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Für mich war es das neunte Mal in der Gedenkstätte. Und es war das erste Mal, dass ich die Gedenkstätte wirklich entdeckt

habe und für mich selbst lernen konnte.

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Fragen gingen die Teilnehmer/innen, ausgehend von ihren Fotografien nach. Dazu mussten sie genau notieren, wo die Aufnahme entstand und anschließend eine Recherche durchführen.

Hierbei war die Unterstützung der Gedenkstättenmitarbeiter/innen ganz wichtig. Sie beant-worteten Fragen und stellten wenn nötig für die Jugendlichen Anfragen an das Archiv. Wei-terhin nutzten die Jugendlichen die Ausstellungen und das Learning Center der Gedenkstätte.

Schon bei der ersten Begehung stießen die Jugendlichen auf Orte, die einen besonderen Ein-druck bei ihnen hinterließen. Das waren unter anderem der ehemalige Todesstreifen neben dem Turm A, die Krankenbaracke und die so genannte Station Z. Diese Orte bestimmten die Teilnehmer/innen später für die individuelle Fotoaktion, besuchten sie in Kleingruppen erneut und begaben sich auf die fotografische Suche nach den Details. Dabei übernahm eine/r das Fo-tografieren und ein/e Zweite/r das Protokollieren. Einige Schüler/innen verwendeten bei ihren Aufnahmen ausschließlich den Schwarz/Weiß-Modus ihrer Digitalkamera und betonten damit den Charakter der Bilder als Untersuchung der Vergangenheit. Sie nutzten die entstandene scheinbare Authentizität der Aufnahmen auch, um sie mit historischen Bildern zu neuen Er-zählungen zu verbinden. Das geschah im Skript. Die Fotos wurden in Bildlegenden mit eigenen Eindrücken kommentiert, um Zeichnungen und Zitate ehemaliger Häftlinge ergänzt und zu einer Art Wandzeitung zusammengestellt. Diese Skripte präsentierten die Schüler/innen nach dem Workshop in ihrer Schule.

Ein Teil des Konzepts war es, die Schüler/innen bei ihrer Aktion mit der Kameraröhre zu foto-grafieren und ihre Arbeit damit zu dokumentieren. Die Röhren, die als Nebeneffekt die kleinen Kameras vergrößerten, machten das gut möglich. Zusammengefügt in einer Dokumentation, konnten die Jugendlichen ihren Weg als unermüdliche Forscher/innen und Bildersammler/in-nen in der Gedenkstätte verfolgen. Hier wurden sie als handelnde Subjekte innerhalb des Ge-denkstättengeländes sichtbar.

»Gedenkorte gestalten« ein LandArt-Workshop  in der IJBS Sachsenhausen

Karla Gänßler

Unmittelbar neben dem ehemaligen Häftlingslager, das umfriedet, abgeschlossen und als Ge-denkstätte erkennbar ist, existiert heute ein offenes Gelände, das weich in die Umgebung aus-läuft. Das ehemalige SS-Truppenlager wurde seit Jahren weitestgehend sich selbst überlassen

Ich erwarte von der Gedenkstätte, dass man sieht, wie es  damals war. Und dass es bedrückend ist.

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und steht für menschliche »Zugriffe« aller Art offen. Dieser Raum bildet somit ein ausgezeich-netes Gestaltungsfeld für LandArt, mit der im Workshop »Gedenkorte gestalten« gearbeitet werden sollte. Die Aufgabenstellung des Workshops für die Teilnehmer/innen bestand darin, jeweils einen persönlichen Ort des Gedenkens auf dem Gelände des ehemaligen Truppenlagers oder der IJBS zu gestalten. Dadurch sollte auf individuelle Weise ein künstlerischer Schaffens-prozess mit historischem Lernen verbunden werden.

Die heutige visuelle Unterschiedlichkeit der beiden Teile des ehemaligen Lagerkomplexes wur-de auch in wur-den Reaktionen wur-der Teilnehmer/innen sichtbar. Nach einer langen Führung durch die Gedenkstätte, vor allem im ehemaligen Häftlingslager, waren die meisten physisch und mental erschöpft. Es fiel ihnen schwer, das Gesehene einzuordnen und eine persönliche Haltung zu artikulieren oder über Emotionen zu sprechen. Deutlich wurde aber, dass ihr Interesse weniger dem Studium von Schautafeln und Texten, als vielmehr der Suche nach einem emotionalen Zugang galt. Von besonderem Interesse waren deshalb die Orte, die das historische Geschehen scheinbar direkt und authentisch vermittelten.

