoselektion („Rosinenpik-kerei“) führen könnten. Dadurch würde der Case-Mix in den Krankenhäusern zu einem höheren Krankheitsgrad verschoben, was in den Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden müsste.

Weiterhin würde es im stationären Bereich zu einem Bettenabbau kommen, wobei sich die Vor-haltekosten, z. B. für Pflegepersonal und Geräte, nicht entsprechend reduzieren würden. Ein wei-terer Nachteil könnte in der Schaffung eines „angebotsinduzierten Marktes“ liegen. Durch die alleinige Indikationsstellung zur Operation durch den Operateur wird dieser bestrebt sein, seine OP- Kapazitäten voll zu nutzen, was eine großzügigere Indikationsstellung zur Folge haben könnte (19).

Anhand einer Kooperation zwischen einer Praxisklinik, die 1996 in privater Trägerschaft gegrün-det wurde, und einem geographisch nahe gelegen Akutkrankenhaus in Bad Homburg, stellt Asché eine alternative Art der Zusammenarbeit vor. Diese Praxisklinik, die in den Bedarfsplan des Lan-des Hessen aufgenommen wurde, verfügt über 14 stationäre Betten und zwei Operationssäle, ei-nen Aufwachraum und eine Zentralsterilisation. Voraussetzung für die Genehmigung war die Kooperation mit dem benachbarten Krankenhaus, die aber von den Teilnehmern schon vorher geplant wurde. Im Mittelpunkt dieser Kooperation steht ein Kooperationsausschuss, der sich aus Mitarbeitern der Praxis, des Krankenhauses und des Krankenhausträgers zusammensetzt. Von diesem Ausschuss werden die medizinischen und administrativen Ziele der Einrichtung definiert.

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Die Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus beschränkt sich primär auf Fragen der Hotel-, Ver-waltungsleistungen und der Materiallieferung (19).

Zur Zeit stagnieren die Bedeutungen der Praxisnetze im Gesundheitswesen. Nach einer ausge-dehnten Literaturrecherche (Medline, Health Star, Deutsche Ärzteblatt, Ärztezeitung usw.) konn-ten keine weiteren Artikel zu dem Praxisnetz Bad Homburg eruiert werden. Lediglich auf der Internetseite der Stadt Homburg wurde ein Hinweis auf die Praxisklinik gegeben, was darauf hin-deutet, dass diese noch existiert.

Ob die Praxiskliniken wirklich den Graben zwischen ambulantem und stationärem Bereich schließen, muss jedoch bezweifelt werden. Zwar geht Preisler davon aus, dass die Praxiskliniken eine Lücke im Übergangsbereich ambulant und stationär schließen würden, so dass diese nach § 109 i.V. m. § 108 Ziff. 3 SGB V vom Gesetzgeber zu fördern sind, und in die Bedarfsplanung aufzunehmen wären (192). Aber für den Bettenbedarf der Praxisklinik müssten hauptsächlich Betten aus dem Grundversorgungsbereich requiriert werden. Zur Zeit wird aber ohnehin ein Ab-bau dieser Planbetten angestrebt. Damit entfällt dieses Argument, und die Gründung einer Praxis-klinik wird durch die fehlende Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan aussichtslos. Vielmehr ist in den Zeiten, in denen der Begriff Fehlbelegung aktuell ist (177, 207) davon auszugehen, dass die Krankenhäuser selber zur Ausnutzung ihrer Kapazitäten die gesetzlichen Möglichkeiten zum ambulanten Operieren ausnutzen werden (7, 20, 112, 113). Unter den Zeichen der DRG wird es dann auch für die Krankenkassen uninteressant die Einführung der Praxisklinken zu fördern, da hier nicht mit wesentlichen Einsparungen zu rechen ist, aber ein zusätzlicher Anbietermarkt ent-stehen würde (101).

