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2 LITERATURÜBERSICHT

2.2 Begriffsbestimmungen

2.2.1 Schmerzen

Schmerz dient dem Organismus als Schutz und Warnung. Er weist auf schädigende oder bedrohende Noxen hin (WOOLF 1991). Mensch und Tier reagieren in grundsätzlich gleicher Form. Sie meiden den vermutlich auslösenden Reiz, um sich selbst zu erhalten. Bereits das Reichstierschutzgesetz beschäftigte sich mit der Definition des Schmerzes und formulierte es laut LORZ u. METZGER (1999) als „die von einem Unlustgefühl begleitete, vermittels eines besonderen, zentral orientierten Nervenapparates hervorgebrachte Erregung von Sinnesnerven, sei es als Reaktion auf körperliche Reize, sei es in der Form nicht lokalisierter pathologischer Zustände.“

Heute ist die humanmedizinische Schmerzdefinition der Arbeitsgruppe „ international association for the study of pain“ (IASP 1979) auch in der Tiermedizin die Geläufigere, in der es heißt: „ Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das im Zusammenhang mit tatsächlicher oder potentieller Schädigung steht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“

Aufgrund des ähnlichen Aufbaus des Zentralnervensystems geht man heute davon aus, dass die Schmerzempfindung, wie sie der Mensch kennt, auf das Tier übertragbar ist. Gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Schmerzempfinden einer bestimmten Tierart, so muss aber im Analogieschluss zumindest von der gleichen Schmerzempfindung wie bei Menschen ausgegangen werden (HACKBARTH u LÜCKERT 2002). Laut MEUSER (2006) ist es mittlerweile erwiesen, dass das Schmerzempfinden bei Säugetieren und Vögeln und sogar bei Fischen ähnlich funktioniert.

2.2.2 Leiden

Das Tierschutzrecht verwendet eine eigene Definition des Begriffs „Leiden“, denn in der Human- oder Veterinärmedizin wird Leiden meistens im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen verwendet (HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999;

POLLMANN u. TSCHANZ 2006).

Nach der Rechtsprechung und in der Literatur allgemein anerkannt sind Leiden alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen im

Wohlbefinden, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern (GOETSCHEL 1986; HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; POLLMANN u.

TSCHANZ 2006; VON LOEPER 2002). Ein Tier leidet, wenn es instinktwidrigen, zuwiderlaufenden und vom Tier als lebensfeindlich empfundenen Einwirkungen unterliegt, welche nicht unbedingt körperlicher Natur sein müssen, denn auch eine Beeinträchtigung seelischer Natur kann ausreichend sein (GOETSCHEL 1986; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; POLLMANN u. TSCHANZ 2006).

Wohlbefinden beruht also auf einem art-, bedürfnis- und verhaltensgerechten Ablauf der Lebensvorgänge. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jede Beeinträchtigung des Wohlbefindens automatisch in Leiden mündet. HIRT et al. (2007) und LORZ u.

METZGER (1999) erwähnen diesbezüglich Einschränkungen, in denen es heißt, dass eine reine Augenblicksempfindung, sowie die Vorstufe der Angst, bloße Aufregung, Anstrengungen oder vorübergehende Belastungszustände dem schlichten Unbehagen zuzuordnen sind. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Übergänge ins Leiden fließend sein können. Von besonderer Bedeutung als Indikator für erhebliche Beeinträchtigungen des Wohlbefindens ist das Verhalten des Tieres.

Verhaltensstörungen und –anomalien lassen auf ein zugrunde liegendes Leiden schließen (HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Kann sich das Tier dem schlichten Unbehagen nicht auf Dauer entziehen und/oder überschreitet es seine Anpassungsfähigkeit so mündet die Beeinträchtigung des Wohlbefindens in Leiden (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Die fließenden Übergänge von Schmerzen, Unbehagen oder beeinträchtigtem Wohlbefinden in den Leidenszustand unterliegen einer subjektiven Beurteilung, da Leiden neurophysiologisch und somit objektiv kaum oder gar nicht zu erfassen sind. Objektiv lassen sich allerdings physiologische und morphologische Abweichungen von der Norm und Verhaltensänderungen beurteilen.

2.2.3 Schäden

Unter dem Begriff Schaden versteht man eine bleibende Beeinträchtigung des physischen und psychischen Zustands eines Tieres zum Schlechteren (GOETSCHEL 1986; HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u.

METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Der zugefügte Schaden muss nicht dauerhaft sein, sondern kann auch eine vorübergehende Beeinträchtigung bedeuten.

HIRT et al. (2007) fügen hinzu, dass auch eine Verletzung oder Minderung der körperlichen Substanz nicht erforderlich ist. Schmerzen und Leiden können aus einem Schaden entstehen oder umgekehrt. Auch können Schmerzen und Leiden einen Schaden begleiten (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999). SAMBRAUS (1995) versteht unter Schaden im Sinne des Tierschutzes den Verlust lebender Substanz, welcher zu Schmerzen und Leiden führt.

