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3 Partizipative Laufbahnplanung

Wenn es in der Praxis Probleme der genannten Art gibt und die Personalentwicklung nicht die ungeteilte oder auch nur überwiegende Zustimmung der Mitarbeitenden findet, so kann dies – je nach den Verhältnissen und Möglichkeiten der Betriebe – vielfältige Ursachen haben. Oft dürfte dies weniger in einem Mangel an Problembe-wusstsein der Personalverantwortlichen als vielmehr in Defiziten bei der praktischen Umsetzung dieser Aufgaben begründet liegen. Es mangelt oftmals also nicht so sehr an der Einsicht und dem Bewusstsein des Problems als vielmehr an konkretem, prak-tischem Methodenwissen. Denn die Laufbahnplanung reicht in einen Themenbe-reich hinein, der traditionell nicht zum betriebswirtschaftlichen Aufgabenspektrum gehört.

Geht man also von einem weiter gefassten Verständnis von Personalentwicklung im Sinne einer betrieblichen Laufbahnplanung aus, so beinhaltet deren Aufgabenbe-reich zwei Teilgebiete, die sich hinsichtlich ihrer Methoden und Problemstellungen wesentlich unterscheiden (s. Abb. 1).

Das erste Element umfasst die Personalentwicklungsplanung im traditionellen Sinne, also die Quantifizierung des betrieblichen Bedarfs, der intern im Zuge der Per-sonalentwicklung gedeckt werden soll, seine qualitative Darstellung in Form von An-forderungsanalysen und -profilen und schließlich die Planung von Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Bildungs- und/oder der Stellenbesetzungspolitik. Der Funktionsbereich der betrieblichen Personalentwicklung in diesem traditionellen Sinne gehört zu den Kernbereichen des betrieblichen Personalmanagements. Er ist Gegenstand unzähliger Publikationen und muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

Das zweite Element umfasst die individuelle Berufswegplanung. Auch hierzu finden sich in der personalwirtschaftlichen Literatur Ansatzpunkte – aber eher verein-zelt und punktuell, vor allem auf den Bereich der Führungskräfteentwicklung (Ma-nagement Development) bezogen. Auf die individuelle Berufslaufbahn bezogene Pla-nungen sind hier gelegentlich Bestandteil einer Laufbahn- und Nachfolgeplanung (Meier & Schindler, 2004, Sp. 1053 ff.). Ansonsten ist das Thema Berufswegplanung

Elemente der partizipativen Laufbahnplanung (Quelle: Eigene Darstellung) Abbildung 1:

aber vor allem im Bereich der Sozialwissenschaften, der Psychologie und der Pädago-gik beheimatet. Soweit es um eine anwendungsbezogene Betrachtung im Sinne von Dienstleistungen in diesem Prozess geht, etwa im Rahmen der beruflichen Beratung, wird das Themenfeld heute auch in einem interdisziplinären Ansatz unter dem Be-griff der Beratungswissenschaften zusammengefasst.

Aus betrieblicher Sicht wird man vordergründig die Berufswegplanung in erster Linie als eine individuelle, sehr persönliche und daher auch private Angelegenheit ansehen. Schließlich sind berufliche Planungen nicht zwingend an einen Betrieb ge-bunden, denn sie erstrecken sich ggf. auch auf betriebsübergreifende Mobilitätsvor-gänge, z. B. Wechsel des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin, zwischengeschaltete Aus- oder Fortbildungsphasen etc.

Die individuelle Berufswegplanung kann aber, wenn sie ein wesentliches Ele-ment der betrieblichen Laufbahnplanung darstellt, dennoch nicht einfach als Privat-sache der Mitarbeitenden abgetan werden. Der Betrieb hat zwar kein Recht, sich in die persönliche Berufs- und Lebensplanung seiner Mitarbeitenden einzumischen, er hat aber durchaus ein Interesse, seine eigenen Maßnahmen und Angebote daran zu orientieren. Dies ist auch kein Widerspruch, solange die betriebliche Mitwirkung hier-bei als ein Angebot verstanden wird, dessen Inanspruchnahme auf Freiwilligkeit be-ruht und den individuellen Nutzen der Mitarbeitenden mehrt.

