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6. FALLBEISPIEL: DIE MAOHI IN FRANZÖSISCH-POLYNESIEN

6.6 Tourismusprojekte der Maohi in Französisch-Polynesien

6.6.1 Die Nichtregierungsorganisation Hiti Tau

Das Netzwerk Hiti Tau entstand 1992 nach dem französischen Vereinsrecht aus einem Zusammenschluss verschiedener indigener Basisgruppen mit der Zielsetzung die

Interessenvertretung der „Nation Maohi“ in Französisch-Polynesien auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu stärken. Hiti Tau bedeutet wörtlich soviel wie „Sonnenaufgang“ oder

„die Sonne wird kommen“ und im übertragenen Sinne: „Zeit zu Handeln“. Die NGO ist weder politisch noch konfessionell gebunden und verfolgt das Ziel einer selbstbestimmten, nachhaltigen Entwicklung der Maohi im Sinne der Menschenrechte (vgl. auch zu den folgenden Informationen zu Struktur und Zielen: Selbstdarstellungen HITI TAU 1999). Darüber hinaus will man die Übernahme der Verantwortung seitens der französischen Regierung für die durch die Nuklearversuche entstandenen Schäden einfordern.

Die inzwischen über 50 Basis-NGOs sind Mitglieder des „Conseil national des ONG du pays Maohi“, des Entscheidungsgremiums von Hiti Tau, durch das alle drei Jahre auf einer

Vollversammlung die Arbeitsschwerpunkte und Programme, sowie die Mitglieder des

Koordinationskomitees festgelegt werden. Das Koordinationskomitee besteht aus den jeweiligen Verantwortlichen für die einzelnen Programme. Auf der letzten Vollversammlung des Conseil national am 8. Januar 1999 wurden folgende sechs Programmschwerpunkte festgelegt:

1. Networking - capacity-building161

- Ausbildung/Professionalisierung der Programmverantwortlichen - Regionale und internationale Zusammenarbeit

2. Menschenrechte - Nuklearversuche

- Rechte autochthoner Völker - Geistiges und kulturelles Eigentum

3. Frauen und Entwicklung - Monoïproduktion

- Kooperative Hotu Tiare Maohi (Zentrum der Monoïproduktion Hiti Taus auf Moorea) - Herstellung von Stoffen

4. Jugendliche - Vanilleanbau - Jugendaustausch

5. Inseln unter dem Wind - Ökotourismus

- Monoï- und Vanilleproduktion

6. Marquesas

- Kooperative Te Pua O Te Vao

- Produktion von Vanille, Monoï und Kunsthandwerk

Durch die Akquise von Geldern ausländischer Geberorganisationen („Agences“) werden die einzelnen Programme und Aktivitäten vorwiegend finanziert, sollen aber langfristig in eine selbsttragende, nachhaltige Form übergehen. Die auf wirtschaftliche Aktivität hin ausgerichteten Maßnahmen orientieren sich an traditionellen Wirtschaftsweisen, die auch verstärkt vor der Phase

161 capacity-building meint Ausbildung und Qualifikation

des CEP bestanden hatten. Neu ist hierbei nur der „Ökotourismus“, der erst seit 1999 an Bedeutung gewinnt.

Zur Finanzierung seiner Projekte nimmt Hiti Tau keine Gelder der Vereinten Nationen an, um der Forderung, Französisch-Polynesien wieder auf die Liste der Länder zu setzen, die

entkolonisiert werden müssen, Ausdruck zu geben. Darüber hinaus werden auch keine Finanzmittel der Territorialregierung und des französischen Staates angenommen. Hiti Tau finanziert sich aus Privatspenden (ausgenommen sind hier politische Parteien und die Industrie), Geldern ausländischer NGOs, insbesondere aus dem Pazifik und Europa, Beiträgen der einzelnen Basisgruppen und zu einem immer größer werdenden Teil aus den erwirtschafteten Einnahmen eigener Projekte. Nicht zuletzt ein Rückgang des Engagements ausländischer

Geberorganisationen nach der Einstellung der Atomtests bedingt die Verlagerung der Projekte Hiti Taus in Richtung „gewinnträchtigerer“ Projekte, zu denen auch der Tourismus gehört.

