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Organischer Aufbau der Sinne

Nach Eliot (2012) beginnt das Sehen im Auge. Die Reize, welche von den beiden Augen aufge-nommen werden, sind Lichtreize verschiedener Qualität. Das eindringende Licht durchquert nach-einander die Hornhaut und dann die Pupille, welche man von aussen als den schwarzen Kreis in der Mitte der Iris, der farbigen Regenbogenhaut, erkennt. Hinter der Pupille liegt die Augenlinse, welche das eintretende Licht bündelt und auf die sogenannte Netzhaut auf der gegenüberliegen-den Innenseite des Auges lenkt (Eliot, 2012, S. 281-282). Die Krümmung der Augenlinse kann durch Zusammenzug oder Entspannung des Ziliarmuskels verändert werden, womit die Brechkraft des Auges, wie Menche (2003) beschreibt, beeinflusst wird. Auf der Netzhaut befinden sich

Licht-45 rezeptoren, die Stäbchen und Zapfen. Die Zapfen befinden sich nach zentral gegenüber dem Mit-telpunkt von Hornhaut und Pupille, dem gelben Fleck, welcher den Ort des schärfsten Sehens dar-stellt. Sie können Farbunterschiede und genaue Abbildungen wahrnehmen. Die Stäbchen befinden sich eher in der Netzhautperipherie. Sie erkennen unterschiedliche Helligkeitsstufen und sche-menhafte Bewegungseindrücke (Menche, 2003, S. 191-192).

Eliot (2012) beschreibt den weiteren Sehvorgang so, dass die Stäbchen und Zapfen spezialisierte Nervenzellen sind, die ein einzelnes Lichtteilchen (Photon) einfangen können und seine Energie in eine chemische Reaktion umwandeln. Durch diese Reaktion wird ein elektrisches Signal erzeugt, welches die Weiterleitung über die in der Netzhaut liegende Nervenzellenschicht Richtung Seh-nerv, in Gang setzt. Der Sehnerv tritt an der hinteren Seite der Netzhaut aus dem Auge aus, wobei sich die in ihm enthaltenen Nervenfasern in zwei verschiedene Bahnen aufteilen (Eliot, 2012, S.

283-285). Die eine Bahn führt zum Hirnstamm, wo nach Ayres (2013), die Impulse eingeordnet werden und mit anderen Sinnesinformationen, zum Beispiel von den Muskeln und Gelenken (kin-ästhetischer Sinn) oder dem Gleichgewichtssinn zusammengeführt werden. Dieser Vorgang ist dafür verantwortlich, dass wir ein grundlegendes Bewusstsein von unserer Umgebung haben. Von dort werden die Impulse an andere Zentren im Hirnstamm und im Kleinhirn weitergeleitet, wo sie zu Bewegungsbefehlen für Augen- und Nackenmuskeln verarbeitet werden, die uns erlauben, be-wegte Objekte mit den Augen und dem Kopf zu folgen (Ayres, 2013, S. 51). Diese reflexartigen Prozesse laufen, wie Eliot (2012) ausführt, unbewusst ab. Das bewusste Sehen entsteht über die zweite Bahn, zur Schaltstelle der zentralen Sehbahn, dem seitlichen Kniehöcker. Diese leitet die visuellen Informationen zur primären Sehrinde des Kortex weiter, wo die intensive Verarbeitung der Sinnesreize beginnt, die unseren hoch komplexen visuellen Fähigkeiten zu Grunde liegt (Eliot, 2012, S. 283-285).

Abbildung 3: Aufbau des Auges (Menche, 2003, S.190)

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Abbildung 4: Verlauf der Sehbahn (Eliot, 2012, S. 284)

10.2.2 Hörsinn

Jede mechanisch schwingende Quelle (z.B. eine Gitarrenseite) erzeugt eine periodische Druckän-derung in der Luft, eine sogenannte Schallwelle, wie Eliot (2012) erläutert. Diese wird durch das auditive Sinnessystem aufgenommen und verarbeitet, so dass wir diese Schallwelle schliesslich als Geräusch wahrnehmen.