Die persönliche Berufswegplanung beinhaltet die Bestimmung der kurz-, mittel-und langfristigen Berufsziele, die Konfrontation dieser Ziele mit den Fähigkeiten, Kenntnissen, Begabungen etc. des/der Mitarbeitenden und schließlich die Identifika-tion geeigneter Maßnahmen zur Zielerreichung.

Die Bestimmung der beruflichen Ziele ist der Ausgangspunkt der beruflichen Planungen. Dabei muss die Berufswegplanung als ein lebenslanger Prozess verstan-den werverstan-den. Oft werverstan-den erste berufliche Wunschvorstellungen bereits in der Kindheit entwickelt, meistens noch mit wenig Realitätsgehalt, mehr kindliche Träumerei als vorausschauende erwachsene Planung. Im Jugendalter werden dann – mit dem Über-gang in Beruf, Ausbildung oder Studium – erste reale Weichenstellungen vorgenom-men. Oft determinieren diese frühen beruflichen Entscheidungen ein ganzes Berufs-leben. Der schnelllebige Wandel unserer Tage lässt aber die Halbwertszeit beruflicher Entscheidungen immer weiter abnehmen. Beruflicher Wechsel und berufliche Neu-entscheidung gehören heute zur gesellschaftlichen Normalität, sind selbstverständ-licher Bestandteil moderner Berufsbiografien. Mit dem Fortschreiten des Alters im Verlauf des beruflichen Werdeganges und dem Wandel im privaten und gesellschaft-lichen Umfeld sind auch die berufgesellschaft-lichen Ziele von Individuen einer ständigen Ent-wicklung unterworfen. Während in jungen Jahren und am Anfang der beruflichen Laufbahn oft das Einkommen oder die Aufstiegschancen im Vordergrund stehen, so rücken in späteren Jahren vielleicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes, seine gesund-heitliche Verträglichkeit oder das Arbeitsklima in den Vordergrund.

Berufliche Ziele sind daher nicht nur individuell sehr verschieden, sie sind auch wandelbar und sie stehen den Menschen nicht auf die Stirn geschrieben. Man muss sich schon Zeit nehmen und sich Mühe geben, um herauszufinden, was die

Men-schen beruflich bewegt. Es ist für die Ausgestaltung der Personalentwicklung jeden-falls nicht klug, anzunehmen, ein undifferenziertes Standardangebot könne allen An-sprüchen gerecht werden. Wenn in der Personalentwicklung nur die betrieblichen Anforderungen berücksichtigt werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Er-gebnis der Entwicklungsmaßnahmen suboptimal bleibt.

Der Ansatz der Laufbahnplanung kann dieser Gefahr entgegenwirken, indem er versucht, betrieblichen Bedarf und individuelle Wünsche miteinander in Einklang zu bringen. Bei der Ausgestaltung der betrieblichen Personalentwicklungsmaßnahmen ist deshalb die Einbeziehung der Mitarbeiterwünsche und -interessen essenziell.

Grundlage und Voraussetzung hierfür ist ein partizipatives Verständnis der Personal-verantwortlichen von ihrer Aufgabenwahrnehmung. Maßnahmen der Personalent-wicklung haben ihren Ausgang zwar in dem Bedarf des Betriebes, ihre personalwirt-schaftliche Umsetzung darf aber nicht einfach „am grünen Tisch“ geplant und entschieden werden. Mitarbeitende sollen nicht einfach – mehr oder weniger unge-fragt – in „PE-Maßnahmen“ versetzt oder zu Fortbildungsveranstaltungen „abkom-mandiert“ werden. Bevor derartige personelle Entscheidungen getroffen werden, soll-ten mit den Betroffenen Gespräche geführt werden, in denen ihre persönliche Sichtweise, ihre Anforderungen und Wünsche und Restriktionen erhoben und be-sprochen werden. Partizipative Laufbahnplanung bedeutet dann, dass diese indivi-duellen Aspekte auch angemessen Berücksichtigung finden, dass Lösungen gemein-schaftlich gesucht werden, dass schließlich Entscheidungen im Einvernehmen mit den Mitarbeitenden getroffen werden und dass sie aktive Unterstützung bei der Reali-sierung erhalten.

