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3.2. Qualitätskriterien und -indikatoren

3.2.3 Operationalisierung und Messung von Fachkraft-Eltern-Kommunikation

Botschaften“ (S. 49). Dementsprechend bedeutet Gespräche zu führen, mit anderen Menschen zu interagieren, ihnen Nachrichten zu senden und ihre Nachrichten zu empfangen. Selbst wenn kein Austausch im Sinne einer verbalen Kommunikation stattfindet, ist nach Watzlawick et al.

(2007) damit eine Botschaft verbunden, da eine ablehnende Haltung oder das Ignorieren des Gegenübers die Botschaft des Desinteresses vermittelt. Demzufolge haben in Gesprächssituationen zwischen Eltern und Fachkräften nicht nur gesprochene Worte, sondern auch nonverbale Verhaltensweisen, wie Körperhaltung, Blickkontakt oder zustimmende Gesten, eine kommunikationsfördernde Bedeutung und tragen somit zum Erfolg von Kommunikationsprozessen bei (Weltzien & Kebbe, 2011; Rückert et al., 2000).

Ebenfalls in Anlehnung an die Gesprächspsychologie nimmt das vorliegende Dissertationsvorhaben eine dreidimensionale Struktur der Tür- und Angelsituationen an, die aus den aufeinanderfolgenden Sequenzen Gesprächseröffnung, Themenentwicklung und Gesprächsabschluss besteht (Coulthard & Condlin, 2014; Levinson, 1983; Goffman, 1971).

Demnach werden Gespräche in der Regel durch eine Begrüßung, allgemeine Fragen zum Wohlbefinden oder nonverbales Verhalten, beispielsweise durch ein Lächeln, eröffnet. Im Anschluss erfolgt die Themenentwicklung im Sinne eines verbalen Informationsaustauschs.

Die Themenentwicklung ist ein äußerst komplexes und vielschichtiges Phänomen, das innerhalb eines einzigen Sprecherwechsels oder auch anhand einer Reihe von Sprecherwechseln stattfinden kann (Bergmann, 1990). Schließlich endet das Gespräch in der Regel mit einer Zusammenfassung, gefolgt von Abschlussritualen, wie einer verbalen Verabschiedung oder aber auch nonverbal in Form eines Händedrucks. Die drei Sequenzen sind nicht voneinander unabhängig zu betrachten: Der Gesprächseröffnung kommt für den weiteren Verlauf der Gesprächssituation eine bedeutsame Rolle zu. So kann beispielsweise eine herzliche Begrüßung entscheidend dafür sein, ob ein Gespräch zustande kommt oder nicht (Coulthard & Condlin, 2014). Während die meisten Gespräche mit einer Gesprächseröffnung

beginnen, muss umgekehrt nicht jede Begrüßung in einem Gespräch münden. Letzteren Fall belegen bisherige Untersuchungen zu den Tür- und Angelsituationen, in denen eine Fachkraft-Eltern-Kommunikation über die Begrüßung hinaus oftmals nicht stattfindet (z. B. Perlman &

Fletcher, 2012; Endsley & Minish, 1991; Winkelstein, 1981). Angesichts der Bedeutung einer bedarfsorientierten Gestaltung der Zusammenarbeit sollte das Zustandekommen eines Gesprächs auch nicht als Qualitätsindikator der Fachkraft-Eltern-Kommunikation in den Tür- und Angelsituationen gewertet werden. So gilt zu berücksichtigen, dass nicht immer alle Eltern Interesse an einem Tür- und Angelgespräch haben. Mangelnde Zeitressourcen, kein akuter Gesprächsbedarf sowie eine grundsätzliche Ablehnung des Kurzgesprächs zwischen Tür- und Angel können für das elterliche Desinteresse ausschlaggebend sein. Entsprechend Fröhlich-Gildhoff et al. (2006) gilt eine offene und bedarfsorientierte Haltung der Fachkräfte als Schlüsselfaktor für den Erfolg der Zusammenarbeit mit Familien. Dementsprechend ist es Aufgabe der Fachkräfte, auf die Eltern zu zugehen, Dialogbereitschaft zu signalisieren und Interaktionsgelegenheiten zu schaffen. Gleichzeitig muss die Kommunikation am Gesprächsbedarf der Eltern ausgerichtet sein und sollte nicht dessen ungeachtet initiiert werden.

Hinsichtlich der Gestaltung von Gesprächssituationen zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Eltern existiert generell nur begrenzt Wissen. Eine Erklärung für diese Forschungslücke bietet ein Mangel an geeigneten Messinstrumenten zur Erfassung der Fachkraft-Eltern-Kommunikation. Für die Erfassung kommunikativer Prozesse ist ein spezielles methodologisches Vorgehen erforderlich, dem bisherige Instrumente aufgrund der folgenden Limitationen nicht gerecht werden: Erstens werden Einschätzungen zur Kommunikation meist als eine Dimension oder im Rahmen einzelner Items eines Messinstruments zur Erfassung eines globalen Gesamtbildes der Beziehungsqualität und somit unabhängig von der Situation, in der die Kommunikation stattfand, gemessen (siehe z. B.

