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6.2.1 Otitis externa

Eine Otitis externa ist eine entzündliche Veränderung des äußeren Ohres und Gehörgangs meist infolge einer bakteriellen Infektion. Eine parasitäre Infektion, beispielsweise eine Ohrräude (Psoroptes cuniculi), kann eine bakterielle Infektion begünstigen. Bei Widderkaninchen kommt die Otitis externa häufiger vor, da ihr äußerer Gehörgang durch die hängenden Ohren kaum belüftet ist und sich Zerumen anstaut, welches sekundär durch Bakterien oder Hefen infiziert wird (CHITTY u.

RAFTERY 2013; JEKL et al. 2015; EWRINGMANN 2016). Dadurch treten bei diesen Kaninchen auch häufiger Rezidive und Komplikationen durch Ohrgrundabszesse auf (EWRINGMANN 2016). Begünstigend für die Entstehung einer Otitis externa kann

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auch die Amputation oder sonstige Behinderung des ipsilateralen Hinterbeins sein, da dadurch das Putzen des Ohres durch das Kaninchen unmöglich oder erschwert wird (CHITTY u. RAFTERY 2013). Bei Widderkaninchen kann es durch die lockere Verbindung zwischen Tragus und knorpeligem äußeren Gehörgang zu einer Aussackung der Gehörgangswand kommen, in dem sich Sekret anstaut, welches sich sekundär infizieren kann. Dieses Krankheitsbild wird als aurale Divertikulose (ein sogenannter Ohrgrundabszess) bezeichnet (CHITTY u. RAFTERY 2013).

6.2.1.1 Symptomatik

Bei einer Otitis externa fällt häufig ein verstärktes Schütteln des Kopfes und vermehrtes Kratzen am betroffenen Ohr auf. Durch Schmerzen am betroffenen Ohr wird dieses häufig abgeklappt oder das Tier zeigt eine Kopfschiefhaltung (KUNSTYR u. NAUMANN 1985). Bei der Adspektion fallen schuppige oder eitrige Auflagerungen auf (FLATT et al. 1977). Bei einer Ohrräude können auch Milben sichtbar sein (KURTDEDE et al. 2007). Allerdings sind auch asymptomatische Otitiden möglich.

Diese subklinischen Otitiden werden definiert durch das Vorhandensein von reichlich weißlichem Zerumen und leicht geröteten Gehörgängen aber ohne klinische Symptomatik (CHITTY u. RAFTERY 2013). Bei einer auralen Divertikulose ist eine Schwellung im Bereich des Ohrgrundes palpierbar (CHITTY u. RAFTERY 2013).

6.2.1.2 Diagnostik

Die klinische Untersuchung des äußeren Ohres umfasst eine Adspektion der Ohrmuscheln sowie des äußeren Gehörgangs und des Trommelfells. Letztere sollte mit einem Otoskop erfolgen, wobei bei Widderkaninchen durch die rassetypische Einengung der Gehörgänge eine Betrachtung des Trommelfells eventuell auch nicht möglich sein kann. Hier kann die weitere Untersuchung mittels eines Endoskops erfolgen (EWRINGMANN 2016). Auch eine Untersuchung mittels Videoendoskops ist möglich und bietet den Vorteil einer Vergrößerung durch die Kameraoptik (JEKL et al. 2015). Sollte auch so keine Möglichkeit bestehen den Gehörgang und das Trommelfell zu untersuchen, kann eine Kanalografie, also die Darstellung des Gehörgangs mittels Röntgenkontrastaufnahmen versucht werden (JEKL 2013). Bei

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einer bakteriellen Infektion sollte eine mikrobiologische Untersuchung eingeleitet werden. Dafür eignen sich sowohl Ohrspülproben als auch Tupferproben aus dem betroffenen Ohr. Die Entnahme von Eiter sollte vermieden werden, da keine zufriedenstellenden Ergebnisse erwartet werden können (EWRINGMANN 2016). Die Anfertigung eines Ohrausstrichs kann erste Hinweise auf die beteiligten Erreger liefern (EWRINGMANN 2016). Dieser sollte auch immer angefertigt werden, um zwischen eitrigen und physiologisch zeruminösen Sekreten zu differenzieren (CHITTY u. RAFTERY 2013).

6.2.1.3 Therapie

Bei einer Otitis externa sollte zuerst eine gründliche Reinigung des betroffenen Ohres von allen Auflagerungen erfolgen. Außerdem ist eine lokale und systemische Applikation von Antibiotika oder bei Räude von Antiparasitika indiziert. Zusätzlich sollte eine antiphlogistische und analgetische Behandlung erfolgen (EWRINGMANN 2016). CHITTY u. RAFTERY (2013) empfehlen außerdem nach der Reinigung des Ohres ein antibiotikagetränktes Schwämmchen in den äußeren Gehörgang einzubringen, um eine längere lokale Wirkungsdauer zu gewährleisten. Die Autoren empfehlen auch eine subklinische Otitis nicht zu behandeln, sondern stattdessen regelmäßig zu kontrollieren (CHITTY u. RAFTERY 2013). Bei einer Myiasis ist die manuelle Entfernung der Maden unter endoskopischer Kontrolle nötig (JEKL et al.

