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2 Literaturübersicht

2.2 Chronische Bronchitis beim Pferd

2.2.4 Pathogenese

Eine durch Infektionserreger oder Allergene hervorgerufene akute Bronchiolitis kann bei fehlender Ausheilung oder ungünstigen mikroklimatischen Einflüssen in einen chronischen Zustand übergehen (KRAFT et al. 1987); unabhängig von der variablen Ätiologie der COB führt die Erkrankung in eine sich selbst erhaltende Entzündung (DEEGEN et al. 1987). Die weitaus wichtigste pathologische Veränderung ist nach DEEGEN (1992) eine Einengung der kleinen Bronchien und Bronchiolen, die über verschiedene Grade der reversiblen Bronchialobstruktion schließlich in einen irreversiblen Zustand übergeht. Der Autor hält zwei pathogenetische Mechanismen für die zentralen Auslöser dieser Bronchialobstruktion für möglich: einerseits eine Hyperreagibilität der Atemwege, andererseits eine Störung der mukoziliären Clearance. Obwohl einer dieser beiden Mechanismen den Typus der Erkrankung zu bestimmen scheint, sind beide pathogenetisch miteinander verknüpft.

normal Bronchiallumen Obstruktion

Hypoventilation normale Ventilation

Ringmuskel Spasmus

Ödem

Hyperkrinie Dyskrinie Schleimhaut

Schleimfilm

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Bronchialobstruktion

(aus Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH: Die obstruktive Bronchitis beim Pferd, 2002)

Die multifaktorielle Verengung der Luftwege behindert wiederum die Selbstreinigungsmechanismen der Lunge. Bei unzureichender Bewegung der Pferde aufgrund der Leistungsdepression bleibt außerdem die Bronchodilatation und positive adrenerge Stimulierung der mukoziliären Clearance durch körperliche Belastung mit Adrenalinausschüttung aus (MÜLLER et al. 1983; DEEGEN et al. 1987). Das produzierte Sekret kann nicht abtransportiert werden und bewirkt selbst Veränderungen der Atemwegsmorphologie. Auf diese Weise entsteht ein sich selbst unterhaltender Prozess, der den chronischen Charakter der COB ausmacht. Ohne richtige Therapie, die die Entfernung des Schleims zum Ziel hat, und ohne die Elimination der auslösenden Noxe verschlechtert sich der Zustand des Patienten ständig zunehmend (SASSE 1995).

2.2.4.1 Hyperreagibilität

Die normale Reagibilität der Atemwege ist ein Abwehrmechanismus, der durch eine Anpassung des Bronchialdurchmessers verhindert, dass Staubpartikel bis in die Alveolen gelangen. Unter dem Begriff Hyperreagibilität versteht man die übermäßige Bereitschaft der Atemwege, auf inhalierte Noxen mit einer starken Verengung des Bronchialdurchmessers zu reagieren (DERKSEN u. ROBINSON 2002).

Die Einengung des Bronchialbaumes geschieht durch einen Bronchospasmus, einer reversiblen Kontraktion der glatten Muskulatur. Sie wird ausgelöst durch die Erregung sog.

„irritant receptors“ (schnell adaptierende Reizrezeptoren) unter dem Epithel, einer von drei Rezeptortypen, die für den Hustenreflex verantwortlich sind und dem Kern des N. vagus ein

„feed back“ über den Tonus der glatten Muskulatur liefern (HAHN 1998). Der Parasympathikus reagiert hierauf mit einer Acetylcholinfreisetzung, die wiederum eine Stimulation der muskarinergen Rezeptoren (Typ III) der Bronchialmuskulatur bewirkt und so zu einer Konstriktion des Bronchialbaumes führt. Inhalierte Noxen wie Staub, Schadgase (u.a.

Ammoniak), Entzündungsmediatoren, Histamin und andere biogene Amine aktivieren dieses System (KLEIN u. DEEGEN 1986b; DERKSEN u. ROBINSON 2002; HAHN 1998; KRAFT et al.

