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2 Literaturübersicht

2.4 Scrapie

2.4.3 Pathologie und Pathogenese

2.4.3.1 Pathogenese

Schafe infizieren sich unter natürlichen Bedingungen zum größten Teil durch orale Aufnahme des Erregers. Dabei ist die Empfänglichkeit abhängig vom Genotyp des Schafes und vom Scrapie-Stamm. Das enterische Nervensystem dient dem Erreger als Eintrittspforte ins Nervengewebe (VAN KEULEN et al. 1999). So kann bei genetisch hochempfänglichen Schafen (Genotypklasse G5), nach einer Infektion auf natürlichem Weg bereits im Alter von

fünf Monaten PrPSc im enterischen Nervengewebe des Duodenums und des Ileums immunhistochemisch nachgewiesen werden (VAN KEULEN et al. 2000; MCBRIDE et al.

2001).

Bei Schafen hat neben dem neuronalen Weg auch der Weg über das lymphatische System Bedeutung für die Erregerausbreitung. MCBRIDE et al. beschrieb 1992 erstmals den immunhistochemischen Nachweis von physiologischen Prion-Protein in nicht nervalem Gewebe von Mäusen. Physiologisches Prion-Protein fand sich auf follikulär dendritischen Zellen (FDC) der lymphatischen Follikel in der Milz, den Lymphknoten und den Peyer´schen Platten. Für die Ausbreitung des Erregers von der Peripherie wird PrPc exprimierendes Gewebe benötigt (BLATTLER et al. 1997).

Bei natürlich mit Scrapie infizierten, hochempfänglichen Schafen der Genotypklasse G5, kann PrPSc in Lymphfollikeln der Milz, der Tonsillen, der retropharyngealen Lymphknoten und in den mesenterialen Lymphknoten nachgewiesen werden. Hierbei ist die Anhäufung von PrPSc in den Tonsillen prozentual am höchsten (VAN KEULEN et al. 1996). Für die Überwindung der Schleimhautbarriere innerhalb des Magen-Darm-Traktes sind spezialisierte Epithelzellen, sogenannte M-Zellen, von entscheidender Bedeutung (PRESS et al. 2004).

Die Pathogenese der Scrapie bei hochempfänglichen Tieren (VRQ/VRQ) wird von VAN KEULEN (2002) in drei Phasen gegliedert. Dabei beschreibt er als Phase 1 das Vorkommen von PrPSc im GALT (gut-associated lymphoid tissue). Hierzu zählen Tonsillen, Peyer´sche Platten des kaudalen Jejunums und Ileums und die dazugehörenden drainierenden Lymphknoten wie die Lymphonodi retropharyngeales, Lnn. jejunales und Lnn. ileocaecales.

Phase 2 entspricht der Ausbreitung des Erregers vom GALT in lymphatisches Gewebe das nicht mit dem Magen-Darm-Trakt assoziiert ist. Ob bei dieser Verbreitung FDC und Makrophagen eine bedeutende Rolle spielen, ist nicht abschließend geklärt. Als Phase 3 wird die Neuroinvasion beschrieben, die ihren Anfang im enterischen Nervensystem nimmt, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum GALT steht. Von hier aus breitet sich der Erregers über sympathische und parasympathische, efferente Fasern des autonomen Nervensystems (Nervus vagus) retrograd weiter aus. Der Weg verläuft über das dorsale Motorneuron des Nervus vagus bis ins Rückenmark. Über entsprechende Fasern des Nervus splanchnicus gelangt der Erreger in die graue Substanz des thorakalen Rückenmarks. Es folgt die Invasion in die

Medulla oblongata und ins Gehirn. Von hieraus findet eine weitere, zentrifugale Ausbreitung über afferente Nervenfasern statt, so dass der Erreger auch nach Invasion ins zentrale Nervensystem in sensorischen Ganglien zu finden ist.

2.4.3.1.1 Rolle des Genotyps

Zahlreiche Studien geben Anlass zur Vermutung, dass die Pathogenese innerhalb der unterschiedlichen Genotypen in unterschiedlicher Weise verläuft. So konnte bislang die lymphatische Ausbreitung nur bei Schafen mit der höchsten Empfänglichkeitsstufe G5 nachgewiesen werden. Hier hat der Genotyp einen wesentlichen Einfluss auf die schnelle Erregerausbreitung über lymphatische Bahnen. Es wird angenommen, dass eine Erregerausbreitung über lymphatisches Gewebe bei Schafen des Genotyps VRQ/ARR nicht erfolgt (VAN KEULEN et al. 1996; ANDREOLETTI et al. 2000; HEGGEBO et al. 2003;

VAN KEULEN et al. 2000). Allerdings wird auch von zwei VRQ/ARQ Tieren berichtet, bei denen keine lymphatische Phase zu beobachten war (JEFFREY et al. 2002). Bei den von BENESTAD (2003) beschriebenen, am Scrapie-Stamm Nor98 erkrankten Schafen, die alle mindestens ein AHQ-Allel trugen, konnte ebenfalls kein PrPSc im lymphatischen Gewebe nachgewiesen werden. Des weiteren fand sich, bei den zwei in Deutschland identifizierten Scrapie-positiven ARR/ARR Schafen, kein Hinweis einer PrPSc-Akkumulation in lymphatischen Geweben (BUSCHMANN et al. 2004b). Hieraus kann geschlossen werden, dass bei Tieren, die ein ARR- oder AHQ-Allel tragen, das lymphatische System keine entscheidende Rolle in der Pathogenese dieser Tiere spielt. Bislang ist nur ein Fall beschrieben, bei dem PrPSc in den Peyer´schen Platten eines VRQ/ARR Tieres nachweisbar war (ERSDAL et al. 2003).

