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Konsequenzen des Bestehens der Organschaft

Im Dokument Die Organschaft in der Umsatzsteuer (Seite 33-54)

116 3.4 “Konsequenzen des Bestehens der Organschaft“.

117 Vgl Kapitel 2.2.5 „Die Eingliederungskriterien“.

118 Vgl Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz Kommentar § 2 Rz 98, 17.

119 Vgl Birkenfeld, UR 2008, 2.

120 UStRL 2005 Abschn 21 Abs 2.

121 UStRL 2008 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Umsatzsteuergesetzes v 10.12.2007, BStBl I 2007, Sondernummer 2 Abschn 21 Abs 2.

122 Vgl Birkenfeld, UR 2008, 2.

Ein Steuerpflichtiger kann sich, wenn er durch die fehlende oder falsche Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht Nachteile erleidet, direkt auf die Richtlinie berufen, vorausgesetzt, sie ist hinreichend genau bestimmt.123 Wenn es einem Steuerpflichtigen gelingt, die steuerlichen Nachteile, die er durch die Ungleichbehandlung erleidet, nachzuweisen, hat er mit dem Argument der Rechtsformneutralität vor dem Europäischen Gerichtshof gute Chancen, dass dieser eine Unvereinbarkeit einer solchen Beschränkung mit dem Unionsrecht ausspricht. Damit dürften nationale Behörden und Gerichte diese Einschränkung künftig nicht mehr anwenden.124 Da Artikel 11 MwStSystRL dahingehend eindeutig ist und somit kein Spielraum bei der Umsetzung in nationales Recht besteht, handelt es sich um keinen unzulässigen Eingriff in die nationale Gesetzgebungsbefugnis.125126

3.2.2.2 GmbH & Co KG

Bei einer GmbH & Co KG handelt es sich um eine Personengesellschaft. Ein großer Teil der Lehre geht davon aus, dass ein Organkreis - bei dem die GmbH als Organtochter und die KG als Organträger fungiert - nicht möglich ist.127128 Die KG ist nicht an der GmbH, sondern die GmbH ist an der KG beteiligt. Die GmbH ist der Komplementär der KG und besitzt im Regelfall die alleinige Geschäftsführungsbefugnis. Somit kann die GmbH nicht verpflichtet sein, den Weisungen der KG Folge zu leisten, folglich besteht daher kein Organschaftsverhältnis.129 Bei dieser Betrachtungsweise handelt es sich jedoch um eine rein formale zivilrechtliche Sicht.130

123 Vgl Streinz, Europarecht8 (2005) § 5 Rn 444; EuGH 10.9.2002, C-141/00, Ambulanter Pflegedeinst Kügler GmbH, Slg 2002, I-6833, Rz 51; EuGH 18.1.2001, C-150/99, Stockholm Lindöpark, Slg 2001, I-493, Rz 32;

EuGH 19.1.1982, C-8/81, Becker, Slg 1982, I-53, Rz 25;

124 Vgl die ständige Rechtsprechung des EuGH 21.6.2007, C-231/06 bis C-233/06, Jonkman, Slg 2007, I-5149, Rz 38; EuGH 25.3.2004, C-495/00, Azienda Agricola Giorgio, Giovanni und Luciano Visentin u.a., Slg 2004, I-2993, Rz 39; EuGH 7.1.2004, C-201/02, Wells, Slg 2004, I-723, Rz 64, 65; EuGH 20.6.2002, C-313/99, Mulligan u.a., Slg 2002, I-5719, Rz 35, 36.

125 Vgl Birkenfeld, UR 2010, 198; Birkenfeld, UR 2008, 2.

126 Das Problem ist jedoch, dass nur ein nationales Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH stellen kann. Wenn das nationale Gericht keinen Auslegungsbedarf bezüglich der Übereinstimmung mit dem

Unionsrecht sieht, hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit direkt zum EuGH zu gelangen.

127 Vgl Flückiger, UStG Bd II Lfg 173 Rz 269; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 185; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 359.

