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Wie schon eingangs der Diskussion erwähnt, wurde ein Großteil der Untersuchungen zur Wirkung von EcN an Entzündungsmodellen mit Mäusen gemacht. Den meisten dieser Modelle liegen stark inflammatorische Pathomechanismen zu Grunde (HOCKERTZ 1997, SCHULTZ et al. 2004), weshalb sich die Ergebnisse nur schlecht auf weniger immunzelldominierte Infektionen, wie z.B.

ETEC-Infektionen, übertragen lassen. Außerdem sind Untersuchungen am Epithel und den epithelialen Immunmechanismen in diesen teilweise mit erheblicher Gewebsdestruktion einhergehenden Modellen nur schwer oder gar nicht möglich.

Deshalb wurde EcN im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit hinsichtlich seiner Wirkung bei bakteriellen Erkrankungen des Schweins näher charakterisiert. Dazu wurde eine Pilotstudie mit einem neuen Krankheitsmodell an abgesetzten Ferkeln durchgeführt, in dem der ETEC-Stamm E.

coli „Abbotstown“ eine sekretorische Diarrhöe induziert.

Methodendiskussion

Für diese Pilotstudie wurden je acht Ferkel (insgesamt 16 Tiere) aus den Würfen zweier Sauen verwendet. Die acht Ferkel des einen Wurfs wurden zehn Tage lang oral mit EcN behandelt (EcN+). Die acht Ferkel des anderen Wurfs blieben unbehandelt (EcN-). Nach dem Absetzen wurden je vier Tiere aus beiden Würfen (insgesamt acht) zusätzlich mit EcA infiziert (EcN+ EcA+

bzw. EcA+) und je vier Tiere (insgesamt acht) mit Placebo behandelt (EcN+ EcA- bzw. EcN-EcA-).

Da es sich bei diesem, in der Pilotstudie verwendeten Tiermodell, um ein neues Infektionsmodell handelt, sollen zunächst Methodik und Versuchsaufbau kurz diskutiert werden.

Die Applikation der EcN-Suspension erfolgte bei den Ferkeln nicht, wie für die Verabreichung von Bakterien üblich, per Magensonde, sondern direkt ins Maul. Eine tägliche Sondenverwendung hätte für die Tiere einen unnötigen Stressfaktor bedeutet. Die gesüßte EcN-Suspension wurde gut akzeptiert und von den Ferkeln bereitwillig aus der Spritze aufgenommen.

Die Tiere wurden immer paarweise im Abstand von einem Tag abgesetzt. Daraus ergab sich eine drei Tage längere Fütterungsdauer mit EcN für die letzten Tiere. Eine nach Absetzterminen gestaffelte Fütterung von EcN konnte nicht realisiert werden, weil die Wurfgeschwister der behandelten Tiere in diesem Fall den Keim über die Umwelt, in nicht kontrollierbarer Dosis aufgenommen hätten. Um eine konstante Dosierung zu gewährleisten, wurde deshalb mit der Fütterung von EcN bei allen Tieren zum gleichen Zeitpunkt begonnen.

Bei Ferkeln verändert sich das mukosale Immunsystem im Zusammenhang mit der post natalen Differenzierung in den ersten 14 Lebenstagen rapide. Die Differenzierung des Immunsystems hat sich in einem Alter von 21 Tagen aber soweit verlangsamt (BIANCHI et al. 1992), dass über einen Zeitraum von drei Tagen keine Unterschiede bezüglich des Immunstatus zu erwarten sind.

Die Gruppen können somit trotz eines geringen Altersunterschiedes der Tiere von bis zu drei Tagen, hinsichtlich der Entwicklung des Darmimmunsystems als homogen angesehen werden.

Die Fütterung von EcN schützt Absetzferkel vor einer EcA-induzierten Diarrhöe.

Die klinische Beurteilung der Ferkel erfolgte anhand von Gewichtsüberprüfung, des Verhaltens, der Futter- und Wasseraufnahme sowie der Verschmutzung des Afterbereichs und der Kotkonsistenz.

Das Durchschnittsgewicht der Ferkel war beim Absetzen in beiden Würfen homogen. Auch nach dem Absetzen und der Infektion mit EcA veränderte sich das Körpergewicht der Tiere kaum (Abb.

