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1.2 Probiotika

1.2.3 Anwendung in der Humanmedizin und Ernährung

Probiotika werden traditionsgemäß beim Menschen schon sehr viel länger eingesetzt als beim Tier.

Im Zuge der Antibiotikaentdeckung Ende des 19. Jahrhunderts gerieten die Anwendungsmöglichkeiten zum Teil wieder in Vergessenheit, und es wurde nur noch von wenigen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet geforscht. Nicht zuletzt durch das vermehrte Auftreten von Antibiotikaresistenzen in den letzten Jahren, der Häufung von Allergien, sowie der erhöhten Sensibilisierung der Bevölkerung für gesunde Ernährung und durch die wachsende Akzeptanz ganzheitlicher Heilmethoden, erfreuen sich Probiotika wieder wachsender Beliebtheit.

Ähnlich wie beim Tier werden probiotische Mikroorganismen beim Menschen häufiger in der Ernährung (1), in Form von Lebensmitteln oder Lebensmittelzusatzstoffen, als in der Therapie (2) von Erkrankungen eingesetzt. Sie unterliegen in diesen Fällen dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände-Gesetz (LMBG). Inzwischen beläuft sich der Markt probiotischer Lebensmittel auf einen weltweiten Umsatz von sechs Mil. US$ (ABBOTT 2004). Die Hersteller versprechen dabei eine positive Wirkung auf die Gesundheit und das Immunsystem.

(1) Die Verwendung von Nahrungsmitteln mit apathogenen Bakterien, besonders in Form fermentierter Milchprodukte, hat nicht nur in Europa eine lange Tradition. Dem Verzehr von Joghurt oder Sauermilch, bei denen die Beimpfung mit Bakterien ursprünglich nur zur Konservierung erfolgte, wurde mit der Zeit auch mehr und mehr ein gesundheitsfördernder Effekt

nachgesagt. Um diesen noch zu erweitern, setzt man seit dem letzten Jahrhundert diesen Lebensmitteln neben den klassischen Fermentationskulturen vielfach auch probiotische Keime zu.

Es handelt sich dabei hauptsächlich um Bakterien der Gattungen Bifidobacterium und Lactobacillus.

Leider gibt es kaum evidenzbasierte Studien über den Nutzen von probiotischen Lebensmitteln für die Gesundheit des Verbrauchers.

(2) Anders als in der Veterinärmedizin hat die Verwendung probiotischer Keime als Therapeutikum in der Humanmedizin in den letzen Jahren zugenommen. Die Anwendungen sind dabei vielfältig. Allerdings liegen nicht für alle Bereiche gesicherte, prospektive, klinische Studien vor.

Gesicherte Untersuchungen gibt es zu infektiösen Diarrhöen bei Kleinkindern (MCFARLAND et al. 1995, VANDERHOOF et al. 1999, SZAJEWSKA et al. 2001, SURAWICZ 2003), der Remmissionserhaltung von Colitis ulcerosa (KRUIS et al. 1997, REMBACKEN et al. 1999), der Behandlung von Pouchitis (GIONCHETTI et al. 2003) und der Allergievorsorge bei Säuglingen (MAJAMAA und ISOLAURI 1997, ROSENFELDT et al. 2003).

Behandlungserfolge bei akuten Diarrhöen werden durch Probiotika, insbesondere Lactobacillus rhamnosus GG (LGG) und Saccharomyces boulardii (SAB), hauptsächlich bei Säuglingen und Kleinkindern erzielt, also in einem Alter, in dem die Darmbarriere noch nicht voll entwickelt ist.

Auslöser dieser Diarrhöen sind häufig Rotavirus- und Antibiotika-induzierte Clostridium difficile Infektionen.

Prophylaktisch verringern Laktobazillen das Auftreten von Gastroenteritiden durch Rotaviren um 14,5% (SZAJEWSKA et al. 2001). Es wurde gezeigt, dass nicht etwa die Infektionsrate verringert wird, sondern seltener Krankheitssymptome auftreten (SZAJEWSKA et al. 2001, ROSENFELDT et al. 2002a, 2002b). Die Prävention von antibiotikaassoziierten Diarrhöen wird durch LGG um 18

% reduziert (VANDERHOOF et al. 1999). Ähnliche Ergebnisse werden mit SAB erzielt. Die positiven Effekte zeigen sich bei Einsatz von SAB besonders in der Substitutionstherapie mit zusätzlicher Antibiotikagabe (MCFARLAND et al. 1995, SURAWICZ et al. 2000, SURAWICZ 2003). Bei Erwachsenen sind die Ergebnisse zur positiven Wirkung von Probiotika gegen Durchfällen uneinheitlich. Allerdings senkt die Gabe von SAB die Diarrhöerate bei enteral ernährten Intensivpatienten (BLEICHNER et al. 1997).

prädestiniert sie geradezu für den Einsatz bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED).

