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1. Einleitung

1.1 Die Neurogenese in Xenopus laevis

Niedere Vertebraten, wie Xenopus laevis und Danio rerio, erzeugen ein einfaches Muster von primären Neuronen, die das frühe larvale Verhalten regulieren und in drei Längsdomänen auf jeder der beiden Seiten der dorsalen Mittellinie lokalisiert sind. Zellen, die in diesen Domänen differenzieren, entsprechen drei Klassen von primären Neuronen, Motorneuronen, Interneuronen und sensorischen Neuronen, in medial-nach-lateraler Anordnung (Abb.1-1A). In Xenopus stellt die primäre Neurogenese ein attraktives experimentelles System für die Analyse molekularer Aspekte der Neurogenese dar (Abb.1-1,2).

Die primäre Neurogenese innerhalb der proneuronalen Domänen wird durch bHLH-Aktivatoren positiv reguliert (Abb.1-1B, 1-2B). Die früheste proneurale Genexpression in Xenopus ist die von X-Ngnr-1 (Neurogenin), die später-agierende bHLH-Gene, einschließlich NeuroD, induziert. X-Ngnr-1 aktiviert auch die Transkription des

Notch-Liganden X-Delta-1 und des Zinkfinger-Transkriptionsfaktors X-MyT1 in neuronalen Vorläuferzellen (Abb.1-2B). Die Expression von X-Delta-1 stimuliert die laterale Hemmung, eine durch den Notch-Signalweg-vermittelte negative Rückkopplungsschleife, in benachbarten Zellen (Abb.1-1C,D, 1-2C, 1-3), während X-MyT1 die neuronalen Vorläufer resistent gegen aktives Notch macht. Folglich fördern die sequentiellen Aktivitäten von X-Ngnr-1, X-MyT1 und NeuroD die neuronale Differenzierung von einigen kompetenten neuralen Vorläufern, während die Aktivierung des Notch-Signalwegs und die dadurch induzierten bHLH-Repressoren, wie ESR1, in benachbarten Zellen einen undifferenzierten Zustand aufrechterhalten (Bellefroid et al., 1996; Chitnis et al., 1995; Lee et al., 1995; Ma et al., 1996; Wettstein et al., 1997).

Abb.1-1: Die primäre Neurogenese in Xenopus als experimentelles System für die Analyse molekularer Aspekte der Neurogenese in Vertebraten.

Schematische Darstellung der Auswirkungen überexprimierter Neurogenese-Regulatoren auf die Differenzierung primärer Neuronen in Xenopus-Embryonen. (A) In Xenopus laevis-Embryonen werden bereits im offenen Neuralplattenstadium erste Neuronen-spezifische Differenzierungsgene, wie z.B. N-tubulin (blau), in einem charakteristischen Muster exprimiert, die die Entstehung von primären Neuronen (anteriore, profundal-trigeminale Neuronen, sowie posteriore sensorische Neuronen, Interneuronen und Motorneuronen) anzeigen. Durch die Mikroinjektion von synthetischer RNA in eine Blastomere im Zweizellstadium können verschiedenste Proteine gezielt in einer Embryohälfte überexprimiert werden, die nicht-injizierte Embryohälfte dient dabei als interne Kontrolle. Die Mikroinjektion von nLacZ-RNA für die Überexpression von nucleärer β-Galactosidase, deren Aktivitätsnachweis die injizierten Zellen markiert, hat keinen Einfluß auf die Differenzierung der primären Neuronen. (B) Durch die Überexpression von Faktoren, die die neuronale Differenzierung fördern, wie der bHLH-Aktivator X-Ngnr-1 (Ma et al., 1996), entstehen zusätzliche Neuronen im Neuroektoderm und häufig auch im Ektoderm. (C) Die Blockierung des Notch-Signalwegs, z.B. durch die Überexpression von X-Delta-1Stu (Chitnis et al., 1995), verhindert die laterale Hemmung und alle Zellen in den proneuronalen Domänen differenzieren zu Neuronen. (D) Die ektopische Aktivierung des Notch-Signalwegs, z.B. durch Mikroinjektion von Notch-ICD-RNA (Chitnis et al., 1995), oder die Überexpression von bHLH-Repressoren, wie z.B. ESR1 (Schneider et al., 2001), bewirken hingegen eine Hemmung der neuronalen Differenzierung. Der infolge der Überexpression erzielte positive oder negative Effekt auf die primäre Neurogenese ermöglicht somit Rückschlüsse auf die Funktion eines potentiellen neuronalen Regulators.

Abkürzungen: in, Interneuronen; is, injizierte Seite; mn, Motorneuronen; nis, nicht-injizierte Seite; sn, sensorische Neuronen; tn, profundal-trigeminale Neuronen.

Die an der Regulation der primären Neurogenese beteiligten fördernden und hemmenden Faktoren sind auch an der Regulation der sekundären Neurogenese im Neuralrohr (Abb.1-2D) beteiligt.

1. Einleitung 3

Abb.1-2: Positive und negative Regulatoren der neuronalen Differenzierung in Xenopus.

