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Herkunft

Perillaketon (1-(3- furyl)4-Methylpentaton) ist das wichtigste toxische Agens von Perilla frutescens. Diese Pflanze ist unter einer Reihe von Namen wie Perillaminze oder Beafsteakpflanze bekannt, kann bis zu 2 m groß werden und wird aufgrund der purpurfarbenen Tönung der reifen Blätter auch als Purpurminze bezeichnet. Ursprünglich stammt sie aus dem asiatischen Raum und gelangte von dort nach Nordamerika, wo sie vor allem im Osten und Südosten in der Nähe von Flüssen, in Schluchten und an Straßenrändern zu finden ist. Ihre Aufnahme führt bei Weidegängern, insbesondere bei Rind und Schaf, zu Atypischer Interstitieller Pneumonie (AIP), damit zu respiratorischer Insuffizienz und häufig auch zum Tod der Tiere (KERR et al., 1986). Neben Perilla frutescens existieren noch verwandte Spezies, die vor allem in Japan kommerziell genutzt werden. Unter anderem werden daraus Lebensmittelfarbstoffe, Tierfutter und Öl gewonnen. Die Blätter mancher Arten eignen sich zum Würzen von Speisen oder als Zusatz zu Japanischem Tabak (WILSON et al., 1977). Es finden sich in Perilla frutescens im Wesentlichen vier verschiedene toxische Inhaltsstoffe: 1-Perillaaldehyd, Perillaketon (PK), Egomaketon und Isoegomaketon. Bei Perillaketon, Egomaketon und Isoegomaketon handelt es sich um an Position 3 substituierte Furanringe, die chemisch mit 4-Ipomeanol verwandt sind. Isoegomaketon stellt das in den Blättern vorherrschende Furan im Frühsommer dar, während Perillaketon später in der Wachstumsperiode überwiegt (GARST u. WILSON, 1984).

Perillaketon im Tiermodell

Perillaketon wird in Tiermodellen für die Induktion nichtkardiogene r Lungenödeme und ARDS (GUERRY-FORCE et al., 1987; BERNARD et al., 1995; SNAPPER et al., 1998;

SNAPPER et al., 1999; HWANG et al., 2001) sowie für restriktive Lungenerkrankungen beim Pferd (BREEZE et al., 1984) eingesetzt. Dieser Zustand ist die Folge einer erheblichen mikrovaskulären Permeabilitätssteigerung in der Lunge, jedoch ohne Blutdruckveränderungen oder eine Erhöhung des Gefäßwiderstandes. Somit besitzt diese Substanz in Tiermodellen z. B. gegenüber E.-coli-LPS oder Ölsäure große Vorteile.

Pathohistologische Veränderungen

Bei Schafen konnten bereits 15 min nach Beginn der Applikation per infusionem Stauungen der Lungenkapillaren und nach 180 min Extravasation von Erythrozyten in das Interstitium und die Alveolarlumina beobachtet werden. Auch finden sich in den ersten 10 – 15 min eine Ödematisierung der Alveolarwände, später des Interstitiums und der Austritt von Ödemflüssigkeit in die Lumina. Nach 180 min können häufig auch perivaskuläre Ödeme mit Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten und mononukleären Zellen nachgewiesen werden, wobei die Margination der Neutrophilen schon in den ersten Minuten einsetzt, die Migration jedoch erst nach etwa 2 h stattfindet. Histologisch finden sich neben Ödemen und entzündlichen Infiltraten Schädigungen des Gefäßendothels und der Alveolarepithelzellen vom Typ I. Bei verendeten Weidetieren kann auch eine Proliferation von Alveolarepithelzellen vom Typ II nachgewiesen werden, die im Zuge regenerativer Prozesse die Alveolen säumen. Die makroskopischen Befunde bei PK-bedingten Veränderungen bestehen in einem deutlich erhöhten Organgewicht und Flüssigkeitsgehalt der explantierten Lunge mit erweiterten, ödematisierten interlobulären Septen und interstitiellem und bullösem Emphysem. Es zeigen sich Ödemflüssigkeit in Trachea und Bronchien und mitunter auch hämorrhagische Areale im Lungenparenchym (GUERRY-FORCE et al., 1988; KERR et al., 1986). Bemerkenswert ist, dass im Tierversuch mit Mäusen die Veränderungen bei Vergiftungen mit PK und 4-Ipomeanol nicht zu unterscheiden sind (BOYD et al., 1974).

Elektronenmikroskopische Veränderungen

Auch elektronenmikroskopisch kann im Tiermodell bereits innerhalb der ersten 15 min des Versuches Ödemflüssigkeit in den interstitiellen Räumen und den Alveolen nachgewiesen werden. In diesem Zeitraum fanden sich auch bereits erhebliche Schäden des Endothels mit einem Anstieg der Elektronendichte, mit Vesikelbildung, Vakuolisierung, Fragmentierung des Zytoplasmas, Verklumpung des Chromatins und manchmal Ablösung der Endothelzellen in alveolären Kapillaren. In Zusammenhang mit der entblößten Basalmembran zeigten sich häufig Plättchenaggregate. Auf Ebene der Kapillaren weisen die Perizyten ebenfalls eine erhöhte Elektronendichte auf, was auf eine Schädigung der gesamten Gefäßwand hinweist.