1987). Eine Entzündung der luftführenden Wege mit begleitendem Epithelumbau legt diese

„irritant receptors“ frei und macht diese angreifbar für Entzündungsmediatoren (DEEGEN et al.

1987).

Hinzu kommen eventuell eine allergiebedingte Freisetzung von Mediatoren aus vermehrt auftretenden Mastzellen und die Entwicklung eines Bronchialödems. Lang andauernder Bronchospasmus führt zu Hypertrophie und –plasie der Bronchialmuskulatur und verschlimmert damit die Konstriktion. In diesem Stadium reichen schon kleinste Partikelmengen in der eingeatmeten Luft aus, um eine übermäßige Abwehrreaktion auszulösen (Hyperreagibilität). Durch die Hyper- und Metaplasie des Epithels reicht bereits eine geringe Kontraktion der glatten Muskulatur aus, um eine starke Obstruktion hervorzurufen (DERKSEN u. ROBINSON 2002).

2.2.4.2 Störung der mukoziliären Clearance

Für die Reinigung der Atemwege stehen drei Mechanismen zur Verfügung: der Hustenreflex, die Flimmerepithelaktivität und die Benetzung von Fremdstoffen durch Surfactant im Alveolarbereich (SASSE 1995).

Der dem Flimmerepithel aufliegende Schleim wird von Becherzellen und (zu einem geringeren Anteil) von submukösen Drüsen gebildet und von den Zilien auf der Epitheloberfläche oral abtransportiert. Gesunde Pferde weisen nur wenige schleimproduzierende Zellen in den Bronchien auf (DERKSEN u. ROBINSON 2002) und können abgestorbene Epithelzellen und inhalierte Staubpartikel, die bis in die tieferen Bereiche des Atmungstraktes gelangen, innerhalb einer Stunde wieder eliminieren (DECONTO 1985).

Bei mechanischer Irritation oder durch die entzündungsbedingte Erregung von C-Faserenden erfolgt über die Aktivierung eines parasympathischen Reflexes eine Zunahme der Schleimproduktion (HAHN 1998). Die chronische Inhalation von Staubpartikeln bewirkt eine übermäßige Stimulierung von Makrophagen, die durch eine vermehrte Zytokinproduktion (u. a. Interleukin-8) chemotaktisch auf neutrophile Granulozyten wirken (FRANCHINI et al.

1998). Entzündungsmediatoren wie Elastase und Sauerstoffradikale, v. a. aus neutrophilen Granulozyten (NADEL et al. 1999; NADEL 2000), können ebenfalls die Schleimproduktion und -sekretion anregen und sind für den Umbau des Bronchialepithels verantwortlich. Durch Zunahme der Schleimproduktion (Hyperkrinie, v. a. in der ersten Krankheitsphase), Konsistenzänderung des Schleimes (Dyskrinie) und Abnahme der Clearance durch die erhöhte Viskosität des produzierten Schleimes bzw. Verlust der Zilien sammelt sich Sekret in Trachea und Bronchien an (DERKSEN u. ROBINSON 2002; DEEGEN 1992; DECONTO 1985).

Die Schleimschicht liegt in zwei Phasen über dem Bronchialepithel. Direkt an der Bronchialschleimhaut besteht sie aus einer wässrigen Solphase, in die die Zilien des Epithels hineinragen. Darüber befindet sich eine visköse Gelphase, in der inhaliert Partikel und Zelldedritus festgehalten werden. Mit jedem oral gerichteten Schlag strecken sich die Zilien bis in die Gelphase hinein und transportieren mit der Gelphase Fremdpartikel in Richtung

Kehlkopf (Abbildung 3). Beim Rückschlag ziehen die Zilien sich aus der Gelphase zurück und bewegen sich nur in der Solphase zurück in die Ausgangsposition (Abbildung 4).

Abbildung 3: Schematische Darstellung eines oral gerichteten Zilienschlags des Bronchialepithels (nach SASSE 1995, aus Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH:

Die obstruktive Bronchitis beim Pferd, 2002).