128 Ein Organkreis bei dem die KG die Organtochter darstellt und die GmbH den Organträger ist nach derzeitiger (noch) herrschender österreichischer und deutscher Rechtslage– wie bereits im Kapitel 3.2.2 „Organgesellschaft“

auf Seite 23 erläutert – nicht möglich, weil eine Personengesellschaft nicht als Organtochter fungieren kann.

129 Vgl Flückiger, UStG Bd II Lfg 173 Rz 269; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 185; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 359.

130 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 681.

Birkenfeld und Stadie sind jedoch – meines Erachtens richtigerweise - der Meinung, dass eine Organschaft in dieser Konstellation möglich ist. Es muss nur nach der Gesamtbildbetrachtung geprüft werden, ob die notwendigen Eingliederungsvoraussetzungen vorliegen. Wenn es auf Grund der finanziellen Beteiligung der KG an der GmbH möglich ist, ihren Willen in der GmbH durchzusetzen, sie dieser Möglichkeit auch nachkommt und zudem die wirtschaftliche Beteiligung gegeben ist, entsteht eine Organschaft.131 Stadie führt aus, dass bei einer typischen GmbH & Co KG die Kommanditisten die Gesellschafter der GmbH und somit auch ihre Geschäftsführer sind, damit ist die (mittelbare) finanzielle und organisatorische Eingliederung sichergestellt. „Die wirtschaftliche Eingliederung ergibt sich schon aus dem betrieblichen Zweck der GmbH.“132

Bei einer Einheits-GmbH & Co KG ist auch die Finanzverwaltung der Ansicht, dass ein Organkreis bestehen kann. Der Wortlaut der Richtlinie lautet „Bei der sog. Einheits-GmbH &

Co KG (100%ige Beteiligung der KG an der GmbH) liegt regelmäßig Organschaft vor.“133

„…Dies gilt auch in den Fällen, in denen die übrigen Kommanditisten der KG sämtliche Gesellschaftsanteile der GmbH halten.“134

3.3 Sachliche Voraussetzungen

3.3.1 Eingliederungsmerkmale

Das Umsatzsteuergesetz fingiert das Vorliegen eines einheitlichen Unternehmens, wenn eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung gegeben ist. Maßgeblich ist bei den Eingliederungsvoraussetzungen das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Es müssen zwar alle drei Eingliederungskriterien vorliegen, aber nicht gleich stark ausgeprägt sein. Ein weniger stark ausgeprägtes Merkmal kann durch die stärkere Ausprägung eines anderen oder der beiden anderen kompensiert werden.135

131 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 681; Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch Lfg 50 § 44 Rz 351.

132 Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 681.

133 UStR 2008 Absch 21 Abs 4.

134 UStR 2008 Absch 21 Abs 2.

135 Vgl: Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2 Tz 110; Schütze/Winter, Organisatorische Eingliederung in der umsatzsteuerlichen Organschaft, UR 2009, 397; Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 106; BFH V R 12/06 13/06, BFH/NV 2008, 1365; BFH V R 76/05, UR 2008, 549; BFH V R 26/06, UR 2008, 259; BFH V R 50/00, BStBl II 2002, 550; BFH V R 26/06, BStBl II 2008, 451.

3.3.1.1 Finanzielle Eingliederung

„Finanzielle Eingliederung bedeutet kapitalmäßige Beherrschung.“136 Der Unternehmer muss mittelbar oder unmittelbar so viele Anteile besitzen, wie nach gesellschaftsrechtlichen beziehungsweise gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen notwendig sind, damit bei den Organgesellschaften im wirtschaftlichen und im organisatorischen Bereich der Willen des Organträgers sichergestellt werden kann.137 Ausschlaggebend sind somit die auf die Anteile vereinigten Stimmrechte und nicht die Höhe der Beteiligung138, im Regelfall stimmen sie jedoch sowieso überein.139

Für die finanzielle Eingliederung sind – sofern keine höhere Mehrheit für die Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist - mehr als 50% der Stimmen ausreichend.140 Da der Organträger mit genau 50% der Stimmen nur unerwünschte Willensbildungen vermeiden, jedoch nicht Entscheidungen, die seinem Willen entsprechen, alleine durchsetzen kann, genügt dies grundsätzlich nicht.141 In bestimmten Fällen kann aber auch eine stimmrechtliche Beteiligung von 50% und weniger ausreichen, um die finanzielle Eingliederung zu erreichen, beispielsweise wenn der Gesellschaftsvertrag Stimmrechtsbeschränkungen enthält oder die Organgesellschaft eigene Anteile hält.142