Die von der Aussenwelt eintretenden Schallwellen werden durch die sichtbare Ohrmuschel in den Gehörkanal geleitet, wo sie auf das Trommelfell, eine dünne Membran, treffen. Die Schallwellen lassen das Trommelfell vibrieren. Diese Vibration versetzt im Mittelohr, die drei Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel) in Schwingung, wodurch die Vibration verstärkt und zum ova-len Fenster weitergeleitet wird (Eliot, 2012, S. 328-334). Das ovale Fenster bildet die Grenze zum Innenohr, nach Menche (2003) ein kompliziertes Hohlraumsystem, welches mit einer Flüssigkeit gefüllt ist. Darin befinden sich weiter der Vorhof, die Bogengänge und die Schnecke. Während der Vorhof und die Bogengänge die Sinnesrezeptoren für das Gleichgewicht (vgl. Aufbau des ves-tibulären Sinnessystems) enthalten, ist die Schnecke Teil des auditiven Sinnesorgans. Die Schne-cke lässt sich in einen knöchernen und einen häutigen Teil unterscheiden. Der knöcherne Teil ist ein spiralförmig gewundener, flüssigkeitsgefüllter Hohlraum. In der knöchernen Schnecke befindet sich die häutige Schnecke, ein ebenfalls flüssigkeitsgefüllter, membranöser Schlauch. Auf der Membran der häutigen Schnecke befinden sich die Sinneszellen für das Gehör, die sogenannten Haarzellen, welche an ihrem Ende feine Härchen tragen. Diese ragen auf der oberen Seite in den häutigen Schneckengang hinein, während sie auf der unteren Seite mit Nervenfasern in Verbin-dung stehen (Menche, 2003, S. 195-198). Die vom ovalen Fenster eintretenden Vibrationen wer-den nach Eliot (2012) durch die Schnecke geleitet und biegen die Sinneshärchen, welche darauf-hin die Schallimpulse in elektrische Signale umwandeln. Höhere Frequenzen werden dabei am besten von den Sinneshärchen aufgenommen, welche nahe am ovalen Fenster liegen, da dort die Membran der häutigen Schnecke schmal und starr und die Sinneshärchen kürzer und starrer sind.

Je weiter weg vom ovalen Fenster, desto breiter und biegsamer wird die Membran und desto län-ger und beweglicher werden die Sinneshärchen, womit eher auf tiefere Frequenzen angesprochen wird.

Die von den Sinneshärchen ausgehenden elektrischen Signale werden über Nervenzellen durch den Hörnerv in den Hirnstamm weitergeleitet, wo die Verarbeitung der räumlichen Orientierung von Geräuschen stattfindet. Vom Hirnstamm gelangen die Signale über das Mittelhirn und den Tha-lamus bis zu der primären Hörrinde am oberen Rand des Schläfenlappens. Erst dort werden die Geräusche bewusst wahrgenommen (Eliot, 2012, S. 328-334).

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Abbildung 5: Übersicht über das Ohr (Menche, 2003, S. 196)

10.2.3 Geruchssinn

Die Nase stellt das äussere Organ des olfaktorischen Sinnes dar. Eintretende Gerüche, also Mole-küle des „duftenden“ Objektes, treten in die Nase ein. Dort lösen sie sich, wie Eliot (2012) be-schreibt, in der Riechschleimhaut, dem Riechepithel, tief im Inneren der Nase auf. Diese wässrige Schleimschicht ist mit Riechzellen besetzt, auf welchen sich sogenannte Riechhärchen, Rezepto-ren für Geruchsreize befinden. Diese Riechhärchen binden die eintretenden „Duftmoleküle“ an spezifische Proteinrezeptoren, welche ihre chemische Information in elektrische Signale, Aktions-potenziale, umwandeln. Es wird angenommen, dass jede Riechzelle nur auf eine oder wenige spezifische chemische Stoffe reagiert. Die elektrischen Signale von den Riechzellen steigen durch die Poren des Siebbeins in die erste Schaltstelle der Riechbahn im Gehirn auf, in den Bulbus olfac-torius. Dieser liegt unmittelbar über dem Siebbein über jedem Nasenloch und enthält ein Geflecht von Nervenzellen, welche die Informationen von allen Riechzellen verarbeiten. Von diesem gehen Nervenzellen, die Mitralzellen, aus. Diese verlaufen entlang dem unteren Teil des Stirnlappens, dem Tractus olfactorius, zu mehreren Feldern im primären olfaktorischen Kortex. Das limbische System, welches für die Steuerung von Gefühlen, Trieben und Erinnerungen zuständig ist, wird von den Neuronen aus dem Bulbus olfaktorius direkt angesteuert. Innerhalb des menschlichen Riechhirns benutzen verschiedene Regionen die Informationen über Gerüche. Zum Beispiel wer-den in einer limbischen Region Gerüche samt ihren Assoziationen erlernt und eingeprägt. Ein an-derer Bereich des limbischen Systems steuert mit den Geruchsreizen die Nahrungsaufnahme.

