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2 Literaturübersicht

2.4 Scrapie

2.4.4 Übertragbarkeit

Es sind verschiedene Übertragungswege für Scrapie bekannt. Ein permantentes Einschleppungsrisiko für Herden stellt der Handel mit lebenden Schafen und Ziegen aus endemischen Scrapie-Gebieten dar (PARRY 1983). Der Erreger wird sowohl vertikal als auch horizontal übertragen. Dabei spielt aus epidemiologischer Sicht wohl die maternale Übertragung auf die Lämmer, die sowohl prä-, peri-, als auch postnatal erfolgen kann, die größte Rolle. Die hohe Widerstandfähigkeit des Erregers lässt die indirekte Übertragung genauso bedeutend erscheinen wie die direkte Übertragung. Bereits in den 70er Jahren konnten damals durchgeführten Untersuchungen maternale als auch laterale Übertragbarkeit demonstrieren (DICKINSON 1976, DICKINSON et al. 1974). Gegenstand der

Untersuchungen waren Suffolk Schafe, die aus einer Herde mit hoher Scrapie-Inzidenz stammten und Scottish-Blackface Schafe, die aus einer Scrapie-freien Herde stammten. Beim gegenseitigen Austausch von Schafen aus beiden Gruppen, kam es zu Scrapie-infizierten Nachkommen in beiden Gruppen und es erkrankten Tiere aus der bis dahin Scrapie-freien Gruppe der Scottish-Blackface Schafe.

Scrapie-Übertragungsstudien, bei denen mittels Embryotransfer Nachkommen infizierter Muttertiere auf Scrapie-freie Ammenmütter übertragen wurden, geben Hinweise auf eine intrauterine Übertragung (FOSTER et al. 1992, 1996). Die ebenfalls bedeutende perinatale Übertragung kann durch den intensiven Kontakt mit infektiösem Fruchtwasser und Nachgeburtsteilen erfolgen (DETWILER 1992). Die Ausscheidung infektiöser Nachgeburten und Fruchtwässer und die damit einhergehende Kontamination der Umwelt sind wesentliche Faktoren der horizontalen Übertragung. Der Erregernachweis im Kot kann in direktem Zusammenhang mit der Aufnahme von infektiösen Nachgeburtsteilen stehen. Scrapie-kontaminierte Weiden, Stallböden und Pferche können jahrelang eine Infektionsquelle darstellen. Es konnte dargestellt werden, dass die Infektiösität im Erdboden unter günstigen Bedingungen auch noch nach drei Jahren nachweisbar ist (BROWN u. GAJDUSEK 1991).

Die Rolle der Heumilbe als belebter Übertragungsvektor für den Erreger wird diskutiert (WISNIEWSKI et al. 1996).

Experimentell konnte im Mausversuch weiterhin eine konjunktiviale Erregeraufnahme nachgewiesen werden. Daneben gelang eine Erregeraufnahme auch über Läsionen der Maulschleimhaut und der Zahnpulpa, mit wahrscheinlicher Erregerausbreitung über Fasern des Nervus trigeminus zum ZNS, unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes (SCOTT et al.

1993; INGROSSO et al. 1999).

Es sind zwei Fälle bekannt, bei denen eine iatrogene Übertragung durch die Anwendung eines kontaminierten Impfstoffes stattfand. In beiden Fällen wurde zur Impfstoffherstellung kontaminiertes Hirnmaterial von Schafen verarbeitet (ROBINSON 1996; CARAMELLI et al.

2001; ZANUSSO et al. 2003). Die Impfstoffe gegen Louping Ill in Schottland (1935) und gegen Mycoplasma agalactiae in Italien (1994-1997) führten zu einer erheblichen Erhöhung der Scrapie-Inzidenz in den betroffenen Regionen. Das Scrapie-Risiko war auch noch in den

Jahren 2002-2003 in gegen M. agalactiae geimpften italienischen Herden bis zu 40 mal höher als in ungeimpften (RU et al. 2004).

2.4.5 Atypische Scrapiefälle

Neben den hier vorab beschriebenen „klassischen Scrapie-Fällen“ wird seit der Einführung einer EU weiten, intensivierten Scrapie-Überwachung aus einigen Ländern auch von Entdeckungen sogenannter „atypischer Scrapie-Fälle“ berichtet (BENESTAD et al. 2003;

BUSCHMANN et al 2004a, b; ORGE et al. 2004). Diese Fälle unterscheiden sich von der klassischen Form durch unterschiedliche biochemische Eigenschaften sowie in der Erregerverteilung im Gehirn. Daher werden sie nicht von allen BSE-Schnelltestes eindeutig erkannt (BUSCHMANN et al. 2004a).

