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2 Literaturübersicht

2.3 Überempfindlichkeitsreaktionen bei Mensch und Pferd

2.3.2 Mechanismen der Typ I-Allergie

Der Mechanismus der Typ I-Reaktion ist am besten bei Mensch und Maus untersucht, jedoch konnten Untersuchungen von KAUL (1998), BRUENNLEIN (2001) und GEIBEN (2003) deutliche Hinweise erbringen, dass dieselben Abläufe auch beim Pferd stattfinden.

2.3.2.1 Sensibilisierung

Haupteffektorzellen für die Typ I-Allergie sind Mastzellen (im Gewebe) und basophile Granulozyten (meist im Blut). Beide Zelltypen stammen von pluripotenten Vorläuferzellen im Knochenmark ab. Während sich basophile Granulozyten im Knochenmark weiter differenzieren und dann als reife Zellen ins Blut gelangen, geschieht die funktionelle Enddifferenzierung der Mastzellen erst in den peripheren Geweben, meist in der Haut und in den Schleimhäuten (COSTA et al. 1997).

Vom Menschen ist bekannt, dass es zur Ausprägung einer Typ I-Allergie kommen kann, wenn der Organismus gegen körperfremde Antigene bevorzugt sensibilisierende Antikörper vom IgE-, IgG2- oder IgG4-Isotyp bildet (JANEWAY et al. 2002). Normalerweise erfolgt die Produktion dieser Antikörper nur unter ganz bestimmten Umständen, z. B. zur Parasitenabwehr, und führt nicht unbedingt zu Ausprägung einer Typ I Allergie. Der Grund hierfür ist die Art und das relative Verhältnis der am Geschehen beteiligten T-Helfer-Zellen.

TH1-Zellen produzieren u. a. Interferon-γ und Il-2 (Interleukin-2), nicht aber Il-4 und Il-5.

Dagegen produzieren TH2-Zellen u. a. Il-4 und Il-5, nicht aber Interferon-γ. Interleukin-4 regt B-Lymphozyten dazu an, bevorzugt Antikörper vom IgG2-, IgG4- und IgE-Typ herzustellen,

während Interferon-γ die Produktion solcher Antikörperisotypen hemmt und dafür die Ausbildung nicht-sensiblisierender Antikörper fördert (LICHTENSTEIN 2001; JANEWAY et al.

2002).

Je nach Individuum, Situation und Antigen bestimmt also das individuelle TH1 : TH2-Verhältnis, ob B-Zellen sensibilisierende IgE- und IgG4-Antikörper oder eher andere, nicht sensibilisierende Antikörperisotypen produzieren. Bei Typ I-Allergikern überwiegt der Einfluss von TH2-Zellen und damit die Produktion von Il-4, Il-5 und Il-10.

Interleukin-4 wird zudem auch von Mastzellen, basophilen Granulozyten und aktivierten Eosinophilen selbst gebildet. Wird also erst einmal der Typ I-Immunmechanismus in Gang gesetzt, verschiebt er das TH1 : TH2-Verhältnis weiter zugunsten einer TH2-dominierten Antwort. Sobald Antigene in einem Individuum über TH2-Zellen bevorzugt einen Isotypenwechsel zu IgG2, IgG4 und IgE und letztlich eine allergische Reaktion induzieren, bezeichnet man sie als Allergene. Die so produzierten Antikörper binden sich hochaffin (Affinität ca. 1010 M-1) an den membranständigen Fcε-Rezeptor I (FcεR I, bindet IgE) bzw. an aktivierende Fcγ-Rezeptoren (binden IgG) von Mastzellen und basophilen Granulozyten (TIZARD 2004; JANEWAY et al. 2002).

2.3.2.2 Allergen-abhängige Aktivierung von Mastzellen und basophilen Granulozyten Während die erste Begegnung mit einem Antigen keine Symptome hervorruft, setzen die Zweit- und alle darauf folgenden Expositionen eines Allergens eine Reihe biochemischer Kaskaden in Gang. Beim Zweitkontakt bindet das Allergen direkt an die auf den basophilen Granulozyten bzw. Mastzellen gebundenen Antikörper, z. B. IgE. Dadurch kommt es über die Kreuzvernetzung („bridging“) der IgE-Moleküle zur Zusammenlagerung von Fcε-Typ I-Rezeptoren, die nun die Zelle aktivieren. Diese reagiert einerseits mit Degranulation und Ausschüttung von bereits präformierter Granula mit den darin gespeicherten Mediatoren wie Histamin, Heparin, verschiedenen Enzymen und Zytokinen (HARVIMA u. SCHWARTZ 1993;

ROITT 1993; KLEIN 1991). Zum anderen werden Mediatoren wie Leukotriene, Prostaglandin D2 und der Plättchen aktivierende Faktor (PAF) neu gebildet (HARVIMA u. SCHWARZ 1993;

ROITT 1993) und können – früher als „slow reactive substances of anaphylaxis“ (SRS) bezeichnet – zu einer bis zu mehreren Stunden verzögerten Ausprägung Typ I-allergischer

Symptome führen. Diese Mediatoren locken weitere inflammatorische Leukozyten, u. a.

eosinophile Granulozyten und TH2-Lymphozyten an den Ort der Mastzellreaktion. Bei länger andauernder Allergenexposition werden die TH2-Zellen weiter stimuliert, die IgE-Produktion aufrechterhalten und es kommt zu weiterer Mastzellaktivierung. Die Folge ist eine chronische Entzündungsreaktion (JANEWAY et al. 2002).