Gewisse Zentren im Hirnstamm setzen motorische Reaktionen wie Speichelbildung, Kopfdrehung, Gesichtsausdruck und Saugen in Gang. In den höheren Regionen der Grosshirnrinde findet schliesslich die bewusste Wahrnehmung und Unterscheidung von Gerüchen statt. Möglicherweise werden in dieser Region auch die Geruchs- und Geschmacksreize miteinander verbunden, was zu der bewussten Wahrnehmung von Aromen führt (Eliot, 2012, S. 226-229).

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Abbildung 6: Die Riechbahn (Eliot, 2012, S. 228)

10.2.4 Geschmackssinn

Der Geschmackssinn ist nach Eliot (2012) wie auch der Geruchssinn, ein chemischer Sinn.

Wenn der Mensch etwas isst, treffen die einzelnen Moleküle der eingenommenen Nahrung auf die Geschmacksknospen, welche vor allem auf der Zunge, aber auch am Gaumen und im oberen Ra-chenraum liegen. Dabei werden die Geschmacksrezeptoren auf den Knospen aktiviert (Eliot, 2012, S.248-251). Es wird nach Menche (2003) davon ausgegangen, dass für jede Geschmacksempfin-dung ein Rezeptorentyp zuständig ist. Nach heutiger Ansicht gibt es fünf Qualitäten des Geschma-ckes: Süss, sauer, salzig, bitter und relativ neu entdeckt „umami“, was so viel wie „lecker schme-ckend“ bedeutet (Menche, 2003, S. 189). Wie Eliot (2012) weiter beschreibt, wandeln die aktivier-ten Geschmacksrezeptoren die chemische Information in elektrische Signale um. Die Ge-schmackszelle verändert somit ihre elektrische Spannung, was zu einer Ausschüttung von Neuro-transmittern (Botenstoffen) führt, wodurch die ersten Nervenzellen der Geschmacksbahn erregt werden. Von dort wird das Signal zur Schädelbasis weitergeleitet und zur ersten Geschmacks-Schaltstelle des zentralen Nervensystems, der Medulla. Die Medulla befindet sich im Hirnstamm;

durch eintreffende Geschmacksreize werden Hirnstammreflexe ausgelöst, wie Speichelfluss, Schlucken und Zungenbewegung, was für die Nahrungsaufnahme erforderlich ist. Die Medulla leitet die Reize einerseits an den oberen Hirnstamm, die Brücke, weiter, andererseits an den Tha-lamus. Von der Brücke werden die Reize an limbische Strukturen weitergegeben, den Hypotha-lamus, welcher das Bedürfnis zu essen und zu trinken steuert und an den limbischen Kortex, wo die lustvollen Aspekte des Essens bewusst wahrgenommen werden. In einem relativ kleinen Feld der Grosshirnrinde wird die bewusste Geschmackswahrnehmung verarbeitet. In der Nähe befindet sich das Zentrum für die Berührungsreize der Zunge, dies trägt wahrscheinlich dazu bei, dass die Beschaffenheit und der Geschmack eines Nahrungsmittels integriert werden und somit Nahrungs-mittel identifiziert werden können. Weiter ist zu bemerken, dass erst das Zusammenspiel zwischen dem Geschmacks- und Geruchssinn uns einzelne spezifische Aromen der aufgenommenen Nah-rung erkennen lässt (Eliot, 2012, S. 248-251).

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Abbildung 7: Nervenbahnen der Geschmacksempfindung (Eliot, 2012, S. 250)

10.2.5 Tastsinn

Nach Menche (2003) bildet die Haut die Grenze des Menschen zur Aussenwelt. In ihr befinden sich zahlreiche Sinnesrezeptoren, welche die Wahrnehmung äusserer Gegenstände ermöglichen.

Über die hergestellten Umweltkontakte kann so auch die eigene Körperoberfläche wahrgenommen werden. Die Erregungen sämtlicher Sinnesrezeptoren in der Haut werden an die sensorischen Rindenfelder der Grosshirnrinde übertragen. Für diverse Reizarten gibt es verschiedene Hautre-zeptoren, die spezialisiert sind und unterschiedlich dicht auf der Körperoberfläche verteilt sind.

Verschiedene Mechanorezeptoren erfassen die mechanische Veränderung der Haut beim Kontakt zur Aussenwelt; zum Beispiel Druck, Vibration, Dehnung und die Bewegung der Körperhaare.

Daneben gibt es in der Haut auch noch freie Nervenendigungen, also afferente Nervenfasern ohne Hülle; diese nehmen Temperatur- und Juckreize, sowie Schmerz auf. Zur Wahrnehmung der Tem-peratur gibt es Warm- und Kaltrezeptoren, welche TemTem-peraturen von 10 – 45° C registrieren kön-nen, alles ausserhalb dieses Bereiches wird als Schmerzempfindung wahrgenommen.

Allgemein lässt sich sagen, dass eine schwache Reizung der Hautrezeptoren eine Berührungs-empfindung auslöst, eine starke Stimulierung eine DruckBerührungs-empfindung und ein sehr starker Reiz eine Schmerzempfindung auslöst (Menche, 2003, S. 186 – 187).

Die Sinnesrezeptoren in der Haut wandeln, wie Eliot (2012) ausführt, die mechanischen Verände-rungen in elektrische Signale um, welche vom Ort der Einwirkung durch den Körper bis ins Rü-ckenmark, dann zum Hirnstamm, durch den Thalamus und schliesslich zum somatosensorischen Kortex in der Grosshirnrinde weitergeleitet werden. Dabei werden die Berührungs-, Schmerz- und Temperaturreize von den entsprechenden Sinneszellen in separaten, parallel verlaufenden Bah-nen weitergeleitet. Erst im somatosensorischen Kortex, nimmt man den Reiz effektiv wahr. Dieser ist in zwei Streifen unterteilt, in einen rechten und einen linken Streifen und lässt sich mit einer Landkarte des Körpers vergleichen. Der rechte Streifen repräsentiert die linke Körperoberfläche, der linke Streifen die Körperoberfläche der rechten Körperhälfte. Die Neuronen im Kortex, welche zum Beispiel durch Berührung an der Lippe aktiviert werden, liegen neben jenen, welche durch Berührung an der Wange aktiviert werden. So ist die somatosensorische Landkarte nach Ort der Empfindungen geordnet, trotzdem ist sie keine eins zu eins Repräsentation der Körperoberfläche.

Einerseits ist die Karte wie bereits erwähnt in zwei Hälften geteilt, eine rechte und eine linke, ande-rerseits ist sie sehr verzerrt. Empfindliche Körperregionen wie z. B. die Fingerspitzen sind durch

50 unverhältnismässig grosse Teile repräsentiert, während zum Beispiel der Rücken vergleichsweise wenig Platz auf dem somatosensorischen Kortex einnimmt (Eliot, 2012, S. 180-183).

