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8.3 Die Bedeutung struktureller Rahmenbedingungen für die Qualitätskomponente

der Umfang vertraglich abgesicherter Vor- und Nachbereitungszeit herangezogen. Hier zeigte sich, je mehr Vor- und Nachbereitungszeit den Fachkräften vertraglich zugesichert war, desto mehr Aktivitäten zur Partizipation und Entscheidungsfindung wurden in der Einrichtung angeboten. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit decken sich größtenteils mit den Befunden bisheriger Forschung. So belegten bereits einige internationale Studien, dass ein günstiges Fachkraft-Kind-Verhältnis eine bedeutsame Voraussetzung positiver und regelmäßiger Eltern-Fachkraft-Kommunikation darstellt (z. B. Early et al., 2007; Rao et al., 2003; Zellman &

Perlman, 2006).

Vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen an das pädagogische Personal während der Bring- und Abholzeiten, in denen neben einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Eltern auch die Betreuung und Übergabe der Kinder sichergestellt werden muss (Reedy & McGrath, 2010), ist der statistisch bedeutsame Zusammenhang zwischen den Personalressourcen und der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation naheliegend. Überraschenderweise konnten Perlman und Fletcher (2012), die ebenfalls eine Beobachtungsstudie zur Erfassung der Kommunikation während der Tür- und Angelsituationen durchgeführt hatten, diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Hierbei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass nicht die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation als abhängige Variable betrachtet wurde, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen über das Kind ausgetauscht wurden. Es ist zu vermuten, dass die Personalressourcen weniger für den Gesprächsinhalt als für die Art und Weise der Gesprächsführung aufschlussreich sein können. Verantwortlich für dieses konträre Ergebnis könnte zudem auch die methodische Herangehensweise sein: So verwendeten Perlman und Fletcher (2012) einen situationsunabhängigen Personalschlüssel auf Einrichtungsebene, der von den realen Fachkraft-Kind-Relationen in den Randzeiten abweichen kann. Dieser Erklärungsansatz könnte ebenso für die inkonsistente Befundlage zwischen Teilstudie 1 und Teilstudie 3 greifen: Während in Teilstudie 1 das

Fachkraft-Kind-Verhältnis für jede Tür- und Angelsituation einzeln beobachtet wurde und auch auf Situationsebene in den Regressionsanalysen berücksichtigt wurde, wurde in Teilstudie 3 der Fachkraft-Kind-Schlüssel – inklusive Arbeitszeiten der Fachkräfte und Betreuungszeiten der Kinder – fragebogenbasiert erfasst und auf Einrichtungsebene berechnet. Vergleicht man die Deskriptivstatistik der beiden Teilstudien, so zeigt sich, dass die Varianz der beobachteten Fachkraft-Kind-Relation (siehe Anhang A, Tabelle 1) deutlich höher ausfällt als die des berechneten Fachkraft-Kind-Schlüssels auf Einrichtungsebene (siehe Anhang C, Tabelle 1).

Auch die Untersuchung von Cutshaw et al. (2020) untermauert diese Vermutung: So konnte konträr zu den Befunden in Teilstudie 3 nachgewiesen werden, dass Einrichtungen mit umfassenderen Personalressourcen mehr Aktivitäten zur Zusammenarbeit mit Familien anbieten. Als Indikator für die Personalressourcen wurde das beobachtete Fachkraft-Kind-Verhältnis auf Basis von insgesamt sechs Zählungen – sowohl in den Innenräumen als auch auf dem Außengelände – herangezogen. Darüber hinaus besteht neben diesem eher statistischen Zugang zur Erklärung von Unterschieden in der Zusammenarbeit durch Personalkontingente die Möglichkeit, dass die Planung von Aktivitäten zur Zusammenarbeit seltener parallel zur Betreuung der Kinder und häufiger während der Vor- und Nachbereitungszeit stattfindet. Der Befund, dass die vertraglich abgesicherte Vor- und Nachbereitungszeit eine bedeutsame Voraussetzung der Angebotsstruktur darstellt (siehe Teilstudie 3), stützt diesen Gedanken.

Spezifisch für die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation im Rahmen der Tür- und Angelsituationen wurde in Teilstudie 1 als weiteres Strukturelement die Organisation der pädagogischen Arbeit berücksichtigt. In Kitas, in denen die pädagogische Arbeit in Stammgruppen organisiert wurde, zeigte sich für alle drei Skalen der Fachkraft-Eltern-Kommunikation eine höhere Qualität im Vergleich zu Kitas, in denen die pädagogische Arbeit gruppenübergreifend organisiert wurde. Wie bereits in verschiedenen Studien diskutiert (z.B.

Perlman & Fletcher, 2012; Endsley & Minish, 1991; Reedy & McGrath, 2010) könnte eine

Erklärung für diesen Befund sein, dass sich die Organisation der pädagogischen Arbeit auch auf die Rahmenbedingungen der Übergangssituationen auswirkt. So sinkt möglicherweise in gruppenübergreifenden Bringsituationen die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern die Bezugsfachkräfte ihrer Kinder antreffen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass mit einer Öffnung der Gruppen auch die Anzahl an Familien, die gleichzeitig ihre Kinder in die Kita bringen, steigt und ein höherer Abstimmungsbedarf zwischen den Fachkräften hinsichtlich der jeweiligen Zuständigkeiten in den Übergangssituationen besteht. Beide Aspekte könnten wiederum die Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation beeinflussen.