Abbildung 4: Schematische Darstellung des aboralen Rückschlags der Zilien des Bronchialepithels (nach SASSE 1995, aus Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH:

Die obstruktive Bronchitis beim Pferd, 2002).

Die mukoziliäre Clearance sistiert, wenn zu wenig oder überhaupt keine Zilien mehr vorhanden sind, die Gelphase zu zähflüssig wird oder ein freier Rückschlag der Zilien nicht möglich ist, weil die Solphase durch eine Zunahme der Gelphase erdrückt wird (SASSE 1995).

2.2.4.3 Pathomorphologische Veränderungen

Die pathologischen Veränderungen im Epithelbereich beginnen mit einer Degranulation und Abnahme der Clara-Zellen, Vermehrung und Größenzunahme der Becherzellen bis in den Bereich der Bronchiolen hinein und dem Verlust der Zilien. Durch intraepitheliales Einwandern von Mastzellen, Lymphozyten und neutrophilen und eosinophilen Granulozyten weiten sich die Interzellularspalten. In der Nähe peribronchiolärer Infiltrate findet sich meist auch eine Fibrosierung der Alveolarsepten. Die geschilderten Vorgänge treten in ihrem Grad variabel und in den meisten Fällen kombiniert auf. Die morphologischen Veränderungen des Bronchialepithels finden sich vorwiegend in den kleinen Atemwegen (Bronchiolitis), funktionelle Veränderungen können jedoch am ganzen Bronchialepithel auftreten (KAUP et al.

1990a, b; DROMMER et al. 1987; DEEGEN et al. 1987; SCHOON u. DEEGEN 1983; VAN DEN

INGH 1985). Der Grad der pathologischen Veränderungen entspricht nicht dem klinischen Bild (LARSON u. BUSCH 1985).

2.2.4.4 Folgen der Bronchialobstruktion

Hohe exspiratorische Strömungsgeschwindigkeiten (z. B. beim Husten) kollabieren durch ihre Sogwirkung die knorpelfreien Bronchialanteile. Zähes Sekret und ein Mangel an Surfactant (verhindert die Anhaftung von Sekret an die Epitheloberfläche) verkleben die Bronchien.

Distal dieser Verschlüsse im Bronchial- und Alveolarbereich wird Luft eingeschlossen („air trapping“). Werden diese Verschlüsse nicht mehr geöffnet, kommt es zur Resorption des Sauerstoffsanteils, die restliche Luft bleibt eingeschlossen. Die Folgen für die Atemmechanik sind abhängig von der Menge und Lokalisation der eingeschlossenen Luft. In ausgeprägter Form kann die eingefangene Luft die exspiratorische Kompression selbst großer Bronchien bewirken. Dies führt zu einer schweren Beeinträchtigung der Atmung und äußert sich in einer erheblichen Ruhedyspnoe (DEEGEN u. MÜLLER 1983).

Störungen der Atemmechanik und alveoläre Hypoventilation bewirken letztendlich einen Zustand der respiratorischen Insuffizienz. Nach COMROE et al. (1972) kommt es infolge von Hypoxie und Hyperkapnie zu einer reflektorischen Engstellung der Lungenarteriolen (Euler-Liljestrand-Reflex), die erkrankten Lungenareale werden durch Gefäßengstellung weitgehend

aus dem Kreislauf ausgeschaltet. Unterschreitet der paO2 70 mmHg wird das Atemzentrum aktiviert und es erfolgt eine zentrale Atemstimulation (KRAFT et al. 1987). Folgen können neben einem Leistungsabfall pulmonaler Bluthochdruck und Rechts-Herz-Insuffizienz mit Bildung eines Cor pulmonale sein (HAMANN 1999).