2.3.2.3 Allergen-unabhängige Aktivierung von Mastzellen und basophilen Granulozyten

IgE-abhängige Stimulierung:

Eine Kreuzvernetzung der IgE-Antikörper bzw. das Zusammenlagern der Fcε-Typ I-Rezeptoren (FcεR I) kann nicht nur durch körperfremde Allergene vermittelt werden, sondern auch durch körpereigene Strukturen (Autoallergene) oder durch gegen den IgE-Rezeptor gerichtete Antikörper erreicht werden (ISERSKY et al. 1978; ISHIZAKA u. ISHIZAKA 1978;

MAGRO et al. 1987; KLEINE BUDDE u. AALBERSE 2003). Auch Lektine wie z. B.

Concanavalin A können Kohlenhydratreste der glykolysierten IgE-Moleküle verbinden, damit die FcεR I auf der Zelloberfläche vernetzen und eine Zellaktivierung auslösen (MAGRO u.

BENNICH 1977).

IgE-unabhängige Stimulierung:

Mastzellen und basophile Granulozyten können aber auch auf IgE-unabhängigen Wegen stimuliert werden. Mögliche Substanzen hierfür sind Calciumionophore wie z. B. A 23187, Neuro- und andere Peptide (FOREMAN 1993) sowie die Komplementfaktoren C5a und C3a (Anaphylatoxine). „Priming factors“ (voraktivierende Faktoren) wie Interleukin-3 induzieren die Histaminfreisetzung nicht direkt, sondern erhöhen die IgE-abhängige Mediatorfreisetzung, indem sie deren Aktivierungsschwelle senken (KLEINE BUDDE u. AALBERSE 2003).

2.3.3 Allergiediagnostik

Da sich die Mechanismen, mit denen das Immunsystem auf ein Allergen reagiert, bei den verschiedenen Allergietypen unterscheiden (siehe 2.3.1), muss man die für den jeweiligen Allergietyp verantwortlichen Vorgänge gezielt in der Diagnostik erfassen. Bei allergischen Haut- oder Lungenerkrankungen steht eine Typ I-Allergie im Vordergrund. Dieser Allergietyp wird nicht durch freie Antikörper im Serum, sondern ausschließlich durch basophile Granulozyten bzw. Mastzellen ausgelöst, die durch Bindung geeigneter Antikörper an ihre oberflächlichen Fc-Rezeptoren sensibilisiert sind. Deshalb ist es wenig sinnvoll, freie Antikörper gegen verdächtige Allergene im Serum eines Pferdes zu untersuchen, da diese keineswegs repräsentativ für die zellgebundenen Antikörper sein müssen (LEIBOLD 2003).

Dies entspricht den Erfahrungen von SCHMALLENBACH et al. (1998) und EDER et al. (2000), die in den Serum-IgE-Titern gegen Schimmelpilz- und Futtermilbenallergene keine signifikanten Unterschiede zwischen gesunden und an COB erkrankten Pferden fanden. Ein internationaler Workshop zum Thema COB kam 2000 zu dem Schluss, dass Serumtests (herkömmliche „Allergietests“) zur Identifizierung des auslösenden Allergens bei der COB des Pferdes nicht von Nutzen sind (ROBINSON 2000).

Zur klinisch relevanten Diagnostik von Typ I-Allergien stehen derzeit nur der Intrakutantest und ein funktioneller in-vitro-Test der basophilen Granulozyten („Histaminliberationstest“) zur Verfügung. In humanmedizinischen Untersuchungen (GRIESE et al. 1990) erwies sich der Histaminliberationstest sensitiver und spezifischer als Hauttests.

Zahlreiche Studien (HALLIWELL et al. 1979; MCPHERSON et al. 1979a; ERIKSEN 1985; SASSE

et al. 1985) verzeichnen bei chronisch lungenkranken Pferden positive Reaktionen im Intrakutantest auf die verschiedensten potentiellen Allergene. MCGORUM et al. (1993a) konnten allerdings bei keinem ihrer im Intrakutantest eingesetzten Schimmelpilz- und Hausstauballergene einen signifikanten Unterschied zwischen Kontrollpferden und COB-Patienten finden, weder in der Früh- noch in der Spätphase. Zudem bestand kein Zusammenhang zwischen den gefundenen Werten und der pulmonalen Dysfunktion. Gleiche Erfahrungen machten auch EVANS et al. (1992). Die Autoren bezweifeln den diagnostischen Wert des Intrakutantests bei Lungenpatienten im Hinblick auf Hausstaub- und

Schimmelpilzallergene. Oben erwähnter Workshop findet ebenfalls den Einsatz von Intrakutantests zur Identifizierung des auslösenden Allergens bei der COB nicht gerechtfertigt (ROBINSON 2000).

Der funktionelle in-vitro-Test (FIT) für Typ I-Allergien beim Pferd bietet die Möglichkeit, eine Sensibilisierung der basophilen Granulozyten im Blut mit funktionellen membrangebundenen Antikörpern zu ermitteln. Durch den Einsatz von Allergenpräparationen in unterschiedlichen Verdünnungsstufen und der Messung der durch eine bestimmte Allergenverdünnung induzierten Histamin-Freisetzung kann dabei eine semiquantitative Aussage über den Sensibilisierungsgrad getroffen werden (KAUL 1998). Dabei sollten die Pferde allerdings nicht mit Kortison vorbehandelt sein, da dies die IgE-abhängige Aktivierung von basophilen Granulozyten und Mastzellen verhindert (SCHLEIMER et al. 1982). Nach BRUENNLEIN (2001) weisen an COB erkrankte Pferde signifikant häufiger eine im FIT nachweisbare Sensibilisierung gegen Allergenpräparationen aus Hausstaubmilben (Dermatophagoides farinae bzw. Dermatophagoides pteronyssinus) und Hausstaub auf als gesunde Pferde.