5. Ergebnisse
5.4. Anteile auffälliger und unauffällige Personen
5.4.2. MRT Ort
In diesem Abschnitt werden Patienten mit verschiedenen Lokalisationen der strukturellen Hirnschädigung (MRT) untereinander und mit Gesunden verglichen. Tabelle 5.4.2. zeigt Anteile auffälliger und unauffälliger Personen für die fünf Gruppen „o.b.“ (= ohne pathologischen Befund; n = 52), „temporal“ (n = 194), „frontal“ (n = 25), „multifokal“ (n = 45) und „gesund“ (n = 278) für alle Skalen und Globalskalen. Bei den Neurotizismus-Skalen hat die Gruppe „frontal“ auf vier von acht Neurotizismus-Skalen die höchsten Anteile an auffälligen Patienten, und zwar 29,4 % auf der Globalskala „Neurotizismus“, 30,4 % auf der Skala
„Sympathikus“, 28,0 % auf der Skala „Antriebsstörung“ und 33,3 % auf der Skala
„Fremdsteuerung“. Zwar liegen alle diese Anteile mindestens 10 Prozentpunkte über denen gesunder Kontrollpersonen, dennoch gibt es auf jeder der genannten Skalen mindestens eine andere Patientengruppe, die ähnlich hohe Anteile an Auffälligen aufweist wie die Gruppe
„frontal“. Die Gruppe „temporal“ hat bei den Skalen „Angst“, „Somatisierung“ und
„Zwang“ die höchsten Sensitivitäten (17,5 %; 19,3 %; 30,4 %). Auf den Skalen „Angst“ und
„Somatisierung“ sind diese Anteile jedoch gleich bzw. ähnlich hoch wie bei Gesunden. Der Anteil auf der Skala „Zwang“ liegt zwar um mehr als 10 Prozentpunkte über dem von Gesunden, die Patientengruppen unterscheiden sich hier in ihren Sensitivitäten jedoch nicht wesentlich voneinander. Auf der Skala „Hyperemotionalität“ haben Patienten ohne pathologischen MRT-Befund die höchste Sensitivität („ o.B.“ = 28,0 %). Dieser hebt sich jedoch in seiner Größe weder von den Sensitivitäten der anderen Patientengruppen, noch vom Anteil auffälliger Gesunder ab. Insgesamt ist festzustellen, dass die Sensitivitäten sehr niedrig ausfallen. Es zeigt sich bei keiner Skala eine Gruppe, die sich in der Anzahl auffälliger Personen deutlich von den anderen Gruppen unterscheidet. Insofern kann anhand der Neurotizismus-Skalen nicht zwischen Patienten mit verschiedenen MRT-Lokalisationen unterschieden werden.
Auf vier von sieben HOPS-Skalen stellt die Gruppe „multifokal“ die größten Anteile an auffälligen Patienten („HOPS“ = 28,9 %; „Kommunikationsfehler“ = 35,7 %;
„Lernprobleme“ = 35,6 %; „Hypoemotionalität“ = 28,6 %). Zwar heben diese Anteile sich um mehr als 10 Prozentpunkte von den entsprechenden Anteilen gesunder Kontrollpersonen ab. Es gibt jedoch auf jeder dieser Skalen mindestens zwei weitere Patientengruppen mit vergleichbar hohen Sensitivitäten. Auf den Skalen „Sensationssuche“, „Impulsivität“ und
„Aggression“ zeigt die Gruppe „frontal“ die höchsten Sensitivitäten (20,0 %; 28,0 %;
30,4 %). Jedoch ergeben sich auf den Skalen „Sensationssuche“ und „Impulsivität“ zwischen allen Gruppen keine deutlichen Unterschiede in den Anteilen Auffälliger. Auf der Skala
„Aggression“ liegt die Sensitivität der Gruppe „frontal“ zwar über dem Anteil auffälliger Gesunder, von den Gruppen „temporal“ und „multifokal“ (23,0 % bzw. 22,2 %) hebt sich die Gruppe „frontal“ jedoch nicht deutlich genug ab. Zusammenfassend erweist sich bei insgesamt niedrigen Sensitivitäten keine Skala als geeignet für die eindeutige Differenzierung zwischen den MRT-Lokalisationen. Die Anteile auffälliger Personen in den verschiedenen Lokalisationsgruppen liegen größenmäßig häufig dicht beieinander, so dass Auffälligkeiten in einer bestimmten Skala nicht als spezifisch für eine bestimmte Lokalisationsgruppe angesehen werden können. Die Tatsache, dass die Gruppe „multifokal“ in mehr als der Hälfte der Skalen die höchsten Sensitivitäten aufweist, könnte jedoch darauf hinweisen, dass Patienten mit großen, lappenübergreifenden Schädigungen am ehesten durch eine hirnorganisch veränderte Persönlichkeit auffallen. Zudem würde eine erhöhte Anzahl auffälliger frontal geschädigter Patienten auf den Skalen „Sensationssuche“, „Impulsivität“
und „Aggression“, wie sie sich hier als diskreter Trend zeigt, durchaus mit der bestehenden Literatur über Verhaltensauffälligkeiten bei frontalen Hirnschädigungen im Einklang stehen.
Auch auf der Mehrzahl der Extraversions-Skalen hat die Gruppe „multifokal“ die höchsten Sensitivitäten („Extraversion“ = 45,0 %; „Selbststeuerung“ = 65,1 %;
„Stimmung“ = 48,9 %). Während sich diese Anteile der Gruppe „multifokal“ auf den Skalen
„Selbststeuerung“ und „Stimmung“ von denen der anderen Gruppen um mehr als 10 Prozentpunkte abheben, zeigt sich auf der Globalskala „Extraversion“ eine ähnlich hohe Sensitivität in der Gruppe „temporal“ (41,3 %). Auf den Skalen „Kommunikationsstärke“
und „Neuheit“ hat die Gruppe „temporal“ die höchsten Sensitivitäten (37,1 % bzw. 34,0 %).
Zwar liegt die Sensitivität der Gruppe „temporal“ auf der Skala „Kommunikationsstärke“
über dem Anteil auffälliger Gesunder (21,5 %). Die Sensitivitäten der Patientengruppen untereinander sind auf dieser Skala jedoch in ihrer Größe vergleichbar.
Tabelle 5.4.2.: Auffällige Personen (n und %) für alle Skalen und Globalskalen für die Variable „MRT Ort“
o.B. temporal frontal multifokal gesund
„MRT Ort“
Skala % n % n % n % n % n
auffällig 11,4 5 19,6 30 29,4 5 18,4 7 15,0 39
Neurotizismus
unauffällig 88,6 39 80,4 123 70,6 12 81,6 31 85,0 221
auffällig 16,3 8 17,9 32 30,4 7 22,2 10 18,7 51
Sympathikus
unauffällig 83,7 41 82,1 147 69,6 16 77,8 35 81,3 222
auffällig 15,7 8 17,5 32 16,0 4 14,0 6 17,5 48
Angst
unauffällig 84,3 43 82,5 151 84,0 21 86,0 37 82,5 227
auffällig 8,2 4 19,3 34 20,0 4 17,1 7 17,8 48
Somatisierung
unauffällig 91,8 45 80,7 142 80,0 16 82,9 34 82,2 222
auffällig 28,0 14 24,9 47 25,0 6 25,6 11 23,6 65
Hyperemotionalität
unauffällig 72,0 36 75,1 142 75,0 18 74,4 32 76,4 211
auffällig 27,5 14 30,4 58 25,0 6 26,7 12 19,6 54
Zwang
unauffällig 72,5 37 69,6 133 75,0 18 73,3 33 80,4 221
auffällig 14,3 7 23,0 44 28,0 7 24,4 11 17,0 47
Antriebsstörung
unauffällig 85,7 42 77,0 147 72,0 18 75,6 34 83,0 229
auffällig 25,5 13 28,3 53 33,3 8 27,3 12 22,8 63
Fremdsteuerung
unauffällig 74,5 38 71,7 134 66,7 16 72,7 32 77,2 213
auffällig 13,0 6 22,1 38 27,3 6 28,9 11 16,2 44
HOPS
unauffällig 87,0 40 77,9 134 72,7 16 71,1 27 83,8 228
auffällig 17,6 9 12,7 24 20,0 5 15,9 7 17,3 48
Sensationssuche
unauffällig 82,4 42 87,3 165 80,0 20 84,1 37 82,7 229
auffällig 21,2 11 26,9 50 32,0 8 35,7 15 16,6 46
Kommunikationsfehler
unauffällig 78,8 41 73,1 136 68,0 17 64,3 27 83,4 231
auffällig 18,4 9 23,0 43 28,0 7 25,0 11 18,1 50
Impulsivität
unauffällig 81,6 40 77,0 144 72,0 18 75,0 33 81,9 227
auffällig 32,0 16 29,2 56 32,0 8 35,6 16 23,9 66
Lernprobleme
unauffällig 68,0 34 70,8 136 68,0 17 64,4 29 76,1 210
auffällig 15,7 8 23,0 44 30,4 7 22,2 10 17,3 48
Aggression
unauffällig 84,3 43 77,0 147 69,6 16 77,8 35 82,7 230
auffällig 20,4 10 18,9 36 20,8 5 28,6 12 15,2 42
Hypoemotionalität
unauffällig 79,6 39 81,1 154 79,2 19 71,4 30 84,8 234
auffällig 27,1 13 41,3 74 22,7 5 45,0 18 15,8 43
Extraversion
unauffällig 72,9 35 58,7 105 77,3 17 55,0 22 84,2 230
auffällig 30,6 15 37,1 69 33,3 8 34,1 15 21,5 59
Kommunikationsstärke
unauffällig 69,4 34 62,9 117 66,7 16 65,9 29 78,5 216 auffällig 47,1 24 53,1 103 40,0 10 65,1 28 27,3 76 Selbststeuerung
unauffällig 52,9 27 46,9 91 60,0 15 34,9 15 72,7 202
auffällig 27,5 14 34,0 64 24,0 6 27,9 12 19,5 54
Neuheit
unauffällig 72,5 37 66,0 124 76,0 19 72,1 31 80,5 223
auffällig 23,5 12 33,7 64 26,1 6 48,9 22 17,4 48
Stimmung
unauffällig 76,5 39 66,3 126 73,9 17 51,1 23 82,6 228
auffällig 2,7 1 10,2 13 0,0 0 9,1 3 14,8 32
Sucht
unauffällig 97,3 36 89,8 114 100,0 13 90,9 30 85,2 184
