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2.1 Mykoplasmen

2.1.3 Mycoplasma bovis-Infektion des Rindes

HALE et al. (1962) gelang 1961 die Erstisolierung von M. bovis aus einem schweren Mastitisfall. Eine durch internationale Tiertransporte verstärkte Erregerstreuung in viele Länder, unter anderem nach Deutschland im Jahr 1977, wurde anschließend beschrieben und ging mit hohen, wirtschaftlichen Verlusten einher (NICHOLAS u.

AYLING 2003). Heute ist M. bovis die am weitesten verbreitete pathogene Mykoplasmenart in Europa und Nordamerika, die Mastitiden bei Milchvieh sowie Arthritiden und enzootische Pneumonien bei Kälbern und Jungrindern verursacht (GOURLAY et al. 1989; PFÜTZNER u. SACHSE 1996). M. bovis wird als primärer Wegbereiter für andere, bakterielle Keime wie Pasteurella multocida, Mannheimia haemolytica, Histophilus somni und Arcanobacterium pyogenes häufig übersehen, da eine Isolierung von M. bovis spezielle Nährmedien erfordert und dieser Erreger in der Routinediagnostik daher häufig nicht erfasst wird (ARCANGIOLI et al. 2007;

HEWICKER-TRAUTWEIN et al. 2003; NICHOLAS u. AYLING 2003). M. bovis gilt als streng wirtsspezifisch, wobei natürliche Infektionen sowohl bei Rindern, als auch bei Schafen nachgewiesen werden (PFÜTZNER u. SACHSE 1996). RODRĺGUEZ et al.

(2000) bechreiben zudem eine erfolgreiche, experimentelle Infektion bei Ziegen.

Bakteriologische Untersuchungen an klinisch gesunden Kälbern und Rindern haben

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gezeigt, dass M. bovis über Monate und Jahre im Respirationstrakt beherbergt werden kann und mit dem Nasenschleim ausgeschieden wird (PFÜTZNER u.

SACHSE 1996). Die Entstehung von Polyarthritiden bei Kälbern und Rindern ist auf eine hämatogene Streuung des Erregers infolge einer Bronchopneumonie zurückzuführen, weshalb ROMAVÁRY et al. (1979) für dieses Krankheitsbild die Bezeichnung „Pneumonie-Arthritis-Syndrom“ einführten. Außer Mastitiden, Pneumonien und Arthritiden zählen noch Orchitis, Vesikulitis, Endometritis, Salpingitis, Aborte, Retentio secundinarum, Keratokonjunktivitis, Otitis media, Meningitis und subkutane Dekubitalabszesse zu den Erkrankungen, die durch M. bovis ausgelöst werden können (ADEGBOYE et al. 1995; GOURLAY et al. 1989).

2.1.3.1 Infektion des Respirationstraktes

Die ersten klinischen Symptome einer respiratorischen Erkrankung treten zwischen der ersten und der dritten Lebenswoche auf und erreichen ihr Maximum nach zehn bis fünfzehn Tagen nach der Infektion. Die klinische Symptomatik ist gekennzeichnet durch Husten, Dyspnoe und Nasenausfluss unterschiedlicher Stärke. Fieber, Inappetenz und allgemeine Schwäche sowie Gewichtsverlust treten ebenfalls bei der Mehrzahl der erkrankten Tiere über mehrere Tage hinweg auf (BOCKLISCH et al.

1983; STIPKOVITS et al. 2000b).

Die in der Lunge von Kälbern im Rahmen einer spontanen oder experimentellen Infektion mit M. bovis beschriebenen Lungenläsionen variieren zwischen interstitiellen pneumonischen Veränderungen, katarrhalisch-eitrigen Bronchopneumonien bis hin zu schwerwiegenden Pneumonien, bei denen obliterierende Bronchiolitiden und multiple Nekroseherde im Lungenparenchym auftreten (THOMAS et al. 1975; GOURLAY et al. 1989; ADEGBOYE et al. 1995;

RODRÍGUEZ et al. 1996; HEWICKER-TRAUTWEIN et al. 2002; BUCHENAU 2003).

Bei der histologischen Untersuchung finden RODRĺGUEZ et al. (1996) exsudative Bronchopneumonien, von Entzündungszellen umgebene Koagulationsnekrosen und eitrige Bronchiolitiden. Die bronchiolären und alveolären Lumina sind mit einem purulenten Exsudat gefüllt, das Makrophagen, neutrophile Granulozyten und Zelldetritus enthält. Peribronchiolär verzeichnen RODRĺGUEZ et al. (1996) eine

