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2.5.1 Eigenschaften und Funktion von S100A8 und S100A9

S100A8 (Calgranulin A) und S100A9 (Calgranulin B) gehören zur S100-Familie der Ca2+-bindenden Proteine. Obwohl beide Proteine keine migrationshemmenden Funktionen aufweisen, werden sie auch MRP8 und MRP14 (migration inhibitory factor (MIF)-related proteins-8 and 14) genannt (KERKHOFF et al. 1998). Beide kommen hauptsächlich im Zytoplasma von Granulozyten und Monozyten, aber auch extrazellulär vor. S100A8 ist in der Lage, Heterodimere mit S100A9 zu formen und einen S100A8/A9-Proteinkomplex zu bilden. S100A8 werden chemotaktische Eigenschaften zugeschrieben (SCHÄFER et al. 1996). S100A8 und S100A9 wurden zuerst bei der Zystischen Fibrose (cystic fibrosis, CF) entdeckt. Aufgrund der chemotaktischen Funktion von S100A8 wird angenommen, dass S100A8 und S100A9 eine Rolle bei der chronischen Entzündung spielen, die die CF begleitet (SCHÄFER et al. 1996; KERKHOFF et al. 1998). Beide S100-Proteine werden als Marker für Phagozyten verwendet. Es gibt viele Hypothesen, allerdings bleibt die exakte Funktion dieser Proteine bisher weitestgehend unbekannt (KERKHOFF et al.

1998). Die C-terminale Region des humanen S100A9 zeigt eine Sequenzhomologie mit einem Faktor, der eine Immobilisierungsaktivität für neutrophile Granulozyten besitzt (EDGEWORTH et al. 1989). Die S100-Proteine A8 und A9 sind hauptsächlich im Zytoplasma lokalisiert. Ein Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration führt zu einer Translokalisation zu Zytoskelettkomponenten und zur Plasmamembran (BAUDIER u. COLE 1988; ROTH et al. 1993). S100A8 und S100A9 können unabhängig voneinander mit der Zellmembran und Vimentin, einem Typ 3-Intermediärfilament, interagieren. Die Ca2+-abhängige Neuorganisation der Intermediärfilamente spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von Phagozyten

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(STEINERT u. ROOP 1988). Beide Proteine sind in der Lage, die Caseinkinasen I und II zu hemmen, um mit Komponenten des Zytoskeletts zu interagieren (MURAO et al. 1989; ROTH et al. 1993). Dadurch können sie antimikrobielle Eigenschaften entfalten (KERKHOFF et al. 1998). Phagozyten, die S100A8 und S100A9 exprimieren, gehören zu den Entzündungszellen, die akute Entzündungsprozesse dominieren (ZWADLO et al. 1988; KERKHOFF et al. 1998). S100A8- und S100A9-exprimierende Phagozyten werden bei einer großen Vielfalt unterschiedlicher, entzündlicher Krankheitsbilder wie rheumatoide Arthritis, Allotransplantat-Abstoßungen, verschiedenen idiopathischen Darmerkrankungen, Sarkoidose und chronischer Bronchitis beobachtet (RUGTVEIT et al. 1994). Wie andere S100-Proteine werden S100A8 und S100A9 auf eine gewebe- und zellspezifische Weise exprimiert (KERKHOFF et al. 1998). Verschiedene Studien haben gezeigt, dass S100A8 und S100A9 bei entzündlichen Erkrankungen unabhängig voneinander exprimiert werden. Die Expressionsmuster sind abhängig von akuten und chronischen Entzündungssituationen (ODINK et al. 1987; ZWADLO et al. 1988;

SUNDERKÖTTER et al. 1991). S100A8/A9 sind charakteristisch für entzündliche Veränderungen, fungieren als chemotaktische Moleküle und werden von neutrophilen Granulozyten, aktivierten Monozyten und von Makrophagen exprimiert (ODINK et al. 1987; ROTH et al. 1993; GEBHARDT et al. 2006). ZWADLO et al.

(1988) und ROTH et al. (1993) beschreiben, dass eine Expression von S100A8 und S100A9 auf die frühe Phase der Differenzierung myeloischer Stammzellen beschränkt sein müsse, da diese Proteine nur in zirkulierenden Granulozyten und Monozyten, nicht aber in Gewebemakrophagen vorkommen. ODINK et al. (1987) finden heraus, dass Makrophagen bei akuten Entzündungen S100A9, aber nicht S100A8 exprimieren. Bei chronischen Entzündungen exprimieren infiltrierende Makrophagen hingegen beide S100-Proteine. AGUIAR-PASSETI et al. (1997) identifizieren S100A9 als einen Makrophagen-Deaktivierungs-Faktor, der von epitheloiden Makrophagen freigesetzt wird und einen respiratory burst von Makrophagen, die durch Mykobakterien aktiviert worden sind, hemmen kann. Der Mechanismus ist bisher allerdings unklar.