2015). Bei Widderkaninchen muss aufgrund des engen Gehörgangs mit einer rezidivierenden Problematik gerechnet werden, daher sollte bei diesen Patienten eine laterale Gehörgangsresektion erfolgen, um eine dauerhafte Reinigung des Ohres und den Sekretabfluss zu gewährleisten (CAPELLO 2006). Außerdem kann eine totale Gehörgangsablation erfolgen, wenn keine Otitis media vorliegt oder eine laterale Gehörgangsresektion nicht zum Erfolg geführt hat (CHITTY u. RAFTERY 2013)

6.2.2 Otitis media et interna

Eine Otitis media kann als Komplikation einer Otitis externa entstehen, wenn sich die Infektion nach einer Ruptur des Trommelfells ausbreitet. Aber auch eine Infektion

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entlang der Tuba auditiva oder als Folge eines septikämischen Prozesses ist möglich (CHITTY u. RAFTERY 2013; JEKL et al. 2015). SMITH u. WEBSTER (1925) konnten so eine Otitis media durch eine nasale Infektion mit Pasteurella multocida auslösen.

Meist handelt es sich um einen Kaninchenschnupfen als Primärursache für eine derart aufsteigende Infektion (EWRINGMANN 2016). So konnten SMITH u.

WEBSTER (1925) bei 78 % der Kaninchen mit einer nasalen Infektion auch eine Beteiligung des Mittelohres nachweisen. Als wichtige Differentialdiagnose sollte immer eine Infektion mit Encephalitozoon cuniculi ausgeschlossen werden (EWRINGMANN 2016). Bei einer Otitis media et interna verschlechtert sich bei den erkrankten Kaninchen die Hörfähigkeit deutlich (KNIEPEN 2000; CLAAßEN 2004).

6.2.2.1 Symptomatik

Neurologische Ausfallserscheinungen sind die deutlichsten Zeichen für das Vorliegen einer Entzündung von Mittel- und Innenohr. Kopfschiefhaltung, Gleichgewichtsstörungen, Nystagmus, Fazialislähmungen und Manegebewegungen können auftreten (KUNSTYR u. NAUMANN 1985). Aber auch unspezifische Symptome, wie Gewichtsverlust, gastrointestinale Hypomotilität und reduzierte Futteraufnahme kommen vor (CHITTY u. RAFTERY 2013). Allerdings kann eine Otitis media auch ohne klinische Symptomatik bestehen und erst als Nebenbefund in der Bildgebung oder Pathologie auffallen (PERCY u. BARTHOLD 2007; EATWELL u. RICHARDSON 2017).

6.2.2.2 Diagnostik

Die Adspektion des äußeren Gehörgangs und des Trommelfells kann bei Vorliegen einer Otitis externa und eines rupturierten Trommelfells bereits einen ersten Hinweis liefern. Auch ohne Beteiligung des äußeren Ohres am Krankheitsprozess kann ein vorgewölbtes Trommelfell ein Hinweis auf eine Pathologie des Mittelohres sein (EWRINGMANN 2016). Im Blutbild können eine Pseudolinksverschiebung und Leukozytose auffallen (EWRINGMANN 2016). Röntgenaufnahmen sind für die Untersuchung einer Ohrerkrankung essenziell, wenn auch die Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) eine detailliertere Darstellung erlaubt (CHITTY u. RAFTERY 2013). Sollte kein CT zur Verfügung stehen und die

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Röntgendiagnostik nicht aussagekräftig sein, kann eine Kanalografie durchgeführt werden. Bei rupturiertem Trommelfell kann so auch die Bulla tympanica dargestellt werden (JEKL 2013). Zur Probengewinnung aus dem Mittelohr kann eine Myringotomie durchgeführt werden. Dabei wird nach gründlicher Spülung und Reinigung des äußeren Gehörgangs das Trommelfell durchstochen. Durch die entstandene Öffnung können dann Proben entnommen werden (JEKL et al. 2015).

Sollte dies nicht erfolgen können, kann bei alleiniger Otitis media auch eine mikrobiologische Probe aus der Nase entnommen werden (CHITTY u. RAFTERY 2013). In der Pathologie fällt die mit einem gelblich bis grauem zähflüssigem Exsudat gefüllte Bulla auf. Zu Beginn der Infektion ist die Bulla mit sero-sanguinösem Material gefüllt. Mit Fortschreiten der Infektion füllt cremiger Eiter die Bulla aus (SMITH u.

WEBSTER 1925; DELONG u. MANNING 1994). Histologisch lassen sich eine squamöse Metaplasie des Epithels der Bulla und eine Leukozyteninfiltration in die Submukosa nachweisen (PERCY u. BARTHOLD 2007).

6.2.2.3 Therapie

Auch bei der Otitis media et interna sollte eine systemische antibiotische und antiphlogistische Behandlung erfolgen. Fluorchinolone, Penicillin, Cephalexin und Sulfonamide sind gut geeignete Antibiotika und sollten nach Resistenztest angewendet werden (KEEBLE 2014). Allerdings ist diese medikamentöse Behandlung allein selten erfolgreich (CHITTY u. RAFTERY 2013). Wenn eine rein medikamentöse Therapie versucht wird, sollte die Antibiose mindestens vier bis sechs Wochen erfolgen (KEEBLE 2014). Bei Vorliegen von Debris und/oder Exsudat im Mittelohr ist eine endoskopische Myringotomie möglich. Durch die entstandene Öffnung kann dann das Mittelohr gespült und lokale Medikamente eingebracht werden (JEKL et al. 2015). Auch ist hier das Einbringen eines antibiotikagetränkten Schwämmchens in die Bulla tympanica möglich (CHITTY u. RAFTERY 2013). In der Regel ist bei einer Veränderung der knöchernen Struktur der Bulla eine laterale oder ventrale Bullaosteotomie evtl. in Verbindung mit einer totalen Gehörgangsablation nötig (CHITTY u. RAFTERY 2013).

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