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2. Literaturübersicht

2.5 Nachweis von Y. enterocolitica

2.5.1 Bakteriologische Nachweisverfahren

Die vielfältigen bakteriologischen Nachweisverfahren beinhalten in der Regel ein Anreicherungsverfahren, anschließend den Ausstrich auf Selektivnährboden und eine folgende biochemische und pathogene Testung verdächtiger Kolonien. Diese aufwendige Vorgehensweise ist nötig, da je nach Untersuchungsmaterial häufig von einer starken Kontamination mit anderen Erregern auszugehen ist. Einzig bei Stuhlproben von Enteritispatienten ist ein Direktausstrich auf einen Selektivnährboden zumeist ausreichend (VAN NOYEN et al. 1987), wohingegen bei symptomlosen Ausscheidern und Rekonvaleszenten flüssige Anreicherungsverfahren empfohlen werden (ALEKSIC u. BOCKEMÜHL 1990).

ALDOVA et al. (1990) konnten in einer Vergleichsstudie zeigen, dass eine hinlängliche Sensitivität in der Routinediagnostik nur durch die Kombination verschiedener kultureller Isolierungsverfahren zu gewährleisten ist (OLSEN et al.

1995).

In der Bundesrepublik Deutschland existiert seit 2005 nach § 64 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) eine amtliche Methode für den Nachweis von Y. enterocolitica in Lebensmitteln. Hierzu wurde ein bereits länger in Europa etabliertes Verfahren als DIN EN ISO 10273:2003, „Horizontales Verfahren zum Nachweis von präsumtiv pathogenen Y. enterocolitica“ in die Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren aufgenommen. Dieses Standardverfahren stellt jedoch für die Routinediagnostik eher eine nützliche Methodensammlung als eine Arbeitsanleitung dar, da die vielen einzelnen Arbeitsschritte sehr arbeits- und zeitaufwendig sind (NEUBAUER et al. 2001a).

2.5.1.1 Voranreicherung

Eine vorherige Anreicherung des Erregers ist gerade bei stark kontaminierten Untersuchungsmaterialien vom Tier, von Lebensmitteln oder Umweltmaterialien sinnvoll (ALEKSIC u. BOCKEMÜHL 1990), um die Ausgangskeimzahl auf eine nachweisbare Zahl zu erhöhen und die gegebenenfalls vorhandene Begleitflora zu minimieren. Bei einer dominanten Hintergrundflora ist der Nachweis von pathogenen Y. enterocolitica äußerst schwierig (SCHIEMANN 1982), gerade da im Lebensmittel zumeist nur von einer geringen Keimzahl des Bakteriums auszugehen ist. Deshalb stehen zu diesem Zweck verschiedene nicht-selektive und selektive Anreicherungsmedien zur Verfügung.

Das meistgenutzte nicht-selektive Medium ist die phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS, phosphate buffered saline), die sowohl bei der Kälteanreicherung als auch in der DIN EN ISO 10273:2003 Verwendung findet.

Probenmaterial wird in PBS zwei bis drei Tage zur Anreicherung vor dem folgenden Ausstrich auf einen Selektivnährboden bei 22 bis 25 °C inkubiert.

Bei der Kälteanreicherung nutzt man die Psychrotoleranz der Yersinia ssp. aus. Über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen wird das Probenmaterial bei +4 °C in PBS (pH 7,4; 0,15 mol/l) inkubiert und wöchentlich auf Cefsulodin-Irgasan-Novobiocin-Agar (CIN-Cefsulodin-Irgasan-Novobiocin-Agar) ausgestrichen. Die Methode ist dadurch sehr langwierig, doch können sich Stämme von Y. enterocolitica im Gegensatz zur Begleitflora, deren Wachstum durch die zugesetzten Antibiotika gehemmt wird, gut vermehren. Für die Kotprobendiagnostik ist diese Vorgehensweise aufgrund der häufigen Überwucherung pathogener durch apathogene Yersinia-Isolate allerdings weniger geeignet (VAN NOYEN et al. 1980). Gleichwohl kann bei einem Teil der Patienten sowie symptomlosen Ausscheidern eventuell nur dieses Verfahren zur Isolierung führen (ALDOVA et al. 1990), da der Erreger im Laufe der Infektion vermehrt die mesenterialen Lymphknoten besiedelt und nur in geringer Zahl im Darmlumen zu finden ist (LARSEN 1991). Bei symptomlosen Patienten konnte mit dieser Methode bei 52% eine Infektion nachgewiesen werden (HUSSEIN et al. 2001). Auch ATANASSOVA et al. (2003) konnten in einer Untersuchung von Tonsillenmaterial

