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1. EINLEITUNG

1.3 Methodik

Methodisch wurde eine Vorgehensweise gewählt, die – ausgehend von den sekundären wissenschaftlichen Quellen – zentrale Fragestellungen vor Ort überprüft. Bei den empirischen Verfahren, deren Ergebnisse vorwiegend indikativen Charakter haben, wurden Fragebögen und Interviewleitfäden eingesetzt. Zu diesem Zweck wurden folgende Zielgruppen gebildet:

- die Reisenden

- die Betreiber der touristischen Infrastruktur/Unternehmen - die Experten

- die Bereisten

Die Abgrenzung der Zielgruppen bzw. die Zuweisung einer interviewten Person/Gruppe erwies sich in der Realität als nicht eindeutig durchhaltbar: So gibt es „bereiste Experten“, „bereiste Betreiber der touristischen Infrastruktur“, „reisende Experten“ etc. In solchen Fällen musste in Bezug auf die primäre Zuordnung eine Entscheidung getroffen werden.

1.3.1 Kulturelle Hermeneutik und interkultureller Dialog

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die oben genannte Methodik westlichem Denken entspringt und keinen Anspruch auf vollständige Lösung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden

Fragestellung erheben darf. Sicherlich genügt sie wissenschaftlichen Ansprüchen in Empirie und Theorie, doch bleiben Bereiche, die sich erkenntnistechnisch auf interkulturellen Dialog stützen müssen (z. B. Befragung der Zielgruppe „Bereiste“) fragmentarisch und durch

westlich-wissenschaftliche Erkenntnisformen in ihrer Aussage begrenzt. Die Interpretation der Antworten kann daher in diesen Bereichen fehlerbehaftet sein:

„Denn wir können die Tatsache nicht leugnen, dass Forscher, Forschungsmethodik und Definition des Forschungsgegenstandes der jeweils eigenen kulturellen Perspektive verhaftet sind und verhaftet bleiben müssen.“ (WEBER-SCHÄFER 1997, S. 246)

oder anders gewendet:

„Vom Verstehen [des Fremden] sprechen wir immer dann – nicht nur in der Ethnologie, sondern ebenso in der Psychologie- , wenn wir einen Anderen von seiner Subjektivität her erfassen und begreifen wollen. Damit ist jedoch schon das Dilemma des Verstehens ausgesprochen, denn weder subjektiv noch objektiv können wir zur Subjektivität des Anderen vordringen. [...] Der interpretative Akt ist immer nur unsere deutende Annäherung an die Subjektivität des Anderen.“ (s. SCHMIED-KOWARZIK 2000, S. 64 f.)

SCHMIED-KOWARZIK (2000, S. 67) geht in seiner philosophischen Wissenschaftskritik sogar noch weiter:

„[...] denn sie [die Wissenschaftler] leben in dem Glauben, dass unsere wissenschaftliche Erfassung der Wirklichkeit eine schlechthin letztgültige ist, der gegenüber sich das magische und mystische Denken als prälogisch erweist [...] Insgesamt ist unsere wissenschaftliche Rationalität ebenfalls nur eine Sinndeutung der Wirklichkeit unter vielen. Sie erweist sich zwar im Kontext unserer Lebenspraxis als den anderen

Sinndeutungen in vielen Bereichen überlegen, aber in einigen Bereichen und vor allem im Kontext fremder Lebenszusammenhänge zugleich als völlig unterentwickelt [...], dass heißt die wissenschaftliche Deskription erreicht niemals den existenziell-praktischen Grund, aus dem heraus [...] Mitglieder einer fremden Kultur denken und handeln.“

Gefangen im eigenen kulturellen hermeneutischen Zirkel verfälschen wir „das Fremde“ bereits im Versuch, es zu verstehen. Daher bleibt die Erkenntnisfähigkeit beschränkt auf ein schärferes Profil der eigenen Andersartigkeit:

„Der interkulturelle Vergleich als Versuch einer Analyse des Fremden, um das Eigene besser verstehen zu können, ist dasjenige Unternehmen der europäischen Moderne, in dem diese nicht ihre Universalität, sondern ihre Einzigartigkeit entdeckt.“ (WEBER-SCHÄFER 1997, S. 255)

Dies bedeutet in der Verallgemeinerung, dass sicherlich Fragmente einer fremden Kultur erfasst werden können, allumfassende Erklärungsmodelle aber immer eurozentrisch und daher mit den oben genannten Einschränkungen behaftet sind oder um es mit den Worten des Ethnologen Nigel BARLEYs (1998, S. 38) auszudrücken:

„Aber einfach dadurch, dass er [der Ethnologe] über eine bestimmte Volksgruppe die maßgebende Monographie schreibt, konfrontiert er diese Leute mit einem Selbstbild, das wohl oder übel von seinen eigenen Vorurteilen und vorgefassten Ansichten geprägt ist, weil es ja im Verhältnis zu fremden Völkern so etwas wie eine objektive Realität nicht gibt.“

Diesem grundsätzlichen Problem ihres Faches wendet sich auch die Ethnologin Brigitta HAUSER-SCHÄUBLIN zu und bezeichnet den ethnologischen Erkenntnisprozess als eine Gratwanderung:

„Und die Abgründe, an denen die Gratwanderung vorbeiführt, sind: Zurückfallen in individuelle und kulturelle Vorverständnisse, auch Vorurteile auf der einen Seite, und going native sowie idealisierte Darstellung und Selbstidentifikation mit dem Fremden auf der anderen Seite.“ (s. HAUSER-SCHÄUBLIN 1999, S. 139.)

Claude LÉVI-STRAUSS (1996, S. 380) hinterfragt sogar den Erkenntniswert seiner Forschung:

„Stillschweigend unterstellen wir unserer eigenen Gesellschaft, ihren Sitten und Normen eine privilegierte Position, denn ein Beobachter, der einer anderen sozialen Gruppe angehört, wird über dieselben Erscheinungen ein ganz anderes Urteil fällen. Wie könnten unsere Forschungen unter solchen Umständen das Prädikat

‚wissenschaftlich’ beanspruchen? Um die Objektivität zu wahren, müssten wir uns derartiger Urteile enthalten.“

1.3.2 Primärdaten

Die Primärdatenerhebung wurde für die Zielgruppen „Reisende“ und „Betreiber der touristischen Infrastruktur“ mit Hilfe von standardisierten Fragebögen durchgeführt, die teils offene, teils geschlossene Fragen enthielten und einer statistischen Auswertung zugeführt wurden.

Für die beiden anderen Zielgruppen erwiesen sich Fragebögen als relativ unwirksames Instrument. Es wurde daher zur Datengewinnung die Form des informellen, strukturierten Interviews gewählt. Diese persönlichen Interviews wurden absichtlich ohne Aufzeichnungsgerät und in den meisten Fällen ohne zeitgleiches, schriftliches Festhalten des Gesagten geführt, um die Interviewpartner so wenig wie möglich durch eine Betonung der „Interviewsituation“ zu

beeinflussen. Die schriftliche Fixierung geschah daher im Anschluss. Den Interviews lag jeweils ein „Interviewleitfaden“ zu Grunde, d.h. einige Kernfragen wurden immer abgefragt, damit eine Vergleichbarkeit gegeben war. Wie es dem Charakter von informellen Interviews entspricht, gingen einige Gespräche weit darüber hinaus oder entwickelten sich in andere Richtungen. Allen Befragten wurde Anonymität zugesichert. Die Befragungen wurden überwiegend in

französischer Sprache geführt, bei den Reisenden zum Teil auch in englischer Sprache. Die Ergebnisse der Befragung der „Bereisten“ wurde ausgewertet, die Befragung der Zielgruppe

„Experten“ geschah nur zu Recherchezwecken.

Außerdem wurde in Anlehnung an die ethnologische Methode der „teilnehmenden Beobachtung“

Gesehenes und Gehörtes kritisch wahrgenommen und reflektiert. Nicht uninteressant waren in diesem Zusammenhang auch die Reaktionen meines mitreisenden Mannes als „Testtourist“.

Darüber hinaus verbrachte ich ca. 50%1 der Zeit in insgesamt vier Maohi-Familien, um aus dieser Perspektive gekoppelt mit vielen, intensiven Diskussionen einen tieferen Einblick in die indigene Kultur zu erlangen.