Bei einer Beteiligung an einer österreichischen GmbH oder AG von mehr als 75% liegt jedenfalls eine finanzielle Eingliederung vor, wenn die Gesellschaftsverträge keine höhere als den gesetzlich geregelten Kapitalanteil für die Beschlussfassung enthalten. Sie kann jedoch auch bei einer Beteiligung von weniger als 75% und mehr als 50% gegeben sein, wenn die anderen zwei Eingliederungsmerkmale besonders stark ausgeprägt sind. Diese erhöhte Anforderung an die finanzielle Eingliederung ist auf Grund der teilweise für die Willensdurchsetzung erforderlichen qualifizierten Mehrheit notwendig.143

136 Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2 Tz 111.

137 Vgl Erlass des BMF v 13.7.2005, 09 4501/58-IV/9/00, BMF AÖF 233/2000 GZ 09 4 501/58-IV/9/00 idF GZ BMF-010219/0288-VI/4/2010 v 18.11.2010 Rz 236. Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2 Tz 111, 112; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 196, 200.

138 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 196; Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 683.

139 Vgl Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 376.

140 Vgl Flückiger, UStG Bd II Lfg 173 Rz 280; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 197.

141 Vgl Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 378.

142 Vgl Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 111; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 198.

143 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 197; §§ 45 Abs 4, 87 Abs 8, 129 Abs 3, 149 Abs 1. 153 Abs 3, 160 Abs 1, 169 Abs 2, 174 Abs 1, 175 Abs 1, 203 Abs 1, 215 Abs 1, 221 Abs 1, 236 Abs 3, 237 Abs 1, 238 Abs 3; 239 Abs 2, 146 AktG; 30b Abs 3, 35 Abs 1, 50 Abs 1, 90 Abs 4, 98, 99 Abs 3 GmbHG.

Entscheidend ist eine Stimmenmehrheit, welche die Organgesellschaft vorsieht, um Beschlüsse durchzusetzen. Ein Fehlen dieser Möglichkeit der Willensdurchsetzung kann nicht durch das Gesamtbild der Verhältnisse ausgeglichen werden, eine finanzielle Eingliederung ist dann nicht gegeben.144

Eine Darlehensgewährung reicht jedoch auf keinen Fall für eine finanzielle Eingliederung.

Wenn bei der Organgesellschaft kein Kapital vorhanden ist und somit eine kapitalmäßige Beherrschung nicht möglich ist, genügt auch die Beherrschung der Willensbildung auf anderem Weg.145

Bei Sicherungseigentum sind die Anteile dem Sicherungsgeber zuzurechnen, bei treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen dem Treugeber.146

Aus dem BFH Urteil vom 17.2.2004147 ergibt sich, dass bei einer formnichtigen Anteilsübertragung das wirtschaftliche Eigentum an einem Geschäftsanteil trotzdem auf den Erwerber übertragen wird, wenn ihm Stimmrecht und Gewinnbezugsrecht eingeräumt werden oder der zivilrechtliche Gesellschafter verpflichtet ist, bei der Ausübung des Stimmrechtes die Interessen des Erwerbers wahrzunehmen. Überdies müssen die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung in der Folgezeit tatsächlich vollzogen werden.

Zu beachten ist jedoch, dass mündliche Vereinbarungen nicht ausreichen. Dies ergibt sich unter anderem aus dem BFH Urteil vom 16.12.2008.148

Die Beteiligungen minderjähriger Kinder sind dem gesetzlichen Vertreter nicht zuzurechnen.

Er hat das Vermögen des Kindes in dessen Interesse zu verwalten. Diese müssen sich nicht mit seinen eigenen Interessen decken.149

3.3.1.1.1 Varianten der mittelbaren Beteiligung

Bei der mittelbaren Beteiligung gibt es zwei Varianten, die Beteiligung über einen Gesellschafter und die Beteiligung über eine Gesellschaft.