des Schweins zeigen, dass die Kälteanreicherung der Warmanreicherung überlegen war. Infolgedessen sollte bei epidemiologischen Untersuchungen und in der Hygieneüberwachung nicht auf die Kälteanreicherung verzichtet werden (NEUBAUER et al. 2001a).

Neben der PBS gibt es noch weitere nicht-selektive Medien, wie die Brain-Heart-Infusion (BHI) oder die Caseinpepton-Sojamehlpepton–Bouillon (CASO), die jedoch alle keine Unterdrückung der Begleitflora erzielen. Dazu sind nur selektive Anreicherungsmedien in der Lage (FREDRIKSSON-AHOMAA u. KORKEALA 2003).

Durch die Voranreicherung in einem Selektivmedium kann die Nachweisrate deutlich erhöht werden (WAUTERS et al. 1988a, HUSSEIN et al. 2001, FREDRIKSSON-AHOMAA u. KORKEALA 2003). Die Supplementierung verschiedener Antibiotika, wie Carbenicillin, Irgasan und Ticarcillin, wirken dem unerwünschten Wachstum anderer Keime entgegen, und so ist es auch in stark kontaminierten Proben möglich, Y. enterocolitica nachzuweisen (ALEKSIC u. BOCKEMÜHL 1990). Von großer Bedeutung sind dabei sowohl die modifizierte Rappaport-Bouillon (MRB) als auch die Irgasan-Ticarcillin-Kaliumchlorat-Bouillon (ITC) (FREDRIKSSON-AHOMAA u.

KORKEALA 2003).

Die MRB (WAUTERS 1973) ist eine Weiterentwicklung des in der Salmonellendiagnostik verwendeten Rappaportmediums mit Carbencillin und wird bei 22-29 °C für 48 Stunden zur Voranreicherung Yersinia-verdächtiger Proben inkubiert. Bei der ITC–Bouillon (WAUTERS et al. 1988a) handelt es sich um das zweite Anreicherungsmedium neben PBS im Standardverfahren nach § 64 LFGB mit einer Inkubationszeit von 48 Stunden bei 25 °C.

Neben den Anreicherungsmedien gibt es ein weiteres Verfahren, die Begleitflora zu minimieren. AULISIO et al. (1980) zeigten, dass eine Behandlung mit verdünnter Kalilauge (0,25-0,5%) vor dem Ausstrich auf den Nährboden die Isolierungsrate häufig erhöhen kann. Durch die Alkalibehandlung wird die Begleitflora unterdrückt, Y. enterocolitica selbst ist jedoch relativ alkalistabil. Nach der DIN EN ISO 10273:2003 werden 0,5 ml der Anreicherungskultur nach der Inkubation mit 4,5 ml der Kalilauge für 20 Sekunden gemischt und anschließend auf einen Selektivboden ausgestrichen. Um der Gefahr vorzubeugen, auch die Yersinien drastisch zu

reduzieren und so den Nachweis gegebenenfalls unmöglich zu machen, sollte jeweils vor und nach der Alkalibehandlung ein Ausstrich gemacht werden (SCHIEMANN 1989, LOGUE et al. 1996).

2.5.1.2 Feste Nährmedien

Anfänglich wurden zur Isolierung von Y. enterocolitica die aus der Enterobacteriaceae-Diagnostik bekannten Nährböden, wie MacConkey-Agar, Salmonella-Shigella-Agar oder Desoxychelat-Citrat-Agar, eingesetzt (DE BOER 1992). Aufgrund des wenig selektiven Wachstum war dabei jedoch eine Differenzierung zwischen Yersinia ssp. und anderen Keimen unmöglich. Zu diesem Zweck wurden neue Nährböden entwickelt bzw. die bekannten entsprechend supplementiert.