30a+b). Damit konnte der schon bei den Versuchen mit älteren Tiere fehlende Einfluss von EcN auf das Körpergewicht (siehe 3.1.1) ebenfalls bei Saugferkeln bestätigt werden (Abb. 30a+b). Eine direkte anabole Wirkung von EcN bei gesunden Tieren ist demnach unwahrscheinlich. Dieses Ergebnis deckt sich mit Überlegungen aus der Literatur, wonach Probiotika ihre anabolen Effekte nicht direkt sondern indirekt durch eine Verbesserung der Gesundheit erreichen, und damit verbunden zu einer konstanteren Leistung der Tiere beitragen (ROSEN 1992).

Einen weiteren Anteil der klinischen Bewertung bildeten das Verhalten, sowie die Futter- und Wasseraufnahme der Tiere. In allen drei Parametern unterschieden sich die untersuchten Tiere nicht.

Ferkel mit Diarrhöe aus der EcN-EcA+ Gruppe zeigten initial vier bis acht Stunden nach Infektion vor dem Einsetzen der Diarrhöe ein gedämpftes Verhalten, das sich mit Einsetzen des Durchfalls wieder normalisierte (Abb. 31). Dieser geringe Einfluss der EcA-Infektion auf das Allgemeinbefinden ist typisch für eine unkompliziert verlaufende ETEC-Infektion (KRSNIK et al.

1999). Auch in der Praxis leiden Ferkel in der Regel nicht an direkt durch E. coli hervorgerufenen Veränderungen, sondern an den Folgen der durch die Diarrhöe verursachten Exsikose (ROLLE und MAYR 2002).

Bei der Kotkonsistenz und der Verschmutzung der Afterregion fielen zwei Tiere der EcN–EcA+

Gruppe durch gelblichen, pastösen bis flüssigen Durchfall auf. Dies entsprach einem Anteil an Diarrhöe erkrankter Tiere von 50 %. In der EcN+EcA+ Gruppe gab es keine Anzeichen von Durchfall, ebenso wenig wie in den beiden EcA- Gruppen (Abb. 32a+b).

Diese Ergebnisse werden durch die Messungen des Wassergehaltes im Kot der Tiere bestätigt (Abb. 34). Das Fehlen einer Signifikanz bei der Erhöhung des Wassergehalts von Tieren der EcN-EcA+ Gruppe lässt sich darauf zurückführen, dass nur zwei der Tiere Durchfall und somit einen deutlich erhöhten Wassergehalt im Kot hatten, die beiden anderen Tiere aber unauffällig waren.

Es ergeben sich somit Hinweise, dass die prophylaktische Behandlung mit EcN zu einer verminderten Anfälligkeit von Ferkeln für EcA-bedingte Diarrhöen führt.

Die histologische Untersuchung EcA-infizierter Tiere ergab, wie für eine sekretorische Diarrhöe zu erwarten, kaum inflammatorische Veränderungen. Es fiel aber auf, dass EcN-EcA+ Tiere zu einer geringgradigen Zottenverkürzung und –fusion im Jejunum neigten. EcN verhinderte eine

Veränderung der Zotten bei EcA-Infektion. Das bei EcN-EcA+ Tieren gezeigte geringgradig vermehrte Vorkommen von Lymphozyten wurde durch EcN um die Hälfte verringert, und die bei EcN-EcA+ Ferkeln z.T. beobachteten leicht erhöhten Granulozytenzahlen fehlten bei EcN+EcA+

Tieren völlig (siehe 3.2.1.5).

Ob EcN ursächlich die Gewebsinfiltration verringert oder durch Verdrängung des pathogenen Keims indirekt die morphologischen Veränderungen einschränkt, bleibt zu klären. Eine Herunterregulierung der intestinalen Immunreaktion im Zusammenhang mit der Abwehr eines pathogenen Keims ist allerdings unwahrscheinlich, da kontraproduktiv.

Wahrscheinlicher ist eine Verdrängung von EcA durch EcN auf Grundlage des Konkurrenzprinzips.

Auch ein Einfluss auf mechanische und immunologische Abwehrmechanismen des intestinalen Epithels der Ferkel ist denkbar. In der histologischen Untersuchung fand sich bei zwei der EcN-gefütterten Tiere eine gering- bis mittelgradige, follikuläre und parafollikuläre Hyperplasie der Peyer’schen Platten, die bei keinem der nicht EcN-gefütterten Tiere beobachtet wurde. Ob die gemachten Beobachtungen ein Hinweis auf eine immunmodulatorische Wirkung von EcN im Darm von EcA-infizierten Ferkeln sind, müssen weitere Untersuchungen klären.

