• Keine Ergebnisse gefunden

Infektionsquellen, Einflussfaktoren und Bedeutung der Sauen

5. Diskussion

5.2 Diskussion der Ergebnisse

5.2.2 Infektionsquellen, Einflussfaktoren und Bedeutung der Sauen

Untersuchungen zum Vorkommen von Y. enterocolitica bei Zuchtsauen wurden bislang selten beschrieben. KORTE et al. (2004) untersuchten auf sieben Schlachthöfen in Finnland Tonsillen von Sauen und Mastschweinen und konnten in 14% der Sauen und 56% der Mastschweine humanpathogene yadA-positive Y. enterocolitica nachweisen. Die Prävalenz bei den Sauen variierte dabei je nach Schlachthof zwischen 0% und 30%. Die Autoren schlossen daraus, dass Sauen eine bedeutende Infektions- und Kontaminationsquelle innerhalb von Schweinebeständen sein könnten.

Diese Vermutung kann durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Obwohl 11 der 13 hier untersuchten Sauen serologisch Y.-enterocolitica-positiv waren, eine Infektion also stattgefunden haben musste, konnte zu keinem der beiden Beprobungszeitpunkte Y. enterocolitica aus Tonsillentupfern oder Kotproben isoliert werden. Das Vorhandensein von Antikörpern weist lediglich auf eine vorangegangene Infektion hin, der Zeitpunkt der Immunisierung ist anhand der Antikörperaktivitäten jedoch nicht zu bestimmen. Beim Menschen sind nach einer Erstinfektion teils über Jahre hinweg erhöhte spezifische IgG-, IgA- und IgM-Titer nachweisbar, vermutlich bedingt durch den für

Y. enterocolitica typischen Rückzug in langlebiges Gewebe, wie dem GALT, und der daraus resultierenden andauernden Stimulation des Immunsystems (HOOGKAMP-KORSTANJE et al. 1992). Beim Kaninchen wird von IgG-Antikörpern noch 15 Monate p. inf. berichtet (HEESEMANN et al. 1987). Studien zum langfristigen Antikörperverlauf beim Schwein liegen nicht vor.

Ähnlich wie in dieser Arbeit konnte in einer Studie in deutschen Zucht- und Mastbetrieben bei Verlaufsuntersuchungen im Kot säugender Sauen Y. enterocolitica nicht nachgewiesen werden (GÜRTLER et al. 2005, KASIMIR 2005).

Übereinstimmend mit den vorliegenden Ergebnissen konnte KASIMIR (2005) Y. enterocolitica weder aus 35 Tonsillentupfern von sieben Tage alte Ferkeln noch aus dem Kot der zugehörigen fünf Muttersauen isolieren.

FUKUSHIMA et al. (1983) konnten in fünf untersuchten Betrieben bei zwei von insgesamt 26 untersuchten Sauen den Erreger im Kot nachweisen. Da die Nachweise bei den Ferkeln jedoch erst nach Absetzen und Umstallen in teils kontaminierte Buchten einsetzten, sahen sie nicht die Sauen, sondern die kontaminierte Umgebung und das Umgruppieren und Zusammenstellen der Ferkel als wichtige Faktoren für die Verbreitung der Infektion an. Auch WINGSTRAND und NIELSEN (1996) kamen in ihren Untersuchungen zu ähnlichen Schlussfolgerungen, da keine der Altsauen den Erreger nachweislich ausschied, jedoch bis zu 46% der Mastschweine kurz vor der Schlachtung.

Bei Untersuchungen in niedersächsischen Schweinemastbeständen kamen VON ALTROCK et al. (2006) auf Nachweisraten von 3,4% in Umgebungsproben und maßen der Infektion über die Umwelt darum nur eine untergeordnete Rolle bei. Eine kanadische Studie (PILON et al. 2000) wies Y. enterocolitica in 17 (0,6%) von 1944 Umgebungsproben nach und hielt die Umgebung deshalb ebenfalls nicht für die primäre Infektionsquelle. Da auf jedem Betrieb auch nur jeweils ein Genotyp über die beobachteten sechs Monate isoliert wurde, sprachen sie externen Erregerquellen nur eine minimale Bedeutung zu.

