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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 Biologie des Kaninchen

2.4.4 Normalverhalten

TSCHANZ (1985) schreibt in seiner Zusammenstellung, dass dem Begriff „ Norm“

verschiedene Bedeutungen zukommen können. Er bezeichnet z.B. die in einer Population am häufigsten vorhandenen Ausprägungen eines Merkmals als Norm.

Weiterhin kann numerisch der Begriff „ Norm“ als der Ausprägungsgrad beschrieben werden, der bei 95% der Grundgesamtheit auftritt. Demnach ist bei einem Tier von Normalverhalten zu sprechen, wenn es ihm möglich ist einen artgemäßen und verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge auszuüben. Denn der

Normalzustand oder das Normalverhalten bestimmt die Eigenschaften Wohlbefinden und Leiden. Das Verhalten wird laut GATTERMANN (2006) 1909 von Baron von Uexküll in Funktionskreise eingeteilt. Der Organismus wirkt mit seinen Sinnesorganen und seinem Verhalten auf die Umwelt ein. Laut GATTERMANN (2006) nannte von Uexküll folgende Funktionskreise: Kreis des Mediums (Orientierung im Raum, allgemeine Bewegungsweisen), den Kreis der Nahrung, den Kreis des Feindes und den Geschlechtskreis (Sexualverhalten, Jungenaufzucht). Der Begriff Funktionskreis wird heute vermieden oder unter Verhaltensweisen zusammengefasst, die sich nach Zweck, Motivation oder Bezugsobjekt unterscheiden. Eine allgemein anerkannte Zusammenstellung gibt es allerdings nicht (GATTERMANN 2006).

Das Normalverhalten von Wild- und Zwergkaninchen kann in folgende Verhaltensweisen eingeteilt werden: den Vorderläufen wieder abgesetzt (LEICHT 1979).

Beim Schreithoppeln oder „Rutschen“ werden die Vorderläufe einzeln langsam schreitend nach vorne bewegt. Kann das Tier nicht mehr weiter nach vorne greifen, rutschen die Hinterläufe nach (BOBACK 1970; LEICHT 1979). Diese sehr langsame Art sich Fortzubewegen wird vorwiegend bei der Nahrungsaufnahme beobachtet (LEICHT 1979).

Die Bewegungsabfolge beim Flüchten unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von der des Hoppelns. Die Abläufe sind nur schneller hintereinander und der Körper gerät in eine völlig gestreckte Lage bei der eine kurze Schwebephase entsteht. Das Wildkaninchen kann so auf kurzen Distanzen eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen (BOBACK 1970).

Das Schreiten ist ein Vierfüßlergang. Er tritt vor allem bei Jungtieren als Übergang vom Krabbeln zum Hoppeln auf. Bei adulten Tieren kann es beim vorsichtigen Erkunden der Umgebung oder unmittelbar nach dem Strecken beobachtet werden (BOBACK 1970; KRAFT 1978a).

Hebt das Kaninchen mehrfach in rascher Folge die Vorderläufe an und fußt auf den Zehen wieder auf, wird dies als „Start“ bezeichnet. Die Vorwärtsbewegung ist dabei gering. Dieses Verhalten wird beim Spiel beobachtet (LEHMANN 1984).

Beim Hakenschlagen bewegt das Tier sein Hinterteil in einer Schlenkerbewegung, welche zu einer Richtungsänderung führt. Dies tritt bei Flucht oder Spiel auf (LEICHT 1979).

Werden alle vier Extremitäten gleichzeitig vom Boden abgehoben, wird dies als Sprung bezeichnet (LEHMANN 1984).

Kapriolen werden im Spiel gezeigt. Dabei vollführt das Kaninchen während des Sprunges eine Schleuderbewegung des Kopfes, der Beine oder des ganzen Körpers (LEHMANN 1984).

Die ruckartige Bewegung des Kopfes nach oben, zur Seite oder abwärts wird als Kopfzucken beschrieben. Dabei wird der Vorderkörper aufgerichtet und die Beine vom Boden abgehoben. Dieses Verhalten kommt am Anfang eines Sprunges oder in Zusammenhang mit einer Hoppelfolge vor (LEHMANN 1984).

