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Um Effekte von Probiotika auf die Mikroökologie des Darms und damit auf den Wirt einordnen und die Erkenntnisse zu Wirkungsmechanismen bewerten zu können, soll zunächst kurz auf die physiologischen Mikroorganismen des Darms und ihre Bedeutung für den Wirt eingegangen werden.

Sowohl umgangssprachlich als auch in vielen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung wird von der sogenannten ”normalen Darmflora” gesprochen. Damit sind in der Regel die Mikroorganismen gemeint, die bei einem gesunden Individuum im Magen-Darm-Trakt vorkommen. Es handelt sich dabei sowohl um residente wie auch um transiente Keime. Die Ansammlung intestinaler Mikroorganismen ist in hohem Maße individuellen Schwankungen unterworfen. Die Speziesverteilung hängt von vielen Faktoren wie dem Alter, dem Geschlecht, der Ernährung, sowie den Umwelt- und Hygieneverhältnissen ab. Auch eine genetische Komponente wird diskutiert. So zeigt die Zusammensetzung der Darmmikroorganismen bei eineiigen Zwillingen eine größere Übereinstimmung als bei zweieigen Zwillingen (VAN DE MERWE et al. 1983). Ein

”Normalzustand”, der für alle Individuen einer Spezies gilt, ist demnach nur schwer vorstellbar, weshalb im Folgenden von physiologischer Besiedlung gesprochen werden soll. Die Verwendung des Wortes Mikroorganismen trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Vielzahl verschiedener Organismen aus verschiedenen Gattungen an der Besiedlung des Säugerdarms beteiligt sind (ROBINSON et al. 1984, BLEDAY et al. 1993, TANNOCK 2001, FANARO et al. 2003).

Die Anzahl der Mikroorganismen nimmt im Verlauf des Gastrointestinaltrakts von oral nach aboral stetig zu und beläuft sich bei Nutztieren wie dem Schwein auf einer Gesamtzahl von 1014 KBE im Darm. Im Vergleich zwischen den Darmabschnitten ist sie im Dickdarm mit 1012 KBE/g Ingesta am höchsten (GEDEK 1987). Die Gesamtheit der physiologischen Mikroorganismen setzt sich aus

400-500 Spezies zusammen, wobei die Angaben zu diesen Zahlen in der Literatur stark differieren (FULLER et al. 1978, ROBINSON et al. 1984, TANNOCK 2001). Neueste präliminäre Ergebnisse für den Menschen lassen allerdings eine sehr viel geringere Zahl von um die 100 Spezies mit einer extremen Diversität zwischen einzelnen Wirten vermuten (ABBOTT 2004). Jedes Individuum scheint somit eine ihm eigene physiologische Darmbesiedlung zu besitzen.

Sowohl bei Säugetieren als auch beim Menschen gehören die meisten Darmbakterien dem Genus Lactobacillus, Bifidobacteria und Bacteroides an (25 bzw. 30%) (FULLER et al. 1978, ROBINSON et al. 1984, SALMINEN et al. 1998). Als primäre Aufgabe der gastrointestinalen, mikrobiologischen „Mitbewohner” wird der Abbau von für den Wirt nicht oder nur schwer verdaulicher Kohlenhydrate (Cellulose, Hemizellulose, Oligosaccharide und Pektine) angesehen.

Sowohl beim Menschen als auch beim Schwein erfolgt der mikrobielle Abbau in erster Linie im Kolon. Die Produktion kurzkettiger Fettsäuren, besonders von Butyrat, sichert dabei die Energieversorgung der Enterotzyten ( SAVAGE 1977a, b, COATES 1980, FULLER 1989, GUARNER und MALAGELADA 2003,). Allerdings ist die Fermentation von Kohlenhydraten nicht auf den Dickdarm beschränkt. Insbesondere Hemizellulosen und Pektine werden zu einem nicht unerheblichen Anteil auch schon im Dünndarm mikrobiell verstoffwechselt (DROCHNER 1993). Andere Untersuchungen belegen eine beträchtliche Fermentation der Ingesta im terminalen Ileum (HOUDIJK 1998).

Neben der Fermentationsleistung synthetisieren einige Darmmikroorganismen B-Vitamine und Vitamin K (SALMINEN et al. 1998).

Außerdem sorgen sie für eine Stimulation und Regulation des intestinalen Immunsystems, unterstützen die orale Toleranz gegenüber Nahrungsantigenen und helfen, die Besiedlung des Darms mit pathogenen Mikroorganismen zu vermeiden (TLASKALOVA-HOGENOVA et al.

