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3.6 Sonderfälle

3.6.1 Outsourcing

Die rechtliche und organisatorische Auslagerung von Funktionen auf externe Leistungsanbieter gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, sich auf seine Kerngebiete zu spezialisieren. Neben der Kostenoptimierung besteht dadurch auch die Möglichkeit der Qualitätsverbesserung, einerseits durch Spezialisierung des Unternehmens selbst und andererseits durch die Ausgliederung an Anbieter, die über das entsprechende Know-how verfügen. Diese für viele Unternehmen notwendig Maßnahme der strategischen Neustrukturierung muss jedoch genauestens durchdacht werden, damit die dadurch entstehenden negativen Konsequenzen die Vorteile nicht überwiegen. Es gibt zahlreiche betriebswirtschaftliche und rechtliche Faktoren, die bedacht werden müssen.302

Ein wichtiger Punkt sind die umsatzsteuerlichen Aspekte. Bei Unternehmen, die keine oder nur eine beschränkte Möglichkeit des Vorsteuerabzuges haben – wie beispielsweise Körperschaften des öffentlichen Rechts, Banken und Versicherungen - ergibt sich das Problem der endgültigen Umsatzsteuer. Dieses Problem kann durch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten303 vermieden werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird nur auf die Alternative der Organschaft eingegangen.

3.6.1.1 Umsatzsteuervermeidung durch die Organschaft

Da die Umsätze innerhalb einer Organschaft nichtsteuerbare Innenumsätze darstellen, verhindert diese die Besteuerung des durch die Organgesellschaft geschaffenen Mehrwerts.

Die Erfüllung der Voraussetzungen für das Bestehen einer Organschaft, auf die bereits näher eingegangen wurde, kann jedoch erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. In diesem Kapitel wird lediglich auf diese Schwierigkeiten eingegangen.304

302 Vgl. Kirchhofer, Outsourcing und Umsatzsteuer bei Banken und Versicherungen (2007) 1.

303 Ausführlich: Kirchhofer, Outsourcing 13; Grambeck, Outsourcing in the EU Financial Sector – Where Are We Heading?, International VAT Monitor 2009, 462; Wagner, Outsourcing – Umsatzsteuerplanung für Finanzdienstleister, taxlex 2010, 377; Schiller, Wege des umsatzsteuerneutralen Outsourcing im

Finanzdienstleistungssektor, UR 2006, 500; Strunz/Marko, Umsatzsteuer und IT-Outsourcing bei Banken und Versicherungen, SWK 2009, 718.

304 Ein - im Verhältnis zu anderen Lösungsvarianten - nicht außer Acht zu lassender Nachteil ist der Ausschluss der grenzüberschreitenden Organschaft. Vgl Kapitel 3.3.2 auf Seite 38.

3.6.1.1.1 Eingliederungsmerkmale

Da sich durch die Ausgliederung die Tätigkeiten des auslagernden Unternehmers und des Insourcers automatisch wirtschaftlich ergänzen, stellt die Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung keine Probleme dar.305 Die großen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des auslagernden Unternehmers, die er als Organträger infolge der finanziellen Eingliederung hätte, stellen neben der schwer herzustellenden organisatorischen Eingliederung jedoch beachtliche Probleme dar.306 Mehrmütterorganschaften – die jedoch, wie schon näher erläutert, nicht erlaubt sind - könnten insbesondere Banken und Versicherungen auf Grund ihrer besonderen Struktur wesentliche Erleichterungen schaffen.307

3.6.1.1.2 Die Körperschaft des öffentlichen Rechts als Organträger

Wie bereits näher ausgeführt, ist die Begründung einer Organschaft nur möglich, wenn der Organträger Unternehmer ist.

Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist gemäß § 2 Abs 2 öUStG308 nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art im Sinne des § 2 KStG309 und im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Nach Art 9 MwStSystRL gilt grundsätzlich jeder als Steuerpflichtiger, der eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Gemäß Art 13 MwStSystRL sind jedoch Körperschaften des öffentlichen Rechts von dieser Regel ausgenommen, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Hinsichtlich dieser Tätigkeiten gelten sie also nicht als Steuerpflichtige. Würden dadurch jedoch größere Wettbewerbsverzerrungen eintreten oder üben die Körperschaften die öffentlichen Rechts Tätigkeiten nicht unbedeutenden Umfangs im Sinne des Anhang I der Mehrwertsteuersystemrichtlinie aus, werden sie gemäß Art 13 Abs 1 UAbs 1 und 2 MwStSystRL auch dann als Steuerpflichtiger behandelt.310

305 Vgl Grambeck, International VAT Monitor 2009, 462; Wagner, taxlex 2010, 377.

306 Vgl Wagner, taxlex 2010, 377.

307 Vgl. Kirchhofer, Outsourcing 1.

308 § 2 Abs 3 dUStG.

309In Deutschland gemäß § 4 KStG.

310 In der Entscheidung Isle of Wight gibt der EuGH erstmals eine negative Abgrenzung dazu, wann eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt. EuGH 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight, Slg 2008, I-07203, Rz 76.

Da diese Bestimmung unbedingt und hinreichend genau ist, können sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowohl die Körperschaft öffentlichen Rechts als auch private Wirtschaftsteilnehmer darauf berufen, wenn sie sonst einen steuerlichen Nachteil erleiden.311

3.6.1.1.2.1 Parkraumbewirtschaftung

Die österreichische Rechtslage sieht die Parkraumbewirtschaftung, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Grundlage iSd StVO ausgeführt wird, nicht als Vermietung und Verpachtung von Grundstücken an. Es handelt sich somit um keinen fiktiven Betrieb gewerblicher Art. Bei der Beurteilung, ob es sich um Vermietung und Verpachtung handelt, wird auf das Bestehen eines Bestandsvertrages gemäß § 1090 ABGB abgestellt.312

Bei einer unionsrechtlichen Beurteilung dieser Sachverhaltslage ist festzustellen, dass die beiden Merkmale des Art 13 Abs 1 UAbs 1 und 2 MwStSystRL - die kumulativ vorliegen müssen313 – erfüllt sind. Das erste Merkmal ist die Ausübung von Tätigkeiten durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, das zweite Merkmal die Ausübung dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt.

Der EuGH hat in der Entscheidung Isle of Wight314 erstmals näher definiert, wann Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Der Gerichtshof stellt klar, dass, sofern für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer eine reale Möglichkeit besteht, in den relevanten Markt einzutreten, der Begriff „führen würde“ nicht nur den gegenwärtigen sondern auch den potenziellen Wettbewerb umfasst.

Weiters legte der EuGH fest, dass der Begriff „größere“ Wettbewerbsverzerrungen restriktiv auszulegen ist. Es ist ausreichend, wenn sonst mehr als nur unbedeutende Wettbewerbsverzerrungen entstehen würden.315

Bei einer Parkraumbewirtschaftung auf öffentlichen Straßen und Plätzen besteht keine reale Möglichkeit für private Wirtschaftsteilnehmer, in den Markt einzutreten. Werden hingegen beispielsweise Abstellplätze in Parkhäuser gegen Entgelt angeboten, wird eine

311 Vgl EuGH 4.6. 2009, C-102/08, SALIX, Slg 2009, I-04629, Rz 76; EuGH 8.6.2006, C-430/04,

Feuerbestattungsverein Halle, Slg 2006, I-4999, Rz 29, 32; Peyerl, Die Umsatzbesteuerung von Körperschaften öffentlichen Rechts nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, FJ 2010, 127; Ehrke-Rabel, taxlex 2010, 188.

312 Zu den genauen Kriterien wann nach der Auffassung des VwGH ein solcher Bestandsvertrag vorliegt: vgl VwGH 03.09.2008, 2003/13/0086, ÖStZB 2009, 120.