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mononukleäre Zellinfiltration im Zusammenhang mit einer nekrotisierenden Bronchiolitis, die durch Infiltration des Bronchialepithels mit neutrophilen Granulozyten und Makrophagen gekennzeichnet ist. Die Alveolarsepten sind durch Ödeme und Entzündungszellinfiltrate verdickt, und in den Alveolarräumen finden sich Ansammlungen von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten. Die Koagulationsnekrosen sind zentral durch ein amorphes, eosinophiles Material gekennzeichnet, das von einem schmalen Saum aus zerfallenden Zellen und einem breiteren Saum aus Makrophagen und Plasmazellen umgeben wird. RODRĺGUEZ et al. (1996) beschreiben Makrophagen als die hauptsächlich beteiligten Entzündungszellen in den Alveolen des entzündlich veränderten Lungengewebes bei Kälbern nach Infektion mit M. bovis. ADEGBOYE et al. (1995) beschreiben in einer histologischen Studie durch M. bovis hervorgerufene Lungenveränderungen, die durch ödematisierte und mit Entzündungszellen infiltrierte Alveolarsepten, eine Füllung der Bronchiolen und der Alveolearräume mit zerfallenden, neutrophilen Granulozyten und Makrophagen sowie eine graduell unterschiedliche, peribronchioläre, lymphozytäre Hyperplasie charakterisiert sind. Multipel auftretende Abszesse mit zentralem, nekrotischem Material sind von einer pyogranulomatösen Entzündung und dichten Bindegewebswällen umgeben (ADEGBOYE et al. 1995).

KHODAKARAM-TAFTI u. LÓPEZ (2004) unterscheiden in einer histologischen Studie zwei unterschiedliche Nekrosetypen in Lungen von Kälbern mit natürlicher M. bovis-Infektion, die gleichzeitig in den Lungen der Tiere beobachtet wurden. Zum einen werden große, irreguläre Koagulationsnekrosen festgestellt, die von einem Saum aus zerfallenden, neutrophilen Granulozyten umgeben werden. Der zweite Nekrosetyp ist durch runde, verkäsende Areale, die aus granulärem, eosinophilem Material bestehen, charakterisiert. Diese Nekroseareale werden von einem Saum aus Granulationsgewebe umrandet. M. bovis-Antigen konnte in den Nekrosen, dem peribronchiolären lymphatischen Gewebe sowie in alveolären und interstitiellen Makrophagen immunhistochemisch nachgewiesen werden. KHODAKARAM-TAFTI u. LÓPEZ (2004) gehen davon aus, dass beide Nekrosetypen primär durch M. bovis verursacht werden, allerdings muss beim Vorliegen von Koagulationsnekrosen eine

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Koinfektion mit Mannheimia haemolytica und Histophilus somni differentialdiagnostisch berücksichtigt werden.

Bei Kälbern, die experimentell mit M. bovis-Stämmen infiziert wurden, konnten ähnliche klinische Symptome ausgelöst werden, wie sie bei einer natürlichen Infektion mit M. bovis beschrieben werden (GOURLAY et al. 1976; RODRĺGUEZ et al. 1996).

Die pathologisch-anatomischen Lungenveränderungen sind in der Studie von MARTIN et al. (1983) hauptsächlich durch eine Verfestigung des Lungenparenchyms der Spitzenlappen sowie der kranioventralen Anteile der Hauptlappen gekennzeichnet. Histologisch zeigen die Kälber dieser Studie ein überwiegend aus neutrophilen Granulozyten bestehendes Exsudat in den Bronchiallumina. Akzentuiert um die Bronchien wird eine interstitielle Pneumonie sowie eine Proliferation der Lymphfollikel des Bronchus-assoziierten lymphatischen Gewebes (BALT) verzeichnet. Tiere mit schwerwiegenderen Läsionen zeigen teilweise konfluierende, katarrhalisch-eitrige Bronchopneumonien, lobuläre eitrige Bronchopneumonien mit Tendenz zur Gewebseinschmelzung sowie fibrinöse Exsudationen und Abszessbildungen. In diesen Fällen werden außer M. bovis meist noch weitere Bakterien wie Mannheimia haemolytica aus den veränderten Lungenarealen isoliert.

HOWARD et al. (1983, 1987a,b) und STIPKOVITS et al. (2000a) können bei experimentell infizierten Kälbern Koagulationsnekrosen nachweisen, deren Zentrum von einem schmalen Saum zerfallender Zellen und einem breiteren Saum von mononukleären Entzündungszellen umschlossen wird. THOMAS et al. (1986) beschreiben gleichartige Nekrosen sowie große Nekroseareale mit Überresten von Alveolen und kleinen Bronchioli, die als „ghost lung structures“ bezeichnet werden.

Von den genannten Autoren wird eine unterschiedlich ausgeprägte Hyperplasie des BALT beschrieben. Umgibt das BALT die Bronchien oder Bronchioli vollständig, wird von einer cuff-Bildung gesprochen (BRYS et al. 1989; RODRĺGUEZ et al. 1996).

STIPKOVITS et al. (2000a) stellen außerdem mikroskopisch Zellverluste sowie degenerative Veränderungen zilientragender Bronchialepithelzellen bei experimentell mit M. bovis infizierten Kälbern fest.

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