144 Vgl Birkenfeld, UR 2008, 2.

145 Vgl Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2 Tz 111.

146 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 199.

147 BFH VIII R 26/01, BStBl 2004, 651.

148 BFH VII R 7/08, BStBl 2009, 514.

149 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 683.1. Anderer Ansicht ist die deutsche Finanzverwaltung:

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Einkommensteuerrechts, Drucksache 713/05 EStR 2005 R 15.7 (8).

3.3.1.1.1.1 Mittelbare Beteiligung über einen Gesellschafter

Grundsätzlich ist eine finanzielle Eingliederung gegeben, wenn sich die Stimmenmehrheit beim Organträger und bei der Organgesellschaft in der Hand desselben Gesellschafters befindet. Durch den gemeinsamen Gesellschafter ist die einheitliche Willensbildung gewährleistet. Wenn nur mehrere Gesellschafter zusammen über die beherrschende Mehrheit der Anteilsrechte beziehungsweise der Stimmrechte verfügen, ist die finanzielle Eingliederung - da keine einheitliche Stimmabgabe gewährleistet ist - nicht gegeben.150 Dasselbe gilt, wenn diese Mehrheit nur durch die Zusammenrechnung von mittelbaren und unmittelbaren Anteilen erreicht werden kann.151 Über echte oder atypisch stille Gesellschafter kann – da sie nicht an der Willensbildung teilnehmen - eine mittelbare Beteiligung nicht begründet werden.152

Es gibt jedoch differenzierte Ansichten darüber, ob die finanzielle Eingliederung vorliegt, wenn die zur Beschlussdurchsetzung erforderlichen Gesellschaftsanteile zweier Kapital-gesellschaften im Privatvermögen einer natürlichen Person gehalten werden.

Bürgler und Stadie bejahen dies mit der Begründung, dass es auf die Sicherstellung des einheitlichen Willens ankommt. Dies ist durch die Möglichkeit der Willensdurchsetzung des Gesellschafters in beiden Gesellschaften gewährleistet. Ausschlaggebend ist, ob einer und welcher der beiden Gesellschaften die führende Stellung zukommt. Zu lösen wäre dies mit einer Gesamtbildbetrachtung unter Einbeziehung der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung.153

Tischler bejaht die finanzielle Eingliederung durch Gesellschafteridentität nur im Fall eines Organträgers in Form eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft. Er begründet seine Meinung folgenderweise: Wenn ein Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft hält und gleichzeitig ein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs 1 UStG betreibt, ist die finanzielle Eingliederung der Kapitalgesellschaft unter das Einzelunternehmen gegeben. Der Wille des Mehrheitsgesellschafters ist ident mit dem Willen des Einzelunternehmens. Dasselbe Ergebnis zeigt sich, wenn in der eben umschriebenen

150 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 687.

151 Vgl Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 112.

152Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 687.1.; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 392.

153 Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2 Tz 112; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 201; Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 688; Flückiger, UStG Bd II Lfg 173 Rz 282/2.

Anderer Ansicht: Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 112; Tischler, Organschaft bei

Gesellschafteridentität, UR 1985, 77; BFH XI R 25/94, BStBl II 1997, 441; UStR 2008 Absch 21 Abs 4.

Konstellation das Einzelunternehmen durch eine Personengesellschaft ausgewechselt wird.

Die Personengesellschaften weisen zivilrechtlich keine eigene Rechtspersönlichkeit auf. Im Umsatzsteuerrecht werden sie zwar als eigenes Steuersubjekt anerkannt, ein eigener Wille im Sinne des Zivilrechts kann ihnen jedoch nicht zugebilligt werden.