2.2.4 Wohlbefinden

Das Wohlbefinden eines Tieres hängt davon ab, ob es einem Tier möglich ist, ein seiner Art entsprechendes normales Verhalten auszuleben und in jeder Hinsicht auf seine Umwelt reagieren zu können. Dies setzt sowohl Schmerzfreiheit, als auch ein physiologisches Gleichgewicht und psychische und physiologische Gesundheit voraus (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; POLLMANN u. TSCHANZ 2006; SAMBRAUS 1997; TSCHANZ 1984, VON LOEPER 2002). Repräsentative Parameter für die Beurteilung von Wohlbefinden sind die Morphologie, Physiologie und das Verhalten des Tieres, wobei eine gute Kenntnis des Verhaltensrepertoires der Tierart notwendig ist (GEROLD 1993;

HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007). Grundvoraussetzung für Wohlbefinden sind Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung (HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002). VON LOEPER (2002) schreibt im Kommentar zum Tierschutzgesetz, dass der Grundsatz, das Wohlbefinden des Tieres zu schützen, eine zentrale gesetzliche Bedeutung hat.

2.2.5 Tierhalter und Tierbetreuer

Halter eines Tieres ist, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt (HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Es ist wichtig, dass eine tatsächliche Beziehung zum Tier besteht. Der Halter muss die

Möglichkeit haben, über die Betreuung, Pflege, Verwendung, Beaufsichtigung usw.

zu entscheiden und dies in seinem Interesse ausüben zu können (HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; VON LOEPER 2002). Handelt eine Person ausschließlich nach Anweisung und Interesse Dritter, so ist der Begriff des Tierhalters für diese Person nicht zutreffend. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Eigentumsverhältnis. Es spielt keine Rolle, ob das Tier im rechtmäßigen Besitz des Tierhalters ist, sondern es kommt auf die direkte Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier an (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999;

VON LOEPER 2002). Es können auch mehrere Personen Halter eines Tieres sein.

Außerdem ist es unerheblich, ob ein Haltungsverbot besteht oder nicht (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Werden die Voraussetzungen eines Tierhalters nicht erfüllt, so ist die Person zumindest Tierhüter oder Tierbetreuer (LORZ u. METZGER 1999). Dies bedeutet, er sorgt und beaufsichtigt ein Tier generell oder übernimmt bestimmte Aufgaben wie z.B. Fütterung, ohne Tierhalter zu sein. Dies kann auch nur vorübergehend sein (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u.

METZGER 1999; VON LOEPER 2002).

2.2.6 Kenntnisse und Fähigkeiten

Die 1998 ins Tierschutzgesetz eingefügte Sachkunde (§2 Nr. 3) soll gewährleisten, dass die aus Nr. 1 und 2 genannten Anforderungen erfüllt werden. VON LOEPER (2002) ist der Ansicht, dass dieser Zusatz dazu beiträgt, Gesetzesverstöße zu vermindern. Auch LORZ u. METZGER (1999) schreiben in ihrem Kommentar, dass viele Tierschutzverstöße auf mangelnde Sachkunde des Tierhalters zurück zu führen sind. Tierhalter und Tierbetreuer müssen im Umgang mit Tieren qualifiziert sein.

Unter Qualifikation sind hier die theoretischen Kenntnisse der Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse der Tiere, die praktische Fähigkeit das Wohlbefinden eines Tieres einzuschätzen, die Zuverlässigkeit im Umgang mit dem Tier und das Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Tier als Mitgeschöpf anzusehen (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Eine spezielle zusätzliche Ausbildung oder ein formaler Sachkundenachweis sind allerdings nicht nötig (HIRT et al. 2007; LORZ u.

METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Wenn der Tierhalter nicht die erforderlichen

Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, so ist er verpflichtet, eine sachkundige Person mit der Betreuung zu beauftragen. Diese Person muss die Erlaubnis des Halters besitzen, eigenständige Entscheidungen treffen zu dürfen (HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002; HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002).

2.2.7 Angemessen

Angemessenheit bedeutet im Sinne des TierSchG, dass das Tier seinem Bedarf entsprechend artgemäß ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden muss. Diese Definition enthält eine Einschränkung, denn es reicht aus, das Tier angemessen und nicht optimal zu versorgen (LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002).