(A) Der bHLH-Repressor ESR1 wird in proneuronalen Domänen (blau) früher Neurulastadien exprimiert (dorsale Aufsicht, anterior oben). (B) Auch andere Regulatoren der Neurogenese werden ähnlich in den proneuronalen Domänen (blau) der posterioren Neuralplatte exprimiert (Querschnitt, dorsal oben;

Schnittebene siehe gestrichelte Linie in A). Zu den fördernden Faktoren der neuronalen Differenzierung zählen die Aktivatoren X-Ngnr-1, XCoe2 und X-MyT-1. Der durch XDelta-1 aktivierte Notch-Signalweg und die dadurch induzierten bHLH-Repressoren ESR1 und ESR9 hemmen hingegen die Differenzierung von Neuronen in benachbarten Zellen (Notch-abhängige laterale Hemmung, siehe auch C) In den interproneuronalen Domänen verhindern Faktoren, wie Zic2, Xiro1-3, Xash3, Xdbx und Xhairy1,2, die neuronale Differenzierung (Übersichtsartikel: Bally-Cuif und Hammerschmidt, 2003; Bellefroid und Souopgui, 2003). (C) Zellschicksalsbeschränkung durch die laterale inhibitorische Notch-Aktivierung: Zunächst senden und empfangen alle Zellen innerhalb einer Gruppe, die ein spezielles Zellschicksalspotential gemeinsam haben (grau), Notch-Signale (gegenseitige Hemmung). Nach der Festlegung einer Zelle auf ein spezialisiertes Zellschicksal (erst hellblau, dann blau) hemmt diese ihre umgebenden Zellen (erst hellgrau, dann weiß), ebenfalls dieses Zellschicksal anzunehmen (laterale Hemmung) (Übersichtsartikel: Lai, 2004). (D) Nach abgeschlossener Neurulation findet im Neuralrohr, außer in Boden- und Dachplatte, die spätere, sekundäre neuronale Differenzierung statt. Das Neuralrohr besitzt drei unterschiedliche Zonen: die innere, ventrikuläre Zone (hellblau), die proliferiende Zellen enthält, die mittlere subventrikuläre Zone (blau) mit postmitotischen Zellen und die Marginalzone (dunkelblau), in der bereits differenzierte Zellen zu finden sind.

Im ventralen Neuralrohr differenzieren Motorneuronen, sensorische Neuronen entstehen in dorsalen Regionen, Interneuronen hingegen zwischen dorsalen und ventralen Regionen. Abkürzungen: bp, Bodenplatte; dp, Dachplatte; in, Interneuronen; ipd, interproneuronale Domänen; is, intermediärer Streifen; ls, lateraler Streifen; ml, Mittellinie; mn, Motorneuronen; ms, medialer Streifen; mz, Marginalzone; ne, Neuroektoderm; no, Notochord; pd, proneuronale Domänen; sn, sensorische Neuronen; so, Somiten; svz, subventrikuläre Zone; tp, profundal-trigeminale Plakode; vvh, ventrales Vorder- und Mittelhirn; vz, ventrikuläre Zone; A, siehe Abb.1-2A; 1,2,3, interproneuronale Expressionsdomänen.

Abb.1-3: Der Notch-Signalweg in Xenopus.

Die vereinfachte schematische Darstellung zeigt die Hauptkomponenten des Notch-Signalwegs in Xenopus laevis, die u.a. bei der lateralen Hemmung während der primären Neurogenese von Bedeutung sind. In der differenzierenden Nervenzelle (hellblau) wird zunächst infolge proneuraler bHLH-Proteinaktivität verstärkt das

Transmembranprotein X-Delta-1 (blau) exprimiert. X-Delta-1 bindet an den Notch-Rezeptor X-Notch-1 (rot), ebenfalls ein Transmembranprotein, einer benachbarten Zelle (grau). Durch diese Bindung wird letztlich eine proteolytische Abspaltung der intrazellulären Domäne des Notch-Rezeptors (NICD) durch einen γ-Sekretase-Komplex (grün/hellgrün) ermöglicht, der aus verschiedenen Proteinen, u.a. Presenilin (PS), besteht. Die zunächst ins Cytoplasma freigesetzte intrazelluläre Domäne des Notch-Rezeptors gelangt schließlich in den Zellkern, bindet zusammen mit dem Coaktivator Mastermind (MAML) (hellgrün) an den Transkriptionsfaktor Suppressor of Hairless (X-Su(H)) (dunkelgrün) und rekrutiert einen Aktivatorkomplex (gelb), der Corepressor (violett) und sein Repressor-Komplex (rot) (siehe differenzierendes Neuron) werden dadurch verdrängt. Die Umwandlung des Transkriptionsrepressors in einen Transkriptionsaktivator fördert schließlich die Transkription von Genen mit X-Su(H)-Bindungstellen, wie ESR1 und ESR7. Die Expression dieser bHLH-O-Gene verhindert in der durch X-Delta-1-aktivierten Zelle (Notch „an“) die neuronale Differenzierung durch Hemmung proneuraler Aktivität. Die Transkriptionsrepression dieser Notch-Zielgene in der nicht durch X-Delta-1-aktivierten Zelle (Notch „aus“) gestattet hingegen eine neuronale Differenzierung.

1.2 bHLH-Proteine: Eine große und komplexe Oberfamilie von