2.2.5 Diagnostik

2.2.5.1 Anamnese und klinische Symptomatik

Ein guter Vorbericht ist die Voraussetzung für eine gute Diagnostik. Die Anamnese liefert erste Hinweise auf Art, Dauer, Sitz und Genese der Erkrankung und sollte neben dem Alter auch Auskünfte über die Art der Aufstallung, Fütterung, Nutzung und Leistungsbereitschaft des Pferdes enthalten. Weiterhin sind das Auftreten von Husten oder Atmungsproblemen, v. a. im Zusammenhang mit Fütterungs- oder Haltungswechsel, Bewegung oder Staubexposition von Bedeutung. Die Fragen nach regelmäßigen Impfungen, bekannten Allergien sowie überstandenen Virusinfektionen sollten nicht fehlen (BEECH 1979).

Die klinischen Symptome bei der chronisch obstruktiven Bronchitis reichen von leichtem Leistungsabfall bis zu chronischem Husten, mukösem Nasenausfluss und hochgradiger Ruhedyspnoe (DERKSEN 1993). In retrospektiven Studien fanden DIXON et al. (1995) bzw.

MCPHERSON et al. (1978) folgende vorberichtlichen Symptome bzw. klinischen Befunde einer COB: Leistungsschwäche (51,0 % bzw. nicht aussagefähig, n. a.), Dyspnoe nach Belastung (22,9 % bzw. n. a.), Husten (83,3 % bzw. 91 %), einseitiger (4,7 % bzw. n. a.) bzw.

beidseitiger (54,1 % bzw. n. a.) Nasenausfluss, klinische Dyspnoe (43,1 % bzw. 76,3 %) und auffällige tracheale (63,1 % bzw. n. a.) oder thorakale (46,9 % bzw. 52,6 %) Auskultationsbefunde.

2.2.5.2 Blutgasuntersuchung

Die Hauptfunktion der Lunge ist der Gasaustausch. Durch die alveolo-kapilläre Membran hindurch kommt es zu einer Kohlenstoffdioxidabgabe aus dem Blut in die Alveolarluft und einer Sauerstoffaufnahme aus den Alveolen in das Blut (Arterialisierung).

Die Bestimmung des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (paO2), des arteriellen Kohlenstoffdioxidpartialdruckes (paCO2) und die arterio-alveoläre Sauerstoffdifferenz (AaDO2) sind wertvolle Parameter zur Erkennung und Quantifizierung einer partiellen oder globalen respiratorischen Insuffizienz (MEISTER et al. 1976; KLEIN u. DEEGEN 1986a;

TSCHUDI 1995).

Im Frühstadium einer COB liegen die Partialdrücke aufgrund einer Minderdurchblutung der weniger belüfteten Alveolen (Euler-Liljenstand-Reflex) noch im Normbereich (TSCHUDI

1995). Erst wenn deutliche Störungen des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses vorhanden sind, ist der paO2 erniedrigt (Partialinsuffizienz). Da Kohlenstoffdioxid deutlich schneller diffundiert, kommt es erst wesentlich später zur Ausprägung einer Hyperkapnie und man spricht von einer Globalinsuffizienz (KLEIN u. DEEGEN 1986a). Kompensatorisch reagiert der Körper mit einer Hyperventilation (vermehrte CO2-Abgabe) bzw. mit der renalen Rückresorption von HCO3--Ionen aus den Nierentubuli (MEISTER et al. 1976).

Eine genauere Beurteilungsmöglichkeit der jeweiligen Gasaustauschverhältnisse erhält man durch die Berechnung der alveolo-arteriellen Sauerstoffdifferenz (AaDO2). In diesen Wert fließen nicht nur die aktuellen Ventilationsverhältnisse, sondern auch der aktuelle Barometerdruck ein. Daher wird dieser Wert weniger von der Höhenlage und Luftdruckschwankungen beeinflusst (KLEIN u. DEEGEN 1986a).