2.2.8 Artgemäße Ernährung

Zu einer artgemäßen Ernährung gehören laut HIRT et al. (2007) die Deckung des physiologischen Nährstoffbedarfs, eine der jeweiligen Tierart entsprechenden Darreichungsform, welche das mit der Nahrungssuche und –aufnahme verbundene Beschäftigungsbedürfnis befriedigt und die Möglichkeit der gleichzeitigen Nahrungsaufnahme bei sozial lebenden Tieren. VON LOEPER (2002) verwendet in dem Zusammenhang auch das Wort Wohlbefinden. Er schreibt, dass Nahrung nicht nur zum Erhalt und Aufbau des Organismus dienen sollte, sondern auch für das Wohlbefinden des Tieres sorgen sollte. Zusammenfassend muss der komplette ethologische Funktionskreis des Nahrungserwerbsverhaltens artgemäß und tiergerecht sein (HIRT et al. 2007; VON LOEPER 2002). Als Beispiel zur Deckung des physiologischen Bedarfs an Nährstoffen nennen HIRT et al. (2007) die ausreichende Zufuhr von Rohfaser bei Tieren mit kontinuierlich nachwachsenden Zähnen. Zusätzlich erfüllt eine ausreichende Zufuhr an Nagematerialien das Beschäftigungsbedürfnis dieser Tierarten. HACKBARTH u. LÜCKERT (2002) schreiben, dass Verstöße gegen §2 Nr. 1 TierSchG falsche Futtermengen, eine fehlerhafte Futterzusammensetzung, eine schlechte Beschaffenheit des Futters oder die Verabreichung eines nicht artgerechten Futters sein können. Weiterhin formulieren HIRT et al. (2007), dass ein Verstoß bereits gegeben ist, wenn dem Tier

Nahrungsbestandteile zugeführt werden, die es unter naturnahen Bedingungen entweder nicht vorfinden oder nicht aufnehmen würde.

2.2.9 Artgemäße Pflege

In den Kommentaren zum TierSchG wird unter Pflege all das zusammengefasst, was im allgemeinen Sprachgebrauch unter guter Behandlung verstanden wird (HIRT et al. 2007; LORZ u. METZGER 1999). Dies beinhaltet Ernährung, Reinhaltung und Reinigung, Heilbehandlung und Prophylaxe, Möglichkeit zur artgemäßen Bewegung, Betreuung und Überwachung durch den Menschen, artgerechte Unterbringung inklusive Schutz vor Witterungseinflüssen, Schaffung günstiger Luft- und Lichtverhältnisse und Körperpflege inklusive Eigenkörperpflege und sozialer Körperpflege. Die artgemäße Pflege soll Wohlbefinden herbeiführen und erhalten (LORZ u. METZGER 1999). Artgemäß ist Pflege dann, wenn das Tier die Möglichkeit hat die Verhaltensweisen des entsprechenden Funktionskreises in artgemäßer Form aus zu führen (HIRT et al. 2007). Um den täglichen Bedürfnissen der Tiere Rechnung zu tragen und deren artgemäße Pflege zu erfüllen, muss eine regelmäßige Beobachtung und Kontrolle vorausgesetzt werden. Die erforderliche Pflege darf nicht aufgrund von Kosteneinsparungen oder Zuchtnutzung unterbleiben (VON LOEPER 2002). Für einige Tierarten ist dies bereits in besonderen Haltungsverordnungen festgelegt.

2.2.10 Verhaltensgerechte Unterbringung

Unterbringung bedeutet die Gewährung von Aufenthalt und Obdach (LORZ u.

METZGER 1999; VON LOEPER 2002). Wie zur artgemäßen Pflege bereits erwähnt, so muss auch in der Unterbringung die Möglichkeit zur Ausübung der tierartspezifischen Verhaltensabläufe des jeweiligen Funktionskreises bestehen (HIRT et al. 2007). Die Einrichtungen müssen eine Mindestgröße besitzen, um eine artgerechte Bewegung zu ermöglichen und um einen optimalen Lebensraum zu gewährleisten (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Außerdem sollten sie eine angemessene Beschaffenheit haben und nicht gesundheitsschädlich sein (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; LORZ u. METZGER 1999; VON LOEPER 2002).

Entscheidend bei der Wahl der Mindestgröße sind die jeweilige Tierart und das Alter

des Tieres (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Die Einrichtung sollte ferner über eine Mindestliegefläche, Einrichtungen zum Abführen von Kot und Urin und ausreichend Fressfläche verfügen (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Zusätzlich zu der Größe und Ausgestaltung der Unterbringung ist es erforderlich, günstige Licht- und Luftverhältnisse zu schaffen (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002; LORZ u. METZGER 1999). Wobei auch hier auf tierartliche Besonderheiten zu achten ist. Die Gestaltung der verhaltensgerechten Unterbringung sollte immer nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002;

TSCHANZ 1984).

2.2.11 Artgemäße Bewegung

Artgemäße Bewegung steht im engen Zusammenhang mit einer verhaltensgerechten Unterbringung. Nach VON LOEPER (2002) stellen Laufen, Fliegen, Recken, Strecken und Liegen bzw. Ruhen die Grundbedürfnisse eines Tieres dar. Das Bewegungsbedürfnis hängt von der Tierart und individuellen Umständen wie Alter und Gesundheit ab (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Weiterhin schreibt VON LOEPER (2002), dass ein Tier, welches in Gefangenschaft lebt, grundsätzlich in seinem Bewegungsbedürfnis eingeschränkt ist. Entstehen daraus negative Folgen wie Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden, so muss die Tierhaltungsmethode den Bedürfnissen des Tieres angepasst werden (VON LOEPER 2002).