313 Vgl EuGH 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight, Slg 2008, I-07203, Rz 19.

314 EuGH 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight, Slg 2008, I-07203.

315 Vgl EuGH 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight, Slg 2008, I-07203, Rz 76.

Wettbewerbsverzerrung gegeben sein und die Körperschaft des öffentlichen Rechts gilt für diese Tätigkeit als Steuerpflichtiger gemäß Art 13 Abs 1 UAbs 2 iVm Art 9 MwStSystRL.316 3.6.1.1.2.2 Mischbetriebe

Wie bereits im Kapitel 2.2.3 Begriff der „Person“ erwähnt, ergibt sich aus der Rechtsprechung Securenta317 und VLNTO318, dass es sich beim Hoheitsbereich der Körperschaft des öffentlichen Rechts um einen Teil des Unternehmens handelt. Auch Stadie vertritt diese Meinung, er beruft sich jedoch auf die Begründung zu § 2 Abs 2 UStG 1934.

Dort heißt es: „…Eine teilweise Selbständigkeit gibt es für die juristischen Personen nicht.“.319

Nach österreichischer Rechtslage ist bei einem Mischbetrieb gemäß § 2 Abs 3 öUStG iVm § 2 KStG bei der Beurteilung, ob es sich insgesamt um einen Hoheitsbetrieb oder um einen Betreib gewerblicher Art handelt auf die überwiegende Zweckbestimmung des gesamten Betriebes abzustellen.320 Wenn es jedoch eine sachliche Trennungsmöglichkeit gibt, darf nicht von einem Mischbetrieb ausgegangen werden. Bei einer solchen Konstellation müssen die hoheitlichen Tätigkeiten aus dem Betrieb gewerblicher Art und somit aus dem Unternehmensbereich ausgeschieden werden. Eine unionsrechtskonforme Interpretation dieser Regelung ist nicht möglich.

Im Bereich der Körperschaften des öffentlichen Rechts gibt es somit noch einige gravierende Unterschiede zum Unionsrecht. Für die Körperschaft des öffentlichen Rechts bringt diese Situation eine „Wahlmöglichkeit“ Zunächst findet das nationale Recht Anwendung, wenn jedoch das Unionsrecht vorteilhafter ist, kann sie sich – mit dem Argument der sonst drohenden Wettbewerbsverzerrungen - auf dieses berufen. Der nationale Gesetzgeber sollte seine Auslegung im Sinne der Rechtssicherheit dringend dem Unionsrecht anpassen.321

In Deutschland ist der unternehmerische Bereich einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seit der Salix-Entscheidung322 des EuGH nicht mehr strikt auf den Betrieb gewerblicher Art

316 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 254; Ausführlich: Heber, Vermietungstätigkeit durch Körperschaften öffentlichen Rechts im Steuerrecht (2009).

317 EuGH 13.3.2008, C-437/06, Securenta, Slg 2008, I-1597.

318 EuGH 12.2.2009, C-515/07, VLNTO, Slg 2009, I-839.

319 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 646; Begründung zum Umsatzsteuergesetz 1934, RStBl 1934, 1549 zu § 2 Abs 2.

320 Vgl Ehrke-Rabel, taxlex 2010, 188; UStR 2000 Rz 263.

321 Vgl Ehrke-Rabel, taxlex 2010, 188.

322 EuGH 4.6.2009, C-102/08, SALIX, Slg. 2009, I-4629, Rz 76.

begrenzt. Der Bundesfinanzhof judizierte in seiner Entscheidung vom 20.8.2009323, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit allen Tätigkeiten, die sie auf privat-wirtschaftlicher Grundlage ausübt, unternehmerisch tätig ist.324

Überdies hielt der Gerichtshof fest, dass es sich bei Leistungen einer Organgesellschaft an den Organträger um Innenleistungen handelt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Organträger diese Leistungen für unternehmerische oder nichtunternehmerische Zwecke nutzt. Der Gerichtshof judizierte, dass es sonst zu einer partiellen Selbstständigkeit kommen würde, die mit der Behandlung als ein Steuerpflichtiger nicht zu vereinbaren wäre. Die Verwendung für nichtunternehmerische Zwecke muss jedoch durch die Wertabgabebesteuerung325 neutralisiert werden.326 Dieses Urteil entspricht somit den Anforderungen der Rechtsprechung Securenta327 und VLNTO328.

Im Dokument Die Organschaft in der Umsatzsteuer (Seite 63-67)