2.2.5.3 Bronchoskopie und Tracheobronchialsekretanalyse

Die Einführung von flexiblen Lichtleiterendoskopen ermöglichte eine Betrachtung des Atmungstraktes am lebenden Pferd bis in die Hauptbronchien hinein. FISCHER (1980) hat dies ausführlich beschrieben. Es werden Farbe und Feuchtigkeit der Schleimhaut, evtl.

vorhandenes Sekret nach Menge und Viskosität, die Dicke der Carina tracheae als Hinweis

auf ein Schleimhautödem und sonstige Auffälligkeiten beurteilt (DEEGEN 1995). DIECKMANN

etablierte 1987 eine Klassifizierung der Sekretmenge und Viskosität. Zytologische Untersuchungen von Sekretproben können Aufschluss über die Ursache einer vermehrten Sekretion liefern.

DECONTO (1983, 1985) assoziiert das Auftreten von Curshmann-Spiralen, schaumigen Makrophagen (Alveolarmakrophagen) und Riesenzellen vom Fremdkörper-Typ im Tracheobronchialsekret mit einer vorhandenen Bronchialobstruktion und reduzierter mukoziliärer Clearance. Sie stellen somit typische Befunde bei einer COB dar. Nach COSTA

und DEEGEN (1985) nimmt ihr Anteil im Laufe einer antiobstruktiven Therapie noch zu.

Curshmann-Spiralen sind eingedickte Schleimausgüsse der terminalen Bronchien, die durch die Bewegung der Zilien ihre charakteristische spiralförmige Form erhalten. Bei COB-Patienten ohne klinischen Symptome deuten sie auf eine Erkrankung der kleinen Atemwege hin. Makrophagen stammen größtenteils aus dem Alveolarbereich. Bei einer Bronchialobstruktion durch Sekretsammlung und Schleimhautödem werden sie in den Bronchiolen zurückgehalten und phagozytieren Surfactant. Dadurch erscheinen sie schaumig.

Riesenzellen entstehen durch die Fusion mehrerer Makrophagen oder Monozyten. Dies geschieht, wenn inhalierte Partikel zu groß sind, um von einer einzigen Zelle phagozytiert zu werden. Sie sind ebenfalls ein Hinweis auf eine verminderte Clearance und Bronchialobstruktion (DECONTO 1983, 1985).

Der Nachweis von Becherzellen ist kennzeichnend für Bronchitiden und ein morphologisches Korrelat zur Dyskrinie (DIECKMANN u. DEEGEN 1990). Das Auftreten von Basalzellen gilt als Hinweis auf eine Metaplasie der Bronchialschleimhaut. Die Bedeutung der Charcot-Leyden-Kristalle (gebildet beim Zerfall aus den Granula eosinophiler Granulozyten) und ihr eventueller Zusammenhang mit einem Allergiegeschehen ist beim Pferd unklar. DIXON et al.

(1995) finden bei an COB erkrankten Pferden höhere Anteile an neutrophilen Granulozyten als bei gesunden Pferden. Da ihr Anteil aber stark streut, ist es schwer, zwischen gesunden und geringgradig erkrankten Pferden zu unterscheiden. Die Autoren halten generell die Auswertung des Tracheobronchialsekrets für diagnostisch weniger nützlich als die zytologische Differenzierung der bronchoalveolären Lavage.

2.2.5.4 Bronchoalveoläre Lavage

Die bronchoalveoläre Lavage (BAL) wird dann durchgeführt, wenn oben angewendete Untersuchungsmethoden keine eindeutige Diagnosefindung erlauben oder der Untersucher Informationen über den Zustand der tieferen Atemwege erhalten will. Ziel der BAL ist es, Zell- und Flüssigkeitsproben zu sammeln, die von der epithelialen Oberfläche der Alveolen bzw. terminalen Bronchien stammen. Da die Oberfläche im Alveolarbereich ca. 100-mal größer ist als direkt distal der eingekeilten Endoskopspitze, repräsentiert die BAL-Flüssigkeit (BALF) die Verhältnisse im Alveolarbereich sehr gut (REYNOLDS 1987; HEWSON u. VIEL

2002). Die BALF enthält weniger Epithelzellen, dafür mehr Makrophagen und Lymphozyten als Proben aus proximaleren Anteilen des Atmungstraktes und spiegelt daher nach NAYLOR et al. (1992) die beteiligten Entzündungsprozesse besser wider.