Neben den Personal- und Zeitressourcen wird im Rahmen der Qualitätsdebatte auch das Ausbildungsniveau von frühpädagogischen Fachkräften als bedeutsame Strukturkomponente für die Gestaltung der Zusammenarbeit mit Familien betont (Viernickel et al., 2013; Friederich, 2012). In Teilstudie 1 dieser Dissertation konnte ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem prozentualen Anteil an Fachkräften mit Hochschulabschluss auf Einrichtungsebene und der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation nachgewiesen werden: Je mehr Fachkräfte über eine akademische Ausbildung verfügten, desto höher fiel das Qualitätsniveau der beiden Skalen Gesprächs- und Interaktionsbereitschaft sowie Verabschiedung aus. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur bisherigen Befundlage, die keinen Einfluss eines akademischen Berufsabschlusses auf Aspekte der Fachkraft-Eltern-Kommunikation nachweisen konnte (z. B. Perlman & Fletcher, 2012; Swartz & Easterbrooks, 2014). Hierbei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass diese Studien im internationalen Raum durchgeführt wurden und dass das Niveau der Berufsausbildung ausschließlich auf Fachkraftebene untersucht wurde. Folglich ist die Vergleichbarkeit der Befunde aufgrund nationaler Unterschiede in den Ausbildungssystemen sowie unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen stark eingeschränkt. In Anbetracht der Tatsache, dass kindheitspädagogische Studiengänge an deutschen Hochschulen noch relativ neu sind, kann

vermutet werden, dass die Curricula der Bachelor- und Masterstudiengänge die Zusammenarbeit mit Familien stärker als Bestandteil des Aufgabenspektrums frühpädagogischer Fachkräfte berücksichtigen als ältere Berufsausbildungen, die vorrangig die pädagogische Arbeit mit den Kindern thematisieren. Da in der vorliegenden Arbeit die Qualifikation des pädagogischen Personals auf Einrichtungsebene betrachtet wurde, könnte ein möglicher Erklärungsmechanismus darin bestehen, dass ein höherer Anteil an akademisch ausgebildeten Fachkräften innerhalb eines Kita-Teams die Häufigkeit und Intensität des fachlichen Austausches und damit die Qualität der Arbeit beeinflusst (Resa et al., 2018). Wie bereits von Siraj-Blatchford et al. (2002) argumentiert, wäre auch denkbar, dass bereits einzelne Fachkräfte mit akademischem Abschluss innerhalb eines Kita-Teams im Sinne eines Rollenmodells positiv die Qualitätskomponente Zusammenarbeit mit Familien fördern (Siraj-Blatchford et al., 2002). Da im europäischen Vergleich der Anteil an frühpädagogischen Fachkräften mit Hochschulabschluss in Deutschland vergleichsweise niedrig ist (OECD, 2016), ist dieser Befund insbesondere für den nationalen Kontext vielversprechend.

Da sich die Qualität der Zusammenarbeit unter anderem darin auszeichnet, inwieweit sich die Angebotsstruktur und Kommunikation an den Bedürfnissen und Erwartungen der Familien orientiert (siehe Kapitel 3.2.1 und 3.2.2), zeichnet sich die Notwendigkeit ab, bei einer hohen Diversität an Familien verschiedene Kooperationsstrategien parallel zu etablieren. Der Befund dieser Dissertation, dass Familien mit Migrationshintergrund signifikant weniger Vertrauen in die Kita ihrer Kinder aufwiesen als Familien ohne Migrationshintergrund (siehe Teilstudie 3), unterstreicht die Bedeutsamkeit zielgruppenspezifischer Strategien der Zusammenarbeit. Folglich wurde in den Teilstudien 1 und 3 die kulturelle und soziale Zusammensetzung der Elternschaft als weitere Strukturkomponente berücksichtigt. Aufgrund vergangener Studien, deren Ergebnisse auf bestehende Sprachbarrieren und andere Kommunikationsprobleme in der Zusammenarbeit von Fachkräften und Familien mit

Migrationshintergrund hindeuteten (z. B. Buchori & Dobinson, 2015; Murray et al., 2015;

Cheatham & Santos, 2011), erscheint der tägliche Kontakt im Rahmen der Bring- und Abholzeiten für den Aufbau einer wertschätzenden und vertrauensvollen Beziehung mit dieser Elterngruppe besonders vielversprechend. In Teilstudie 1 erwies sich der prozentuale Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund allerdings nicht als bedeutsamer Prädiktor der Qualität der Fachkraft-Eltern-Kommunikation. Eine Erklärung für diesen Befund könnte die Berücksichtigung familiärer Hintergrundmerkmale auf Einrichtungsebene liefern.