Obwohl man noch kaum etwas über die Wirkungsmechanismen weiß, existieren insbesondere für die Remmissionserhaltung bei Colitis ulcerosa Studien, die dem probiotischen E. coli Stamm Nissle 1917 (EcN) die gleiche Wirksamkeit wie dem standardmäßig verwendeten Mesalazin bescheinigen (KRUIS et al. 1997, REMBACKEN et al. 1999, KRUIS et al. 2001). Eine andere Studie zeigt Evidenzen, dass auch ein Gemisch aus verschiedenen Laktobazillen- und Bakteroidesspezies (VSL#3) einen positiven Effekt bei der Remmissionserhaltung der Colitis ulcerosa hat (VENTURI et al. 1999).

Bei der Remissionserhaltung und Therapie des Morbus Crohn sind die Ergebnisse zur Wirksamkeit von Probiotika widersprüchlich (GUPTA et al. 2000, PRANTERA et al. 2002). Es gibt allerdings Anzeichen, dass Kinder mit mäßig ausgeprägtem Morbus Crohn von der Behandlung mit LGG profitieren (GUPTA et al. 2000).

Patienten mit therapierefraktärer Colitis ulcerosa oder Kolonkarzinom wird nach Proktokolektomie ein Pouch angelegt. Eine der häufigsten Komplikationen ist dabei eine rezidivierende Entzündung.

Patienten mit chronischer Pouchitis werden unter Anwendung von VSL#3 erfolgreich in Remission gehalten (GIONCHETTI et al. 2000, MIMURA et al. 2004). Außerdem konnte, wenn auch bisher nur für kleine Fallzahlen, gezeigt werden, dass VSL#3 die Inzidenz einer akuten Pouchitis post operationem verringert (GIONCHETTI et al. 2003).

Von Allergien sind insbesondere in den Industrieländern große Anteile der Bevölkerung betroffen, und die Inzidenz ist in den letzten Jahren deutlich steigend (KAY 2001a, 2001b). Besonders Kinder und Kleinkinder leiden immer häufiger an verschiedenen Formen allergischer Reaktionen. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Laktobazillen vor Allergien schützen können. So konnte gezeigt werden, dass LGG und Lactobacillus reuteri klinische Symptome und Laborparameter bei Kindern mit atopischer Dermatitis verbessern (MAJAMAA und ISOLAURI 1997, ROSENFELDT et al.

2003).

Wenn Mütter ante partum und die Säuglinge postnatal bzw. stillenden Mütter mit LGG behandelt wurden, konnte das Auftreten atopischer Ekzeme bei Kindern mit hohem familiärem Allergierisiko halbiert werden (KALLIOMAKI et al. 2001, KALLIOMAKI et al. 2003).

Die Prävention von Allergien oder rezidivierenden Infektionen konnte von anderen Untersuchern auch für die Behandlung mit einem apathogenen E. coli bestätigt werden (LODINOVA-ZADNIKOVA et al. 2003). Anzumerken ist, dass die allergieprophylaktische Wirkung nur eintritt,

wenn die Behandlung mit Probiotika in einem Alter erfolgt, in dem sich ein Gleichgewicht in der Darmbesiedlung noch nicht eingestellt hat. Werden die Probiotika erst an Teenager oder beim jungen Erwachsenen gegeben, lässt sich keine positive Wirkung mehr beobachten (HELIN et al.

2002). Außerdem ist die Verwendung lebender Bakterien von entscheidender Bedeutung, da oben genannte Effekte nur mit lebenden, nicht aber mit hitze-inaktivierten Bakterien erzielt werden können (KIRJAVAINEN et al. 2003).

Neben den Haupteinsatzbereichen der Probiotika in der Behandlung von Gastroenteritiden und Allergien gibt es auch erste Hinweise auf die Wirksamkeit beim Reizdarmsyndrom vom Diarrhöe-Typ (KIM et al. 2003). Eine positive Beeinflussung der Laktoseintoleranz (SALTZMAN et al.

1999) und der Stahlenenteritis (URBANCSEK et al. 2001) konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Für die Tumorprävention bei kolorektalen Karzinomen und die Cholesterinsenkung sind die Daten widersprüchlich (DE ROOS und KATAN 2000, HIRAYAMA und RAFTER 2000).