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2.5.1.1 S100A8 und S100A9 im Respirationstrakt bei Pneumopathien

S100A8 und S100A9 werden von polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten (polymorphonuclear neutrophils, PMN), Monozyten und Makrophagen in den verschiedenen Phasen der Entzündung freigesetzt (ODINK et al. 1987;

PECHKOVSKY et al. 2000; GEBHARDT et al. 2006).

In der gesunden Lunge des Menschen finden ZWADLO et al. (1988) S100A9 in den Gefäßlumina. In den ortsständigen Gewebemakrophagen von Lunge, Haut, Leber, Plazenta und Synovialis kann beim Menschen mittels IHC keine Expression von S100A8/A9-Proteinen festgestellt werden (ZWADLO et al. 1988). In Fremdkörpergranulomen, bei Erythema nodosum und Bartonellose beschreiben DELABIE et al. (1990) eine Expression von S100A8 und S100A9 in Histiozyten, epitheloiden Makrophagen und mehrkernigen Riesenzellen mittels IHC in Granulomen der Haut und des Lymphknotens. In Lungengranulomen, die durch eine Sarkoidose oder Tuberkulose verursacht worden sind, finden die Autoren eine starke Expression für S100A9. Ausschließlich die Histiozyten, die die Granulome umranden, sind positiv für beide S100-Proteine. Eine Färbung für S100A8 ist in anderen Zellen dieser Granulome schwach oder nicht vorhanden. In Alveolarmakrophagen in der BAL-Flüssigkeit von Patienten mit klinisch diagnostizierter Pneumonie ermitteln BÜHLING et al. (2000) per Druchflusszytometrie ein signifikant erhöhtes Vorkommen des MRP8/MRP14-Antigenkomplexes im Vergleich zu Patienten mit interstitieller Pneumonie oder einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung. Die Expression von isoliertem MRP8 und MRP14 unterscheidet sich nicht signifikant zwischen den drei Patientengruppen. AHMAD et al. (2003) stimulieren humane Epithelzellen der Atemwege in vitro mit proinflammatorischen Molekülen wie TNF-α, IL-1β und LPS und können die Sekretion eines IL-8-stimulierenden, zytoplasmatischen Proteins feststellen, das identisch mit dem Heterodimer von S100A8/A9 ist. Nach einer Stimulation von humanen Bronchialepithelzellen in vitro mit LPS von Pseudomonas aeruginosa finden HENKE et al. (2006) eine Aufregulierung der mRNA von S100A8 und S100A9. Mittels ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) weisen PECHKOVSKY et al. (2000) erhöhte Mengen des MRP8/MRP14-Proteinkomplexes im Plasma von Patienten mit akuter, pulmonaler Tuberkulose nach. Bei Patienten mit

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Sarkoidose wird eine geringere Plasmakonzentration dieses Proteinkomplexes ermittelt. Eine Korrelation zwischen der MRP8/MRP14-Proteinkomplex-Plasmakonzentration, der Leukozytenzahl im Blut und der Zahl der PMN im Blut wird nicht festgestellt. LORENZ et al. (2007) untersuchen die Expression von S100A8 und S100A9 in der BAL-Flüssigkeit und im Sputum von Patienten mit CF, chronisch-obstruktiver Pneumonie (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) oder akuter, respiratorischer Insuffizienz (acute respiratory distress syndrome, ARDS) mittels ELISA. Die Autoren finden heraus, dass im Sputum und in der BAL-Flüssigkeit von Patienten mit CF und COPD eine höhere Konzentration vorliegt, als in der BAL-Flüssigkeit von ARDS-Patienten.

FLIGGER et al. (1999) untersuchen via IHC das Expressionsmuster von S100A8 und S100A9 bei Rindern mit nekrotisierender Bronchopneumonie, ausgelöst durch eine Infektion mit Arcanobacterium pyogenes oder Mannheimia haemolytica. Beide S100-Proteine werden in Zellen mit der Morphologie neutrophiler Granulozyten und Makrophagen exprimiert. Eine S100A8/A9-Expression wird zudem in den Zellen der Interalveolarsepten, in intraluminalen Zellen der Alveolarräume und der Luftwege sowie der Blut- und Lymphgefäße beschrieben. Degenerierende Leukozyten (Haferzellen, oat cells) in den Alveolarräumen weisen ebenfalls eine positive Reaktion für S100A8 und S100A9 auf. In Lungengewebeproben von Rindern, die eine durch Escherichia coli hervorgerufene Pneumonie mit hochgradiger Infiltration der Alveolarräume mit neutrophilen Granulozyten und Makrophagen aufweisen, verzeichnen die Autoren eine große Anzahl von Zellen, von der die Mehrheit S100A8 oder S100A9 exprimiert. Eine geringgradige Expression der S100-Proteine wird in Lungen von Kälbern mit akuter, interstitieller Pneumonie beobachtet (Kapitel 2.4.3 und Kapitel 2.4.4).

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