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Musterbeispiel der Lebensweltorientierung – Mobile Jugendarbeit

4 Soziokulturelle Animation mit alkoholabhängigen Menschen in der dritten Lebensphase

4.1 Handlungsfelder und Ansätze für die Praxis der Soziokulturellen Animation bei

4.1.2 Musterbeispiel der Lebensweltorientierung – Mobile Jugendarbeit

Im Arbeitsfeld Mobile Jugendarbeit werden junge Menschen nicht nach ihren individuellen Verhaltenszügen untersucht, sondern nach dem Konzept der Lebensweltorientierung, also in erster Linie mit der Lebenswelt der Jugendlichen, worin sie sich befinden (Grundwald & Thiersch, 2016, S.

45). Das nach Klaus Grundwald und Hans Thiersch (2016) beschriebenen Musterbeispiels der Mobilen Jugendarbeit ist Teil der Jugendsozialarbeit und richtet sich an die Bedürfnisse der benachteiligten jungen Menschen (S. 154). Mit dem Begriff „Benachteiligte“ sind in Verbindung stehende Lebenslagen von Menschen und ihre Entfaltungsmöglichkeiten gemeint, die in den 1980 Jahren verwendet wurde (ebd.). Um die beteiligten jungen Menschen zu erreichen, wählt die Mobile Jugendarbeit zwei Vorgehensweisen:

Die Benachteiligten jungen Menschen in den städtischen Räumen weisen oft typische Verhaltensmuster auf und die mobile Jugendarbeit setzt daher dort ihre Arbeitsschwerpunkte an. Die zweite Vorgehensweise zielt auf den Besuch innerstädtischer Zonen und szenenorientierter Treffpunkte, wo sich Gruppen junger Menschen aufhalten (ebd.). Sozialarbeitende mobiler Jugendarbeit stellen durch ihre Praktiken fest, dass junge Menschen eine eingeschränkte Zuversicht und widersprüchliche Denkmuster im Hinblick auf ihre Zukunft aufweisen. Sie erleben sich selbst mit geringen Chancen und sehen sich mit mangelnden Fähigkeiten sowie geringer Leistungsbereitschaft

sein und reagieren darauf durch auffälliges Verhalten (Gewalt, Alkoholkonsum) (LAG Baden Würtenberg 2014; zit. in Siegfried Keppeler & Matthias Reuting, 2016, S. 155).

Mobile Jugendarbeit geht gezielt auf junge Menschen zu und begreift das Handeln als niedrigschwelliges Handlungskonzept. Dies ist nicht als isolierte Methode oder als eigenständiger Handlungsansatz zu verstehen, sondern als integratives Element, welches Unterstützungsleistungen auf Gruppen und Individuen bezieht. Ein zentrales Element ist die Präsenz der Fachpersonen, die sich an den Freizeitorten der AdressatInnen in öffentlichen Räumen aufhalten. Die jungen Menschen nutzen diese Räume auf verschiedene Weise. Sie dienen als Orte, um Gemeinschaften zu erleben, Freunde zu treffen, um bestimmte jugendkulturelle Ausdrucksformen (Skater) zu praktizieren. Diese Orte verlagern sich aber auch vermehrt in Konsum- und Erlebnisorte, wie z.B. Einkaufszentren.

Die Räume der jungen Menschen durchdringen ihren Alltag und werden durch die digitalen Medien und die damit verbundenen Kommunikationsmöglichkeiten sowie „virtuell aufsuchende“ Elemente erweitert. Diese dient nicht dazu, um Formen von Online Beratung, sondern helfen dabei, Informationen zeitnah auszutauschen, Termine, Treffpunkte und Aktivitäten zu vereinbaren. Durch die aufsuchende Jugendarbeit wird klar, dass eine akzeptierende Grundhaltung gegenüber der Lebenswelt der jungen Menschen von grosser Bedeutung ist. Jungendarbeitende verstehen die Problemsichtweisen und Begrifflichkeiten der Jugendlichen und adaptieren sie weniger. Sie betrachten diese als Ausdruck und Ergebnis von Deutungen, die den Jugendlichen in ihren Handlungserfahrungen nur begrenzt zur Verfügung stehen. (Miltner, 1982, zit. in Keppeler & Reuting, 2016, S. 155).