Die sechs Programmverantwortlichen („leaders nationaux“) treffen sich jährlich einmal und führen die Beschlüsse des Conseil national durch. Das Zentrum Hiti Taus, das Secrétariat, befindet sich in Taravao auf Tahiti und wird geleitet von dem Vorsitzenden und Gründer Hiti Taus, Gabriel TETIARAHI. Im Sekretariat in Taravao finden Versammlungen, Fortbildungen, der Empfang internationaler Gäste in einem der beiden Gästehäuser und die zentrale Begleitung sämtlicher Projekte statt.

Als Programmschwerpunkte haben sowohl die Inseln unter dem Wind als auch die Marquesas eigene Unterstrukturen. Das Koordinationsorgan der Inseln unter dem Wind ist die NGO „Raro Matai“, der die Basisgruppen Tamarii Maeva Nui, Toohitu (Huahine), Hotu Rau, Fetii Teiva, Niuaemaha (Tahaa), Puna vai no Popora (Bora Bora) und Teonearue (Raiatea) angeschlossen sind. Das Pendant auf den Marquesas ist die NGO Fenua Enana, zu der wiederum drei

Basisgruppen gehören: Tapavau nui (Ua Pou), Te Pua Enana (Nuku Hiva) und Atuona Nui (Hiva Oa). Eines der zentralen Projekte von Raro Matai ist das Ökotourismusprojekt Patu, während Fenua Enana sich insbesondere auf die landwirtschaftliche Kooperative Te pua o te vao

konzentriert (Vanille- und Monoïproduktion). Te pua o te vao soll schon in 2004 wirtschaftlich Gewinne erwirtschaften, so dass die Kooperative nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung Hiti Taus angewiesen ist. Das Projekt Patu hingegen steht noch ganz am Anfang.

Zentrale Figur Hiti Taus ist der Gründer und langjährige Vorsitzende Gabriel TETIARAHI162. Ein Stipendium der Territorialregierung, mit dem er in Bordeaux Stadtplanung studierte, wurde ihm 1983 entzogen, da er öffentlich die Politik FLOSSEs gegenüber der indigenen Bevölkerung Französisch-Polynesiens kritisierte. Nach der Ablegung des Doktorexamens 1985 (das weitere Studium finanzierte er durch studentische Kredite) arbeitete er zunächst in der Administration im Bereich „urbanisme“, da das frühere Staatsstipendium dazu für mindestens 10 Jahre verpflichtete.

1992 gründete er die NGO Hiti Tau und wurde insbesondere auf Grund seiner internationalen Aktivitäten 1993 aus dem Staatsdienst entlassen. Seit 1995 Vorsitzender von PIANGO (Pacific Islands Association of Non-Governmental Organisations) schloss er internationale Kontakte und tat ausländische Geberorganisationen insbesondere in Frankreich, Deutschland und Neuseeland auf. Seine Führungsrolle rechtfertigte sich nicht nur durch den Vorsitz Hiti Taus und PIANGOs, sondern sie sei ihm auch von den Alten seines Volkes aufgetragen wurden:

„Ils m’ont convoqué et m’ont appris les noms des lieux, des vallées, des terres; ils m’ont enseigné les traditions et les légendes.“ (TETIARAHI 1996 zitiert nach BRÉSILLION 1996, S. 15)

„J’ai reçu le mana, c’est-à-dire le leadership spirituel et culturel. Il me revient de marcher le premier sur le feu.

[...] Nous avons encore cette prédisposition à dialoguer avec l’histoire, à dialoguer avec des pierres, à attacher beaucoup d’importance au symbolique. [...] Avec tout ça, tu sais qui tu es.“ (TETIARAHI 1995 zitiert nach LESNES 1995)

Neben der Entwicklung wirtschaftlicher Alternativen zur CEP-Ökonomie, die den Maohi ihre kulturellen Wurzeln wiedergeben sollen, ist ein weiteres erklärtes Ziel die Aufklärung der Menschen, die „Entkolonisierung des Geistes“:

„The model of development represented by nuclear testing is not ours. What we are trying to do is to open the minds of people, to decolonize the mind. For me the most important effect of the nuclear testing is not on health, not on the environment – it is on the minds of people. They have forgotten what is possible, because they are not decolonized.“ (TETIARAHI 1997 zitiert nach RANSOM 1997, S. 11)

6.6.2 Tourismusprojekte des Netzwerks Hiti Tau und andere Initiativen von Maohi