Dennoch gibt es eine Meldung aus Leipzig, nach der im Jahr 2001 eine Praxisklinik eröffnet wer-den soll. Dabei geht der Initiator, Prof. Bodo Schönheit, davon aus, dass die Umsetzung dieses 30 Millionen DM teuren Projekts machbar ist. Um eine notwendige Aufnahme in den Krankenhaus-bedarfsplan zu umgehen, wird auf direkte Verhandlungen mit den Krankenkassen gesetzt. Dabei sollen die Möglichkeiten der Gesundheitsreform 2000 ausgenutzt werden, indem die Praxisklinik im Sinne eines Modellprojekts eingeführt werden soll. Anreiz der bereits niedergelassenen Ärzte sich an diesem Projekt zu beteiligen, soll die Arbeit in einem fachärztlichen Verbund sein. In die-sem soll das Case Management einen hohen Stellenwert besitzen, was Synergieeffekte in qualita-tiver und wirtschaftlicher Hinsicht erwarten lässt (10). Ob dieses Projekt zustande kommt, muss jedoch abgewartet werden.

Vernetzte Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland II.6.3.2 Notfallpraxen

Es haben sich in den letzten Jahren einige Notfallpraxen in Deutschland etabliert. Das Modell scheint attraktiv, jedoch lässt es sich zur Zeit in Deutschland schwer eruieren, wie viele es von ihnen wirklich gibt. Im Folgenden werden einige Projekte vorgestellt, die in den letzten Jahren auf sich aufmerksam gemacht haben. Allen diesen Projekten ist gemein, dass sie in der Regel von den betroffenen Ärzten gemeinsam initiiert worden sind, und sich dann in den Räumlichkeiten von Krankenhäusern etablieren konnten.

II.6.3.2.1 Notfallpraxis Stuttgart

Eines dieser Modelle, die „Notfallpraxis Stuttgart“, wurde von niedergelassenen Ärzten ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen dem Verein „Notfallpraxis Stuttgart e.V.“, der KV- Nordwürtenberg und dem Marienhospital Stuttgart. Nach einer fast zwei-jährigen Verhandlungsdauer konnte diese Praxis am 15.01.1996 die Arbeit aufnehmen. Das vor-dringlichste Ziel dieser Kooperation ist es, der Bevölkerung außerhalb der Sprechstunden eine optimale ärztliche Versorgung im ambulanten Bereich anzubieten (144).

Durch die Nutzung vorhandener Infrastruktur soll eine kostengünstige ambulante Behandlung erreicht werden, und gleichzeitig die eigene Ambulanz des Krankenhauses entlastet werden. In der Vorphase hatte es in Stuttgart außerhalb der regulären Sprechstunden häufig Versorgungseng-pässe im ambulanten Bereich gegeben, so dass die Patienten häufig von sich aus die Notfallam-bulanzen aufsuchten. Dies führte zumindest an Wochenenden zu teilweise chaotischen Zuständen in den Krankenhausambulanzen. Die daraus resultierende Belastung der Bereitschaftsdienste war extrem hoch. Aus arbeitsrechtlichen Aspekten hätte der Krankennhausträger einen zusätzlichen Schichtdienst einrichten müssen. Die damit verbundenen Kosten hätten aber erheblich über den erarbeiteten Einnahmen gelegen. Die Krankenhäuser waren nicht mehr bereit diesen Zustand hin-zunehmen, und verwiesen auf den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung. An-dererseits war es den Hausärzten ein Anliegen, den Abfluss ihrer Budgetmittel zu unterbinden (144).

Die Notfallpraxis ist montags bis freitags von 19:00 bis 7:00 Uhr, an Wochenenden und Feierta-gen 24 Stunden geöffnet Sie ist mit einem internistischen und chirurgischen Arzt besetzt. Dabei haben die Niedergelassenen bis 1:00 Uhr Dienst. Anschließend übernimmt diesen der Bereit-schaftsdienst der Inneren sowie chirurgischen Kliniken. Die anfallenden Leistungen werden auch

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in dieser Zeit für die Notfallambulanz erbracht, wobei das Krankenhaus für die Dienstbereitschaft eine Stundenpauschale erhält. Die Ärzte werden durch zwei Arzthelferinnen (20 Teilzeitstellen) unterstützt, die aber beim Krankenhaus angestellt werden. Die Notfallpraxis kann die Infrastruktur des Krankenhauses nutzen, wie z.B. Materialien und medizinisch- technische Leistungen, die dann vom Krankenhausträger in Rechnung gestellt werden. Eine informationstechnische Vernet-zung besteht nicht, und die Notfallpraxis rechnet mit der Kassenärztlichen Vereinigung als eigen-ständige Praxis ab. Die Patientenakzeptanz für dieses Modell war sofort spürbar, wobei es bei stationären Einweisungen schwierig war, die Patienten in das „Diensthabende Krankenhaus“ zu überweisen und nicht automatisch in das Marienhospital. Die Notfallpraxis Stuttgart versorgt an Wochentagen etwa 30–40 und an Wochenenden bis zu 200 Patienten. Die in der Notfallpraxis tätigen Ärzte erhalten vom Verein eine, vom Leistungsumfang unabhängige, Stundenvergütung.