EcN führt zu einer verminderten Ausscheidung von EcA bei infizierten Ferkeln.

Um eine Beeinträchtigung der Darmgesundheit der Versuchstiere durch andere pathogene Erreger als EcA ausschließen zu können, wurden alle Tiere mit praxisüblichen Methoden mikrobiologisch untersucht. Alle untersuchten Ferkel waren frei von klassischen porcinen Enteritiserregern wie Lawsonia intracellularis, Brachyspira hyodysenteriae oder Salmonellen, die die Interpretation der Ergebnisse hätten beeinträchtigen können. Die bei einigen EcN+ Tieren nachgewiesenen E. coli wiesen keine Virulenzfaktoren auf. Einzig der hochgradige Clostridienbefall eines der EcN+EcA+

Tiere stellte ein Problem dar. Da dieses Tier aber keinerlei Auffälligkeiten im Vergleich mit den anderen Gruppenangehörigen zeigte, gab es keinen Grund, es aus der Studie auszuschließen.

Am Versuchsende konnte EcA bei allen EcN-EcA+ Tieren aus dem Darm nachgewiesen werden.

Bei EcN+EcA+ Tieren gelang der Nachweis von EcA nur bei zwei Tieren. Die Placebokontrollen waren alle EcA-negativ (Tab. 11).

Die Untersuchung auf EcN ergab bei allen nicht EcN-gefütterten Tiere einen negativen Kotbefund.

Es konnte aber auch im Kot von fünf der acht EcN-gefütterten Tiere bei Versuchende kein EcN nachgewiesen werden.

Es ist bekannt, dass die Verabreichung von EcN an noch nicht besiedelte humane Neugeborene zu einer unterschiedlich lang anhaltenden Kolonisation führen kann (LODINOVA-ZADNIKOVA und SONNENBORN 1997). Dies gilt jedoch nur für Kinder, die direkt nach der Geburt mit EcN besiedelt wurden. Die EcN-Fütterung der Ferkel begann am 11. Lebenstag. Zu diesem Zeitpunkt ist der Darm bereits mit Bakterien besiedelt, was beim Schwein auf Grund der keimreichen Umgebung innerhalb der ersten Stunden bis wenige Tage nach der Geburt erfolgt (SCHULZE et al. 1980). Eine dauerhafte Besiedlung des Darms durch EcN ist also zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erwarten.

Dass EcN generell nach Fütterung im Kot von Schweinen nachweisbar ist, zeigen die Ergebnisse der drei EcN-positiven Tiere (Tab. 11) und die Ergebnisse aus dem Versuch mit konventionell gehaltenen Schweinen (Tab. 9). Bei letzteren wurde EcN allerdings zweimal am Tag verabreicht, so dass die letzte Applikation zum Zeitpunkt der Probenentnahme am Schlachttermin erst maximal 12 Stunden zurücklag. Bei den Ferkeln waren es auf Grund der täglich nur einmal stattfindenden Applikation 28 Stunden. Ferkel haben mit einer Dauer von 16 Stunden eine kurze Darmpassage. Es ist somit wahrscheinlich, dass EcN lediglich zum Zeitpunkt der Probennahme bei einigen Tieren nicht mehr in ausreichender Konzentration im Kot vorhanden war, um es erfolgreich zu detektieren.

Für eine erfolgreiche Behandlung mit EcN sprechen außerdem die drei EcN-positiven Tiere und die deutlich positive Wirkung auf die Durchfallsymptomatik sowie die Histologieergebnisse.

Bei weiteren Versuchen sollte aber dazu übergegangen werden, zusätzliche Kotproben während des Versuchsverlaufs zu nehmen, um Aussagen über die Kinetik von EcN im Darm der Versuchstiere machen zu können. Unter Umständen könnte eine zweimalige EcN-Applikation pro Ferkel und Tag die positiven Effekte von EcN noch verstärken.