Nach 120 min zeigen sich ausgedehnte Schäden und Unterbrechungen des Endothels, vergesellschaftet mit intravaskulären Fibrinkonglomeraten. Im zum Endothel benachbarten

Interstitium können flockiger Debris, Erythrozyten und Fibrin beobachtet werden. Während die Endothelschäden immer mit einem interstitiellen Ödem vergesellschaftet sind, können zu sehr frühen Zeitpunkten auch Foci mit Ödemen ohne erkennbare Beeinträchtigung der Gefäße angetroffen werden. Später im Versuchsablauf findet sich auch eine Ablösung von Pneumozyten vom Typ I und die Alveolarräume in diesen Bereichen enthalten große Mengen an proteinreicher Flüssigkeit und Fibrin. Nach 180 min weist bereits etwa die Hälfte der gesamten Zellpopulation Schäden auf, während die Pneumozyten vom Typ II zu allen Zeitpunkten der Untersuchung unverändert zu sein scheinen. Betroffen sind auch die terminalen und respiratorischen Bronchioli. Nach 30 min können gelegentlich subepitheliale Ödeme beobachtet werden und fokal nichtziliertes Brochialepithel mit verminderter Elektronendichte und einer Dilatation des glatten und rauen endoplasmatischen Retikulums.

Funktionell äußern sich die Veränderungen letztlich in respiratorischer Insuffizienz, verminderter dynamischer Compliance und Hypoxämie. Zudem zeigt sich eine Abnahme der funktionellen Residualkapazität. Im Tierversuch lassen sich bei Kaninchen, Hunden und Schweinen auch Leberzelldegenerationen und -nekrosen nachweisen, Hunde können zusätzlich blutigen Durchfall zeigen und Schweine neurologische Symptome (GARST et al., 1985).

Wirkungsmechanismus

Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass 3-substituierte Furane durch pulmonale Cytochrom P450-Enzyme (CYP450) aktiviert werden müssen, um ihre toxische Wirkung zu entfalten (BOYD et al., 1978; DUTCHER u. BOYD, 1979; BOYD, 1980). GARST u.

WILSON (1984) beschreiben eine bemerkenswerte Beziehung zwischen dem Ausmaß der Schädigungen verschiedener Organe, wie Lunge, Leber und Niere, durch PK und deren Gehalt an Cytochrom P450. Auch soll ein Zusammenhang zwischen der Letalität und den Aktivitäten von CYP 450-Enzymen und der NADPH-Cytochrom C-Reduktase bestehen (KERR et al., 1986). Obwohl der genaue Wirkungsmechanismus noch nicht geklärt ist, stützen diese Ergebnisse die Hypothese, dass Perillaketon, ebenso wie das chemisch sehr ähnliche 4-Ipomeanol, durch das Cyp450-Enzymsystem erst metabolisch aktiviert werden muss. RIVANDRANATH et al. (1984) vermuten, dass Furane in diesem Zusammenhang nichtgesättigte Dialdehyde wie Acetylacrolein und Methylbutenedial bilden können, die unmittelbar vor Ort der Entstehung reagieren. Ein weiterer Hinweis auf eine metabolische

Aktivierung ist die Tatsache, dass sich bei Hühnern und Japanischen Wachteln, die keine CYP450-Aktivität in der Lunge besitzen, zwar Leberveränderungen finden, die Atemorgane jedoch unbeeinträchtigt bleiben (BOYD, 1977). In vitro-Versuche mit bovinen aortalen Endothelzellen führen zu anderen Ergebnissen (WATERS et al., 1993). Zwar hat eine Behandlung der Zellen mit PK ebenfalls eine deutliche Permeabilitätssteigerung des Monolayers zur Folge, ein Einsatz von Ketokonazol als CYP450-Inhibitor zeigt jedoch keine Wirkung, was ge gen eine Aktivierung der Substanz durch mikrosomale Monooxigenasen spricht. Es zeigen sich jedoch unter Einfluss von PK eine Zunahme interzellulärer Spalten, jedoch keine Zelluntergänge. Diese „Permeabilitätssteigerung“ ist nach Absetzten von PK reversibel. Bei der Betrachtung des Zytoskeletts weisen die Endothelzellen Unterbrechungen und Fragmentierung der Aktinfilamente auf und es finden sich Parakristalle. Als weitere mögliche Mechanismen werden unter anderem rezeptorvemittelte Effekte oder Unterbrechungen von Adhäsionsmolekülen zur Basalmembran diskutiert (WATERS et al., 1993).