Andere Studien sehen die Umgebung und, vor allem in Mastbetrieben, den Zukauf aus unterschiedlichen Beständen und damit den Erregereintrag von außen als auslösende Faktoren für eine Infektion der Tiere im Bestand an (SKJERVE et al.

1998, NESBAKKEN et al. 2003, VILAR et al. 2013). Im untersuchten Betrieb fand jedoch eine Remontierung aus der eigenen Nachzucht statt, so dass Tierzukäufe als Eintragsquelle auszuschließen waren. Der Erreger musste sich bereits vorab im Bestand befunden haben, wofür auch die Antikörperaktivitäten der Muttersauen sprechen. Ein Eintrag und Unterhalt der Infektion durch Nager war jedoch nicht auszuschließen und sollte in weiterführenden Untersuchungen berücksichtigt werden. Skandinavische Studien zeigten, dass einzig Schadnager aus Schweinebeständen Y.-enterocolitica-positiv waren, während Fänge aus Geflügelhaltungen und fern von Tierhaltungen den Erreger nicht trugen (BACKHANS et al. 2011, BACKHANS et al. 2013). BACKHANS et al. (2013) hielten die Nager deshalb für einen Vektor bei der Übertragung pathogener Y. enterocolitica, sahen in ihnen jedoch eher einen Träger als ein Reservoir und gingen von einer Übertragung vom Schwein oder der Umgebung auf das Nagetier aus. Trotz routinemäßiger Bekämpfungsmaßnahmen im Bestand können Schadnager ohne ergänzende Untersuchungen als Vektor in der vorliegenden Studie nicht ausgeschlossen werden.

Vilar et al. (2013) identifizierten bei Untersuchungen in finnischen Schweinebeständen neben dem Zukauf aus unterschiedlichen Betrieben die Aufzucht in Buchten mit keiner oder wenig Einstreu als Risikofaktor für das Vorkommen von Y. enterocolitica. Das Rein-Raus-Verfahren und die Nutzung von Tränkwasser aus dem öffentlichen Trinkwassersystem schienen die Prävalenz und damit das Übertragungsrisiko des Erregers hingegen zu reduzieren. Die Nutzung von öffentlichem Trinkwasser sahen auch VON ALTROCK et al. (2011), neben der Aufstallung auf Vollspaltenboden, als protektiven Faktor an, während wiederkehrende Gesundheitsprobleme und niedrige Tageszunahmen häufiger bei serologisch hoher Prävalenz beobachtet wurden. Im aktuellen Bestand wurde auf Einstreu sowohl im Abferkel- als auch Aufzuchtbereich verzichtet, jedoch Stadtwasser genutzt und das Rein-Raus-Verfahren betrieben. Außerdem wurden die Tiere auf Vollspaltenboden gehalten. Besondere Gesundheitsprobleme traten im Untersuchungszeitraum nicht auf.

Bei allen Ferkeln, die im Zuge dieser Arbeit untersucht wurden, waren spätestens am 7. Lebenstag Y.-enterocolitica-Antikörperaktivitäten zu beobachten. Auch die

Saugferkel der zur Geburt serologisch negativ oder fraglich, also mit OD-Werten

< 20%, getesteten Muttertiere wiesen hohe Antikörperaktivitäten auf. Demnach müssten sich alle Sauen bereits mit dem Erreger auseinandergesetzt und offensichtlich maternale Antikörper über das Kolostrum an ihre Ferkel weitergegeben haben, ungeachtet ihrer teils geringen Antikörperaktivitäten im eigenen Blut. Dies scheint nicht unmöglich, denn höhere Antikörperspiegel im Kolostrum als im Serum sind beim Schwein beschrieben (BANDRICK et al. 2014) und die Übertragung zellulärer und humoraler Immunität über Kolostrum auf Saugferkel wurde demonstriert (BANDRICK et al. 2008, NECHVATALOVA et al. 2011). BANDRICK et al. (2014) fanden nach Impfung von Sauen mit einem kommerziellen Mycoplasma-hyopneumoniae-Impfstoff signifikant höhere IgG-Konzentrationen im Kolostrum als im Serum der Tiere. Gleichzeitig präkolostral beprobte Ferkel wiesen noch keine entsprechenden Antikörperaktivitäten auf, sondern erst nach dem Saugakt konnten signifikant höhere IgG-Titer detektiert werden. Im Rahmen der eigenen Studie war es leider nicht möglich, Ferkel zur Bestätigung definitiv präkolostral zu beproben, doch weisen die beobachteten hohen Antikörperaktivitäten aller Ferkel nach sicherer Kolostrumaufnahme, also spätestens zur zweiten Beprobung, auf Vergleichbares bei Y.-enterocolitica-Infektionen hin. Erkenntnisse über Antikörperaktivitäten im Kolostrum, v. a. im Vergleich zum Serum, liegen bislang nicht vor. Die Auswirkungen der hier aufgenommenen maternalen Y.-enterocolitica-Antikörper, insbesondere ihre potentielle Protektivität, war im Rahmen dieser Untersuchungen nicht zu klären. Bakteriologische Nachweise sind bei den Ferkeln erst nach einem deutlichen Abfall ihrer maternalen Antikörper im Aufzuchtbereich aufgetreten.

Um den Einfluss der Sauen befriedigend klären zu können, wäre eine intensivere Beprobung dieser Tiere über die Säugezeit wünschenswert. Im Hinblick auf die vermutete Altersresistenz bei Sauen (KORTE et al. 2004) und die Persistenz des Erregers in den Tonsillen scheint eine engmaschigere Beprobung der Tonsillen oder des Pharynx der Muttertiere in Form von Tupferabstrichen sinnvoll, da Y. enterocolitica im Kot nur eine gewisse Zeit nach Neuinfektion nachweisbar ist und oft intermittierend ausgeschieden wird (FUKUSHIMA et al. 1983, NIELSEN et al.

1996). Der Erreger kann aber über Monate trotz negativer Kotuntersuchungen im Organismus, speziell den Tonsillen, persistieren (KAPPERUD 1991), die neben dem Verdauungsapparat das Haupterregerreservoir darstellen (TAUXE et al. 1987).

Verschiedene Untersuchungen belegen eine vielfach höhere Nachweisrate von Y. enterocolitica aus Tonsillen als aus Kot (PEDERSEN 1979, NESBAKKEN et al.

2003). Leider wäre eine intensivere Probennahme bei den Sauen mit erheblicher Belastung der Tiere gerade während der Säugezeit und Störung der Stallroutine verbunden gewesen, weswegen darauf verzichtet wurde. Um der Fragestellung weiter nachzugehen, scheinen solche Untersuchungen zukünftig allerdings unerlässlich. Im Zuge weiterführender Untersuchungen sollte auch zeitgleich eine Infektion der Ferkel per Aerosol in Erwägung gezogen werden. Diese Form der Übertragung erscheint aufgrund der Besiedlung der Tonsillen sowie einer vom Mensch bekannten pharyngitischen Krankheitsform durch den engen Kontakt der Tiere nicht unmöglich.

Die genaue Infektionsquelle der Ferkel bleibt unklar und bedarf weiterer Untersuchungen von Ferkeln, Muttertieren und Umgebung. Durch die stetige Entwicklung der Methodik, vor allem der umfassenderen molekulargenetischen Möglichkeiten, der Weiterentwicklung der PCR, der Erstellung phylogenetischer Stammbäume oder der MALDI-TOF-Massenspektrometrie sind die Möglichkeiten stetig am Wachsen und eröffnen neue, oft schnellere und genauere Untersuchungswege und Erkenntnisse.