Beim Vergleich der Nachweise von EcN und EcA im Kot fällt auf, dass genau die Tiere der EcN+EcA+ Gruppe kein EcN im Kot haben, bei denen EcA nachgewiesen wurde und umgekehrt (Tab. 11). Eine große Anzahl an EcN im Darm könnte demnach den pathogenen Keim verdrängen.

Eine Verringerung der Anzahl pathogener Keime durch EcN wurde von LODINOVA-ZADNIKOVA et al. (1997) schon für Säuglinge beschrieben. Auch andere probiotische Mikroorganismen verringern die Zahl an pathogenen Erregern wie EPEC (DAI und WALKER 1998) und Rotaviren (GAON et al. 2003) im Stuhl von Kindern.

EcN beeinflusst die Plasma-IgA-Konzentration, zeigt jedoch keinen Einfluss auf die intestinale, luminale IgA-Konzentration bei EcA-infizierten Schweinen.

IgA ist das wichtigste Immunglobulinmolekül zum Schutz mukosaler Oberflächen. Es wird als sekretorisches IgA (sIgA) in Form eines Dimers sezerniert. IgA kommt aber auch im Blut vor. Dort liegt es fast ausschließlich als Monomer vor (siehe 1.5.2.2). Etwa 31% des im Blut vorkommenden IgAs wird im Darm gebildet (VAERMAN et al. 1997).

Bei den untersuchten Schweinen des Infektionsmodells wurden der Serum-IgA-Wert und die luminale IgA-Konzentration bestimmt. Da Nachweismethoden zur Bestimmung absoluter Konzentrationen für porcines IgA nicht zur Verfügung standen, konnten mit der verfügbaren Methode nur relative Werte ermittelt werden. Diese Werte erlaubten einen Vergleich nur zwischen den Gruppen des vorliegenden Versuchs. Ein Vergleich mit Werten anderer Arbeitsgruppen war nicht möglich (siehe 3.2.1.4).

Die Konzentration des Plasma-IgAs unterschied sich nicht zwischen den EcA-infizierten und den Placebo-behandelten Tieren derselben EcN-Fütterungsgruppe. Demgegenüber war der Plasma-IgA-Gehalt der EcN+EcA+ Tiere deutlich niedriger als der Plasma-IgA-Plasma-IgA-Gehalt der EcN-EcA+ Tiere.

Zwischen den Placebo-behandelten Tieren der beiden EcN-Fütterungsgruppen ergab sich kein Unterschied für den IgA-Gehalt im Plasma (Abb. 36).

Beim luminalen IgA-Gehalt konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden (Abb. 35).

Die Ergebnisse für den Plasma-IgA-Gehalt bei den nicht EcA-infizierten Ferkeln stehen im Einklang mit denen für humane Säuglinge unter der Behandlung mit EcN (CUKROWSKA et al.

2002). Hingegen erscheint das Absinken der IgA-Plasmakonzentration EcN+EcA+ Tiere gegenüber der IgA-Plasmakonzentration von EcN-EcA+ Tieren zunächst paradox. Eine Erklärungsmöglichkeit besteht darin, dass das normalerweise aus dem Darmgewebe ins Blut abgegebene IgA (bis zu 31%) an Ort und Stelle zur Abwehr von EcA benötigt wird, und deshalb für das Plasma nicht mehr zur Verfügung steht. Es müsste dann im Darmgewebe vorhanden sein, da sich der luminale Gehalt an IgA nicht erhöht (Abb.35).

Bei Untersuchungen an humanen Neugeborenen führt die Gabe von E. coli O83, einem apathogenen Stamm mit probiotischen Eigenschaften, anders als die Applikation von EcN im vorliegenden Versuch, zu einer Erhöhung von IgA sowohl im Serum als auch im Stuhlfiltrat (LODINOVA-ZADNIKOVA et al. 1991). Verschiedene E. coli Stämme scheinen demnach in

unterschiedlichem Maße zur Aktivierung der IgA-Produktion in der Lage zu sein.

Fazit für die Infektionsversuche mit und ohne EcN

Im zweiten Teil der Arbeit konnte anhand einer Pilotstudie gezeigt werden, dass E. coli Nissle 1917 Ferkel zum Zeitpunkt des Absetzens vor einer EcA-induzierten Diarrhöe zu schützen vermag. Die Mechanismen, mit deren Hilfe EcN diesen positiven Effekt erzielt, sollten Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein.