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Im Zuge der Globalisierung kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Reihe von vielfältigen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, die grundlegende Einflüsse auf sämtliche Gesellschaftsbereiche und somit letztlich auch auf das Leben von Familien in Deutschland hatten. Alternative Familienkonstellationen, veränderte Arbeitssituationen sowie eine steigende Tendenz erwerbstätiger Mütter erfordern eine stärkere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Stöbe-Blossey, 2010). Des Weiteren wird seit einiger Zeit ein zunehmender Bildungsanspruch deutlich, der bereits im Vorschulbereich hohe Erwartungen an Eltern stellt und folglich häufig

„in Zeit-, Organisations-, Leistungs- und Erfolgsdruck“ (Henry-Huthmacher, 2008, S. 6) resultiert. Entsprechend diesen gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozesse, die auch das Verhältnis von Kita und Elternhaus neu definierten, ist die Zusammenarbeit mit Familien keineswegs als statisches, sondern vielmehr als zeitgebundenes Konzept zu verstehen, das mit sich wandelnden Aufgabenspektren einhergeht (vgl. Cloos et al., 2020). Viele gesellschaftliche

Veränderungen sind in den Einrichtungen bereits präsent, bevor diese im theoretischen und wissenschaftlichen Diskurs thematisiert werden. Folglich müssen Fachkräfte professionell handeln, bevor für neue Herausforderungen theoretische und konzeptionelle Antworten gefunden wurden (siehe z.B. die Arbeit mit Familien mit Fluchthintergrund). Diese hohen Anforderungen an die Einrichtungen bzw. ihr pädagogisches Personal sind ohne ausreichende fachliche Unterstützung sowie einer systematischen Fort- und Weiterbildung kaum zu bewerkstelligen. Fort- und Weiterbildungsinhalte ergeben sich somit nicht mehr ausschließlich aus persönlichen Interessen, sondern zunehmend aus veränderten Rahmen- und Organisationsbedingungen. Vor dem Hintergrund enger Personalkontingente und knapper Finanzmittel sind Unterstützungssysteme zu gestalten, die den erforderlichen Qualifizierungsbedarf aufgreifen und ökonomisch darstellen (vgl. Walther, 2010).

In diesem Kontext kommt der pädagogischen Fachberatung als Antwort auf den zunehmenden Unterstützungs- und Qualifizierungsbedarf der Kitas eine tragende Rolle zu (Kägi & Knauer, 2016; Walther, 2010). Fachberatung stellt ein Unterstützungsangebot der Trägerverbände zur Beratung, Begleitung und Qualifizierung des von ihnen angestellten Erziehungs- und Bildungspersonals in der Praxis dar (z. B. Hense, 2010; Beher & Walter, 2012;

Preissing et al., 2015). Zudem werden ihr oft Dienst- und Fachaufsicht zugeordnet, um die Umsetzung der Regularien der Bundesländer und Kommunen zu prüfen und durchzusetzen (Hruska, 2018). Als eine Art Mentor*in bietet ein*e Fachberater*in sowohl instruktionale als auch psychosoziale Unterstützung und dient zugleich als Rollenvorbild (Gold, 1996). Ziel der Fachberatung ist es, innovative Impulse zur Umsetzung pädagogischer Tätigkeiten, zur Organisationsstruktur, zu konzeptionellen Überlegungen sowie zur Rolle der Fachkräfte in diesem vielschichtigen Prozess zu geben (Preissing et al., 2015). Neben der Qualifizierung der frühpädagogischen Fachkräfte in der Kita, unterstützt die Fachberatung auch die Professionalisierung der Kita-Leitung und berät den Träger. Trotz der zunehmenden Bedeutung

von pädagogischer Fachberatung als integraler Bestandteil des frühkindlichen Bildungssystems existiert aufgrund der Heterogenität und der Bildungshoheit der einzelnen Bundesländer, der verschiedenen Anstellungsverhältnisse sowie der Vielfalt an Einrichtungsarten bis dato kein einheitliches Tätigkeitsprofil (vgl. Schroyerer & Wiesinger, 2017; Preissing et al., 2015).