Der meistgenutzte Selektivnährboden ist der von SCHIEMANN (1979) entwickelte Cefsulodin-Irgasan-Novobiocin-Agar (CIN-Agar). Mittels zweier Antibiotika wird hier die Begleitflora unterdrückt: Irgasan wirkt gegen gramnegative Keime, wie Escherichia coli, Klebsiella pneumonia oder Proteus mirabilis. Cefsulodin hemmt Pseudomonas aeroginosa. Außerdem wird der zugesetzte Zucker Mannitol von Yersinien fermentiert. Durch die dabei entstehende Säure reagiert der Indikator Neutralrot und nach einer Bebrütung bei 28 °C über 24 bis 48 Stunden zeigt sich eine Yersinien-typische Koloniemorphologie: ca. 1 mm große glatte Kolonien mit einem roten Zentrum und einer schmaler Hämolysezone, die bei Schräglicht feingranuliert und nicht irisierend scheinen (NEUBAUER et al. 2001a). Enterobacter-, Aeromonas-, Proteus- und Citrobacter-Kolonien können aufgrund ihrer ähnlichen Koloniemorphologie jedoch fälschlich als Yersinien angesehen werden (DEBOER u.

SELDAM 1987). Außerdem ist eine Unterscheidung von pathogenen und apathogenen Stämmen nicht möglich.

Der Salmonella-Shigella-Agar mit Desoxycholat und Calciumchlorid (SSDC) macht sich die Toleranz von Y. enterocolitica gegenüber Natriumdesoxycholat zunutze (WAUTERS 1973). Durch die Zugabe von 1% dieses Natriumsalzes und Calcium wird ein spezifischer Erregernachweis auf dem Salmonella-Shigella-Agar erleichtert.

Eine Unterscheidung pathogener und apathogener Y. enterocolitica gelingt mit dem Virulent-Yersinia-enterocolitica-Agar (VYE) (FUKUSHIMA 1987). Darin sorgen neben Cefsulodin und Irgasan Josamycin und Oleandomycin für eine hohe Selektivität.

Mannitol und Äskulin tragen zur Differenzierung bei. Durch deren Verstoffwechslung färben sich pathogene Y. enterocolitica rot, während sich apathogene Stämme und andere gramnegative Bakterien durch Äskulinhydrolyse dunkel färben. Angezüchtet wird bei 32 °C über 24 bis 48 Stunden.

2.5.1.3. Biochemische und serologische Differenzierung

Im Regelfall findet nach der Anzucht auf Selektivnährböden vor der weiterführenden Untersuchung eine Überimpfung verdächtiger Kolonien auf einen nichtselektiven Nährboden, wie zum Beispiel den nach § 64 LFGB genutzten Standard II-Agar, statt.

Dabei ist aufgrund der Gefahr des Plasmidverlustes eine Temperatur von 25 bis 30 °C zu empfehlen, falls später ein Plasmidnachweis erbracht werden soll (SCHIEMANN u. WAUTERS 1992). Für eine erste Orientierung eignen sich die Beimpfung des Kligler-Eisen-Agars mit diesen Reinkulturen, der Ureasenachweis mittels Harnstoff-Agar nach Christensen und der Oxidasenachweis. Danach erfolgt eine Identifizierung der Yersinia-verdächtigen Kulturen mittels biochemischer Untersuchungen. Dafür stehen neben der Möglichkeit aufwendiger Einzeltestung kommerzielle standardisierte Testsysteme zur Verfügung. Von diesen gilt der API® 20E (Fa. bioMérieux, Nürtingen) bis heute als Goldstandard und zeichnet sich neben seiner hohen Sensitivität auch durch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis aus (NEUBAUER et al. 1998, ARNOLD et al. 2004). In einer Vergleichsstudie zwischen diesem Testsystem und der Durchführung der Einzelreaktionen konnte bei einer Bebrütungstemperatur von 28 °C gegenüber der Herstellerempfehlung von 37 °C eine Identifikationsrate von 93% für Y. enterocolitica erreicht werden (ALEKSIC u.

BOCKEMÜHL 1999).

2.5.1.4. Bio- und Serotypisierung

Nach Identifizierung der Spezies Y. enterocolitica kann eine weitere Differenzierung in Biovare und Serotypen erfolgen.