Die Normwerte für die Zellzusammensetzung der BAL variieren zwischen verschiedenen Autoren beträchtlich und lassen sich z. T. mit Unterschieden in der BAL-Durchführung erklären (DIXON et al. 1995; HEWSON u. VIEL 2002). Daher gelten die in Tabelle 9 angegebenen Normwerte, wie sie in dieser Arbeit verwendet werden, nur für die in Kapitel 3.2.1.6 beschriebene Untersuchungstechnik.

Viele Autoren (DIXON et al. 1995; NAYLOR et al. 1992; DERKSEN et al. 1985a; LARSON u.

BUSCH 1985) sind sich darin einig, dass ein erhöhter Anteil an neutrophilen Granulozyten Hinweis auf eine Entzündung der Atemwege und typisch für eine COB ist. HOFFMANN et al.

(1998) konnten bei Pferden mit Hyperreagibilität einen erhöhten Anteil von Mastzellen nachweisen. Eosinophile Granulozyten findet man nur in einem kleinen Teil (< 20 %) der COB-Patienten und machen weniger als 5 % der Zellen aus (DIXON et al. 1995).

2.2.5.5 Diagnostik der bronchialen Hyperreagibilität

Bronchiale Provokationstests erfassen die Bereitschaft der Atemwege, auf inhalierte Noxen mit einer Veränderung des Bronchialdurchmessers zu reagieren. Diese Atemwegsreagibilität zeigt sich in der Höhe der Reizschwelle (Sensitivität) und dem Ausmaß der Antwort im Verhältnis zur Konzentration des verwendeten Agens (HOFFMANN 2002).

Reicht ein qualitativer Nachweis auf Hyperreagibilität bei einem Pferd, z. B. für Versuchszwecke aus, kann die Aufstellung des Tieres und Exposition zu qualitativ schlechtem Heu oder Stroh eine bronchiale Hyperreagibilität auslösen (ROBINSON et al. 1985;

MCGORUM et al. 1993b). MCPHERSON u. THOMSON (1983) empfehlen, Pferde mit COB-Verdacht aber wenig ausgeprägter Symptomatik einige Stunden vor der Untersuchung den entsprechenden Allergenen bzw. schimmligem Heu oder Staub auszusetzen, um die klinische Untersuchung zu erleichtern.

Die zur quantitativen Messung der Atemwegsreagibilität angewandten Provokationstests können in zwei Gruppen unterteilt werden: Tests, mit denen die spezifische Reaktion auf ein einzelnes inhaliertes Allergen oder ein ganzes Allergengemisch gemessen wird, und Methoden zur Bestimmung der unspezifischen Hyperreagibilität mit definierten pharmakologisch wirksamen Substanzen.

Inhalations-Provokationstests mit ultraschallvernebelten Schimmelpilz- oder Milbenextrakten (MCPHERSON et al. 1979a; DERKSEN et al. 1988; MCGORUM et al. 1993b; FREVEL 1997), fraktionierten Heustaub-Suspensionen (PIRIE et al. 2002a, b) bzw. Futter-Pellet-Stäuben (FINK

1998) dienen v. a. der Erforschung der an der COB-Auslösung beteiligten Antigenen.

Zur Bestimmung der unspezifischen Hyperreagibilität werden beim Pferd Substanzen wie Histamin (KLEIN 1984; KLEIN u. DEEGEN 1986b; DOUCET et al. 1991), Metacholin (ROBINSON et al. 1985), Ipratropiumbromid (ROBINSON et al. 1993) oder Zitronensäure (ROBINSON et al. 1985) inhaliert oder Histamin intravenös verabreicht (ROBINSON et al. 1985;

DERKSEN et al. 1982b; DERKSEN et al. 1985b).