Neben verbindlichen Aufgabenzuschreibungen fehlt es dementsprechend auch an einer einheitlichen Definition von Kernkompetenzen auf Bundesebene sowie an einem gemeinsamen Verständnis über die Voraussetzungen und Qualifikation von Fachberatung. Gleichzeitig erfordert die fachberatende Tätigkeit vor dem Hintergrund der immer anspruchsvolleren Arbeit in Kitas eine fortlaufend eigene Fort- und Weiterbildung sowie Kenntnisse aktueller kindheitspädagogischer Forschungsergebnisse, um einen eigenen Wissensvorsprung gegenüber dem Personal in den Kindertageseinrichtungen garantieren zu können. Empirische Erkenntnisse bezüglich des Kompetenzprofils und insbesondere des Wissens als eine bedeutsame Kompetenzfacette von Fachberatung fehlen jedoch bisher. In vereinzelten Studien zeigt sich, dass die allgemeine Fort- und Weiterbildungsaktivität von Fachberatungen zwar als hoch eingeschätzt werden kann, im Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien jedoch noch ein deutlicher Ausbaubedarf besteht (z. B. Beher & Walter, 2012; Leygraf, 2013).

6 Anliegen des Dissertationsvorhabens

Wenngleich sich eine Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen mit der Zusammenarbeitsthematik beschäftigt hat, haben bis dato nur wenige Studien eine theoretische Fundierung unter Bezugnahme der Zusammenarbeit mit Familien als Qualitätsdimension vorgelegt oder eine explizite Modellprüfung ihrer theoretischen Überlegungen vorgenommen.

Die Mehrheit an bisherigen Studien fokussiert den Einfluss einer hohen Elternbeteiligung sowie einer vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Kita und Familie auf die kindliche Entwicklung (für einen Überblick siehe Kapitel 2.3.3). Die Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien findet als Voraussetzung dieser beiden Idealformen der Zusammenarbeit meist keine Beachtung. Das Anliegen der vorliegenden Dissertation besteht daher darin, a) zunächst auf Basis theoretischer Grundlagen und empirischer Evidenz bedeutsame Facetten der Zusammenarbeit zu identifizieren und hinsichtlich ihrer Messbarkeit zu überprüfen, um anschließend b) auf deren Grundlage Erkenntnisse bezüglich der Beschaffenheit und des Qualitätsniveaus zu gewinnen, c) die Bedeutsamkeit familiärer Hintergrundmerkmale sowie der Zusammenarbeit für das Vertrauen von Eltern zu überprüfen und d) bedeutsame Voraussetzungen der Zusammenarbeit zu identifizieren. Im Folgenden wird auf zentrale Desiderata, die sich in der Gesamtschau der vorherigen Kapitel zur bestehenden Forschungsliteratur ergeben, eingegangen und die sich daraus ergebenden Ziele und höchst relevanten Forschungsfragen des Dissertationsvorhabens werden erläutert. Im Anschluss wird das theoretische Gesamtmodell, das für die vorliegende Untersuchung entwickelt wurde, vorgestellt. Abschließend erfolgt eine Skizzierung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“

hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausrichtung sowie ein Überblick über die programmbegleitende Evaluationsstudie als Datengrundlage dieser Untersuchung.

Facetten und Beschaffenheit der Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien

Nach Sichtung einschlägiger Fachliteratur erwies sich ein breites Angebotsrepertoire zur Zusammenarbeit als Schlüsselfaktor für eine hohe Elternbeteiligung sowie für eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Kita und Familie (für einen Überblick siehe Kapitel 3.2.1). In der Praxis von Kitas existiert eine Vielzahl an Aktivitäten zur Zusammenarbeit, für die bereits unterschiedliche Systematisierungsvorschläge herausgearbeitet wurden (siehe z. B.

Textor & Blank, 2004; Epstein & Sanders, 2006). Nichtsdestotrotz berücksichtigt die Mehrheit bisheriger Studien die Angebotsstruktur der Einrichtung anhand der Auflistung einzelner stattgefundener Aktivitäten (z. B. Hindman & Morrison, 2011; Cohen & Anders, 2020).

Dementsprechend besteht ein Nebeneinander heterogener Einzelbefunde, das sich zu keinem systematischen Befundmuster verdichten lässt. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an und untersucht die Beschaffenheit der Angebotsstruktur unter Verwendung eines theoretisch fundierten Modells, das einzelne Aktivitäten je nach ihrer Funktion unterschiedlichen Angebotsformen zuordnet, um diese hinsichtlich ihrer inhaltlichen Zielsetzung überprüfen zu können.

Als weitere bedeutsame Facette der Zusammenarbeit konnte eine offene und regelmäßige Kommunikation identifiziert werden (für einen Überblick siehe Kapitel 3.2.2). Im Großteil bisheriger Studien wurden Kommunikationsformen meist nicht gesondert, sondern im Rahmen eines globalen Gesamtbildes der Zusammenarbeit betrachtet (z. B. Penderi, 2012;

Summers et al., 2005). Forschungsarbeiten, die sich explizit mit dem Gegenstand der Fachkraft-Eltern-Kommunikation auseinandergesetzt haben, berücksichtigten überwiegend quantitative Aspekte, wie die Häufigkeit des persönlichen Kontakts zwischen Kita und Familie (z. B.

Murray et al., 2015; Coelho et al., 2019). Eine detaillierte Erfassung von qualitativen Merkmalen sowie von Aspekten auf Ebene der individuellen Familie blieb meist aus. Ein Mangel an geeigneten Messinstrumenten bietet eine Erklärung für diese Forschungslücke

(siehe Kapitel 3.2.3). Ausgehend von den skizzierten Forschungsdefiziten wurde in der vorliegenden Dissertation daher ein Beobachtungsinstrument entwickelt, um die Qualität der Kommunikation auf Ebene der Fachkraft-Eltern-Dyade erfassen zu können.

Forschungsgegenstand stellt hierbei das Tür- und Angelgespräch als eine der häufigsten und bedeutsamsten Kommunikationsformen dar (z. B. Fröhlich-Gildhoff, 2013; Friederich, 2012).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der vorliegenden Dissertation erstmalig die Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien sowohl auf Einrichtungs- als auch Individualebene konzipiert wird und um qualitative Aspekte der Angebotsstruktur sowie der Fachkraft-Eltern-Kommunikation erweitert wird. Hinsichtlich der Erfassung und Beschaffenheit der Zusammenarbeit ergeben sich in den Teilstudien 1, 2 und 3 daraus die folgenden zentralen Forschungsfragen:

1. Wie lässt sich die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation im Rahmen der Tür- und Angelsituation reliabel und valide erfassen?

2. Welches Niveau weist die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation auf? Wie gestaltet sich die Qualität der Kommunikation aus Perspektive der Eltern?

3. Welche Formen der Zusammenarbeit umfasst die Angebotsstruktur auf Einrichtungsebene und in welcher Intensität werden diese den Familien angeboten?

Vertrauen und die Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien

In bisheriger Fachliteratur gilt eine Partnerschaft zwischen Kita und Familie als Idealform der Zusammenarbeit (z. B. Betz, 2015; Stange, 2012). Vertrauen wiederum stellt ein wesentliches Kernelement dieser Partnerschaft dar (Clarke et al., 2010). Während eine Vielzahl an Studien – insbesondere im Schulkontext – die Bedeutsamkeit von elterlichem Vertrauen für die kindliche Entwicklung bereits belegt (für einen Überblick siehe Kapitel 4.1), existiert nur einschränkt empirische Evidenz für Einflussfaktoren des Vertrauens. Vereinzelte Arbeiten im frühpädagogischen Kontext konnten bereits entsprechend den Annahmen des