10.2.6 Kinästhetischer Sinn

Das kinästhetische Sinnessystem setzt sich nach Menche (2003) zusammen aus dem Stellungs-sinn, dem Bewegungssinn und dem Kraftsinn. Im Wachzustand werden wir vom Stellungssinn über die Lage unserer Glieder zueinander informiert. Der Bewegungssinn registriert Bewegungen in den Gelenken und der Kraftsinn vermittelt uns ein Gefühl für den Widerstand, gegen den unsere Muskeln Bewegungen durchführen.

Ähnlich wie beim Tastsinn, kommen auch hier Mechanorezeptoren zum Einsatz. Im Bereich der Tiefensensibilität existieren folgende Rezeptorentypen: Muskelspindeln, Golgi-Sehnenorgane und die Vater-Pacini-Lamellenkörperchen. Die Muskelspindeln sind spezialisierte Muskelfasern, welche durch Dehnung des betreffenden Muskels gereizt werden und so über dessen Länge informieren können. Die Golgi-Sehnenorgane registrieren im Übergang von den Muskeln zu den Sehnen die Muskelspannung und können so die Anspannung des Muskels regulieren. Die Vater-Pacini-Lamellenkörperchen liegen im Bereich der Gelenke und nehmen mechanische Verformungen (Ge-lenkbewegungen) auf und können so über Gelenkstellungen informieren.

Aus diesen Rezeptoren können einerseits bewusste Empfindungen ausgelöst werden, die gege-benenfalls mit bewussten Bewegungen beantwortet werden, andererseits bleiben viele Erregungen auch unbewusst, auf welche die Reizantworten auch unbewusst reflektorisch erfolgen (Menche, 2003, S. 188).

10.2.7 Gleichgewichtssinn

Abbildung 8: Abbildung des Innenohrs (Menche, 2003, S. 197)

Wie Menche (2003) beschreibt, gehören zum Gleichgewichtsorgan des Ohres der Vorhof, welcher Schwerkraft und horizontale und vertikale Beschleunigungen wahrnimmt, und die drei Bogengän-ge, welche Drehbeschleunigungen wahrnehmen. Sie liegen zusammen mit dem bereits erläuterten Hörorgan im knöchernen Labyrinth des Felsenbeins im Innenohr.

Der flüssigkeitsgefüllte Vorhof enthält zwei membranöse Strukturen, das grosse Vorhofsäckchen (Utriculus) und das kleine Vorhofsäckchen (Sacculus), welche durch zwei Gänge miteinander ver-bunden sind. Beide enthalten in ihrer Wand jeweils ein Sinnesfeld (Makula). Die Makula liegt im grossen Vorhofsäckchen in horizontaler Ebene und im kleinen Vorhofsäckchen in vertikaler Ebene.

51 Die Sinneszellen der Makula sind Haarzellen, deren Härchen in eine Membran hineinragen. Diese Statolithenmembran bedeckt das gesamte Sinnesfeld. An ihrer Oberfläche sind feine Kalziumkar-bonatkristalle (Statolithen) eingelagert. Die Sinneszellen der Makulae (der beiden Sinnesfelder) reagieren auf Schwerkraft und Beschleunigungen in vertikaler oder horizontaler Ebene. Aufgrund der darauf folgenden Druckänderung, welche durch die Statolithenmembran erzeugt wird, werden die Sinneshärchen gebogen und so die Mechanorezeptoren erregt. Dies erzeugt nach der Verar-beitung im zentralen Nervensystem bewusste Empfindungen wie „Fallen“ oder „Bremsen“ und führt reflektorisch zu Anpassungen der Körpermuskulatur.

Abbildung 9: Ablenkung bei der Statolithenmembran bei Lagewechsel (Menche, 2003, S. 199)

Die drei Bogengänge stehen etwa im rechten Winkel in den drei Raumebenen zueinander. Alle beginnen und Enden im Vorhofbereich, so dass sie mit diesem einen Ring bilden. Die knöchernen Bogengänge umhüllen die drei membranösen Bogengänge, welche ihrerseits ebenfalls wie die Bogengänge an sich mit Flüssigkeit gefüllt sind. Am Ende ist jeder Bogengang zu einer Ampulle erweitert, wo sich die Sinneszellen des Bogengangsystems befinden. Die Sinneszellen stellen Haarzellen dar, welche von Stützzellen umgeben sind. Ihre Härchen ragen in die Cupula, eine gal-lertartige Masse. Bei einer Drehbewegung kommt es zu einer identischen Bewegung der Cupula, was zu einem Zug an den Sinneshärchen führt und somit zum Reiz dieser Sinneszellen. Diese weitergeleiteten Nervenimpulse führen zur bewussten Empfindung von Drehbewegungen und zur reflektorischen Anpassung der Körperhaltung (Menche, 2003, S. 197-199).

