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5 Diskussion

5.1 Diskussion der klinischen Ergebnisse

Die Auswahl der Probanden lieferte ein normalverteiltes Patientengut (p > 0,10) hinsichtlich Alter und klinischem Score. Als limitierende Faktoren für die Aufnahme von Probanden stellte sich v. a. der Ausschluss von Herzerkrankungen dar, obwohl ein Teil der Herzpatienten gleichzeitig Symptome einer chronischen Lungenerkrankung aufwies. Ein weiterer Anteil der in der Klinik untersuchten Lungenpatienten wies zusätzlich eine Hemiplegia laryngis sinistra auf und wurde deshalb auch von dieser Studie ausgeschlossen.

In der Humanmedizin lassen sich Patienten mit chronischer Bronchitis anhand der klinischen und zytologischen Untersuchung des Sputums bzw. der BALF zwei verschiedenen Krankheitskomplexen zuordnen. Dabei zeigt nur ein kleiner Anteil (10 %) der Menschen die Charakteristika beider Erkrankungen. Dieses Krankheitsbild firmiert unter dem Begriff

„wheezy bronchitis“ (BARNES 2000).

In Anlehnung an die humanmedizinische Diagnostik zur Differenzierung von Asthma und COPD wurde das Patientengut dieser Studie anhand anamnestischer, klinischer, endoskopischer und zytologischer Befunde mit Hilfe eines Punktesystems tendenziell einer dieser beiden Erkrankungen zugeordnet (4.1.2). Dabei wird die dem Asthma des Menschen entsprechende hyperreagible Variante des Pferdes im Folgenden mit dem Erscheinungsbild der „Recurrent Airway Obstruction“ (RAO) gleichgestellt, soweit Bezug auf die Literatur genommen wird.

Im Gegensatz zur Humanmedizin ließen sich in dem hier verwendeten Patientengut keine zwei eigenständigen Erkrankungsformen separieren. Ein Großteil der Pferde zeigte sowohl Charakteristika eines asthmatischen Geschehens, als auch solche, die für eine COPD sprechen. Die Unsicherheiten in dem hier verwendeten Score liegen vor allem in den subjektiven Aussagen der Patientenbesitzer. Da jedoch einerseits mit der klinischen Untersuchung die Leistungsbereitschaft des Pferdes nicht beurteilt werden konnte und andererseits nach MAZAN und HOFFMANN (2002) eine Leistungsschwäche bzw. eine

Arbeitsverweigerung des Pferdes einer der Hauptbefunde für eine „Inflammatory Airway Disease“ ist, ging der Vorbericht mit in die Bewertung ein.

Zur Einschätzung des Reagibilitätszustands eines Pferdes wurde ebenfalls auf den Vorbericht des Besitzers und zusätzlich auf zytologische Befunde bei der BALF-Auswertung zurückgegriffen. Dies ist möglich, weilsowohlDERKSEN et al. (1985a) als auch HOFFMANN et al. (1998) und HARE et al. (1998) eine starke Korrelation zwischen dem vermehrten Auftreten von eosinophilen Granulozyten und / oder Mastzellen in der BALF und einer Hyperreagibilität der Atemwege aufzeigen konnten. WIRTZ (2002) berichtet über Erfahrungen aus der Humanmedizin, wonach bei Asthmatikern diese Zellen ebenfalls vermehrt auftreten.

Allerdings muss bedacht werden, dass eine Hyperreagibilität der Atemwege nicht beweisend für eine „Recurrent Airway Obstruction“ ist, teils weil nicht alle Pferde mit RAO eine Hyperreagibilität der Atemwege zeigen, teils weil diese auch bei Pferden mit „Inflammatory Airway Disease“ auftritt (HOFFMANN 2000). Eine objektivere Beurteilung der Reagibilitätslage wäre nur mit dem Histamin-Inhalations-Provokations-Test möglich gewesen. Da aber die Probleme mit der Auswertung der gemessenen Drücke eine zuverlässige Bestimmung der PC35Cdyn unmöglich machten, musste auf diesen Parameter zur Differenzierung der Probanden verzichtet werden. Da zudem der funktionelle Test der basophilen Granulozyten im Blut (4.2.1) bzw. die in vitro Reaktion der pulmonalen Mastzellen (4.2.4) keinen Hinweis auf ein allergisches Geschehen im Zusammenhang mit einer COB-Erkrankung lieferte, war eine Einschätzung des Reagibilitätszustands eines Probanden nur indirekt möglich. Dadurch wurden die Möglichkeiten zur Klassifizierung der Pferde in hyperreagible und wenig reagible Probanden eingeschränkt.

Das Symptom „Husten“ (vorberichtlich oder während des Klinikaufenthaltes) ist nicht eindeutig einer der beiden Erkrankungen zuzuordnen. Zudem tritt eine Hustensymptomatik bei 84 % aller chronisch lungenkranker Pferde auf (MCGORUM 1994; DIXON et al. 1995) und ist daher nur eingeschränkt als Unterscheidungsmerkmal geeignet. Bei Rennpferden besteht ein Zusammenhang zwischen einer Hustensymptomatik und dem Vorliegen einer Entzündung, v. a. mit Beteiligung von neutrophilen Granulozyten (ROBINSON et al. 2002;

HODGSON et al. 2002). Diese gelten als Kennzeichen einer „Inflammatory Airway Disease“

(DIXON et al. 2003; HODGSON et al. 2002). Hinzu kommt, dass in der Humanmedizin die

Hustensymptomatik eines Asthmatikers nur während der Phasen der Obstruktion auftritt, während länger andauernder chronischer Husten ein Hauptsymptom eines an COPD erkrankten Menschen ist (WIRTZ 2002). Wie bei der statistischen Auswertung gezeigt werden konnte, gab es einen Zusammenhang zwischen einer vorhandenen Hustensymptomatik und der Sekretmenge bzw. der Viskosität des Sekrets in der Trachea. Ersteres bestätigen auch die Erfahrungen vonDIXON et al. (1995).