Vertrauensmodells von Mayer et al. (1995) die Bedeutsamkeit von familiären Hintergrundmerkmalen herausstellen (z. B. Kikas et al., 2016); welche Facetten der Zusammenarbeit für den Aufbau von Vertrauen förderlich sind, bleibt bislang größtenteils unbeantwortet. Als Erklärung für diese Forschungslücke wäre denkbar, dass Arbeiten im frühpädagogischen Kontext zur Erfassung von Vertrauen meist auf breitangelegte Messinstrumente zurückgreifen, die zwischen der Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien und einer vertrauensvollen Partnerschaft als Idealform nicht differenzieren und dementsprechend Merkmale beider umfassen, sodass die Zusammenhänge zwischen diesen beiden Konzepten nicht näher beleuchtet werden können (z. B. Serpell & Mashburn, 2012;

Rentzou, 2011). An diesem Punkt setzt die vorliegende Dissertation an, indem sie nicht nur familiäre Hintergrundmerkmale als Einflussgrößen des Vertrauens von Eltern näher beleuchtet, sondern mithilfe eigen entwickelter Instrumente auch die Zusammenhänge zwischen den Facetten der Zusammenarbeit und dem elterlichen Vertrauen empirisch prüft. In den Teilstudien 2 und 3 werden diesbezüglich die folgenden Forschungsfragen behandelt:

4. Welches Vertrauensausmaß weisen Eltern in die Kita ihres Kindes auf?

5. Inwieweit kommen Unterschiede im elterlichen Vertrauensausmaß aufgrund von familiären Hintergrundmerkmalen zustande?

6. In welchem Zusammenhang stehen das Vertrauen von Eltern und Qualitätsaspekte der Fachkraft-Eltern-Kommunikation? In welchem Zusammenhang stehen das Vertrauen von Eltern und die Form und Intensität der Angebotsstruktur?

Strukturkomponenten und die Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien

Dem strukturell-prozessualen Modell frühpädagogischer Qualität liegt die Annahme zugrunde, dass strukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtungen eine Voraussetzung für eine gelungene Zusammenarbeit mit Familien darstellen (z. B. Kluczniok & Roßbach, 2014).

Auch in einigen Studien konnte bereits empirisch belegt werden, dass gewisse Komponenten

der Strukturqualität wie Personal- und Zeitkontingente, das Bildungsniveau des pädagogischen Personals sowie die kulturelle und soziale Zusammensetzung der Elternschaft mit verschiedenen Aspekten der Zusammenarbeit zusammenhängen (z. B. Cutshaw et al., 2020;

Hindman et al., 2012; Hu, 2012). Der Bericht dieser Zusammenhänge stützt sich im Wesentlichen allerdings auf Veröffentlichungen aus internationalen Studien und ist aufgrund nationaler Spezifika frühkindlicher Bildungssysteme (z. B. gesetzliche Vorgaben und Standards der pädagogischen Arbeit, Regelungen bezüglich des Ausbildungssystems) sowie gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen der jeweiligen Länder (z. B. Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik) nur mit Vorsicht auf die deutsche Situation übertragbar. Um wichtige Forschungslücken für den deutschen Sprachraum zu schließen, untersucht die vorliegende Dissertation daher, welche Merkmale der Strukturqualität eine qualitativ hohe Zusammenarbeit voraussetzt. Hierzu werden in den Teilstudien 1 und 3 die folgenden Forschungsfragen näher beleuchtet:

7. Welche Komponenten der Strukturqualität gelten als bedeutsam für die Vorhersage der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation? Welche Komponenten der Strukturqualität gelten als bedeutsam für die Vorhersage der Form und Intensität der Angebotsstruktur?

Professionalisierungsbestrebungen in Bezug auf die Qualitätskomponente Zusammenarbeit mit Familien

Kompetenzmodelle für den frühkindlichen Bereich (z. B. Fröhlich-Gildhoff et al., 2011) beschreiben das Professionswissen sowie die Überzeugungen frühpädagogischer Fachkräfte als zentrale Kompetenzfacetten. Hinsichtlich der bereichsspezifischen Prozessqualität in der pädagogischen Arbeit mit Kindern konnte bereits sowohl international (z. B. Lee et al., 2003;