Bei einer Mehrheitsbeteiligung eines Gesellschafters an zwei Kapitalgesellschaften geht Tischler davon aus, dass keine finanzielle Eingliederung besteht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die eine Gesellschaft ihren Willen in der anderen Gesellschaft zur Geltung bringt. Der Wille des Gesellschafters hat zwar wesentlichen Einfluss auf den Willen der juristischen Person, er kann jedoch nicht mit ihm gleichgesetzt werden. Die Willensbildung der Kapitalgesellschaft hängt nicht nur von den Gesellschaftern ab, sondern auch von den Geschäftsführern oder Vorständen, durch die sie vertreten werden.154

Ich schließe mich zumindest für den Fall einer Aktiengesellschaft als Organträger der Meinung Tischlers an. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt zwar prinzipiell der Grundsatz der Drittorganschaft. In der Praxis werden allerdings häufig Gesellschafter als Geschäftsführer tätig. Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind nur der Geschäftsführer und die Gesellschafterversammlung als obligatorische Organe vorgesehen.155 Daher kann in einem solchen Fall davon ausgegangen werden, dass der Wille des Gesellschafters - mit der zur Beschlussdurchsetzung erforderlichen Stimmenmehrheit –, der zugleich Geschäftsführer ist, mit dem Willen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gleichgesetzt werden kann.

Ein weiteres Motiv für seine Auffassung sieht Tischler darin, dass bei einer zulässigen Zurechnung der Stimmrechte des Gesellschafters zu einer Gesellschaft auch die Zurechnung zur anderen Gesellschaft anzunehmen ist. Dadurch wäre unklar, wer der Organträger beziehungsweise wer die Organgesellschaft ist.156 Wie bereits erwähnt, kann dieses Problem jedoch durch eine Gesamtbildbetrachtung gelöst werden.

3.3.1.1.1.2 Mittelbare Beteiligung über eine Gesellschaft

Weiters ist eine mittelbare Beteiligung über eine oder mehrere zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften – also Tochter- und Enkelgesellschaften - möglich, wenn diese (zwischengeschalteten) Gesellschaften vom Organträger beherrscht werden.157 Hier ist auch

154 Vgl Tischler, UR 1985, 77.

155 Vgl Mader, Kapitalgesellschaften6 (2008) 8.

156 Vgl Tischler, UR 1985, 77; Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 112.

157 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 684; UStR 2008 Absch 21 Abs 4 Satz 2; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 386, 408; Flückiger, UStG Bd II Lfg 173 Rz 280/1.

eine Kombination aus mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung möglich.158 Die unternehmerische Tätigkeit der zwischengeschalteten Gesellschaft ist keine Voraussetzung für die finanzielle Eingliederung. Sie gehört dann jedoch nicht zum Organkreis.159

Durch die Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung ist in Österreich und Deutschland die unionsrechtliche Voraussetzung der Mitgliedschaft in nur einer Gruppe gewährleistet.160

3.3.1.2 Wirtschaftliche Eingliederung

Bei der wirtschaftlichen Eingliederung gibt es differenzierte Ansichten. Keine einheitliche Meinung existiert über das Vorhandenseinmüssen der Über- und Unterordnung.

Aus dem Wortlaut des § 2 Abs 2 Z 2 öUStG161 ergibt sich keine solche Verpflichtung. Das Umsatzsteuergesetz fingiert vielmehr die Über- und Unterordnung, wenn die wirtschaftlichen Aktivitäten miteinander verflochten bzw aufeinander abgestellt sind, einander ergänzen oder abrunden.162 Keine wirtschaftliche Eingliederung ist jedoch gegeben, wenn die Aufteilung der Aufgaben zwischen Organträger und Organgesellschaft zu unabhängigen wirtschaftlichen Handeln führt.163 In den österreichischen Umsatzsteuerrichtlinien wird die Voraussetzung der Über- und Unterordnung nicht erwähnt. 164 Einige Stimmen der österreichischen Lehre gehen jedoch von einer verpflichtenden Über- und Unterordnung aus. 165 Bürgler verweist dabei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes166, die für das Bestehen der wirtschaftlichen Eingliederung ein Über- und Unterordnungsverhältnis verlangt. Diese Verwaltungsgerichtshofurteile verweisen jedoch auf Entscheidungen des Verwaltungs-gerichtshofes, die zur seinerzeitigen Gewerbesteuer ergangen sind.

Generell sind in Österreich seit dem Umsatzsteuergesetz 1994 keine Urteile ergangen, die Originalaussagen zu den Voraussetzungen der wirtschaftlichen Eingliederung treffen und

158 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 685; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 386, 408;

Wäger, FS Schaumburg, 1189.

