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2. Literaturübersicht

2.4 Pathogenitätsfaktoren

Um die Infektion eines Makroorganismus herbeizuführen, muss das Bakterium nach der Übertragung in den Körper eindringen, dort überleben und sich vermehren können. Dazu sind sowohl infektiöse Eigenschaften, wie zum Beispiel Kontagiosität, Tenazität oder Eindringvermögen, als auch die Fähigkeit, den Organismus zu schädigen, vonnöten. Für einen Enteritiserreger ist die Kolonisation des Darmtraktes das dringlichste Ziel, wozu Magen, Darmlumen, Mukusschicht und Epithelzellen durchquert werden müssen, um an der darunter liegenden Bürstensaummenbran anheften zu können. Erkenntnisse und Einblicke in den Infektionsablauf vermitteln dabei Untersuchungen an Infektionsmodellen, wie Maus, Ratte, Kaninchen (DEDIÉ et al. 1993) und Zelllinien.

Y. enterocolitica findet man besonders im Bereich des terminalen Ileums und proximalen Kolons, von wo der Erreger über die M-Zellen weiter in die Peyerschen Platten vordringt (BOTTONE 1997). Anheftung und Eindringen in die M-Zellen, die die Peyerschen Platten umgeben, wird dabei über ein plasmidkodiertes Membranprotein, YadA, das auch die Haftung im Mukus vermittelt, und zwei so genannte „entry proteins“, Ail und Inv, beides chromosomalkodierte Genprodukte, initiiert (ISBERG u. FALKOW 1985, MILLER u. FALKOW 1988, ISBERG u. LEONG 1990). Danach erfolgt die Infiltration der Peyerschen Platten mit einer weitaus stärkeren Kolonisation als die der umliegenden Epithelien (HANSKI et al. 1989). Die pathogenen Stämme, vor allem die hochvirulenten amerikanischen Serovare, vermehren sich dort extrazellulär, zerstören die histologische Struktur des lymphatischen Gewebes, sind teils resistent gegenüber Phagozytose und streuen in andere Organe, wie Leber, Milz und mesenteriale Lymphknoten, wo es zur Abszessbildung und je nach Infektionsdosis zum Tod des Tieres kommen kann (HANSKI et al. 1989, HEESEMANN 1990, GRÜTZKAU et al. 1993). Apathogene Yersinien passieren zwar auch die M-Zellen, werden jedoch, ohne die Peyerschen Platten zu zerstören, eliminiert (BOTTONE 1997).

Für Initiation und Ausbruch einer Infektion sind demnach verschiedene pathogene Eigenschaften des Erregers nötig, die die einzelnen Phasen unterstützen und dem Bakterium das Eindringen, Überleben und die Vermehrung im Wirt ermöglichen.

Diese Pathogenitäts- oder Virulenzeigenschaften lassen sich bei Y. enterocolitica in chromosomal- und plasmidkodierte Faktoren unterteilen (HEESEMANN 1990).

2.4.2 Chromosomalkodierte Pathogenitätsfaktoren

Zu den wichtigsten chromosomalen Genen für die Pathogenität gehören die bereits oben genannten Genorte für die „entry proteins“: Das inv- und ail-Gen.

Das inv-Gen codiert für ein 103 kDa großes Membranprotein, Invasin, das das Eindringen in die M-Zellen des Epithels der Peyerschen Platten durch Bindung an Integrine ermöglicht und damit die Infektion einleitet (ISBERG u. LEONG 1990).

Erstaunlich ist dies, da das Protein bei 37 °C und einem neutralen pH-Wert nur gering exprimiert wird. Doch konnten PEPE et al. (1994) in ihren Versuchen zeigen, dass eine Absenkung des pH-Wertes auf ungefähres Dünndarmniveau (pH-Wert 6) wieder zu einer maximalen Expression führt. Das inv-Gen besitzen alle Y. enterocolitica. Es kommt jedoch nur bei pathogenen Stämmen zur Transkription und Expression.

Das ail (attachment invasion locus)-Gen kodiert für ein 17 kDa großes Oberflächenprotein, das neben Anheftung und Invasion in die Zelle auch an der bakteriellen Serumresistenz beteiligt ist (BLISKA u. FALKOW 1992, PIERSON u.