Home-School Relationship Scale; Barbarin, 2000; Quality of Parent-Teacher Relationship

Scale in the Kindergarten; Penderi, 2012; Parent-Caregiver Relationship Scale; Elicker et al., 1997; Parent Teacher Relationship Scale; Vickers & Minke, 1995; The Family Involvement Questionnaire; Fantuzzo et al., 2000; Parent Satisfaction with Educational Experiences Scale;

Fantuzzo et al., 2006; the Quality of Family-Professional Partnerships; Summers et al., 2005).

Diese verkürzte Berücksichtigung der Fachkraft-Eltern-Kommunikation bringt die Problematik mit sich, dass Ergebnisse nicht differenziert beleuchtet werden können. So werden sowohl deskriptive Ergebnisse sowie auch Zusammenhänge ausschließlich auf Ebene der Gesamtskala oder den Subskalen berichtet, jedoch nicht für einzelne Items. Zweitens wurden einige dieser Instrumente trotz vielfacher Verwendung nicht hinsichtlich ihrer psychometrischen Eigenschaften geprüft (z. B. Home-School Relationship Scale; Barbarin, 2000) oder Items aus bereits etablierten Messinstrumenten ohne statistische Überprüfung in manchen Studien kombiniert (z. B. Hughes et al., 2005; Rimm-Kaufman et al., 2003; Serpell & Mashburn, 2012).

Darüber hinaus konzentriert sich die Mehrheit dieser Instrumente auf die Häufigkeit der Fachkraft-Eltern-Kommunikation und berücksichtigt keine Aspekte, die die Art und Weise der Kommunikation betreffen. Dies ist auch der Fall bei Studien, die Skalen ausschließlich zur Erfassung der Fachkraft-Eltern-Kommunikation nutzten bzw. selbst entwickelten (z. B. Lin et al., 2019; Rimm-Kaufman & Pianta, 2005; Murray et al., 2015; Coelho et al., 2019; Serpell &

Mashburn, 2012). So nutzten beispielsweise Coelho et al. (2019), die explizit die Fachkraft-Eltern-Kommunikation im Rahmen von Tür- und Angelgesprächen untersuchten, eine adaptierte Version des Daycare experience questionnaire (DEQ; Skouteris & Dissanayake, 2001; Übersetzung von Cadima et al., 2012), der ausschließlich die Häufigkeit des Informationsaustauschs zu bestimmten Themen (z. B. Schlaf- und Essgewohnheiten des Kindes) auf einer 4-stufigen Skala von 1 („selten“) bis 4 („täglich“) erfasst. Ebenfalls muss limitierend angefügt werden, dass zur Erfassung von Aspekten der Fachkraft-Eltern-Kommunikation meist gruppenbezogene Erhebungsverfahren genutzt werden, die sich auf die

gesamte Elternschaft bzw. das gesamte pädagogische Personal beziehen. Dementsprechend ist es nicht möglich, einzelne Bestandteile dynamischer Kommunikationsprozesse in tiefgreifender Form zu berücksichtigen.

Des Weiteren basieren die Daten bisheriger Studien fast ausschließlich auf fragebogenbasierten Fremd- und Selbstauskünften, wenngleich standardisierte Beobachtungsansätze zur Qualitätserfassung als deutlich objektiver gelten (Leff & Lakin, 2005;

Volpe et al., 2005). Internationale Studien konnten bereits nachweisen, dass Eltern die Qualität höher einschätzten als geschulte Beobachter*innen (Cryer & Burchinal, 1997; Mocan, 2007;

Cryer et al., 2002), dass Eltern nicht dazu in der Lage sind, zu beurteilen, was eine hohe Qualität aus wissenschaftlicher Sicht ausmacht (Van Horn et al., 2001) und, dass elterliche Qualitätseinschätzungen im hohen Maße subjektiv bzw. von persönlichen Merkmalen der Eltern abhängen (für einen Überblick siehe z. B. Torquati et al., 2011; Leslie et al., 2000;

Mocan, 2007). Auch im Rahmen einer deutschsprachigen Studie wiesen Camehl et al. (2018) bereits auf ein Response-Bias zwischen den Qualitätseinschätzungen seitens frühpädagogischer Fachkräfte und Eltern hin: So fielen die Qualitätsangaben der Fachkräfte in allen Bereichen signifikant höher aus als die der Eltern. Zwar nutzte ein Teil der Studien, die sich bereits eingehender mit der Kommunikation in Tür- und Angelgesprächen befassten, auch standardisierte Beobachtungsverfahren (Endsley & Minish, 1991; Perlman & Fletcher, 2012;

Maras et al., 2018), allerdings waren die Instrumente so konzipiert, dass nur beschreibende Aussagen auf deskriptiver Ebene möglich waren und erneut überwiegend quantitative Aspekte der Fachkraft-Eltern-Kommunikation im Vordergrund standen. Im Hinblick auf die methodische Erfassung von Qualitätsaspekten der Fachkraft-Eltern-Kommunikation steht die Wissenschaft somit noch verhältnismäßig am Anfang. Folglich besteht ein dringender Bedarf an einem standardisierten Beobachtungsinstrument, das darauf ausgerichtet ist, die Qualität von Fachkraft-Eltern-Kommunikation auf Individualebene zu erfassen.