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2. Literaturübersicht

2.7 Infektion und Krankheitsbild

2.7.5 Krankheitsbild beim Schwein

Y. enterocolitica wurde bei zahlreichen Tierarten nachgewiesen, wobei klinische Erscheinungen selten beschrieben werden. Kommt es zu klinischen Erkrankungen, handelt es sich dabei meist um Allgemeininfektionen und/oder Darmerkrankungen (NEUBAUER et al. 2001b).

Das Schwein beherbergt als einziges lebensmittellieferndes Tier regelmäßig humanpathogene Y. enterocolitica, vor allem die Serotypen O:3 und O:9 (BOTTONE 1999). Es gilt allgemein als asymptomatischer Träger und Erregerreservoir.

Bei experimenteller Infektion konnten NATTERMANN et al. (1986) jedoch bei über der Hälfte oral infizierter Schweine Diarrhoe, zumeist mit wiederkehrendem Fieber, auslösen. Außerdem traten Enterokolitiden, Arthritiden, Epiphysioloysis, Hautveränderungen und Fruchtbarkeitsstörungen auf.

Nach experimenteller Infektion von Sauen in der Hochträchtigkeit mit einem aus einem Abort isolierten Y.-enterocolitica-Stamm konnten Totgeburten beobachtet werden. Die histopathologischen Veränderungen wiesen auf eine schwere generalisierte bakterielle Infektion hin. Das Trächtigkeitsstadium zum Zeitpunkt der Infektion schien einen großen Einfluss auf Schweregrad und Verlauf der Infektion zu haben (PLATT-SAMORAJ et al. 2010).

Die experimentelle Infektion gnotobiotischer Ferkel mit Y. enterocolitica O:3 führte von subklinischen Erkrankungen über schwere Diarrhoe bis zum Tod einzelner Tiere.

Klinisch auffällige Ferkel zeigten Anorexie und Durchfall über 3 Tage. Sechs von 8 Tieren wiesen in der abschließenden pathologischen Untersuchung eine Enterokolitis oder Enteritis auf. Zwei Ferkel ohne klinische Erscheinungen und Läsionen im Darm waren mit einem plasmidlosen Stamm infiziert worden (TZIPORI et al. 1987).

In einem Infektionsversuch mit dem Bioserovar 4/O:3 an 20 Tage alten Ferkeln wurden neben Enteritis auch purulente Meningoencephalitiden und nekrotisierende Tonsillitiden beobachtet (NAJDENSKI et al. 1998). Die Autoren fühlten sich durch die Reisolierung des Erregers aus den Tonsillen in der Annahme bestätigt, dass Y. enterocolitica einen Tropismus zum Rachengewebe des Schweins besitzt, was zum häufigen Nachweis des Keims im Rachenbereich adulter Schweine führt.

Auch THIBODEAU et al. (1999) fanden nach oraler Inokulation fünf Wochen alter Ferkel Y. enterocolitica O:3 in extraintestinalen Organen (Leber, Milz) und den Tonsillen wieder. Sie gingen von einer transienten Bakteriämie aus, da der Keim bereits drei Stunden nach experimenteller Infektion in Leber und Milz nachweisbar war, später jedoch hier nicht mehr gefunden wurde. Die Tonsillen der Tiere waren von der 12. bis zur 72. Stunde nach der Infektion kolonisiert, wohingegen nur 4 von 20 Kotproben im gleichen Zeitraum positiv getestet wurden. Bei ergänzenden Untersuchungen an 291 Schweinen auf einem Schlachthof fanden die Autoren 70 Tonsillen (24%) und 17 Kotproben (6%) positiv für Y. enterocolitica. Sie halten die Tonsille deshalb für das zuverlässigste Probenmaterial zur Feststellung einer Infektion oder Kolonisation mit Y. enterocolitica O:3. Außerdem gaben sie zu bedenken, dass die im Experiment beobachtete Bakteriämie, sollte sie zur Schlachtung auftreten, durch den Schlachtprozess zu einer Verbreitung des Erregers und Kontamination von Lebensmitteln führen könnte. Gerade durch Transport, engen Kontakt, Stress, Hunger und die resultierende Koprophagie halten sie Schweine zu diesem Zeitpunkt für besonders empfänglich (THIBODEAU et al. 1999). Eine Aufnahme des Erregers scheint durch den engen Kontakt insbesondere zu potentiell infektiösem Kot wahrscheinlicher und das Immunsystem für eine Infektion mit möglicher Bakteriämie anfälliger.

Andere experimentelle Untersuchungen zeigten ebenfalls eine höhere Nachweisrate des Keims in Tonsillen als in Kotproben (FUKUSHIMA et al. 1984, SHIOZAWA et al.

1991, NIELSEN et al. 1996). Auch wenn der Erreger nicht mehr über den Kot ausgeschieden wird, kann er noch Monate in den Tonsillen eines Schweins persistieren (KAPPERUD 1991).

NIELSEN et al. (1996) untersuchten in ihrer Studie die Antikörperantwort nach oraler experimenteller Infektion mit dem Serotyp O:3. Ab Tag 5 bis Tag 21 p. inf. waren die Kotuntersuchungen bei allen infizierten Schweinen positiv. Nach Abschluss des 70tägigen Beobachtungszeitraums konnte bei 20 von 25 Schweinen Y. enterocolitica in den Tonsillen, aber nicht im Magen-Darmtrakt oder den zugehörigen Lymphknoten kulturell nachgewiesen werden. Eine Serokonversion konnte mittels ELISA ab Tag 19 p. inf. bei allen Tieren bis zur Sektion am 70. Tag p. inf. beobachtet werden.

Klinische Erkrankungen wurden bei keinem Schwein während der 70 Tage festgestellt.