2.4.6 Sozialverhalten

Unter Sozialverhalten versteht man die Gesamtheit aller Verhaltensweisen, die Interaktionen von Individuen begleiten (GATTERMANN 2006). Unter anderem beinhalten dies Formen des agonistischen Verhaltens, Stimmungsübertragung, Fremdputzen, Bindungsverhalten, Dominanz- und Subdominanzverhalten, Pflegeverhalten, Pflegeverlangen, Imponierverhalten, Fortpflanzungsverhalten und Sozialspiel.

Die sozialen Verhaltensweisen beim Wildkaninchen unterliegen einer jahreszeitlichen Periodik. Sie sind in der Fortpflanzungszeit am stärksten ausgeprägt (LEICHT 1979).

Man unterscheidet zwischen soziopositivem und aggressivem Verhalten.

MYKYTOWYCZ (1958) und MYERS U. POOLE (1961) fanden in ihren Untersuchungen heraus, dass aggressives Verhalten in der Gruppe nur unter Gleichgeschlechtlichen auftritt. Dieses Verhalten dient der Entstehung einer funktionierenden Rangordnung. Es bilden sich getrennt geschlechtliche Hierarchien, in denen das ranghöchste Männchen und das ranghöchste Weibchen das dominante Paar sind (MYKYTOWYCZ 1958). Die Rangordnung der Männchen wird strenger eingehalten, als die der Weibchen. MYERS u. POOLE (1961) fanden heraus, dass sich unter rangniederen Weibchen durchaus friedliche Beziehungen bilden. Die strenge Rangordnung der Männchen führt dazu, dass die jüngeren nachgewachsenen Männchen gezwungen werden, die Kolonie zu verlassen (LEICHT 1979). Wird die bestehende Rangordnung in irgendeiner Weise gestört, wie es MYKYTOWYCZ (1958) in seiner Studie tat, so beginnen unter den verbliebenen Tieren der Kolonie sofort Kämpfe um eine neue Rangordnung. Er entfernte während seiner Beobachtungen zunächst das ranghöchste Männchen aus der Gruppe. Die folgenden Kämpfe unter den Männchen waren sehr aggressiv. Sobald eine neue Rangordnung der Männchen hergestellt war, setzte er das Alpha- Männchen wieder hinzu, welches sofort seine alte Stellung wieder belegen konnte. Entfernte er das ranghöchste Weibchen der Kolonie und setzte es später wieder hinzu, fanden keine vergleichbaren Kämpfe statt. KRAFT (1978 b) stellte in seinen vergleichenden Untersuchungen zwischen Wild-, Haus- und Hermelinkaninchen fest, dass sich Hermelin- und Hauskaninchen gegenüber ihren Gruppenangehörigen aggressiver verhalten als Wildkaninchen. Außerdem fand er heraus, dass sich bei den Hermelinkaninchen auch rangniedere Tiere gegenüber ranghöheren zur Wehr setzten. Die Gruppengröße umfasst im Allgemeinen zwei bis drei Männchen und vier bis sechs Weibchen. LEICHT (1979) begründet dies damit, dass Kaninchen nicht in der Lage sind mehr als zehn Artgenossen individuell zu erkennen. Desweiteren spielt das Verhalten der Weibchen laut MYERS u. POOLE (1961) eine wesentliche Rolle.

Sind mehr als sechs geschlechtsreife Weibchen in einer Gruppe, so entstehen

daraus zwei getrennte Gruppen. Betritt ein fremdes Tier das Territorium wird es direkt und von allen angegriffen und verjagt. Das Kaninchen, welches sich auf fremdem Territorium befindet, verhält sich äußerst vorsichtig und zieht sich möglichst schnell wieder zurück (LEICHT 1979).