2.4.3.1.2 Weitere Einflüsse auf die Pathogenese

Die Beteiligung des lymphatischen Systems an der Pathogenese scheint darüber hinaus vom jeweiligen Erreger-Stamm abhängig zu sein, da bei BSE das lymphatische Gewebe offenbar nicht involviert ist (SOMERVILLE et al. 1997). Hinweise auf eine Stammabhängigkeit geben auch die Beschreibung der Nor98 Fälle sowie in Deutschland und Frankreich identifizierte atypische Scrapie-Formen (BUSCHMANN et al. 2004a, b).

Eine umfassende Darstellung der immunbiologischen Prozesse im Rahmen einer TSE-Erkrankung findet sich bei MABBOTT und BRUCE (2001). Follikulär dendritische Zellen spielen nachweislich eine große Rolle bei der Scrapie-Replikation, da ihr Fehlen bei transgenen Mäusen die Ablagerung von PrPSc im lymphatischen Gewebe und die folgende neuronale Ausbreitung stark beeinflusst. Diesbezüglich eine indirekte Bedeutung haben B-Lymphozyten, da sie für die Reifung und Ausdifferenzierung von FDC essentiell sind. Der Einfluss von Makrophagen scheint eher unbedeutend.

Bezüglich einer Erregerverbreitung über die Blutbahn lassen sich in der Literatur nur wenige aussagekräftige Hinweise finden. Bei natürlich infizierten Ziegen und Schafen ist ein Nachweis von TSE-Erregern im Blut nicht gelungen (HADLOW et al. 1980, 1982). Neuere Studien hierzu demonstrieren eine Scrapie-Übertragbarkeit mittels Bluttransfusion, und bestätigen so eine vorhandene Infektiösität im Blut (HUNTER et al. 2002). Es ist aber nicht bewiesen, dass eine Ausbreitung der Infektion von der Peripherie zum zentralen Nervensystem (ZNS) auf hämatogenem Wege stattfindet.

Letztlich wird deutlich, dass die Pathogenese der Scrapie noch längst nicht vollständig geklärt ist. Es bleibt auch fraglich, ob ein negativer Nachweis in bestimmten Geweben oder Körperflüssigkeiten nicht darauf zurückzuführen ist, dass die angewandten Untersuchungsmethoden nicht sensitiv genug sind, oder dass neben dem oralen Infektionsweg unter natürlichen Bedingungen auch noch andere Infektionswege in Frage kommen, die bestimmte Gewebeabschnitte im Rahmen der Pathogenese umgehen.

2.4.3.2 Histopathologie

Die histopathologischen Veränderungen beschränken sich auf das ZNS und hier vorwiegend auf die graue Substanz (FRASER 1976). Mikroskopisch fallen in der grauen Substanz des Stammhirns Zeichen einer neuronalen Degeneration in Form von Vakuolisierung auf. Die Vakuolen finden sich perineural, intraneural oder in der Nähe von Nervenzellen. Je nach Inkubations- bzw. Krankheitsstadium reichen die Läsionen in Thalamus, Medulla, Pons und Zwischenhirn von nur wenigen Vakuolen bis zu massiver Vakuolisierung. Man spricht dann vom Status spongiosus. Perineurale Vakuolation kann allerdings bei Schafen nicht als

Scrapie-typisches Merkmal angesehen werden, da es in geringerer Ausprägung auch bei gesunden Schafen auftreten kann. Weiterhin ist von Fällen berichtet worden, bei denen nach Infektion mit einem bestimmten Erregerstamm neuronale Vakuolenbildung lichtmikroskopisch nur sehr spärlich nachweisbar war. Das histologische Läsionsprofil wird bei Schafen nicht nur von dem Erregerstamm, sondern auch vom Genotyp des Prion-Protein-Gens und von weiteren, bislang undefinierten, individuellen Faktoren beeinflusst (BEGARA-MCGORUM et al. 2002, GONZALEZ et al. 2002; LIGIOS et al. 2002; JEFFREY u.

GONZALEZ 2004). Im Gegensatz zu Mäusen, ist daher bei befallenen Schafen eine Stamm-Typisierung ausschließlich anhand des Läsionsprofiles nicht möglich. Die Stammtypisierung anhand des Läsionsprofils im zentralen Nervensystem von Mäusen gilt als Goldstandard.

Neben der Vakuolenbildung sind häufig andere Formen der neuronalen Degeneration zu finden. Diese äußern sich in einzelnen dunklen, verdichteten Neuronen (HADLOW et al.

1982) und Nervenzellverlust, Astrozytose und Amyloidose. Im Experiment konnte anhand von Mäusen, die mit mausadaptierten Scrapie-Stämmen infiziert wurden, nachgewiesen werden, dass der neuronalen Degeneration eine Mikrogliaaktivierung vorausgeht (GIESE et al. 1998). Der Grad der histologischen Veränderungen im ZNS ist individuell variabel und lässt sich nicht unbedingt mit der klinischen Symptomatik in Einklang bringen (JEFFREY u.

GONZALEZ 2004).