Bei Untersuchungen zur Pathogenität verschiedener humanpathogener Bioserovare beim Schwein stellten BURGER et al. (2004) fest, dass einzig die experimentelle Infektion mit dem Bioserovar 4/O:3 zu klinischen Symptomen einer Yersiniose führt.

In ihrer Studie wurden parallel Schweine mit den Bioserovaren 4/O:3, 1A/O:5, 1A/O:6, 1A/O:7, 1B/O:8 und 2/O:9 infiziert. Länger anhaltenden Durchfall, eine Erhöhungen der Körpertemperatur, eine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens sowie verringerte Zunahmen konnten nur nach der Infektion mit dem Bioserovar 4/O:3 beobachtet werden. Auch eine Invasion und Kolonisierung von Mesenteriallymphknoten, Leber und Gallenflüssigkeit wurde einzig bei Infektionen durch dieses Bioserovar nachgewiesen.

Klinisch apparente Erkrankungen sind nach einer natürlichen Infektion selten beschrieben. Prinzipiell ist jedoch eine klinische Symptomatik wie bei den oben beschriebenen experimentellen Infektionen denkbar. Auch entsprechende Befunde bei der Schlachtung oder Sektion sind möglich. In der Regel ist der Nachweis von Y. enterocolitica allerdings nicht mit Krankheitssymptomen verbunden. (NEUBAUER et al. 2001b). Treten klinische Erscheinungen auf, geschieht dies vorwiegend bei Jungtieren (NEUBAUER et al. 2001b). DEDIÉ et al. (1993) berichten von vereinzelten fieberhaften Durchfällen und Enteritiden als Faktorenkrankheit unter schlechten Haltungsbedingungen.

In einem Y.-enterocolitica-positiven Schweinebestand wurden katarrhalische Enteritiden, Kümmern bei Jungtieren, Arthritis, Pneumonie und damit verbundene Minderleistung beobachtet. Bei 29,7% der erkrankten und untersuchten Ferkel konnte Y. enterocolitica 4/O:3 angezüchtet werden (NATTERMANN et al. 1985).

Bei einem verendeten American Minipig-Ferkel wurde eine durch Y. enterocolitica 4/O:3 induzierte Enteritis und Septikämie als Todesursache festgestellt. Der Erreger konnte aus Jejunum, Colon, Leber und Milz angezüchtet werden. Als wesentliche Veränderungen wurden eine diphtheroid-nekrotisierende Ileitis und Typhlokolitis beobachtet (BRÜGMANN et al. 2001).

Bei der Untersuchung asymptomatischer Schlachtschweine wurden Tonsillitiden und

Mikroabszesse gefunden, die auf eine Y.-entererocolitica-Infektion zurückgeführt wurden (SHIOZAWA et al. 1991).

Daneben wurden zahlreiche Studien zu Herden- und Einzeltierprävalenzen und zu möglichen Infektions- und Kontaminationswegen in Betrieben durchgeführt.

Eine Infektion des Schweins findet nach DEDIÉ et al. (1993) über erregerhaltigen Kot und die dadurch kontaminierte Umwelt statt. WINGSTRAND u. NIELSEN (1996) kamen durch ihre Untersuchungen in 10 norwegischen Schweinebeständen zu einem ähnlichen Schluss. Die seltene und geringgradige Ausscheidung durch seronegative Absetzferkel (4,4%) und der folgende Anstieg an serologischen und kulturellen Nachweisen im Aufzucht- und Mastbereich sowie Gruppen von Mastschweinen, die auch in positiven Herden nicht infiziert wurden, ließen sie Parallelen zur Infektion mit Salmonella enterica ziehen, bei der die Ansteckung auch über die Umwelt der Schweine erfolgt. Eine Serokonversion war bei 46,2% und eine Ausscheidung über den Kot bei 61,7% der untersuchten Endmasttiere nachweisbar (WINGSTRAND u. NIELSEN 1996).

In einer kanadischen Studie wurden neben der Prävalenz und der Umgebungskontamination auch die im Bestand isolierten einzelnen Stämme näher betrachtet. 93,5% aller isolierten Y. enterocolitica gehörten zum Serotyp O:3. In 80%

der Bestände war mindestens ein Schwein infiziert und in der Hälfte dieser Bestände wurden auch positive Umgebungsproben gefunden. Alle Isolate eines Betriebs, auch wenn sie zu unterschiedlichen Beprobungszeitpunkten gewonnen wurden, gehörten immer demselben Stamm an und persistierten über aufeinanderfolgende Produktionsdurchgänge. Durch die geringe Nachweisrate in der Umgebung schlossen PILON et al. (2000), dass die Umwelt gegenüber der Infektion von Tier zu Tier eine untergeordnete Bedeutung spielt.

Eine Untersuchung in 30 niedersächsischen Schweinemastbeständen führte 2004 zu einem ähnlichen Schluss. Insgesamt wurde Y. enterocolitica in 8,4% der Kotproben beprobter Mastschweine kulturell isoliert. 66,8% aller Schweine reagierten serologisch positiv. In 43,3% der Mastbetriebe konnte der Erreger isoliert, in 83,3%

serologisch Antikörper nachgewiesen werden. Nur 3,4% aller Umgebungsproben waren positiv. Die Diskrepanz zwischen kulturell-bakteriologischen Nachweisen und

der Serologie erklärten VON ALTROCK et al. (2006) mit der intermittierenden Ausscheidung über den Kot sowie der vorwiegenden Persistenz des Erregers in den Tonsillen. Die niedrige Nachweisrate in der Umgebung der Tiere führten die Autoren auf die geringe Kotausscheidung zurück und maßen der Umgebung bei der Verbreitung der Infektion ebenfalls nur eine untergeordnete Bedeutung bei.