Außerhalb der Fortpflanzungsperiode nehmen Männchen und Weibchen kaum Notiz voneinander (LEICHT 1979). Während MYKYTOWYCZ (1958) keinen direkten Kontakt zwischen adulten Männchen beobachten konnte, beschreibt KRAFT (1978 b) diesen als eine normale Verhaltensweise auch in der Fortpflanzungszeit. Er fand allerdings heraus, dass Hauskaninchenmännchen jedes soziopositive Verhalten untereinander vermeiden. Er begründet dies mit der von ihm beobachteten gesteigerten Aggressivität. Bei Kaninchenweibchen hingegen konnten beide Autoren sozialfreundliches Verhalten wie sich Ducken, sich Putzen oder Kontaktliegen beobachten. MORGENEGG (2005 b) beschreibt in ihrem Buch bezüglich der Zusammenstellungen von Zwergkaninchengruppen, dass sich mehrere kastrierte Böcke sehr gut vertragen und es bei mehreren Zibben in einer Gruppe häufig zu Aggressivitäten und Beißereien kommen kann. Sie empfiehlt einen kastrierten Bock zu jeder Weibchengruppe zu setzen, da dieser beruhigend auf die Weibchen wirkt.

Unkastrierte Männchen hingegen sollten ihrer Meinung nach nicht zusammengehalten werden, da diese sich nicht vertragen. Sie empfiehlt in der Heimtierhaltung kleine Gruppen aus drei bis fünf Tieren bestehend aus kastrierten Böcken oder kastrierten Böcken und Weibchen.

2.4.7 Spielverhalten

KRAFT (1978 a) beobachtete Spielverhalten bei Wildkaninchen bis zu einem Alter von zwei - drei Monaten und bei Hauskaninchen bis vier Monate und gelegentlich auch bei adulten Tieren. Dies äußert sich in Hopsen, plötzlichem Losrennen, Hoppeln und Hochspringen. Jungtiere jagen einander spielerisch bis zu einem Alter von drei Monaten.

2.4.8 Fortpflanzungsverhalten

Unter Fortpflanzungsverhalten werden alle Verhaltensweisen, die mit der Reproduktion der Individuen in Zusammenhang gebracht werden können verstanden

(GATTERMANN 2006). Bestandteile des Fortpflanzungsverhaltens sind Sexualverhalten mit Partnersuche, Balz, Kopulation und Brutpflegeverhalten.

Die Fortpflanzungsperiode hängt von der Witterung, dem Nahrungsangebot, der Populationsdichte und der Dichte der Fressfeinde ab (SIEFKE 1989). Sie setzt, von oben genannten Faktoren abhängig, im Februar/März ein und endet im September (SIEFKE 1989). Laut LEICHT (1979) wird der Beginn der Fortpflanzungsperiode von den Häsinnen bestimmt und das Ende durch die nachlassende Zeugungsfähigkeit der Männchen beeinflusst. Das Sexualverhalten der Rammler setzt sich laut MYERS u. POOLE (1961) aus folgenden Verhaltenselementen zusammen: Suchen nach brünstigen Weibchen, Geruchskontrolle und Markieren, Folgen und Treiben, Umkreisen, „Liebkosen“ („caressing“), Anharnen, Behüten des Weibchens und Kopula. Die Rangordnung der Rammler spielt hier eine wesentliche Rolle (SELZER 2000). Das ranghöchste Männchen begattet die meisten Häsinnen in seinem Territorium, dabei werden die rangniedrigeren Männchen durch Aggressionen von den zuvor mit Harn markierten, brünstigen Weibchen ferngehalten. Das von MYERS u. POOLE (1961) beschriebene „Caressing“ wird kurz vor Einsetzen der Brunst beobachtet. Männchen und Weibchen schmiegen sich Seite an Seite, belecken sich den Kopf und den Maulbereich (LEICHT 1979). Das Paarungsverhalten beginnt mit dem Treiben und Folgen. Während der Rammler die Häsin in der Analgegend beschnüffelt, läuft sie einige Schritte vorwärts. Der Rammler folgt ihr. Setzt oder legt sich das Weibchen, wird es infolge dessen von dem Männchen umkreist, in dem dieses steifbeinig mit gestreckten Hinterbeinen um das Weibchen herum läuft (LEICHT 1979; MYERS u. POOLE 1961). Der Schwanz wird dabei auf den Rücken geklappt, so dass die weiße Unterseite zu sehen ist. Der Jäger spricht hier von

„Blume weisen“ (LEICHT 1979). In diesem Zusammenhang wird auch häufig das Anharnen des Männchens auf das Weibchen beobachtet (LEICHT 1979). Kommt es zur Begattung, besteigt der Rammler das Weibchen, in dem er die Vorderpfoten um die Flanken und den Kopf auf den Rücken des Weibchens legt (LEICHT 1979). Es folgen rasche Friktionsbewegungen, welche mit der sehr raschen Ejakulation beendet werden. Dabei heben sich die Hinterbeine des Männchens vom Boden ab, es verliert das Gleichgewicht und fällt seitwärts vom Weibchen ab (LEICHT 1979).

Das Sexualverhalten des Weibchens ist nach LEICHT (1979) nicht nur passiv, sondern es löst durch sein Verhalten gegenüber dem Rammler bestimmte Verhaltensweisen beim Männchen aus, welches beim Treiben und Folgen zu beobachten ist. Außerdem umkreist auch das Weibchen vor allem während der Hochbrunst das Männchen und stellt sich mit hoch gestrecktem Hinterteil davor. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Säugetieren findet sich bei Häsinnen darin, dass sie einen induzierten Eisprung haben. Der Eisprung findet circa zehn Stunden nach der Kopulation statt.

Nach der Begattung und vor der Geburt der Jungen werden von MYERS u. POOLE (1961) und LEICHT (1979) folgende Verhaltensweisen beschrieben: Graben von Setzröhren, Ausstattung des Nestes und Aggressionen gegenüber anderen Weibchen. Das Graben der Setzröhren und der Nestbau beginnen nach MYKYTOWYCZ (1958) erst wenige Tage vor der Geburt. Er stellte fest, dass nur die ranghöchsten Weibchen das Nest im Wohnbau anlegen. Die rangniedrigeren Weibchen graben ihre Satzröhren außerhalb. BOBACK (1970) allerdings beschreibt, dass alle Weibchen ihre Nester außerhalb des Wohnbaus und an ruhigen Orten graben. Das Nest wird mit Pflanzen und Fell, welches sich die Häsin vom Bauchbereich zupft, ausgepolstert. Ist der Bau fertig gestellt, wird er mit hoher Aggression gegenüber anderen Weibchen verteidigt. Laut LEICHT (1979) können diese Kämpfe auch tödlich enden.

Nach einer Tragezeit von 28 - 31 Tagen (SIEFKE 1989) findet die Geburt zwischen sechs und fünfzehn Uhr statt (LEICHT 1979). Es werden durchschnittlich fünf - sechs Jungen zur Welt gebracht (LEICHT 1979). Das Weibchen betritt zweimal täglich den Bau, um ihre Jungen für circa 15 Minuten zu säugen (SIEFKE 1989). Neuere Untersuchungen von SELZER (2000) zeigen allerdings, dass 68,3% der Wildkaninchen und 86,8% der Hauskaninchen in 24 Stunden nur einmal säugen. Die Häsin kann in den ersten Tagen nach der Geburt wieder erfolgreich belegt werden.

Somit kann sie im Jahr drei Sätze zur Welt bringen.

2.4.9 Stoffwechselbedingtes Verhalten

Stoffwechselbedingtes Verhalten ist eine Sammelbezeichnung für alle im Dienst des Stoffwechsels stehenden Verhaltensweisen (GATTERMAN 2006). Der Stoffwechsel

ist die Gesamtheit der im Organismus ablaufenden chemischen und energetischen Prozesse, die das Leben und Verhalten aufrechterhalten. Zum stoffwechselbedingten Verhalten gehören die Verhaltensweisen bei der Nahrungsaufnahme, bei der Nahrungsverarbeitung und des Kot- und Urinabsatzes.

Zur Nahrungsaufnahme werden Nahrungspflanzenteile mit den Incisivi abgebissen und zwischen den Molaren zerrieben. Der Unterkiefer bewegt sich dabei von vorne nach hinten und von einer Seite zur anderen. Dies ist möglich, da es sich bei dem Kiefergelenk um ein Schlittengelenk handelt. Laut MYKYTOWYCZ (1958) beginnt die Nahrungsaufnahme in der Abenddämmerung bis zum Sonnenaufgang.

Wildkaninchen sind pro Nacht zwischen 2,5 und 6 Stunden mit Äsen beschäftigt (MYKYTOWYCZ 1958). Dabei fressen die Tiere in der Dämmerung in der Nähe ihrer Baue oder Ruheplätze und wechseln in der Nacht zu weiter entfernten Flächen. Beim Äsen wird der Kopf halbkreisförmig von einer Seite zur anderen gewendet. Ist die Stelle abgenagt, rutscht das Kaninchen weiter. Die Bereitschaft zur Flucht bleibt während des Äsens erhalten.

Der tägliche Wasserbedarf des Kaninchen beträgt laut BOBACK (1970) 150 -180 ml und wird hauptsächlich durch die Aufnahme von Saftfutter und den auf Pflanzen liegenden Tau gedeckt (MYERS u. POOLE 1961).

Der Kotabsatz findet im Territorium an bestimmten Plätzen statt. Vorzugsweise werden erhöhte und windgeschützte Plätze aufgesucht. Diese dienen auch zur Markierung des Territoriums (LEICHT 1979). Desweiteren dient das Harnmarkieren zur Kennzeichnung der Gruppenzugehörigkeit und auch in Verbindung mit dem Sexualverhalten tritt das Markieren des Weibchens mit Harn des Männchens auf (LEICHT 1979). Das Kaninchen nimmt den Weichkot direkt vom Anus auf und verschluckt ihn unzerkaut. Dies geschieht vorwiegend in den Ruhephasen. Die Caecotrophe enthält viel Protein und hat einen hohen Gehalt an Vitamin B1 (LEICHT 1979). Die schleimüberzogenen Pillen unterscheiden sich deutlich vom Hartkot.

Können die Tiere aus unterschiedlichen Gründen den Weichkot nicht aufnehmen, zeigen sich bald deutliche Vitaminmangel-Erscheinungen (LEICHT 1979). Bereits junge Kaninchen nehmen laut LEICHT (1979) den Vitaminkot vom After der Mutter auf.

2.4.10 Schutz- und Verteidigungsverhalten

Schutz- und Verteidigungsverhalten ist ein Sammelbegriff für alle Verhaltensweisen, die hauptsächlich dem Schutz vor Feinden dienen (GATTERMANN 2006).

Die wichtigste Verhaltensweise eines Wildtieres ist die Feindvermeidung. Alle anderen Verhaltensweisen werden bei Gefahr sofort unterbrochen. Typische Verhaltensformen beim Kaninchen sind das Sichern, das Warnen der Artgenossen und die ständige Fluchtbereitschaft (LEICHT 1979).

Wildkaninchen sichern bereits bei geringer Beunruhigung, in dem sie ihre Aktivität unterbrechen und mit weit geöffneten Augen in Richtung zum Beispiel des Geräusches oder der Bewegung blicken (KRAFT 1976). Im Unterschied dazu konnte KRAFT (1976) bei Hauskaninchen beobachten, dass sie nur bei starker Beunruhigung sichern und dies entspannter als ihre wilden Artgenossen. Das Sichern dient laut LEICHT (1979) der frühzeitigen Feinderkennung, denn die Wildkaninchen sichern in regelmäßigen Abständen ihre Umgebung, in dem sie ihre jeweiligen Aktivitäten unterbrechen und ihre Umgebung aufmerksam beobachten.

Vor Verlassen des Baues verharren die Tiere am Eingang, um die Umgebung zu sichern (LEICHT 1979).

Bei Beunruhigung und Gefahr schlägt das Kaninchen mehrmals mit den Hinterläufen auf den Boden und warnt somit seine Artgenossen (LEICHT 1979). Dies veranlasst alle anderen Mitglieder der Kolonie die Flucht zu ergreifen (LEICHT 1979). Bei Wildkaninchen bedeutet dies, blitzartig in die Baue zu verschwinden (LEICHT 1979).

KRAFT (1976) beobachtete bei seinen Untersuchungen, dass Hauskaninchen eine herabgesetzte Fluchtbereitschaft zeigen, da sie nur äußerst selten in ihre Baue flüchten und dies auch nur bei starker Beunruhigung. Ist die Flucht in die Baue nicht direkt möglich, nutzt das Wildkaninchen Pflanzenbewuchs als Deckung und flüchtet so in zickzackförmigen Bewegungen auf den Bau zu (LEICHT 1979). Ein weiteres Verhalten zum Schutz und zur Verteidigung nennt KRAFT (1976). Greift man ein Kaninchen im Nackenfell und hebt es hoch, so fängt es an mit den Hinterläufen und gespreizten Zehen nach oben zu schlagen. Dies dient laut KRAFT (1976) dazu den Feind an Hals und Schnauze zu verletzen und ihn zu veranlassen, das Kaninchen los zu lassen.