In allen Fällen habe ich es vermieden, meine Interviewpartner/-innen als „Studienobjekte“ zu betrachten oder zu behandeln, sondern vielmehr als gleichberechtigte Interviewpartner ernst zu nehmen. Während die Befragung der Zielgruppe „Experten“ unproblematisch verlief, da sie es gewöhnt waren, zu Fragen Stellung zu nehmen, war bei der Zielgruppe der „Bereisten“ eine besondere Sensibilität geboten. Gleichzeitig habe ich mich auf das Stellen von Fragen beschränkt, weder Ratschläge noch Lösungsansätze nach dem „westlichen Expertenmuster“

angeboten und meine Sicht der Dinge im Wesentlichen nur bei entsprechender Nachfrage geäußert.2

Die Grenzen qualitativer und quantitativer Methoden zeigten sich insbesondere bei der Zielgruppe der „Bereisten“, und zwar speziell der autochthonen Bevölkerung. Der indigene Kontext erschwert oftmals eine Erklärung nach westlichen Denkmustern und birgt die Gefahr der Missinterpretation. Um diesen Effekt, der mit „kultureller Hermeneutik“ (s. u. Exkurs) vielleicht am treffendsten beschrieben wird, abzumildern, habe ich die indigene Sichtweise bei der

Entwicklung des Fragebogens für die Zielgruppe der Bereisten mit einbezogen. Darüber hinaus wurden Maohi in die definitorische Diskussion involviert.

1 Die andere Hälfte der Zeit verbrachte ich in einigen in dieser Arbeit beschriebenen Tourismusprojekten.

2 Fragebögen und Interviewleitfaden in deutsch, s. Anl. 1a-d im Anhang

1.3.3 Sekundärdaten

Wissenschaftliche Dokumente sowie „graue Literatur“ sind zu „Französisch-Polynesien“ im Vergleich zu den englischsprachigen Gebieten des Pazifik und insbesondere zu dem vorliegenden Thema relativ rar. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit besteht für

Französisch-Polynesien eine Forschungslücke.

Die Recherchen vor Ort konzentrierten sich auf das Centre Universitaire de Polynésie Française der Université Française du Pacifique und das Centre Polynésien des Sciences Humaines.

Weitere in Tahiti ansässige Forschungseinrichtungen und Institutionen wie

- Office Territoriale d’Action Culturelle, OTAC - Société des Etudes Océaniennes

- Association des Historiens et Géographes de Polynésie Française - Chambre de Commerce

- Service du Tourisme

- Institut Territorial de la Statistique

- Institut d’Emission des Départements D’Outre-Mer - Conseil Economique Social et Culturel

- O.R.S.T.O.M. de Tahiti

waren wertvolle Quellen für Sekundärliteratur.

Eine unschätzbare Ergänzung waren diesbezüglich auch Gespräche mit:

- Alex W. du Prel (Chefredakteur von Tahiti Pacifique)

- Bernard Poirine (Docteur des Sciences Economiques, Centre Universitaire de Polynésie Française)

- Jean-Pierre Tchung (OTAC)

- Philippe Savignat (Chambre de Commerce) - Patrick Chaussin (Service du Tourisme)

- Hubert Bremond (vormals Centre Polynésien des Sciences Humaines)

- den Vertretern/-innen von Hiti Tau3 (an dieser Stelle sei stellvertretend der Vorsitzende dieser Maohi-NGO, Gabriel Tetiarahi, genannt).

Die vielen Diskussionen mit Vertretern und Mitgliedern Hiti Taus gaben Einblick in die Arbeit und Sichtweise von Maohi-Basisgruppen in Französisch-Polynesien und erlaubten neben Stellungnahmen von offizieller Seite und Expertenmeinungen eine interessante Ergänzung, um nicht zu sagen, eine Möglichkeit der Objektivierung in Bezug auf die Beurteilung des Tourismus in Französisch-Polynesien.

In Frankreich wurde in folgenden Einrichtungen recherchiert:

- O.R.S.T.O.M: Paris, Bordeaux etc..

- Institut d’Emission d’Outre-Mer, Paris - Hiti Tau France

- Sorbonne

- Nouvelle Sorbonne

- Bibliothèque Nationale (François Mitterrand)

Im universitären Bereich sind hier Professor VON KROSIGK und Pierre JADIN vom Institut für Politische Wissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg als maßgebliche Experten zu nennen.

Als anerkannter Experte im NGO-Bereich ist für Deutschland an dieser Stelle Ulrich DELIUS zu nennen, der als Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker sich seit Jahren mit ethnischen Problemen in Französisch-Polynesien beschäftigt.

3Hiti Tau ist ein Netzwerk der Ureinwohner Französisch-Polynesiens, der Maohi (vgl. Kap. 6.6.1)