Möglicherweise ist zur Vorhersage der dyadischen Fachkraft-Eltern-Kommunikation auf Individualebene der etwaige Migrationshintergrund der einzelnen Familie aussagekräftiger. Im Gegensatz dazu zeigte sich in Teilstudie 3: Je höher der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund innerhalb einer Kita, desto mehr Aktivitäten zur Einbeziehung der Familienkulturen werden angeboten. Wenngleich also diese Aktivitäten im Vergleich zu den anderen drei Angebotsformen den Familien deutlich weniger unterbreitet wurden, deutet dieser Befund darauf hin, dass sich die Fachkräfte der Bedeutung zielgruppenspezifischer Aktivitäten bewusst sind und diese bedarfsorientiert anbieten. Hinsichtlich der drei anderen Angebotsformen erwies sich die kulturelle Zusammensetzung der Elternschaft nicht als statistisch bedeutsam. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Bedürfnisse nicht-deutschsprachiger Eltern ausschließlich auf die Integration der Familienkulturen reduziert werden und ein zusätzlicher Bedarf an Elternbildungsangeboten (z.B. im Hinblick auf bilinguale Sprachentwicklung) beispielsweise nicht wahrgenommen wird. Demnach stellen die gewonnenen Erkenntnisse einen Qualifizierungsbedarf des frühpädagogischen Personals im Bereich der migrationsspezifischen Zusammenarbeit heraus und machen auf die Notwendigkeit einer weiteren fachlichen Unterstützung aufmerksam (z. B. Hachfeld et al., 2016; Kurucz et al., 2020).

Neben der kulturellen Zusammensetzung erwies sich auch die soziale Zusammensetzung der Elternschaft als bedeutsamer Prädiktor der Angebotsstruktur zur Zusammenarbeit (siehe Teilstudie 3): Je höher der prozentuale Anteil an Kindern mit Anspruch auf das Teilhabe- und Bildungspaket innerhalb einer Kita war, desto mehr Aktivitäten zur Elternbildung wurden in einer Kita angeboten. Vor dem Hintergrund vergangener Studien, die nachgewiesen haben, dass Kinder aus einkommensschwachen Haushalten nur im begrenzten Umfang häusliche Anregungsqualität erleben (z. B. Calzada et al., 2015; Kluczniok et al., 2013), können diese Befunde als ein zunehmendes Bewusstsein der Fachkräfte für die Bedürfnisse dieser Familien interpretiert werden. Hinsichtlich der beiden Angebotsformen zur Einbeziehung der Familienkulturen und zur sozialen Vernetzung zeigten sich ähnliche Tendenzen, die nur knapp das Signifikanzniveau verpassen. Für Aktivitäten zur Partizipation und Entscheidungsfindung erwies sich der prozentuale Anteil an Kindern aus einkommensschwachen Haushalten als nicht prädiktiv. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich die Fachkräfte gegenüber einkommensschwachen Eltern vorrangig als Expert*innen sehen, deren Aufgabe es ist, die Eltern in ihren Kompetenzen zu stärken. Das Aushandeln gemeinsamer Ziele im Rahmen von Angeboten zur Partizipation und Entscheidungsfindung findet hierbei weniger Berücksichtigung (Betz & Bischoff, 2017). Mit Blick auf die Orientierungen von Fachkräften hinsichtlich der Zusammenarbeit konnte Thiersch (2006) bereits zeigen, dass Fachkräfte gegenüber Eltern ihre Professionalität verdeutlichen und diese insbesondere belehren wollen.

Betrachtet man die Befunde zur Bedeutsamkeit von Strukturqualität zusammenfassend, so wird deutlich, dass die Qualität der Zusammenarbeit je nach beleuchteter Strukturkomponente unterschiedlich vorhergesagt wird und damit nicht von allgemein gültigen Rahmenbedingungen gesprochen werden kann. Nichtsdestotrotz zeichnet sich ab, dass umfangreichen Zeit- und Personalressourcen ein zentraler Stellenwert bei der Gestaltung der

Zusammenarbeit zukommt: So erwies sich das Kontingent an vertraglich zugesicherter Vor- und Nachbereitungszeit als bedeutsam für das Angebot an Aktivitäten zur Partizipation und Entscheidungsfindung, das zugleich das elterliche Vertrauen vorhersagt. Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch hinsichtlich des Angebots zur Elternbildung (siehe Teilstudie 2). Zudem sind in Anbetracht vergangener Studien, die einen Mangel an zielgruppenspezifischen Angeboten zur Zusammenarbeit mit einkommensschwachen Familien und Familien mit Migrationshintergrund identifizierten (Hindman et al. 2012; Murray et al., 2015; Hartung et al., 2009; Sacher, 2012), die Ergebnisse zur kulturellen und sozialen Zusammensetzung der Elternschaft als äußerst positiv zu bewerten. So scheint den Fachkräften bewusst zu sein, dass sich Eltern als Adressaten und Akteure der Zusammenarbeit herkunftsbasiert in ihren Einstellungen, Erfahrungen und Ressourcen voneinander unterscheiden und dass daraus unterschiedliche Wünsche an die Angebotsstruktur zur Zusammenarbeit resultieren.

8.4 Die Bedeutung von Professionalisierungsbestrebungen für die Qualitätskomponente