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2 HOCHSCHULZUGANG UND STUDIENMOTIVE

2.4 Motive der Fachwahl

Die Gründe, warum Studierende sich für ein Fach entscheiden, lassen sich verschiedenen Dimensionen zuordnen. Zum einen können ideelle Motive im Vordergrund stehen, wie das Interesse am Fach oder der Glaube an die eigene Begabung. Zum anderen können be-rufsbezogene Motive ausschlaggebend sein, wie ein fester Berufswunsch oder die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten. Und drittens mögen materielle Motive für die Studienwahl wichtig sein, wie Einkommen und Aufstiegs-chancen. Diese Gründe können vorrangiger Natur sein (sehr wichtig) und damit das Hauptmotiv bilden, oder sie sind als nachge-ordnet anzusehen (eher wichtig).

Hauptmotiv: spezielles Fachinteresse Für fast alle Studierenden waren ideelle Gründe für ihre Studienfachwahl eher oder sehr wichtig. Sie haben eine höhere Priorität als materielle oder berufsorientierte Motiv-bündel. Am wichtigsten war den Studieren-den das spezielle Fachinteresse. Es ist im Ver-gleich zur eigenen Begabung weit mehr Stu-dierenden besonders wichtig (vgl. Tabelle 22).

Der hohe Stellenwert des Fachinteresses bei der Fachwahl kann die Motivation im Studium stärken. Daher erscheint es bemer-kenswert, dass 30% der Studierenden ohne ein hohes Fachinteresse ihr Studium aufnehmen.

Von den beiden berufsorientierten Moti-ven der Fachwahl hat die Vielfalt der berufli-chen Möglichkeiten für mehr Studierende ein größeres Gewicht (49%) als der feste Berufs-wunsch (29%).

Tabelle 22

Wichtigkeit von Motiven für die Studienfachwahl (1985-2004)

(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig, Angaben in Prozent für Kategorien: 3-4 = eher wichtig, 5-6 = sehr wichtig)

Früheres Bundesgebiet Deutschland

Motive ideell 1985 1987 1990 1993 1995 1998 2001 2004 spezielles Fachinteresse

eher wichtig 26 26 25 28 26 26 26 25 sehr wichtig 68 68 69 66 69 68 68 70 eigene Begabung

eher wichtig 42 43 41 42 41 40 39 38 sehr wichtig 49 50 52 50 52 53 55 57 Motive berufsbezogen

fester Berufswunsch

eher wichtig 31 32 32 34 34 33 32 33 sehr wichtig 30 32 31 30 31 30 30 29 berufliche Möglichkeiten

eher wichtig 28 30 30 32 32 31 32 33 sehr wichtig 48 50 50 49 49 50 51 49 Motive materiell

Einkommenschancen

eher wichtig 40 42 42 43 44 43 41 43 sehr wichtig 16 18 17 19 18 19 22 22 sicherer Arbeitsplatz

eher wichtig 32 33 31 36 37 37 37 39 sehr wichtig 23 26 26 29 26 23 26 30 Führungsposition

eher wichtig 26 28 28 31 32 30 32 32 sehr wichtig 15 17 16 16 16 16 18 17 Quelle: Studierendensurvey 1983-2004, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.

Die Wahl eines Studienfaches legt noch keinen spezifischen beruflichen Bereich fest, ein feststehender Berufswunsch dagegen eher. Sind die vielfältigen beruflichen Mög-lichkeiten besonders wichtig, wird ein defini-tiver Tätigkeitsbereich bewusst offen gehal-ten. Steht der Berufswunsch fest, dann ist die zukünftige Planung im Grunde abgeschlossen und das Studium dient vorrangig der Vorbe-reitung auf dieses Berufsziel.