FALKOW 1993). Es verhindert neben YadA (siehe Kapitel 4.3), möglicherweise durch die Bindung an einen Serumfaktor oder eine Komplement-Komponente, die Bildung eines Angriffkomplexes. PEPE et al. (1995) zeigten im Mausmodell, dass ail-Deletionsmutanten zwar auch in die Mukosa eindringen, dort aber innerhalb von zwei Tagen eliminiert werden. Eine maximale Expression findet bei 37 °C statt (MILLER u.

FALKOW 1988).

Ein weiterer chromosomalkodierter Faktor ist das yst-Gen, das für das hitzestabile Enterotoxin Yst kodiert (HEESEMANN 1990). Seine Beteiligung am Druchfallgeschehen wird noch diskutiert, da seine Expression bei Temperaturen

unter 30 °C stattfindet. MIKULSKIS et al. (1994) konnten allerdings zeigen, dass unter dem Ileum angepassten Bedingungen eine gute Synthese des Proteins erfolgt.

Eine genaue Klärung der Eigenschaften des yst-Gens bleibt abzuwarten. Das Gen besitzen pathogene Y. enterocolitica und einige Isolate von Y. kristensenii (DELOR et al. 1990).

Die Hauptkomponenten der Außenmembran gramnegativer Bakterien, die Lipopolysaccharide (LPS), sind ebenfalls chromosomal kodiert (HEESEMANN 1990).

Sie liegen je nach Temperatur in unterschiedlicher Struktur vor und gegen diese Strukturen werden Antikörper gebildet (BOTTONE 1997). Teile des LPS sind die bereits genannten und zur Serotypisierung verwendeten O-Antigene. Dieses sind Polysaccharidseitenketten, die für eine volle Virulenz des Erregers erforderlich und an der Resistenz gegenüber dem Abwehrsystems des Wirtes beteiligt sind (AL-HENDY et al. 1992).

Ein wichtiger Faktor bei der Vermehrung von Y. enterocolitica ist die Eisenversorgung. Die Aufnahme erfolgt über ein chromosomal kodiertes Eisenaufnahmesystem. Die Serotypen O:3, O:9, O: 5,27, O:1,2,3 und O:20 besitzen dafür einzig den membranständigen Rezeptor FyuA zur Aufnahme des Eisens (HEESEMANN 1990), während die hochpathogenen Stämme des Biovars 1B und der Serotypen O:8 und O:21 zusätzlich in der Lage sind, ein Siderophor bzw. ein Eisenkomplexon zu bilden. Dieses sogenannte Yersiniabactin wird sezerniert, bindet von eukaryontischen Molekülen gebundenes Eisen und wird über den Rezeptor wieder aufgenommen. Die hierfür verantwortliche Genregion scheint ein wichtiger Pathogenitätsfaktor der Biovar 1B-Stämme zu sein, denn der Gen-Transfer in weniger pathogene Stämme führt bei diesen zu einer starken Pathogenitätssteigerung (PELLUDAT et al. 2002).

Ein weiterer chromosomaler Genkomplex (ure) kodiert für das Enzym Urease (DE KONING-WARD et al. 1994). Dieses hydrolysiert Harnstoff zu Ammoniak und Kohlendioxid, wodurch es zum Anstieg des pH-Wertes und damit zur Alkalisierung und Erleichterung der Magenpassage kommt (DE KONING-WARD u. ROBINS-BROWNE 1995). Der pathogene Einfluss konnte durch eine Untersuchung am Nagermodell untermauert werden: GRIPENBERG-LERCHE et al. (2000)

beobachteten eine deutliche Virulenzabnahme bei Infektionen mit ureasenegativen Y.-enterocolitica-Mutanten.

2.4.3 Plasmidkodierte Pathogenitätsfaktoren

Weitere Gene für Virulenzfaktoren liegen auf einem ca. 70 kb großen Virulenzplasmid, pYV (plasmid for Yersinia virulence) (PORTNOY u. FALKOW 1981), dessen Verwandtschaftsgrad bei den verschiedenen Yersinia-Arten bei 50-90% liegt (HEESEMANN 1994). Es wurde bisher nur in pathogenen Yersinien gefunden.

Apathogene Y. enterocolitica und andere apathogene Yersinien besitzen kein Plasmid (SCHIEMANN u. DEVENISH 1982, SKURNIK et al. 1983, DEDIÉ et al.