Abbildung 10: Ablenkung der Cupula bei einer Drehbeschleunigung (Menche, 2003, S. 199)

Nach Eliot (2012) sind wir uns dem Gleichgewichts-, Dreh- und Raumlagesinn in der Regel nicht bewusst. Die elektrischen Informationen von den vestibulären Strukturen im Innenohr werden in den Hirnstamm weitergeleitet, der als zentrale Schaltstelle dient, von dem aus Informationen an zahlreiche Stellen weitergeleitet werden: Einerseits zu den Augen, die sich der veränderten Kopf-haltung anpassen, andererseits zu den motorischen Neuronen entlang des Rückenmarks, welche die Körperhaltung und Position der Gliedmassen kontrollieren. Des Weiteren auch zum Kleinhirn, das die vestibulären Informationen mit den Eindrücken des visuellen und des taktilen Sinnes ver-eint und damit das Gleichgewichtsgefühl koordiniert (Eliot, 2012, S. 210-213).

52 10.3 Diagnostische Verfahren für gezielte Beobachtungen

Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat im Jahr 2007 verschiedene Experten beauftragt, ein Positi-onspapier zur pädagogischen Diagnostik in der Basisstufe zu verfassen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden ausgewählte und gängige diagnostische Verfahren zur Wahrnehmung in einer Übersicht festgehalten, mit der Absicht, die Grundlage für eine gezielte Auswahl eines Instrumentes zu er-möglichen. Die aufgeführten Verfahren erfüllen dabei folgende Kriterien, die für den Einsatz durch die Lehrperson zentral sind: (Brunner, 2007)

 Der Bezug zu den Lehrplänen ist vorhanden

 Die Verfahren können von Lehrpersonen ohne spezielle testdiagnostische oder heilpäda-gogische Ausbildung angewendet werden

 Der Zeitaufwand ist im Rahmen des regulären Unterrichts realistisch

 Die Verfahren können mehrheitlich mit der ganzen Klasse oder grösseren Gruppen durch-geführt werden

 Die Instrumente sollen möglichst auch Hinweise auf nächste Lernschritte und Fördermög-lichkeiten geben

 Die Verfahren stimmen mit aktuellen entwicklungspsychologischen, lerntheoretischen und fachdidaktischen Überzeugungen und Grundsätzen überein.

 Die Kosten für die Anschaffung sind nicht höher als CHF 150.- (Brunner, 2007, S. 2-3) Für den Bereich der Wahrnehmung werden aufgrund dieser Kriterien acht diagnostische Verfahren vorgeschlagen, wobei die Liste nach Angaben der Autoren nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Für die vorliegende Arbeit kann diese Liste noch weiter eingegrenzt werden, da nur zwei der acht Verfahren fast alle Wahrnehmungsbereiche abdecken, welche in dieser Arbeit behandelt werden. Diese beiden Werke, einerseits „Die Abenteuer der kleinen Hexe“ von Schönrade und Pütz, andererseits „Lernvoraussetzungen von Schulanfängern“ von Ostermann, werden im Fol-genden kurz vorgestellt und anschliessend miteinander verglichen.