auffällig 5,4 2 6,2 8 0,0 0 8,8 3 16,1 35
Legale Sucht
unauffällig 94,6 35 93,8 121 100,0 14 91,2 31 83,9 182
auffällig 17,3 9 17,6 33 8,7 2 11,1 5 20,3 56
Essen & Sucht
unauffällig 82,7 43 82,4 154 91,3 21 88,9 40 79,7 220
auffällig 12,0 6 18,4 34 16,7 4 18,2 8 15,3 42
Kultur & Sucht
unauffällig 88,0 44 81,6 151 83,3 20 81,8 36 84,7 233
auffällig 17,6 9 29,0 54 29,2 7 28,9 13 23,9 66
Pathologische Sucht
unauffällig 82,4 42 71,0 132 70,8 17 71,1 32 76,1 210
auffällig 20,4 10 28,0 53 16,7 4 25,0 11 23,6 65
Wahn
unauffällig 79,6 39 72,0 136 83,3 20 75,0 33 76,4 210
auffällig 13,8 4 17,3 17 0 0 20,8 5 15,1 30
FPZ-Gesamtscore
unauffällig 86,2 25 82,7 81 100 8 79,2 19 84,9 169
Auch auf der Skala „Neuheit“ liegt die Sensitivität der Temporalen über dem Anteil auffälliger Gesunder (19,5 %). Hier sind es jedoch die Sensitivitäten der Gruppen „o.B.“ und
„multifokal“ (27,5 % bzw. 27,9 %), die mit der Gruppe „temporal“ vergleichbar sind.
Insgesamt sind die Sensitivitäten auf den Extraversions-Skalen bei allen Lokalisationsgruppen höher als auf den Neurotizismus-, HOPS- und Sucht-Skalen. Die meisten Lokalisationsgruppen unterscheiden sich jedoch in ihren Anteilen auffälliger Personen auf den verschiedenen Skalen nicht wesentlich voneinander. Erneut ergeben sich jedoch Hinweise auf eine besondere Beeinträchtigung von Patienten mit multifokalen Schädigungen: Diese Gruppe hat erneut in der Mehrzahl der Skalen die höchsten Sensitivitäten. Zudem liegen diese zumindest auf den Skalen „Selbststeuerung“ und „Stimmung“ größenmäßig ein Stück über den Sensitivitäten der anderen Lokalisationsgruppen.
Auf drei von fünf Sucht-Skalen weisen Gesunde die höchsten Anteile an Auffälligen auf („Sucht“ = 14,8 %; „Legale Sucht“ = 16,1 %; „Essen & Sucht“ = 20,3 %). Auf der Skala „Kultur & Sucht“ hat die Gruppe „temporal“ die höchste Sensitivität (18,4 %), auf der Skala „Pathologische Sucht“ ist es die Gruppe „frontal“ (29,2 %). Diese Sensitivitäten sind jedoch ähnlich hoch wie die Anteile auffälliger Gesunder („Kultur & Sucht“ = 15,3 %;
„Pathologische Sucht“ = 23,9 %). Insgesamt werden in den Patientengruppen im Vergleich zu Gesunden meist weniger Personen auffällig. Damit kann man hier wie bereits beim Vergleich der Gesamtgruppe der Patienten mit Gesunden (Abschnitt 5.4.1.) sagen, dass Patienten allgemein seltener oder höchstens ähnlich häufig wie Gesunde auffällige Sucht-Werte aufweisen. Die Sensitivitäten sind insgesamt sehr niedrig und zwischen den Lokalisations-Gruppen zu wenig verschieden, um eine Differenzierung zu erlauben.
Auf der Skala „Wahn“ weist die Gruppe „temporal“ die höchste Sensitivität auf (28,0 %). Allerdings haben Gesunde hier einen ähnlich hohen Anteil an Auffälligen (23,6 %).
Auch die Sensitivitäten der meisten Patientengruppen liegen nah beieinander. Damit kann die Skala „Wahn“ eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Gruppen nicht leisten. Im FPZ-Gesamtscore weist die Gruppe „multifokal“ die höchsten Sensitivität auf (20,8 %). Die Sensitivitäten der verschiedenen Patientengruppen liegen jedoch insgesamt dicht beieinander und unterscheiden sich auch nicht wesentlich vom Anteil auffälliger Gesunder. Es fällt lediglich auf, dass aus der Gruppe „frontal“ kein Patient auffällig wird. Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass aufgrund von Missings nur für acht Patienten der Gruppe
„frontal“ ein FPZ-Gesamtscore gebildet werden konnte.