1993). CORNELIS et al. (1998) konnten die Elimination der plasmidlosen Y. enterocolitica nachweisen. Bei der in-vitro-Vermehrung ist zu beachten, dass das Plasmid verloren gehen kann (BERCOVIER u. MOLLARET 1984, BOTTONE 1997).

Bedeutung hat dies vor allem für diagnostische Methoden, die auf plasmidkodierten Virulenzfaktoren beruhen.

pYV kodiert für eine Vielzahl löslicher Polypeptide, sogenannter „Yersinia outer proteins“ (Yops), und deren Typ III-Sekretionsapparat. Diesen Polypeptiden wird unter anderem Bedeutung bei der Phagozytose- und Serumresistenz sowie eine zytotoxische Funktion zugeschrieben (DEDIÉ et al. 1993). Die Transkription der Proteine ist temperatur- und calciumabhängig (37 °C, Calciumgehalt ≤10-4mol/l) (STRALEY et al. 1993).

Über das Sekretionssystem gelangen die Yops als Effektorproteine mit unterschiedlichen Funktionen in die Zelle und stören die Immunantwort des Wirtes (CORNELIS 2002a). Dies geschieht durch die Blockierung der Signalkaskaden in den Zielzellen. Dadurch wird die Reaktionsfähigkeit der Zelle gehemmt, Phagozytose und Antigenerkennung verhindert sowie die Apoptose der Abwehrzellen eingeleitet (CORNELIS 1998).

Zu den bislang entdeckten Yops gehören die vier Effektormoleküle YopE, YopH, YopO und YopT. Durch ihre Sezernierung ist eine Beeinträchtigung des Zytoskeletts infizierter Zellen nachgewiesen (CORNELIS 2002b). Dies führt zu einer starken

Phagozytoseresistenz der Yersinien gegenüber Makrophagen und polymorphkernigen Leukozyten (ROSQVIST et al. 1990, BLISKA u. BLACK 1995, VISSER et al. 1995, ANDERSON u. SCHNEEWIND 1999, GROSDENT et al. 2002).

Offensichtlich ist das Zusammenspiel dieser vier Yops entscheidend, denn bereits beim Fehlen nur eines Effektormoleküls ist eine weitaus wirkungsvollere Phagozytose der Bakterien durch die körpereigenen Abwehrzellen zu beobachten (GROSDENT et al. 2002).

Andere Yops, wie YopP und YopH, fördern das Überleben und die Ausbreitung der Yersinien durch ihre immunsuppressive Wirkung. Sie behindern die proinflammatorische Antwort in der Zielzelle, indem Produktion und Ausschüttung der Cytokine, Chemokine und Adhäsionsmoleküle vermindert werden (SCHULTE et al.

1996, BOLAND u. CORNELIS 1998, DENECKER et al. 2002).

Gemeinsam mit LcrV (Yersinia low-Ca2+ response V antigen), einem multifunktionellem Protein, sind YopB und YopD an der Ausbildung einer Pore und der Translokation der Effektormoleküle in die Zielzelle beteiligt (MARENNE et al.

2003, MUELLER et al. 2005).

Das ebenfalls plasmidcodierte YadA (Yersinia adhesion A) ist ein ca. 200 kDa großes Membranprotein, das wie die Yops nur bei 37 °C ausgebildet wird. Seine Expression ist allerdings calciumunabhängig. YadA spielt eine große Rolle als Adhäsin bei der Darmkolonisierung durch Bindung an den Bürstensaum der Darmzotten. Es ist aber schon vorab an der Adhärenz des Bakteriums im Mukus beteiligt (PAERREGAARD et al. 1991). Daneben trägt es zum Schutz vor dem Komplementbindungssystem und der Zerstörung durch neutrophile Granulozyten bei (RUCKDESCHEL et al. 1996). Im Mausmodell wurde nachgewiesen, dass die Ausschaltung von yadA zur Virulenzabnahme und zum Verlust der Phagozytoseresistenz und Überlebensfähigkeit im Serum führt (HEESEMANN 1990).

Die gleichfalls YadA-assoziierte Eigenschaft zur Autoagglutination wird gern zum einfachen Nachweis des Virulenzplasmids in der Diagnostik genutzt (LAIRD u.

CAVANAUGH 1980), genau wie die Fähigkeiten, Farbstoffe, wie Kongorot (PRPIC et al. 1983) und Kristallviolett (BHADURI et al. 1987), zu binden.