159 Vgl Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 685.1; UStR 2008 Absch 21 Abs 4; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 386, 408.

160 Vgl Birkenfeld, UR 2010, 206.

161 § 2 Abs 2 Nr 2 dUStG.

162Vgl Ruppe, Umsatzsteuergesetz § 2Tz 113, Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 208.

163 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 208.

164 Vgl UStR 2000 Rz 237.

165 Vgl Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 205; Kolacny/Caganek, Umastzsteuergesetz Kurzkommentar3 (2005) § 2 Anm 22; Kranich, Kommentar zur Mehrwertsteuer (1994) Tz 28.

166 VwGH 96/14/0085 VwSlg 7523/F; VwGH 98/13/0117 VwSlG 7345/F; VwGH 96/13/0090 VwSlg 7345 F/1999.

nicht auf Urteilsinhalte verweisen, die noch zur seinerzeitigen Gewerbesteuer ergangen sind.

Die Voraussetzung der Über- und Unterordnung ist nicht unionsrechtskonform. Österreich müsste auch bei einer engen gegenseitigen wirtschaftlichen Verbundenheit das Bestehen des Merkmals der wirtschaftlichen Eingliederung annehmen.167

Die deutsche Lehre und Rechtsprechung ergibt eindeutig, dass eine dienende Funktion der Organgesellschaft gegenüber dem Organträger keine Voraussetzung für das Bestehen der wirtschaftlichen Eingliederung ist.168 Der Bundesfinanzhof judizierte in seinem Urteil vom 29.1.2009169: „Für die wirtschaftliche Eingliederung genügt es, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist.170 Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen171 Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein…“172

Dieser Zusammenhang muss zwischen den unternehmerischen Tätigkeiten des Organträgers und der Organtochter bestehen.173 Lediglich kapitalmäßige Verflechtungen sind nicht ausreichend, das Verhältnis der beteiligten Unternehmen zueinander ist vielmehr daraufhin zu prüfen, ob sie wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind. Es spricht nichts gegen eine solche Verflechtung, wenn die Organgesellschaft auch - oder auch nur - gegenüber Dritten tätig ist. Ausreichend für diese Bindung ist bereits, dass der Organträger bestimmt, mit wem,

167 Vgl Ehrke-Rabel, Tagungsband II Umsatzsteuer-Forum, in Druck.

168 Vgl BFH V B 138/05, UR 2007, 302; Stadie, Umsatzsteuergesetz § 2 Anm 690; Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 405, 408; Sender/Weilbach/Weilbach, Praktiker-Handbuch zur EU-Umsatzsteuer 2 (2003) 37.

169 BFH V R 76/97, BFH/BV 1998, 1534.

170 Vgl. BFH V B 76/08, UR 2010, 259; BFH XI R 74/07, DStRE 2009, 29; BFH V R 63/01, BStBl II 2006, 434.

171 Vgl. BFH V R 76/97, BFH/BV 1998, 1534; BFH V R 4/08, BStBl II 2010, 310; BFH V R 63/01, BStBl II 2006, 434; BFH V B 138/05, UR 2007, 302.

172 Vgl V R 67/07, BStBl II 2009, 1029; BFH V R 63/01, BStBl II 2006, 434; UStR 2008 Absch 21 Abs 5;

Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 405; Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 120.

173 Bei bestehender Organschaft sind jedoch auch die Leistungen im nichtunternehmerischen Bereich nichtsteuerbare Innenumsätze. Vgl Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 120.

in welchem Umfang, auf welche Art und Weise und unter welchen weiteren Bedingungen dies geschieht.174

Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers an die Organtochter, dürfen die Leistungen beziehungsweise Nutzungsüberlassungen nicht unentgeltlich erfolgen, überdies müssen sie für das Unternehmen der Organtochter von wesentlicher Bedeutung sein.175 Mit Verlustübernahmen durch den Organträger oder unentgeltliche Materialbeistellungen des Organträgers für eine von der Organgesellschaft an den Organträger erbrachte Leistung kann die für die wirtschaftliche Eingliederung erforderliche Entgeltlichkeit nicht erreicht werden.176 Nicht von wesentlicher Bedeutung sind die in den Bereichen Buchhaltung, Personalwesen, Lohn- und Gehaltsabrechnung und Steuerberatung gegen Entgelt erbrachten administrativen und kaufmännischen Leistungen177 und andere Tätigkeiten, wenn sie zu einer nur unbedeutenden Entlastung führen.178

