• Keine Ergebnisse gefunden

4 Ausgestaltungen des Konstrukts Systemkompetenz

Im Folgenden werden vorliegende Ausarbeitungen zur Systemkompetenz unter den oben erläuterten Dimensionen des Kompetenzkonstrukts analysiert.

4.1 Kompetenzmodell

Manteufel und Schiepek (1993), die das Konstrukt der Systemkompetenz in die Fach-diskussion eingeführt haben, beziehen sich im Kern auf die Synergetik, die als wichti-ger Bestandteil einer Theorienfamilie nicht-linearer Systeme anzusehen ist. Sie defi-nieren Systemkompetenz „als Kompetenz von Systemen für ihr eigenes Prozessieren und als Kompetenz für das Prozessieren anderer Systeme in ihrer Umwelt“. Das Kon-zept will „die für das Handeln in komplexen Systemen notwendigen theoretisch-me-thodischen, sozialen und Problemlöse-Kompetenzen“ (Schiepek & Spörkel, 1993, S. 16) integrieren.

Kriz (2000, S. 13 f.) orientiert sich ebenfalls breit an den Systemwissenschaften.

Kriz versteht Systemkompetenz als ein Set von „Grundhaltungen, Wissen, Hand-lungs- und Methodenkompetenz über das Wirksamwerden von Prinzipien der Sys-temwissenschaften […] in verschiedenen Lebenswelten“. Er bezieht sich bei der Be-stimmung von Systemkompetenz auf verschiedene Handlungsebenen. So findet zum einen das Systemisch-Ökopsychologische Handlungsmodell (SÖHM) mit seinen Handlungsebenen (Körper, Psyche, Soziale Mitwelt, Technik, Natur) Eingang (Kriz, 2000, S. 163), zum anderen werden die Prozessebenen (intrapersonell, interpersonell, gesellschaftlich-kulturell, körperlich) der personenzentrierten Systemtheorie seines Vaters Jürgen Kriz (Kriz, 2017) aufgenommen.

König & Volmer (2005, S. 212 ff.), die im Anschluss an Bateson (1994) eine perso-nale Systemtheorie entwickelt haben, legen diese auch ihrem Modell von Systemkom-petenz zugrunde. Köster & Kruse (2012) haben diesen Bezug aufgegriffen.

4.2 Kompetenzprofil

Diese unterschiedlichen systemtheoretischen Bezüge schlagen sich grundlegend in der Ausgestaltung des jeweiligen Kompetenzprofils nieder.

Manteufel et al. (1998, S. 196 ff.) unterscheiden die folgenden Kompetenzen: So-zialstrukturen und Kontexte, Umgang mit der Dimension Zeit, Umgang mit der emo-tionalen Dimension, Soziale Kontaktfähigkeit, Bedingungen für Selbstorganisation, Systemtheoretisches Wissen und Methoden.

Kriz (2000, S. 195 ff.) differenziert als Kompetenzprofil für ein Trainingspro-gramm auf der Basis des SÖHM-Modells: systemisch-konstruktivistische Grundhal-tung, systemkompetenter Umgang mit körperlichen Prozessen, mit Natur und Tech-nik, mit psychischen Prozessen, mit sozialen Prozessen sowie Trainer-Kompetenzen.

In seinem Beitrag von 2016 über Systemkompetenzen für Führungskräfte wählt Kriz (2016, S. 59 ff.) in Anlehnung an die recht verbreitete Systematik von Erpenbeck &

Heyse (2007) eine formale Differenzierung zwischen personaler Systemkompetenz, fachlich-methodischer Systemkompetenz, Teamkompetenz als sozial-kommunikative Systemkompetenz und Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Systemkompetenz. In diesem Fall wird die spezifische inhaltliche Ausgestaltung der Systemkompetenz erst in den einzelnen Kompetenzgruppen deutlich.

König & Volmer (2005, S. 215) kritisieren die Kompetenzkonzeption von Schie-pek und Kriz als zu weit gefasst und damit schwer abgrenzbar gegenüber anderen Kompetenzen, z. B. sozialen Kompetenzen. Des Weiteren halten sie den als universi-täres Lehrprogramm entwickelten Katalog von Kriz als nicht verallgemeinerbar, da es wissenschaftstheoretische, epistemologische Wissensbestände oder explizit Trainer-und Beraterkompetenzen vorsieht. König & Volmer (2005, S. 217 ff.) differenzieren Systemkompetenz anhand von sechs Dimensionen:

• Personen: Wer sind die relevanten Personen in dem sozialen System?

• Subjektive Deutungen: Was sind die eigenen subjektiven Deutungen und die der relevanten anderen Personen?

• Offene und verdeckte Regeln: Welche offenen und geheimen Regeln gilt es zu erkennen und welche sinnvollen neuen Regeln gilt es einzuführen?

• Regelkreise: Welche Regelkreise schaffen Stabilität oder welche auch Erstarrung?

• Systemumwelt: Welche materiellen und sozialen Umwelten sind zu berücksich-tigen?

• Entwicklung sozialer Systeme: Inwiefern ist die Entwicklungsgeschwindigkeit (Tempo) und die Entwicklungsrichtung (Ziele, Prioritäten) des Systems zu ge-stalten?

Es zeigt sich, dass bei der Systematik von König & Vollmer und Köster & Kruse ent-sprechend der systemtheoretischen Grundlagen eher personenbezogene Dimensio-nen, konstruktivistische Überlegungen, Regelkreise und Umwelten von Systemen eine wichtige Rolle spielen. Bei der synergetischen Variante bei Schiepek & Kriz wer-den demgegenüber die Selbstorganisation, die Musterbildung und die Disruptivität von Entwicklungen betont.