2004), indem beispielsweise die Anheftung pathogener Mikroorganismen durch von Kommensalen besetzte Anheftungsstellen erschwert wird. Des Weiteren bietet die Wechselwirkung (crosstalk) zwischen den physiologischen Darmbewohnern und der Mukosa des Wirts einen zusätzlichen Schutz (UMESAKI et al. 1997).

Alle genannten Eigenschaften unterstützen das intestinale Epithel maßgeblich in seiner Funktion als intestinale Barriere.

1.1.1 Darmmikroorganismen beim Schwein

Die mikrobielle Besiedlung des Schweinedarms beginnt unter der Geburt und setzt sich durch den nachfolgenden Kontakt mit der Sau und der Umgebung fort. Die Zusammensetzung der Bakterienspezies hängt dabei zu gleichen Teilen von der Besiedlung des Muttertieres zum Zeitpunkt der Geburt und den in der unmittelbaren Umwelt vorherrschenden Keimen ab (SMITH 1965, SCHULZE und BATHKE 1977, SCHULZE et al. 1980). Anders als menschliche Säuglinge, die zumindest in den Industrieländern meist in eine keimarme Umgebung hineingeboren werden, sind die Haussäugetiere sofort nach ihrer Geburt mit einer großen Menge an Keimen konfrontiert. Beim Schwein kommt es schon zwei Stunden nach der Geburt zur Besiedlung des Darms mit koliformen Keimen. Bereits nach 48 Stunden sind Laktobazillen und Clostridien vorhanden und es können strikte Anaerobier, wie z.B. Bacteroides Spezies nachgewiesen werden (DUCLUZEAU 1985, SWORDS et al. 1993). Die Bakteriendichte im Koloninhalt stabilisiert sich ausgehend von Sterilität bei der Geburt nach 12 Stunden auf 109-1010 koloniebildende Einheiten pro Gramm. Durch die veränderte Fütterung in Zusammenhang mit dem Absetzen erhöht sich der Anteil der Bacteroides Spezies als dominierenden Anaerobiern (SWORDS et al. 1993). Im Darm gesunder abgesetzter Schweine (Läufer) überwiegen jedoch die Laktobazillenspezies. Insbesondere Lactobacillus acidophilus, macht den größten Teil der bakteriellen Besiedlung aus. Außerdem sind im gesamten Magen-Darm-Trakt Streptokokken (Streptococcus bovis, Streptococcus fecalis und Streptococcus faecium) nachweisbar. Die größte Dichte findet sich im Ileum und im Dickdarm (GÄRTNER et al.

1973, KENWORTHY 1973). Im Vergleich zum menschlichen Darm, bei dem mit bis zu 90 % der Gesamtbakterienzahl Bacteroides-Spezies und Bifidobakterien vorherrschen (HAENEL 1969), finden sich diese beim Schwein nur zu einem geringen Anteil von ca. 1% (SCHULZE und BATHKE 1977). E. coli-Spezies tragen sowohl beim Schwein als auch beim Mensch mit 1-5% zur anzüchtbaren Stuhlflora bei ( SEELIGER und WERNER 1965, HAENEL 1969).

Neben den Bakterien beherbergt der Darm auch Hefen. SCHULZE und BATHKE (1977) konnten Hefen nur in geringen Mengen aus dem Magen und Dünndarm von Schweinen aber nicht aus dem Dickdarm isolieren.

1.1.2 Intestinale Barriere

Bei allen Säugetieren stellt der Darm die größte Fläche des Körpers dar, an der sich der Organismus mit der Außenwelt auseinandersetzen muss. Um pathogenen und potentiell schädlichen Einflüssen entgegenzuwirken, haben sich im Laufe der Evolution verschiedene Schutzmechanismen entwickelt. Die Gesamtheit dieser Schutzfunktionen im Darm wird als „intestinale Barriere“

bezeichnet. Sie besteht aus den luminalen und epithelialen physiologischen Darmmikroorganismen dem Epithel mit der Mukusschicht und Teilen des darmassoziierten Immunsystems (GALT).

Abb. 1 Intestinale Barriere

A =luminale und adhärente, kommensale Mikroorganismen des Darms, B = Mukusschicht, C = Epithelzellschicht, D = GALT

Die außerordentliche Bedeutung der kommensalen Mikroorganismen für die „intestinale Barriere“

wird deutlich, wenn keimfrei aufgezogene Tiere, deren Darm keine Mikroorganismen enthält, mit pathogenen Keimen konfrontiert werden. Es genügt dann schon eine geringe Konzentration von Pathogenen, um letale Infektionen zu verursachen. Dabei handelt es sich um Konzentrationen, bei denen konventionell gehaltene Tiere mit intakter Darmbesiedlung nicht oder nur sehr schwach erkranken (NARDI et al. 1989).

A B

C

D