Im Gegensatz zur Wahrnehmung der Gedenkstätte als tendenziell überfordernd, wurde das intensive Erkunden des naturbelassenen Außengeländes nach anfänglicher Vorsicht regelrecht zu einer Abenteuerexkursion. Alle Teilnehmer/innen untersuchten den Raum mit Akribie und großem Interesse. Gemeinsam, einzeln und in Gruppen fanden sie räumliche Situationen vor, die ihnen Gestaltungsideen für eigene Gedenkorte boten. Die Möglichkeit, selbst aktiv eingrei-fen zu düreingrei-fen, ohne dass dieses Handeln als zerstörerisch wahrgenommen wurde, ermutigte zu einer engagierten persönlichen Auseinandersetzung. Die Erweiterung des Gestaltungsrah-mens über die Arbeit mit Naturmaterialien hinaus (z.B. durch Raum- und Klanginstallation sowie Performance, Fotografie und Film) gab den jungen Erwachsenen ein für sie zeitgemäßes Mittel zur weiteren Beschäftigung mit der Vergangenheit und Gegenwart der Gedenkstätte.

Die Lage der Jugendbegegnungsstätte innerhalb des offenen Bereiches konnte die intensive Auseinandersetzung mit dem Ort noch verstärken. Das notwendige Zusammensein am Ort auch nach getaner Arbeit setzte den Prozess der Beschäftigung mit dem Thema fort. Der inten-sive Aufenthalt im historischen Ort schaffte eine enge, persönliche Verbindung zwischen Ver-gangenheit und Gegenwart. Die im Workshop entstandenen Objekte zeigen die Individualität der Gestaltenden und spiegeln deren persönlichen emotionalen Bezug zum Thema.

Beeindruckend war dabei die Intensität der Auseinandersetzung. Für zwei junge Frauen reichte die Arbeitszeit nicht aus. Nach anfänglichem Zögern und dem Aufbau einer Gedenksituation aus Hölzern entwickelte sich bei ihnen eine Vielzahl von Impulsen, die zu Rauminstallationen mit Kerzen und Geräuschen bis zu Fotoserien und Videoclips führten. Diese beiden Teilneh-merinnen waren am Ende des Workshops durch die eigene Tätigkeit, die Auseinandersetzun-gen in der Gruppe und die Erlebnisse während der Arbeitswoche stark emotional berührt.

Die im offenen Bereich des ehemaligen SS-Truppenlagers gegebene Möglichkeit, die Öffent-lichkeit mit den Arbeitsergebnissen zu konfrontieren, Reaktionen zu provozieren und zum Nachdenken anzuregen, wirkte dabei als Katalysator für die eigene Auseinandersetzung. Bei-spielsweise präsentierten Teilnehmer der Gruppe bereits am Ende des ersten Arbeitstages ein Objekt aus Hölzern auf einer großen Freifläche. In der Nacht entfernten sie das Objekt heim-lich, um die Reaktion der anderen zu testen. Sie provozierten damit eine Diskussion um die Frage, wer ein Interesse daran haben könnte, das Objekt zu entfernen. Der Gedenkort einer anderen Teilnehmerin wurde über Nacht kommentiert und verunstaltet und löste bei der Vor-führung in der Gruppe eine Diskussion um die mögliche Motivation, aber auch Betroffenheit und Erschütterung aus.

Das Gestalten in und mit der Landschaft besitzt das Potential, jedem zu ermöglichen sich auszudrücken – professionelle Arbeiten können nahezu gleichrangig neben Arbeiten von unge-übten und unerfahrenen »Machern/innen« stehen. Das ermutigt, spornt an und überwindet die Barriere, dass »Erwachsene nicht wie Kinder im Naturraum spielen«. Durch die außergewöhn-liche Möglichkeit der Teilnehmer/innen, selbsttätig in den Raum der Gedenkstätte Sachsen-hausen einzugreifen und ganz individuelle Äußerungen des Gedenkens zu gestalten, konnten sie ihre persönliche Beziehung zum erlebten Gegenstand ausdrücken und den anderen damit einen weniger sichtbaren Teil ihrer Persönlichkeit offen legen.