Köster & Kruse (2012, S. 337) nehmen die Arbeiten zur personalen System-kompetenz von König & Volmer (2005) auf und integrieren diese in einem Rahmen-modell, um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Systemkompetenz um einen Teil-bereich erforderlicher Kompetenzen handelt. Ergänzend nennen sie personale, sozial-kommunikative, Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen sowie Methoden-Kompetenzen. Zusätzlich werden emotionale Kompetenzen, Metakompe-tenzen und Werthaltungen aufgelistet.

In der vorliegenden Literatur ist bei einer Reihe einzelner Kompetenzen der Be-zug zu einem systemischen Konzept unklar. Vermutlich resultiert dies aus der sehr breiten Fassung des Konzepts. Ein Beispiel von Kriz (2016, S. 61): „Empathisches Wahrnehmen sozialer Beziehungen“… wird als sozial-kommunikative

Systemkompe-tenz aufgelistet. Die KompeSystemkompe-tenz ist durchaus relevant, nur was an ihr ist das beson-ders „Systemische“?

In vielen Fällen wird zudem bei den vorliegenden Ausarbeitungen von System-kompetenz keine systematische Unterscheidung zwischen Ressourcen für die Reali-sierung von Kompetenzen und in der Handlung sichtbaren Kompetenzen vorgenom-men. Diese Unterscheidung ist aber konstitutiv für ein performanzorientiertes Verständnis von Kompetenz. So führt z. B. Kriz (2016, S. 60) unter fachlich-methodi-scher Systemkompetenz auf: „Wissen über systemische Prinzipien“, d. h. es wird le-diglich die Ressource für Kompetenz benannt. Haken & Schiepek listen „Wissen“ als einen der sechs Kompetenzbereiche auf (s. o.).

4.3 Kompetenzfeststellung

Als Verfahren der Kompetenzfeststellung lassen sich Aktionsprotokollbögen anfüh-ren, die zur Evaluation und Reflexion im Rahmen von Systemspielen empfohlen wer-den (Manteufel et al., 1998, S. 97 ff.). Diese erfassen jedoch eher die komplex-dynami-schen Effekte im Verlauf des Systemspiels als Systemkompetenzen im eigentlichen Sinne. In den Publikationen von Kriz sowie den Vertretern der Personalen System-kompetenz werden keine Verfahren benannt. Neuere Entwicklungen zur Kompetenz-messung enthalten die Beiträge von Rose (2016) zum „Management komplexer Sys-teme“ sowie von Kriedel (2017) zur „Systemkompetenz für Entrepreneure“. Sie haben psychometrisch gültige Skalen mit entsprechenden Items entwickelt und umgesetzt.

Inhaltlich vor dem Hintergrund der Theorienfamilie der nicht-linearen Systeme abge-leitet, dienen sie im Einsatz jedoch eher empirischer Erhebung als introspektiver Re-flexion zur Kompetenzerweiterung. Beide Autoren legen auch kein Kompetenzmodell mit entsprechenden Dimensionen vor.

Köster & Kruse (2012) nehmen ihr Systemkompetenzmodell als Grundlage für eine qualitative Befragung von Führungskräften und untersuchen, inwiefern Füh-rungskräfte in Unternehmen Systemkompetenz besitzen, wie diese erworben wurde und welche Konsequenzen sich daraus für Weiterbildung und Beratung ergeben (Kös-ter & Kruse, 2012, S. 18).

Für sämtliche vorliegenden Beiträge ist zu konstatieren, dass eine Operationali-sierung von Kompetenzen durch Festlegung von Indikatoren und Verhaltensankern fehlt, die eine zentrale Voraussetzung für die empirische Erfassung von Komplexitäts-kompetenz darstellen.

4.4 Kompetenzentwicklung

Im Vergleich zu Schiepek und Kollegen, die die Erprobung, Untersuchung, Reflexion und Entwicklung von Systemkompetenz im Kontext von „klassischen“ Planspielen konzipieren (Manteufel et al., 1998), erweitert Kriz die Perspektiven der Entwicklung um eine konzeptionelle und um eine methodische Komponente. Als konzeptionelle Erweiterung schlägt er in Anlehnung an die „Action-Learning-Tradition“ den „Experi-mential Learning-Prozess“ vor, der das oben erwähnte Mehr-Ebenen-Konzept SÖHM um die Lernprozessschritte „Erfahrung“, „Reflexion“, „Generalisation“ und

„Anwen-dung“ erweitert (Kriz, 2000, S. 192). Als methodische Erweiterung zu den empfohle-nen Planspielen schlägt er unter der Kategorie „Gaming Simulation“ darüber hinaus Computersimulationen, Rollenspiele und gruppendynamische Übungen vor (Kriz, 2000, S. 191).

König & Volmer (2005, S. 226) konstatieren skeptisch: „Möglicherweise ist der Erwerb von Systemkompetenz nicht einfach steuerbar“, und schlagen vor, weder in Planspielen „die“ Möglichkeit zu sehen noch Übungen „isoliert“ einzusetzen, son-dern sich anhand praktischer Erfahrungsmöglichkeiten (Hospitationen, Praktika), Selbsterfahrungsgruppen oder Coachings, Systemkompetenz „in Kombination von realer Erfahrung und Reflexion dieser Erfahrung“ anzueignen. Köster & Kruse (2012, S. 351) empfehlen neben den bereits oben erwähnten Formaten Beratungsimpulse wie Mentoring oder kollegiale Beratung.

4.5 Kompetenzzertifizierung

Zur Kompetenzzertifizierung liegen bislang keine Überlegungen im Rahmen der hier vorgestellten Konzepte vor.

5 Schritte auf dem Weg zu einem Kompetenzkonzept für