McCray & Chen, 2012) als auch national (z. B. Dunekacke et al., 2015; Wirts et al., 2017) die Bedeutung des Professionswissens als Handlungsvoraussetzung frühpädagogischer Fachkräfte

nachgewiesen werden. Im Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien fehlt es bislang an empirischer Evidenz. Die Bedeutung der Überzeugungen konnte bereits vereinzelt vor allem im internationalen Kontext nachgewiesen werden (z. B. Amatea et al., 2012; Hornby & Lafaele, 2011). Gleichzeitig verweisen bisherige Studien zur Kompetenzeinschätzung frühpädagogischer Fachkräfte auf spezifische Qualifizierungsbedarfe im Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien (z. B. Beher & Walter, 2012; Kirstein & Fröhlich-Gildhoff, 2013). Wenngleich vielfältige Professionalisierungsbemühungen bereits an unterschiedlichen Stellen ansetzen, existieren kaum systematische Untersuchungen zu gelingenden Prozessen der Qualitätsentwicklung bzw. der Weiterentwicklung professioneller Kompetenzen. Diesen unmittelbaren Forschungsbedarfen kommt die vorliegende Dissertation nach und untersucht die Bedeutung professioneller Kompetenzen für die Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien sowie die Bedeutung pädagogischer Fachberatung als Qualifizierungsressource in diesem Kontext. Hierzu werden die folgenden Forschungsfragen in den Teilstudien 3 und 4 näher beleuchtet:

8. Welche Facetten der professionellen Handlungskompetenz gelten als bedeutsam für die Vorhersage der Form und der Intensität der Angebotsstruktur?

9. Inwieweit stellt pädagogische Fachberatung vor dem Hintergrund eigener Kompetenzen eine geeignete Qualifizierungsressource von Fachkräften im Handlungsfeld Zusammenarbeit mit Familien dar?

Theoretisches Modell zum vorliegenden Dissertationsvorhaben

Abbildung 6 illustriert ein eigen entwickeltes Modell, das die zentralen Fragestellungen der vorliegenden Dissertation bündelt und in Zusammenhang stellt. Aufgrund der Einbettung des Dissertationsvorhabens in einen übergeordneten Theoriekontext beinhaltet das Modell auch Komponenten sowie Zusammenhänge, die in den vier Teilstudien nicht empirisch geprüft werden (siehe graue Schattierung für empirisch geprüfte Konstrukte und Zusammenhänge). Für

den theoretischen Hintergrund dieser Arbeit wurde auf eine Kombination von Theorien zurückgegriffen, die mehrere Ebenen des frühkindlichen Bildungssystems einschließen: Auf Kita- und Fachkraftebene wird entsprechend des strukturell-prozessualen Modells frühpädagogischer Qualität angenommen, dass strukturelle Rahmenbedingungen der Einrichtung und professionelle Kompetenzen der Fachkräfte einen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Qualitätsdimension Zusammenarbeit mit Familien nehmen (vgl. z. B. Kluczniok

& Roßbach, 2014). Die Qualität der Zusammenarbeit beeinflusst wiederum die Beteiligung von Eltern an den Kita-Erfahrungen ihres Kindes und, inwieweit der Prozess der Zusammenarbeit in einer vertrauensvollen Partnerschaft mündet. Diese beiden Idealformen der Zusammenarbeit bedingen sich zudem gegenseitig und stellen eine bedeutsame Voraussetzung für die familiale Anregungsqualität dar. Auf Familienebene wird entsprechend dem Modell familialer Anregungsqualität davon ausgegangen, dass Struktur- und Orientierungsqualität einen direkten Einfluss auf die Prozesse der familialen Anregungsqualität nehmen, die wiederum maßgeblich die kindliche Entwicklung prägen (vgl. z. B. Kluczniok et al., 2013). Auch beeinflussen elterliche Struktur- und Orientierungskomponenten, inwieweit der Prozess der Zusammenarbeit in einer vertrauensvollen Partnerschaft mündet sowie die Beteiligung von Eltern am Kita-Geschehen. Auf Trägerebene befindet sich zudem ein Fachberatungssystem, dessen Unterstützungs- und Qualifizierungsleistungen einen Einfluss auf die pädagogische Qualität der Kitas nehmen. Diese Leistungen stehen wiederum in Abhängigkeit zu den eigenen Kompetenzen der Fachberatung.

Abbildung 6

Modell zur Vorhersage und Bedeutsamkeit der Qualitätskomponente Zusammenarbeit mit Familien

Anmerkung. Eigene Darstellung in Anlehnung an Kluczniok et al., 2013 sowie Kluczniok und Roßbach, 2014.

Die Evaluation des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ als Datengrundlage des vorliegenden Dissertationsvorhabens

Das im Januar 2016 gestartete Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zählt zu den größten bundesweiten Initiativen zur Qualitätsverbesserung der frühkindlichen Betreuung und Bildung. Aufbauend auf den erfolgreichen Ansätzen des Vorläuferprogramms

„Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ (2011-2015) ist das Ziel des Bundesprogramms die Förderung der rund 7.000 teilnehmenden Einrichtungen in ihren Angeboten zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung sowie in den beiden Handlungsfeldern inklusive Pädagogik und Zusammenarbeit mit Familien12. Das Bundesprogramm richtet sich vorwiegend an Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Kindern mit besonderem sprachlichem Förderbedarf besucht werden, und zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur die pädagogische Arbeit mit den Kindern fokussiert, sondern darüber hinaus auch den Eltern Anregung bietet, wie sie ihre Kinder in seiner sprachlichen Entwicklung unterstützen können.

Hierdurch kommt dem Programm eine entscheidende Rolle zu, um Kinder so früh wie möglich zu fördern und Benachteiligung auszugleichen.

Das Vorhaben des Bundesprogramms besteht in erster Linie darin, mithilfe der beiden durch das Programm geförderten Qualifizierungs- und Unterstützungsressourcen, zusätzliche Fachberatung und zusätzliche Fachkraft, die professionellen Kompetenzen des pädagogischen Personals in Bezug auf die drei Handlungsfelder zu erweitern, um so die Qualität in diesen Bereichen zu erhöhen. Auf Trägerebene hat die zusätzliche Fachberatung die Aufgabe, einen Verbund von circa 10 bis 15 Sprach-Kitas als beratende Instanz zu begleiten und die

12 Seit Januar 2021, dem Beginn der Verlängerungsphase, legt das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ einen zusätzlichen Fokus auf den Einsatz digitaler Medien und die Integration medienpädagogischer Fragestellungen in die sprachliche Bildung. Der neue Schwerpunkt Digitalisierung dient dazu, medienpädagogische Ansätze in der sprachlichen Bildung zu stärken sowie digitale Bildungs- und Austauschformate für die Fachkräftequalifizierung und die Programmabläufe besser nutzbar zu machen.

Einrichtungsleitungen und zusätzlichen Fachkräfte als sogenannte Kita-Tandems in den drei Handlungsfeldern des Bundesprogramms zu qualifizieren (z. B. über die Durchführung von sogenannten Arbeitskreisen). Auf Kitaebene gibt die zusätzliche Fachkraft ihre Expertise in den drei Handlungsfeldern an das Kita-Team weiter und berät und unterstützt die frühpädagogischen Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag. Die zusätzliche Fachkraft ist unter anderem auch für die Organisation und Durchführung der sogenannten Qualitätsrunden verantwortlich. Im Sinne des Bundesprogramms sind Qualitätsrunden Zusammenkünfte des gesamten Teams mit der zusätzlichen Fachkraft, ggf. auch mit der Einrichtungsleitung, bei denen Inhalte des Bundesprogramms weitergegeben werden und das Team somit in Bezug auf die drei Handlungsfelder weiterqualifiziert wird.

Die vorliegende Dissertation ist in die programmbegleitende Evaluationsstudie eingebettet, die von der Freien Universität Berlin und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg durchgeführt wird (Projektleitungen: Prof. Dr. Yvonne Anders, Prof. Dr. Katharina Kluczniok und Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach), und bezieht sich auf die Projektlaufzeit vom 01.03.2016 bis 31.12.2020. In der Evaluationsstudie wurden insgesamt drei Untersuchungsebenen betrachtet, um Bedingungen eines gelingenden, nachhaltigen Transfers der Programminhalte in die Kita-Praxis, die Familien und das regional-lokale Kita-System identifizieren zu können: die Ebene der Träger und Fachberatungen, der Kitas und Fachkräfte sowie der Familien. Hierzu wurde die Evaluation als multi-methodale Studie konzipiert: So wurden einerseits größer angelegte quantitative Online-Befragungen der zentralen Akteure vorgesehen (z. B.

Fachberatungen, Einrichtungen, Familien), andererseits wurden mehrere vertiefte Studien mit gezielt ausgewählten Subgruppen durchgeführt (z. B. Beobachtungsstudie in den Kitas, qualitative Interviews der zusätzlichen Fachberatungen). Entsprechend den Forschungsfragestellungen, die verschiedene Ebenen des frühkindlichen Bildungssystems einschließen, berücksichtigt das vorliegende Dissertationsvorhaben Daten verschiedener

Akteure der Evaluationsstudie „Sprach-Kitas“. Tabelle 1 bietet einen Überblick über die Teilstudien und die jeweilige empirische Grundlage. Teilstudie 1 und 2 basieren auf Beobachtungsdaten zu Fachkraft-Eltern-Kommunikation in der morgendlichen Übergangssituation. In Teilstudie 2 werden diese Beobachtungsdaten mit Daten, die im Rahmen einer standardisierten Familienbefragung gewonnen wurden, kombiniert. Diese Angaben der Familien werden in Teilstudie 3 mit Daten einer standardisierten Befragung von frühpädagogischen Fachkräften in Verbindung gebracht. Teilstudie 4 greift auf fragebogenbasierte Angaben von Fachberatungen auf Trägerebene zurück. Zudem werden in den Teilstudien 1, 2 und 3 Angaben der zusätzlichen Fachkräfte zu den Strukturmerkmalen der Einrichtungen (Monitoringdaten) sowie zum Wissenstand der Kita-Teams (Befragung der zusätzlichen Fachkräfte) berücksichtigt. Des Weiteren können die vielfältigen methodisch-statistischen Herangehensweisen, die in den einzelnen Teilstudien zur Anwendung kommen, Tabelle 1 entnommen werden.

Tabelle 1

Übersicht über die Datengrundlage und das methodische Vorgehen des vorliegenden Dissertationsvorhabens

Teilstudie 1 Teilstudie 2 Teilstudie 3 Teilstudie 4

Datengrundlage  Beobachtungsstudie

 Monitoringdaten

 Beobachtungsstudie

 Familienbefragung

 Familienbefragung

 Teambefragung

 Befragung der zusätzlichen Fachkräfte

 Monitoringdaten

 Befragung der zusätzlichen Fachberatung

 Befragung der regulären Fachberatung

Stichprobengrößen 107 Einrichtungen 186 Fachkräfte 935 Eltern

162 Einrichtungen 728 Familien

162 Einrichtungen 728 Familien

162 zusätzliche Fachkräfte 891 Fachkräfte

100 zusätzliche Fachberatungen 66 reguläre Fachberatungen

Analyseverfahren  Konfirmatorische Faktorenanalysen

 Multiple

Regressionsanalysen

 Strukturgleichungs- analyse

 Pfadanalyse  Inhaltsanalytische Auswertungen offener Antworten

 Two-Step-Clusteranalyse

 Binäre logistische Regressionsanalysen Anmerkung. Die natürliche Mehrebenenstruktur der Daten in den Teilstudien 1, 2 und 3 wird bei den multivariaten Analysen beachtet, um deren Validität sicherzustellen.

7 Zusammenfassende Darstellung der vier Teilstudien

Im folgenden Kapitel werden die vier Teilstudien einschließlich Fragestellungen, Methode sowie der für das Dissertationsvorhaben relevanten Ergebnisse beschrieben. Für die Erfassung von Vertrauen wurde in der vorliegenden Arbeit auf eine eigen entwickelte Methode zurückgegriffen, die zur besseren Interpretierbarkeit der in den Teilstudien gewonnenen Erkenntnisse zunächst näher beschrieben wird.