Die Beziehungsgestaltung der Fachpersonen, welche sich auf bedingungslose Dimensionen einlassen, basiert auf Wertschätzung, Respekt und Akzeptanz. Das bedeutet, dass sie ein grundlegendes Verständnis und Interesse für das Verhalten der Jugendlichen mitbringen (S. 156). Die Fachkräfte strukturieren den Kontakt und Beziehungsaufbau, indem sie selbst entscheiden mit wem sie Kontakt aufnehmen. Die Vorgehensweise der Sozialraumanalyse hat zum Teil die Aufgabe, die Zielgruppe junger Menschen zu identifizieren, die wenige Chancen haben mitzuwirken oder von bestehenden Angeboten nicht wünschenswerte Unterstützung erhalten. Die Präsenz der Fachkräfte vor Ort birgt bereits die Gefahr, dass diese einer Intervention entspricht, welche die Lebenswelt junger Menschen beeinflusst (ebd.). Die Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene verstehen die Mobile Arbeit als

„Platzbetreuung“, die im Wesentlichen zur Sicherheit und Ordnung führen soll. Die Mobile Jugendarbeit möchte Klarheit darüber schaffen, dass sie als „erwachsene Gäste“ auftreten, da der öffentliche Raum den jungen Menschen die Perspektive bieten sollte, die Orte als „Potential- und Möglichkeitsräume“ zu erfahren (Reutlinger, 2015; zit. in Keppeler & Reuting, 2016, S. 156).

Unter strukturbedingter Sozialer Arbeit ergeben sich Herausforderungen einerseits durch die Anforderung des Sozialstaates, eine gelingende Arbeitsmarktintegration zu gewährleisten und andererseits, die jungen Menschen an die gesellschaftlichen Bedingungen zu adaptieren (ebd.). Die sozialen Zusammenhänge von jungen Menschen zu verstehen, sind wesentlich für die mobile Jugendarbeit. Überall, wo konstante Gruppenkontakte bestehen, werden Strukturen stabilisiert. Dort wo Konflikte herrschen, werden Angebote zur Gruppenentwicklung und zum Gruppenaufbau gestaltet. Strukturierung erfahren die Prozesse durch die Handlungsmaxime Partizipation. Durch die Suche gemeinsamer Wege können Strukturen realisiert werden. Meist sind das Aktivitäten, wo junge Menschen eine hohe Einsatzbereitschaft für das Gemeinwohl mitbringen (Keppeler & Reuting, 2016, S. 159). Die lebensweltorientierte Jugendarbeit unterstützt in der Lebenswelt benachteiligter junger Menschen und zeigt die Anerkennung ihrer Bedürfnisse im Gemeinwesen auf. Als Beispiel wird eine Fotoausstellung mit Botschaften junger Menschen an Orten gezeigt, wo vorbeieilende Mitbürger der Stadt mit den Aussagen der Jugendlichen konfrontiert werden (ebd.). Individuelle als auch gruppenbezogene Aktionen junger Menschen in der Öffentlichkeit, können dazu anregen ein lebensweltliches Verstehen der Erwachsenengesellschaft zu gewinnen. Um die Zusammenhänge der Strukturmängel zu erkennen, ist es von Vorteil, benachteiligte Jugendliche zur lokalen Beteiligung auf kommunaler Ebene zu stärken.

Zur Offenheit Mobiler Jugendarbeit gehört auch die Unterstützung der Bedarfslage von Mädchen und Jungen. Überall dort, wo sich Vorurteile bei der Bevölkerung aufbauen liegt die Herausforderung der mobilen Jugendarbeit darin, aktiv und tatkräftig zu sein (Keppeler & Reuting, 2016, S. 160).

Die Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit weisen eine hohe Bereitschaft auf, sich den lebensweltlichen Einblicken zur Verfügung zu stellen und dadurch Veränderungen in lokalen, regionalen und überregionalen Strukturen anzustossen. Dieser Einsatz erfordert Motivation zur Auseinandersetzung mit jungen, heranwachsenden Menschen, die mit der Eigensinnigkeit in ihren Erfahrungen die Balance in Nähe und Distanz erkennen. Gleichzeitig hinterfragen sie Deutungsmuster, um Jugendliche auf neue Ideen zu bringen und ihnen Räume für alternative Erfahrungen zu öffnen. Die Leidenschaftlichkeit für die lebensweltorientierte mobile Jugendarbeit, bestätigt sich nicht nur darin, dass Fachpersonen gut vernetzt sind, sondern die stetig fortlaufende Ausarbeitung von Methoden und Arbeitsprinzipien voranzutreiben (Keppeler & Reuting, 2016, S.

161). Die Suche nach Alternativen zur Veränderung, bedingt durch strukturelle gesellschaftliche Umstände, erweist sich als herausfordernd in ihrer Komplexität. Um die Zusammenhänge individueller Problemlagen der Jugendlichen zu verstehen müssen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit einbezogen werden (ebd.). Mitarbeitende Mobiler Jugendarbeit gestalten

das Gesamtverständnis verschiedener Disziplinen, bezogen auf die Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen, besonders in der Jugendpolitik mit (ebd.).