Allerdings kann sich die prospektiv festgelegte Vergütung nachträglich erhöhen, wenn der Verein einen entsprechenden Ertrag erwirtschaftet hat (144).

Das Modell der Notfallpraxis Stuttgart scheint sich etabliert zu haben, wobei sich im Jahre 1997 bei 44% ihrer 20.000 Behandlungsfälle eine Krankenhauseinweisung vermeiden ließ. Eine statio-näre Aufnahme war nur bei 4% der Fälle nötig, bei 28% war eine einmalige Behandlung ausrei-chend, und bei 65% konnten die Patienten von einem niedergelassenen Arzt weiterbehandelt wer-den. Das Modell war so erfolgreich, dass es seit Oktober 1997 um einen gynäkologischen und einen psychiatrisch-psychotherapeutischen Notdienst erweitert wurde (82).

II.6.3.2.2 Notfallpraxis Freiburg

Ähnlich positive Ergebnisse können auch andere Notfallpraxen verbuchen. Die im Jahre 1994 gegründete „Notfallpraxis Freiburg“ berichtet, dass sie im Jahre 1998 ca. 23.000 Patienten behan-delt haben, wohingegen es im Gründungsjahr nur 13.000 gewesen sind. Auch hier sei ein Entla-stungseffekt der anderen Krankenhausambulanzen zu bemerken, wobei dies besonders für die benachbarte Universitätsklinik gelte (106).

II.6.3.2.3 Notfallpraxis München

Auch in München ist seit Oktober 1999 eine Notfallpraxis an der Klinik rechts der Isar der TU eingerichtet worden, die zu sprechstundenfreien Zeiten geöffnet ist. In den ersten drei Monaten wurden von ca. 35 diensthabenden Niedergelassenen 2446 Patienten ambulant versorgt. Lediglich 2% mussten stationär aufgenommen werden. Die Ambulanzen der Klinik konnten aufgrund der

Vernetzte Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland Tätigkeit der Bereitschaftspraxis etwa 800 ambulante Fälle weniger mit der Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen. Insgesamt waren durch diese Notfallpraxis Einsparungen in Höhe von 17.000 DM zu realisieren (5, 215).

II.6.3.2.4 Pädiatrische Notfallpraxen

Inzwischen werden auch andere Fachbereiche auf die Notfallpraxen aufmerksam. So gründeten 14 Pädiater eine Notfallpraxis in Gummersbach. Bei einer Prüfung der Fallbelastungen im Kranken-haus zeigte sich, dass besonders am Mittwochnachmittag und an den Wochenenden Kinder notärztlich versorgt werden. Aus diesem Grund wird die Notfallpraxis im Kreiskrankenhaus auch nur an diesen Tagen geöffnet, da andernfalls die Arbeitsbelastung für 14 Ärzte nicht tragbar wäre.

Anzumerken bleibt, dass eine Notfallpraxis im hausärztlichen Bereich in dieser Region nicht zu-stande kam (11).

Eine weitere Gruppe von Pädiatern hat sich im Altkreis Nürtingen formiert, die einen „Kinder-ärztlichen Notdienst“ außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten anbietet. Dieser Dienst wird parallel zu dem hausärztlichen Notdienst angeboten. An Werktagen sind die diensthabenden Pä-diater ab dem 10.02.2001 in den Räumen des Kreiskrankenhauses Kirchheim/Teck erreichbar. Die zentrale kinderärztliche Notfallpraxis ist samstags-, sonn- und feiertags von 8:00 bis 20:00 er-reichbar. In der restlichen Zeit wird der diensthabende Pädiater unter einer zentralen Telefon-nummer erreichbar sein. An den Werktagen wird der kinderärztliche Notdienst durch die Praxis des diensthabenden Kinderarztes sichergestellt (148).