Einen nicht unbedeutenden Einfluss auf den Score nehmen die endoskopischen Sekretbefundungen. Hierbei galt in Anlehnung an WIRTZ (2002) eine Zunahme der Sekretmenge als charakteristisch für eine COPD, eine Zunahme der Sekretviskosität wurde als Kennzeichen von Asthma gewertet. Dies wird von GERBER et al. (2000) für Pferde mit

„Recurrent Airway Obstruction“ bestätigt und wurde bei Aufstellung des Scores berücksichtigt. Wie bei der Darstellung der Ergebnisse gezeigt (4.1.1.2), korreliert in dieser Studie die Sekretmenge in der Trachea mit der Viskosität des darin enthaltenen Sekretes und widerspricht damit der Hypothese, die diesem Punktesystem zugrunde liegt.

Eine Zunahme der Sekretmenge geht nach ROBINSON et al. (2002) beim Pferd mit einer Zunahme an neutrophilen Granulozyten einher. Dieser Zusammenhang war auch hier aufzuzeigen. Neutrophile Granulozyten produzieren Elastase (NADEL et al. 1999; NADEL

2000) und Sauerstoffradikale und können durch Stimulierung der Becherzellen eine Zunahme der Viskosität bewirken. FRANCHINI et al. (1998) vermuten eine vermehrte Inhalation von Staubpartikeln als Ursache einer Infiltration der Atemwege mit neutrophilen Granulozyten.

GERBER et al. (2003) konnten andererseits keine Korrelation zwischen der produzierten Sekretmenge und der Viskosität des Sekretes feststellen. Die dort untersuchten „gesunden“

Sportpferde, die in Innenboxen auf Stroh gehalten wurden, wiesen fast alle erhöhte Gehalte an neutrophilen Granulozyten in der BALF auf. Die Autoren sehen dies als Folge der langjährigen Boxenhaltung dieser Pferde und nicht mehr als alleinigen Beweis für eine Inflammatory Airway Disease. Auch ROBINSON et al. (2002) fanden bei ihren gesunden Kontrolltieren nach Aufstallung erhöhte Zahlen von neutrophilen Granulozyten in der BALF, und PIRIE et al. (2001, 2002a) konnten durch die Inhalation von Suspensionen aus Heustaub bzw. Endotoxin-Lösungen dosisabhängig eine Zunahme der neutrophilen Granulozyten in den

Atemwegen bewirken, sowohl bei lungenkranken als auch – mit höherer Reizschwelle – bei gesunden Pferden.

Da eine Infiltration der Atemwege mit neutrophilen Granulozyten in der Humanmedizin als Kennzeichen einer COPD gilt, floss der Gehalt dieser Zellen in der BAL in den Score ein.

Möglicherweise wird durch die Haltungsform der Pferde (größtenteils Pferde aus Boxenhaltung) in der hier vorliegenden Studie schon eine derartige Zellbeteiligung in den Atemwegen bewirkt und dadurch der Score beeinflusst. Insgesamt wiesen zwei Drittel (67,4 %) aller hier untersuchten Pferde in der BALF erhöhte Gehalte dieser Zellen auf (durchschnittlicher Gehalt: 20,8 %). Ein direkter Vergleich dieser Werte ist mit vielen Autoren nicht möglich, da in zahlreichen Studien ein erhöhter Gehalt an neutrophilen Granulozyten in der BALF als Kriterium für eine Erkrankung gilt (VIEL 1997; ROBINSON

2000). Zudem bestehen Unterschiede in der Durchführung der BAL bei verschiedenen Autoren. Bei Verwendung kleinerer Mengen Spülflüssigkeit spült man anteilsmäßig den Bronchialbaum vermehrt aus und erhält dadurch einen höheren Gehalt an neutrophilen Granulozyten (HEWSON u. VIEL 2002). In dieser Studie wurde insgesamt 500 ml Spülflüssigkeit bei der BAL eingesetzt, mehr als die meisten anderen Untersucher verwenden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem hier verwendeten Punktesystem keine eindeutige Zuordnung der Pferde in Analogie zur Humanmedizin zu einem Asthmageschehen bzw. einer COPD möglich war und ein Großteil der Pferde dem Krankheitsbild „wheezy bronchitis“ entsprach. Möglicherweise ist die Stallhaltung der hier untersuchten Pferde dafür verantwortlich, dass durch die chronische Inhalation von Staubpartikeln ein Entzündungsgeschehen unterhalten wird und die ursprünglich klarere Unterscheidung in ein hyperreagibles oder dyskrinisches Geschehen durch die Chronizität der Erkrankung in einem einheitlichen klinischen Krankheitsbild endet. Dieses überdeckt dann eventuell die von einer rein hyperreagiblen COB-Variante verursachten Symptome und macht es zunehmend schwieriger, diese Patienten von den restlichen Pferden abzugrenzen. Hinzu kommt, dass nicht-parametrische statistische Tests, wie der hier verwendete Rang-Korrelations-Test nach Spearman, nicht so empfindlich sind und große Patientenzahlen benötigen, um die doch bestehenden Unterschiede zwischen zwei COB-Varianten herauszufinden.