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Der politische Nachhall der Vorherrschaft Napoleons in Europa;

Johannes Holthusen, München

1) Der politische Nachhall der Vorherrschaft Napoleons in Europa;

2) die Verbreitung des Gedankengutes der "Aufklärung" im wei- testen Sinne;

3) ein philologisch-historiographischer "Slavismus" als Neube- sinnung auf die eigene Geschichtlichkeit;

4) ein romantischer "Slavismus" der literarischen "Wechsel- s e itig k e it" entsprechend den Ideen des protestantischen Slowaken Kollar, wobei die " illy r is c h e " Gruppe bei Kollar eine der vier Hauptgruppen des Slavischen neben den Gruppen des Tschechischen, des Polnischen und des Russischen dar- s t e l l t .

Diese vier (weitgehend außerliterarischen) Komponenten, zu denen allerdings noch die Schaffung einer neuen ( stokavischen, vom Serbischen so gut wie nicht verschiedenen) Literatursprache kommt, sind in der bisherigen Forschung stark zur Geltung gekom- men. Die heutige Forschung bemüht sich daneben auch um ein neues Verständnis der Literatur des Illyrismus im Hinblick auf l i t e - rarische und ästhetische Kategorien, im Hinblick auch auf das

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-lesende Publikum. So werden etwa die rein politischen Aspekte und die politische Wirklichkeit heute strenger unterschieden von der literarischen Wirklichkeit, wie sie sich dem kőnkre-

ten Leser darbieten mußte, vor allem als R iv a litä t der neu rezipierten außerkroatischen Literaturen und der Literatur in der Nationalsprache.

Verschiedene Beiträge von Ivan Slamnig, Mira Gavrin und Ljerka Sekulić untersuchen in dem schon genannten Sammelwerk

"Hrvatska knjizevnost prema evropskim književnostima" den europäischen Kontext der kroatischen Literaturentwicklung vor und während der nationalen Wiedergeburt, sowie das Echo, wel- ches das europäische literarische Geschehen in Kroatien gefun- den hat. Berücksichtigung finden besonders die ragusanische Komponente in der L ite ra tu r vor der Wiedergeburt, die Beziehun- gen des Illyrismus zur deutschen bzw. österreichischen L ite ra - tur der späten Klassik und der Romantik, sowie schließlich die N ovellistik der Zeit, in der die Beziehungen zur europäischen Empfindsamkeit (Sentimentalismus) untersucht werden.

Solche Beziehungen werden heute allerdings nicht mehr im Rahmen der sog. "Einflußforschung" behandelt, sondern unter übergeord- neten komparatistischen Gesichtspunkten. Nicht dieser oder je - ner "Einfluß1• i s t entscheidend, sondern das Problem, welche Komponenten unter welchen Bedingungen und aus welchem Grunde Bestandteile einer neuen strukturellen Ganzheit werden konnten.

Genauer werden z.B. von Mira Gavrin die einzelnen Züge der Ro- mantik voneinander gesondert und im Anschluß daran die Frage g e s te llt, welche dieser Züge auf das kroatische Publikum le ic h t wirken konnten. Es zeigt sich nun, daß zwar a lle patriotischen und humanisierenden Elemente leicht aufgegriffen wurden, daß aber die kroatische Literatur für pessimistische Unterströmun- gen und für den deutschen Hang zum Irrationalen nicht aufge- schlossen war.

Ebenso wurde Heines Ironie bei der frühen Heine-Rezeption über- sehen, ebenso wurde die "numinose" Ballade gegenüber der

epischen und der historischen Ballade zurückgesetzt.

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Zu ähnlichen Resultaten i s t die neuere Forschung auch im Hinblick auf die Rezeption der slavischen Literaturen

(etwa A.PuSkin und A. Mickiewicz) gekommen. Untersuchun- gen einerseits von A. Fiaker, andererseits von Nevenka KoŠutic-Brozovic bestätigen, daß von einem wirklichen Aus- tausch der slavischen Kulturen, wie er Jan Kollar vorschweb- te, fü r diese Zeit und im Hinblick auf den Illyrismus noch nicht gesprochen werden kann. Frau Kosutic-Brozovic kommt in ihrem Beitrag ("Croatica" 1, 1970) hinsichtlich des wirk- lieh erreichten "Slavismus" zu wesentlich vorsichtigeren und weit weniger romantisch gefärbten Ergebnissen als ein Teil der älteren Forschung. Gerade die kroatische Literatur blieb, wie hier nachgewiesen wird, von der slavischen Welt insgesamt is o lie r te r als die serbische, bulgarische oder makedonische L itera tu r.

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Die kirchenslavische L ite ra tu r altserbischer Redaktion und ih r kulturgeschichtlicher Hintergrund

Den geistigen und kulturellen Hintergrund der kirchenslavischen L ite ra tu r b ild e t bekanntlich das europäische M itte la lte r la -

teinischer und griechischer Prägung mit seiner uns heute et- was fremden, weil ganz anders gearteten Welt• Die moderne europäische Mediävistik macht heute große und erfolgreiche Anstrengungen, das Gesamtwesen der m ittelalterlichen g e is

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gen und kulturellen Welt zu ergründen. Die Philologie nicht nur als Sprachphilologie, Textphilologie oder Sachphilologie im alten Sinn, sondern als Gest a l tphi l o logie mit gegenseitigem Bezug von Inhalt und Sprachform und im engen Zusammenwirken mit der Geschichtswissenschaft kann heute im westlichen Europa

auf große Erfolge bei der Aufhellung der Eigenwelt des M itte l- alters hinweisen. Man hat heute vor allem die se it der Aufklä- rung allgemein herrschende Skepsis gegenüber dem k irc h lic h - religiösen Moment und gegenüber der schlichten massiven und wenig reflektierenden Frömmigkeit im M itte la lte r aufgegeben und erkannt, daß damals für den Menschen das Metaphysische tatsäch- lieh die Macht besaß, die historische Wirklichkeit in einem erheblichen Maße zu beeinflussen und mitzugestalten. Die Problematik der Anfänge des europäischen m itte lalte rliche n Staatensystems, Fragen eines entwicklungsmäßig bedingten be- sonderen Verhältnisses von Religion und Welt, von Diesseits und Jenseits, von Kirche und Staat, Herrschertum und Staat und Volk, die Besonderheiten der sozialen und wirtschaftlichen Struktur, Probleme des Seins und Werdens der m ittelalterlichen Kunst, ihre O bjektivität, T ra d itio n a litä t und soziale Gebun- denheit, Spezialfragen der Analyse der Hagiographie, ihre

Schematisierung und Typisierung - a lle diese Fragen sind heute zu Hauptgebieten der modernen Mediävistik geworden. Kein Zwei- f e i, daß in einer Zeit, wo weltanschauliche und politische Gründe in vielen slavischen Ländern die Zugänge zu solchen Fragestellungen versperren, in erster Linie die deutsche

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