2.4.11 Komfortverhalten

Komfortverhalten ist eine Sammelbezeichnung für alle Verhaltensweisen im Dienst der Behaglichkeit und der Bequemlichkeit. Dazu gehören die Körperpflege sowie alle Streckbewegungen und das Gähnen (GATTERMANN 2006).

LEICHT (1979) dagegen nimmt das Räkeln, Gähnen und Sich-Strecken aus der Definition heraus und ordnet diese als „Räkelsyndrom“ dem stoffwechselbedingten Verhalten zu. Für ihn beinhaltet das Komfortverhalten alle Formen der Körperpflege wie Putzen, Sich- Kratzen, Scheuern, Sich-Schütteln, Baden und Suhlen. Ergänzend fügen MYERS u. POOLE (1961) hinzu, dass Komfortverhalten nicht nur der Hygiene, sondern beim gegenseitigen Putzen auch der Gruppenbindung dient.

2.4.12 Ruhe- und Schlafverhalten, Aktivitätsverhalten

Unter Ruhe- und Schlafverhalten versteht man den Zustand körperlicher Inaktivität, der bei allen Tieren innerhalb eines Tages regelmäßig mit der Aktivität wechselt (GATTERMANN 2006). Zum Schlafverhalten gehören dabei alle Verhaltensweisen, die unmittelbar mit dem Schlaf zu tun haben. Je größer der Feinddruck, desto kürzer ist die Schlafdauer.

Die meisten Tiere sind innerhalb eines Tages nicht nur einmal aktiv und inaktiv, sondern ihre verschiedenen Aktivitäten treten schubweise und ultradianrhythmisch geordnet auf (GATTERMANN 2006).

Wildkaninchen ruhen sowohl in ihren Bauen und, wenn sie sich ungestört fühlen, auch im Freien. MYERS u. POOLE (1961) unterscheiden die Ruhestellung und die Schlafstellung. Die Ruhehaltung wird unterschieden in ein aufrechtes Sitzen auf den Hinterpfoten, untergeschlagene Beine mit Anpressen des Körpers an den Boden und seitliches Liegen mit ausgestreckten Hinterbeinen. Die Schlafhaltung wird beschrieben als ein Halb-auf-der-Seite-Liegen. Die Ruhe- und Aktivitätsphasen sind nach LEICHT (1979) abhängig von der Jahreszeit, dem Alter, dem Geschlecht und der sozialen Stellung in der Gruppe. KRAFT (1976) stellte Unterschiede in den Aktivitäts- und Ruhephasen zwischen Wild- und Hauskaninchen fest. Während Wildkaninchen einen regelmäßigen Wechsel von Aktivität und Ruhe zeigten, vornehmlich Aktivität in der Nacht und Ruhen am Tag, konnte er bei Hauskaninchen

kurze Ruhe- und Aktivitätsphasen in raschem Wechsel beobachten. In den Abendstunden konnten MYKYTOWYCZ U. ROWLEY (1958) bei mehr als 50% der von ihnen beobachteten Koloniebewohner eine Hauptaktivität feststellen, die sich bis in die Nacht hineinzog.

2.5 Biologie des Meerschweinchens (Cavia aperea)

2.5.1 Nomenklatur und Abstammung

Stammesgeschichtlich gehören die Meerschweinchen zur Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Diese lassen sich bis ins Eozän zurückverfolgen. Eine Unterordnung der Rodentia sind die sogenannten Meerschweinchenartigen (Caviomorpha). Diese werden weiter in Familien unterteilt und ordnen somit die Meerschweinchen in die Familie der Caviidae ein. Bis hierhin ist die Systematik vollständig geklärt.