Wenn die Organgesellschaft ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat, jedoch Vorbereitungshandlungen getroffen wurden, wie beispielsweise der Erwerb von Betriebsvermögen, liegt darin bereits der Beginn der wirtschaftlichen Eingliederung.179 Beachtet werden muss die Voraussetzung der dauerhaften Wirtschaftsbeziehung. Aus einem einzigen Rechtsgeschäft kann sich keine wirtschaftliche Eingliederung ergeben.180

So wie die finanzielle Eingliederung auf einer Beteiligung über eine andere Tochter- gesellschaft beruhen kann, so ist auch die wirtschaftliche Eingliederung auf Grund einer Verflechtung zwischen zwei Organgesellschaften möglich. Eine unmittelbare Beziehung zum Organträger muss nicht bestehen.181

Zur Veranschaulichung folgen nun ein paar Beispiele, in denen die Rechtsprechung von einem Vorliegen der wirtschaftlichen Eingliederung ausging:

174 Vgl Scharpenberg, Umsatzsteuergesetz Lfg. 6 § 2 Tz 410; Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 211; BFH V R 15/69, BStBl II 1972, 840.

Anderer Ansicht Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 120: Er beruft sich auf das Urteil BFH V R 101/62 und nimmt eine wirtschaftliche Eingliederung nicht mehr an, wenn die Fremdleistungen im Durchschnitt der Jahre überwiegen.

175 Vgl Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 120; Wäger, FS Schaumburg, 1189.

176 Vgl Deloitte Newsletter Indirekt Taxes 10/2009, 3; BFH V R 4/08, BStBl II 2010, 310.

177 Vgl Deloitte Newsletter Indirekt Taxes 10/2009, 3; BFH V R 30/06, DStRE 2009, 1395; BFH V R 4/08, BStBl II 2010, 310.

178 Vgl BFH V R 4/08, BStBl II 2010, 310.

179 Vgl BFH V R 37/00, BStBl II 2002, 373.

180 Bürgler, UStG-ON 2.00 § 2 Rz 214.

181 Vgl BFH V R 30/06, DStRE 2009, 1395; Deloitte Newsletter Indirekt Taxes 10/2009, 3; Klenk, Umsatzsteuergesetz EL 63 § 2 Rz 120.

• Als die Organtochter, deren Unternehmensgegenstand vor allem die Tätigkeit als Bauträgerin und –betreuerin war, sämtliche Architektenleistungen vom Organträger bezog, der ausschließlich für die Organtochter tätig war.182

• Bei einer Verpachtung wesentlicher Anlagegegenstände, die im Eigentum des Organträgers standen und für die steuerpflichtige Gesellschaft wesentlich waren.183

• Als der Organträger die Fabrikation übernommen hat und die Funktion der Vertriebsabteilung der Organgesellschaft oblag.184

• Bei einer Abstimmung des Verkaufs von Grund und Boden des Organträgers mit der Bebauung des verkauften Grundstücks durch die Organgesellschaft.185

Die ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofes zur wirtschaftlichen Eingliederung rücken dieses Eingliederungsmerkmal wieder verstärkt in den Vordergrund. Damit wird bestätigt, dass es sich um eine eigenständig zu beurteilende Voraussetzung für das Bestehen der Organschaft handelt.186

Wesentlich ist – wie bei den anderen Eingliederungsvoraussetzungen – das Gesamtbild der Verhältnisse. Schriftliche Vereinbarungen beeinflussen dieses Gesamtbild lediglich, wenn sie auch tatsächlich praktiziert werden.187

3.3.1.3 Organisatorische Eingliederung

Die organisatorische Eingliederung ist gegeben, wenn die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaften durch den Organträger in

Die organisatorische Eingliederung ist gegeben, wenn die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaften durch den Organträger in

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