„Die Abenteuer der kleinen Hexe“ (Schönrade & Pütz, 2013)

Einleitend zum Buch umschreiben die Autoren ihr Verfahren folgendermassen:

„‚Die Abenteuer der kleinen Hexe‘ ist ein strukturiertes Beobachtungsverfahren für 4 – 6-jährige Kinder. Eingekleidet in drei spannende Geschichten werden 24 Beobachtungssituationen vorge-stellt, die elementare Bereiche kindlicher Wahrnehmung und Bewegung erfassen.“ (Schönrade &

Pütz, 2013)

Schönrade und Pütz berücksichtigen in ihrem Verfahren folgende Wahrnehmungsbereiche: Takti-le, auditive, kinästhetische, vestibuläre und visuelle Wahrnehmung. Zusätzlich werden die Laterali-tät und die Bilateralintegration miteinbezogen. Die gustatorischen und die olfaktorischen Wahr-nehmungsleistungen sind nicht Gegenstand der Beobachtung (Schönrade & Pütz, 2013, S.62).

„Lernvoraussetzungen von Schulanfängern“ (Ostermann, 2006)

Das Beobachtungsverfahren von Ostermann ist in sieben aufbauende Stufen gegliedert, welche in etwa auch dem Entwicklungsverlauf und dem Aufbau von zunehmend komplexeren Fähigkeiten der Kinder folgen (Brunner, 2007, S. 14). Diese werden in folgender Übersicht dargestellt (Oster-mann, 2006, S.3-4):

1. Stufe: Körperbezogene basale Fähigkeiten: Gleichgewicht, Körpereigenwahrnehmung, tak-tile Wahrnehmung, Bewegungs- und Handlungsplanung und Augenmotorik

2. Stufe: Körperkoordination und Feinmotorik 3. Stufe: Visuelle Wahrnehmung

4. Stufe: Akustische Wahrnehmung

53 5. Stufe: Sprachfähigkeit und Mengenvorstellung

6. Stufe: Intermodale Kodierung und Serialität

7. Stufe: Anweisungsverständnis und logisches Denkvermögen (Ostermann, 2006, S. 3-4) Auch bei diesem Verfahren fällt auf, dass die gustatorische und die olfaktorische Wahrnehmung nicht berücksichtigt werden. Zudem kann der für diese Arbeit relevante Beobachtungsbereich auf die Stufen 1 – 4 eingeschränkt werden, da die höheren Stufen bereits komplexere Stufen der Wahrnehmungsverarbeitung beinhalten, welche nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass beide Beobachtungsverfahren die gleichen Wahr-nehmungsbereiche abdecken, wobei bei beiden Instrumenten der olfaktorische und der gustatori-sche Sinnesbereich fehlen. Die beiden Verfahren sind sich im Aufbau und in der Durchführung der Beobachtungssituationen sehr ähnlich. Es kann kein klarer Vorteil des einen oder anderen Instru-mentes ausgemacht werden. Für den Einsatz im Kindergarten könnte eine Wahl im Lehrpersonen-Team erfolgen, damit ein Austausch und ein Vergleich zwischen verschiedenen Klassen möglich wird.

Einsatz im Kindergarten

Nachdem im vorangehenden Kapitel die Auswahl von geeigneten Diagnoseverfahren für den Ent-wicklungsstand der Wahrnehmung im Zentrum stand, stellt sich nun die Frage, in welcher Form die Diagnose im Kindergarten gewinnbringend eingesetzt werden kann.

Eine mögliche Herausforderung der Umsetzung stellt sich dadurch, dass, wie Ostermann (2006) empfiehlt, alle Kinder diese Beobachtungssituationen durchlaufen sollen und nicht nur diejenigen, bei denen eine Wahrnehmungsverzögerung vermutet wird. Dies ist deshalb wichtig, weil viele Kin-der mit Wahrnehmungsstörungen im Unterricht nicht auffallen, da sie Kompensations- oKin-der Ver-meidungsstrategien anwenden mit denen sie ihren Alltag bewältigen können (Ostermann, 2006, S.

126).

Bei einer durchschnittlichen Kindergartenklasse von 20 Kindern (10 Jüngere und 10 Ältere) und rund 24 Beobachtungssituationen, wie bei Schönrade und Pütz (2013) vorgeschlagen werden, ist

Bei einer durchschnittlichen Kindergartenklasse von 20 Kindern (10 Jüngere und 10 Ältere) und rund 24 Beobachtungssituationen, wie bei Schönrade und Pütz (2013) vorgeschlagen werden, ist