Bereits im Jahr 1998 wurde erstmals in Norwegen bei Schafen ein neuer Scrapie-Stamm diagnostiziert, der heute als Nor98 bezeichnet wird. An diesem Stamm erkrankte Tiere werden erst in einem außergewöhnlich hohen Durchschnittsalter von 6,5 Jahren klinisch auffällig mit den Hauptsymptomen Ataxie, Schreckhaftigkeit und Abmagerung. Typische klinische Symptome wie Juckreiz und Wollverlust konnten bislang nicht beobachtet werden.

Histopathologisch fehlt die typische Vakuolenbildung im Hirnstam. Dagegen sind Kleinhirnläsionen und Veränderungen in der Großhirnrinde deutlich ausgeprägt. Eine Akkumulation von PrPSc in lymphatischen Geweben konnte bislang nicht nachgewiesen werden (BENESTAD et al. 2003). Inzwischen gibt es Hinweise, dass für diese Scrapie-Form auch noch ein weiterer Polymorphismus an Position 141 des Prion-Protein-Gens bedeutsam ist (MOUM et al. 2004). Eine feste Verbindung der atypischen Scrapie-Formen zu bestimmten Genotypen wird nicht beschrieben, allerdings scheinen die Allele ARR und AHQ auffällig häufig vorzukommen. Der Erreger dieser Fälle zeichnet sich durch eine deutlich höhere Sensitivität gegenüber Proteinase K aus, und neben dem Stamm Nor98 wird eine weitere Form beschrieben, die durch ein anderes Molekulargewicht auffällt (BUSCHMANN et al. 2004a, b). Damit scheint es neben der klassischen Scrapie-Form mindestens zwei weitere unterschiedliche Scrapie-Phänotypen zu geben. Innerhalb des Zeitraums 2002-2004 konnten in Deutschland etwa 38% der Scrapie-positiven Fälle als atypisch diagnostiziert

werden. Im Gegensatz zu den klassischen Scrapie-Fällen war in den betroffenen Herden meist nur ein einzelnes Tier positiv (GRETZSCHEL et al. 2005).

In Bezug auf klinische Symptome wird im Zusammenhang mit „atypischen Scrapie-Fällen“

wiederholt vom Auftreten von Ataxien berichtet 1.

2.5 Diagnostik

Die Klinik der Traberkrankheit umfasst ein breites, relativ unspezifisches und von individuellen Aspekten geprägtes Spektrum an Symptomen. Klinisch kann daher nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden, in Bezug auf die lange Inkubationszeit ist das diagnostische Fenster sehr klein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines zuverlässigen Testsystems für derartige Verdachtsfälle.

Die zur Zeit angewandten Tests zur Bestätigung einer Prion-Erkrankung nutzen Gehirn-Material und sind nur post mortem anwendbar. Histopathologische Veränderungen, die sich zum Teil in typischen Läsionsprofilen darstellen, können eine Diagnosestellung ermöglichen, die aber nicht immer eindeutig ist (FRASER 1976). Wesentlich sensitiver sind immunhistochemische Verfahren. Mit diesen Verfahren wird das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines spezifischen Fragments von PrPSc (PrP 27-30) nach Proteinase K-Verdau überprüft. PrPSc ist bis heute, der einzige bekannte Marker für das Agens, das Prionerkrankungen auslöst.

Mittels Immunhistochemie und Immunoblot kann PrPSc bei Schafen mit empfänglichem Genotyp auch schon im präklinischen Stadium in Bioptaten aus lymphatischem Gewebe nachgewiesen werden (VAN KEULEN et al. 2000; ANDREOLETTI et al. 2000). Zum Nachweis von PrPSc im Hirngewebe eignen sich ebenfalls Enzym-gekoppelte-Immunoassays, sogenannte ELISA-Systeme. Eine weitere Methode ist der Infektionsversuch im Maus-Lebendtest (Maus-Bioassay). Hier können nach mehreren Mauspassagen auch unterschiedliche Scrapie-Stämme typisiert werden.