KLEIN und DEEGEN (1986b) fanden bei gesunden Pferden keine unspezifische Hyperreagibilität, aber bei 25 % aller geringgradig und bei 100 % aller schwer erkrankten Patienten. ROBINSON et al. (1985) können in symptomfreien Phasen von an COB erkrankten Pferden mit oben erwähnten Methoden keine Hyperreagibilität nachweisen.

2.2.5.6 Lungenfunktionsprüfung

Die Lungenfunktionsprüfung stellt eine Sammlung von zum Teil technisch sehr aufwendigen Methoden dar, die objektive Parameter liefern und so die Einschätzung der funktionellen Beeinträchtigung der Lunge vergleichbar machen. Sie umfasst Untersuchungstechniken wie Spirometrie (BUESS et al. 1993; JANSEN 1996; HERHOLZ et al. 2001c; BERTRAM 2001), Kapnographie (JANSEN 1996; TRÖTSCHEL 1996; OHNESORGE et al. 1998; HERHOLZ et al.

2001a, b, c), Stickstoffeinwaschungstest (SPÖRRI u. DENAC 1970) und Interpleuraldruck-messung (DEEGEN u. KLEIN 1987) im Stand der Ruhe oder unter bzw. nach Belastung (BUESS

et al. 1993; ART et al. 2002; MÜLLER et al. 1983).

2.2.5.6.1 Spirometrie

Zur Bestimmung des Atemzugvolumens bzw. dessen zeitlicher Veränderung (Atemfluss) wurden diverse Methoden entwickelt. Das früher verwendete Staudruckrohr nach FLEISCH

(1925) wurde inzwischen durch elektrische Impedanz-Messung des Thorax (REINHARDT et al.

1972) und in neuerer Zeit durch den Einsatz von Ultraschall-Messgeräten (BUESS et al. 1993) ersetzt (siehe 3.2.1.8.1.1).

2.2.5.6.2 Interpleuraldruckmessung

Da die alleinige Bestimmung von Atemzugvolumen und –fluss nur wenig verwertbare Informationen liefert, erfolgt zusätzlich die Messung der Interpleuraldruckdifferenz. Die früher verwendete direkte und damit sehr invasive Interpleuraldruckmessung (OBEL u.

SCHMITTERLÖW 1948; SPÖRRI u. DENAC 1967; SASSE 1971) ist durch weniger invasive Methoden ersetzt worden. Die indirekte Bestimmung des intraoesophagealen Druckes (DEEGEN u. KLEIN 1987; SASSE 1971) korreliert gut mit der direkten Interpleuraldruckmessung (BOERMA et al. 1985) und ist als adäquate Methode anerkannt (DERKSEN u. ROBINSON 1980; KLEIN u. DEEGEN 1987).

2.2.5.7 Histamin-Inhalations-Provokations-Test (HIPT)

Der Histamin-Inhalations-Provokations-Test dient zum Nachweis der unspezifischen Reagibilität der Atemwege. Hierbei inhalieren Pferde jeweils zwei Minuten lang Histaminlösungen in aufsteigenden Konzentrationen bis zu den ersten Anzeichen einer Dyspnoe (KLEIN 1984; KLEIN u. DEEGEN 1986b). Das inhalierte Histamin wirkt nicht nur reflektorisch über eine Irritation des N. vagus, sondern wirkt auch direkt an Histaminrezeptoren der bronchialen Muskulatur und löst über eine Stimulierung der H1-Rezeptoren einen Bronchospasmus aus (COCKCROFT et al. 1977).

Die dynamische Compliance (Cdyn) erwies sich bei KLEIN (1984) als der geeignetste Lungenfunktionsparameter, um die bronchokonstriktorische Antwort auf das inhalierte Histamin zu messen. Da Pferde individuell sehr unterschiedliche Histaminkonzentrationen tolerieren, wird zur Vergleichbarkeit der Messwerte diejenige Histaminkonzentration ermittelt, bei der die dynamische Compliance um 35 % gegenüber dem Ausgangswert absinkt (PC35Cdyn).