Ein partizipativer Ansatz ist weiterhin die Grundlage, die Eignung von Mitarbei-tenden für vorgesehene Personalentwicklungsmaßnahmen einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Die Anforderungen der Stellen, auf die hin Entwicklungsmaßnah-men geplant werden, ergeben sich aus dem Tätigkeitsprofil. Sie sind den Personal-verantwortlichen bekannt und oftmals in schriftlich niedergelegten Anforderungs-profilen verfügbar. Bei der Auswahlentscheidung, welche Mitarbeitende für eine Personalentwicklungsmaßnahme in Betracht kommen, steht daher die Frage der Eig-nung im Vordergrund. Die Aufgabe der Personalverantwortlichen besteht hier vor al-lem darin, herauszufinden, über welche Qualifikationen und Potenziale ein Mitarbei-ter bzw. eine MitarbeiMitarbei-terin verfügt und ob er infolgedessen den Anforderungen einer geplanten Maßnahme genügen kann. Es geht hier also im Kern um Eignungsdiag-nostik, vergleichbar der Aufgabenstellung im Rahmen des Recruitments. Die Eig-nungsbeurteilung bei der Laufbahnplanung hat allerdings den Vorteil einer ver-gleichsweise besseren Datenbasis. Da es sich hier um bereits im Betrieb tätige Mitarbeitende handelt, kann man auf Erkenntnisse und Daten, z. B. Beurteilungen, zurückgreifen, die im Rahmen der bisherigen Betriebszugehörigkeit angefallen sind.

Diese sind in Bezug auf die Eignungsbeurteilung oft besonders aussagekräftig.

Die Klärung der beruflichen Ziele und Wünsche der Mitarbeitenden und die Be-standsaufnahme ihrer Qualifikationen und ggf. ihrer Defizite bilden eine wichtige Grundlage einer partizipativen Laufbahnplanung, welche die Erfordernisse der

be-trieblichen Personalentwicklung mit den Anforderungen individueller Berufsweg-und Karriereziele verbindet.

Partizipative Laufbahnplanung setzt hohe Anforderungen an die mit dieser Auf-gabe betrauten Personalverantwortlichen. Die Vielschichtigkeit der AufAuf-gaben erfor-dert immer mehr einen interdisziplinären Ansatz, auch in der Wissenschaft und in der Ausbildung des Nachwuchses. Die ehemals vor allem betriebswirtschaftlich ge-prägte disponierende und verwaltende Tätigkeit entwickelt sich immer mehr zu einer beratenden Aufgabe. Anwendungsbezogene beratungswissenschaftliche Ansätze, wie sie etwa in der Berufsberatung oder der Personalberatung gelehrt und praktiziert werden, sollten daher verstärkt auch im Funktionsbereich der Personalentwicklung Beachtung finden.

Literatur

Becker, M. (2009). Personalentwicklung (5. Aufl.). Stuttgart: Schaeffer-Poeschel.

v. Eckardstein, D. & Schnellinger, F. (1975). Betriebliche Personalpolitik (2. Aufl.) München:

Vahlen.

Meier, H. & Schindler, U. (2004). Laufbahn- und Nachfolgeplanung von Fach- und Füh-rungskräften. In E. Gaugler; W. A. Oechsler & W. Weber (Hrsg.), Handwörterbuch des Personalwesens (3. Aufl.). Stuttgart: Schaeffer-Poeschel.

Oechsler, W. A. (2011). Personal und Arbeit (9. Aufl.). München: De Gruyter.

Autor

Roland Dincher, Prof. Dr., 1992 bis 2006 Professor an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Arbeitsverwaltung. 2006 bis 2018 Professor an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA), Schwerpunkt Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Personalmanagement und Public Management.

Kontakt: rolanddincher@aol.com

and career counselling – multidimensional