Die Biotypisierung richtet sich nach dem in Kapitel 3 beschriebenen Schema zur Biovareinteilung von Y. enterocolitica nach WAUTERS et al. (1987). Die amtlichen Verfahren prüfen die Verstoffwechslung von Lysin, Ornithin, Saccharose, Rhamnose, Trehalose, Xylose, Citrat und Tween-Esterase.

Die Serotypisierung erfolgt über die bereits in Kapitel 3 beschriebenen O-Antigene.

Sie kann schnell und einfach mittels Objektträgerschnellagglutination unter Verwendung serotypspezifischer Antikörper vorgenommen werden. Für die häufig nachgewiesenen europäischen O-Antigene stehen kommerzielle Agglutinationsseren zur Verfügung. Für eine eindeutige Typisierung sollten diese Tests bei Raumtemperatur durchgeführt werden, da die O-Antigene ansonsten von Adhäsinfibrillen überdeckt werden (HEESEMANN 1990). Eine Aussage über die Pathogenität der Kultur kann zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gemacht werden, da O-Antigene nicht spezifisch sind (ALEKSIC u. BOCKEMÜHL 1990), doch ist beim Nachweis von Serotyp O:3, O:5,27 oder O:9 der Verdacht auf ein pathogenes Isolat erhärtet. Speziesspezifische Flagellen-Antigene und Phagen, die eine eindeutigere Zuordnung ermöglichen, sind bisher nicht kommerziell erhältlich (NEUBAUER et al. 2001a).

2.5.1.5. Biochemische Pathogenitätstests

Um die mutmaßliche Pathogenität der Isolate zu bestimmen, gibt es eine Reihe von biochemischen Reaktionen, die entweder auf chromosomal- oder plasmidkodierten Pathogenitätsfaktoren beruhen. Beim Nachweis von plasmidkodierten Faktoren ist zu bedenken, dass das Plasmid im Zuge der Subkultivierung verloren gehen kann (ZINK et al. 1980, SCHIEMANN 1989).

Nach DIN EN ISO 10273:2003 sind folgende vier Pathogenitätstests vorgesehen:

Äskulinhydrolyse, Salicinfermentation, Pyrazinamidaseaktivität und

kalziumabhängiges Wachstum bei 37 °C. Apathogene Y. enterocolitica sind chromosomalkodiert zur Äskulinhydrolyse und Salicinfermentation in der Lage (SCHIEMANN u. DEVENISH 1982). Außerdem sind sie pyrazinamidasepositiv (KANDOLO u. WAUTERS 1985). Diese drei chromosomalen Faktoren werden auch bei der Biotypisierung verwendet.

Neben dem kalziumabhängigem Wachstum bei 37 °C (GEMSKI et al. 1980) binden pathogene Stämme den Farbstoff Kongorot (PRPIC et al. 1983). Durch diese zwei plasmidkodierten Eigenschaften können auf dem Congo-Red-Magnesium-Oxalat-(CRMOX-)Agar anhand der Koloniemorphologie plasmidtragende und plasmidlose Isolate unterschieden werden: Plasmidlose wachsen als große farblose Kolonien, plasmidtragende sind klein und rot (RILEY u. TOMA 1989). Ebenfalls plasmidvermittelt ist die Bindung von Kristallviolett bei 37 °C (BHADURI et al. 1987).

Außerdem dient die Autoagglutination im Voges-Proskauer-Medium bei Raumtemperatur und 37 °C dem Nachweis des plasmidkodierten Adhäsionsfaktors YadA (LAIRD u. CAVANAUGH 1980, SCHIEMANN u. DEVENISH 1982).

Damit stehen zwar zahlreiche Verfahren zur Verfügung, doch ist erst durch mehrere Tests eine Pathogenitätsabschätzung möglich. Zwei Studien zeigten, dass die Bindung von Kongorot oder Kristallviolett in Kombination mit kalziumabhängigem Wachstum und der Autoagglutination einen guten Hinweis auf ein pathogenes Isolat geben (PRPIC et al. 1985, KWAGA u. IVERSEN 1992). Ein einziger biochemischer Test zur Aussage über die Pathogenität steht bisher nicht zur Verfügung.