HÜCKINGHAUS (1961) gibt vier Gattungen in der Familie der Caviidae an, welche sich in Südamerika verbreitet haben: Galea (Gelbzahnmeerschweinchen) MEYEN (1833), Microcavia (Zwergmeerschweinchen) GERVAIS u. AMEGHINO (1880), Kerodon (Bergmeerschweinchen) CUVIER (1825) und Cavia (gemeines Meerschweinchen) PALLAS (1766). Bis heute hat sich die Familie der Caviidae um die Gattungen Dolichotis (Mara) und Hydrochoeris (Capybara) erweitert (DUNNUM u.

SALAZAR-BRAVO 2010; OPAZO 2005). DUNNUM u. SALAZAR-BRAVO (2010) teilen die Gattungen in folgende Arten und Unterarten ein:

Cavia aperea aperea

sodalis

Cavia porcellus stammt, nach den Vergleichen von Schädelmerkmalen und Zähnen zwischen Wild- und Hausmeerschweinchen von HÜCKINGHAUS (1961), eindeutig von der Gattung Cavia aperea ab. Die Nomenklatur hat sich bis heute dahingehend geändert, dass, wie oben bereits dargestellt, Cavia porcellus als eigene Art benannt wird und auch Cavia tschudii nicht mehr wie noch bei HÜCKINGHAUS (1961) zu einer Unterart der Gattung Cavia aperea gehört. Desweiteren nahm HÜCKINGHAUS (1961) an, dass der Beginn der Domestikation des Meerschweinchens im Hochland von Peru begann, da in dortigen Gräbern gefundene Meerschweinchenskelette keine anatomischen Unterschiede zu den Hausmeerschweinchen aufwiesen.

2.5.2 Verbreitung und Domestikation

Das Wildmeerschweinchen findet man heute noch in weiten Teilen Mittel- und Südamerikas, mit Ausnahme der tropischen Wälder des Amazonasbeckens, bis zu einer Höhenlage von ca. 5000 m (DRESCHER U. HAMEL 2012; HERRE u. RÖHRS 1990; HÜCKINGHAUS 1961; SACHSER 1994). Sie zählen zu den häufigsten Nagetieren Südamerikas (KÜNZL u. SACHSER 2000 a, b). Funde von Meerschweinchenmumien aus dem Gräberfeld von Ancon in Peru lassen darauf schließen, dass die Domestikation des Hausmeerscheinchens (Cavia aperea f.

porcellus) bereits 3000-6000 v. Chr. begann (HERRE u. RÖHRS 1990;

HÜCKINGHAUS 1961; KÜNZL U. SACHSER 2000 a, b; SACHSER 1994; STAHNKE

1987; WEISS et al. 2008). Sie dienten den dort lebenden Inkas als Fleischlieferanten und Opfertiere und werden heute noch in den Hütten oder in extra angelegten Gruben als Nutztiere gehalten (BIRMELIN 2006; DRESCHER u. HAMEL 2012;

HERRE u. RÖHRS 1990; SACHSER 1994).

Im 16. Jahrhundert gelangten die ersten Meerschweinchen durch spanische Seefahrer nach Europa (DRESCHER u. HAMEL 2012; SACHSER 1994; STAHNKE 1987). Auf den Schiffen dienten sie während der Überfahrten als Fleischlieferanten.

DRESCHER u. HAMEL (2012) nehmen anhand von Überlieferungen an, dass bereits hundert Jahre zuvor holländische Seefahrer Meerschweinchen nach Europa brachten. Sie stützen sich dabei auf den schriftlichen Beleg aus dem Jahre 1554 des Schweizer Naturforschers und Arzt Konrad Gesner. Daher kann laut DRESCHER u.

HAMEL (2012) davon ausgegangen werden, dass die Stammform der heute gezüchteten Meerschweinchen aus Holland kamen. In Europa wurden die Meerschweinchen als Spieltiere und auch als Labortiere immer beliebter und verbreiteten sich schnell. Heutzutage werden unterschiedliche Rassen, mit unterschiedlichen Farb- und Fellschlägen, weltweit gezüchtet und gehalten.

2.5.3 Lebensraum

Das Wildmeerschweinchen lebt, wie oben bereits erwähnt, weit verbreitet in Mittel-

Das Wildmeerschweinchen lebt, wie oben bereits erwähnt, weit verbreitet in Mittel-