Die materiellen und karriereorientierten Motive sind selten Hauptgründe für die

Fach-wahl , denn auffällig häufiger wird die Ant-wort ’eher wichtig’ gegeben, d.h. diese Motive stehen kaum im Vordergrund, haben aber dennoch einige Bedeutung. Den höchsten Stellenwert unter den materiellen Motiven nimmt die Arbeitsplatzsicherheit ein (30%), also ein Motiv, das die materielle Stabilität in defensiver Weise betont. Etwas weniger wich-tig ist die Chance auf ein gutes Einkommen (22%). Die Aussicht auf eine Führungsposition ist den Studierenden insgesamt am seltensten ein sehr wichtiges Studienmotiv (17%).

Arbeitsplatzsicherheit ist als Motiv der Fachwahl wichtiger geworden

Die Zeitreihe lässt seit Mitte der 80er Jahre Veränderungen in der Wichtigkeit der Motive erkennen. Die Bedeutung der materiellen Mo-tive hat zugenommen. Insbesondere gilt dies für die Aussicht auf einen sicheren Arbeits-platz. Die Zunahme von 55% auf 69% („eher wichtig“ +“sehr wichtig“ zusammen) muss dem unsicherer gewordenen Arbeitsmarkt zugerechnet werden (vgl. Tabelle 22).

Die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten ist den Studierenden ebenfalls wichtiger ge-worden, wenn auch nicht vorrangig als beton-tes Hauptmotiv. Das kann einerseits mit den unsicheren Berufsaussichten in Zusammen-hang stehen, andererseits mit der häufig noch offenen Berufswahl.

Der Glaube an die eigene Begabung ist als Motiv ebenfalls etwas in den Vordergrund getreten, wobei sich gleichzeitig die Gewich-tungen leicht verschoben haben. Sie ist häufi-ger in den Rang eines vorrangigen Motivs (als

„sehr wichtig“) bei der Fachwahl getreten.

Berufsbezogene und materielle Motive sind an den Fachhochschulen wichtiger Den Studierenden an den Fachhochschulen sind sowohl die berufsbezogenen als auch die materiellen Motive wichtiger bei der Wahl ihres Studienfaches (vgl. Abbildung 10). Sie kommen eher als Hauptgründe in Frage, da die Studierenden häufiger die Antwort ’sehr wichtig’ anführen als an den Universitäten.

Diese Unterschiede korrespondieren da-mit, dass die Fachhochschulen stärker der beruflichen Anwendung dienen, also eher auf

spezifische Einstellungen hin ausbilden als die Universitäten. Die klassischen Professionen wie Jura und Medizin sind an den Universitä-ten angesiedelt, sie sind von jenen Fachrich-tungen zu unterscheiden, die mehr auf

„Employability“ ausgerichtet sind, wie die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften.

Für Studentinnen sind materielle Motive unwichtiger

Den Studentinnen war der feste Berufswunsch als Motiv häufiger wichtig für die Wahl ihres Studienfaches, an den Universitäten wie an den Fachhochschulen.

Die Einkommenschancen und die Arbeits-platzsicherheit haben für die Studentinnen seltener eine hohe Priorität als für die männli-chen Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen. Besonders aber war ihnen die Möglichkeit auf eine Führungsposition deutlich unwichtiger (vgl. Abbildung 10).

Werden nur die Hauptmotive betrachtet, wird vor allem an den Universitäten ersicht-lich, dass die Studentinnen etwas größeren Wert auf das Fachinteresse und die eigene Begabung legen. Studentinnen wählen ihr Studium weniger der späteren materiellen Vorteile wegen, sondern häufiger für ihre berufliche Qualifizierung und Entfaltung.

Ideelle Motive haben nicht in allen Fächern die höchste Priorität

Die Studienmotive differieren stark zwischen den verschiedenen Fächergruppen an den Universitäten und Fachhochschulen, wobei die Unterscheidung nach Haupt- und Zweit-gründen aufschlussreiche Ergebnisse liefert.

Abbildung 10

Fachwahlmotive an Universitäten und Fachhochschulen nach Geschlecht (2004) (Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig; Angaben in Prozent für Kategorien: 3-6 = wichtig)

Universitäten

94

94

56

81

68

70

55

95

95

63

81

62

67

41

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Fachinteresse

Begabung

Berufswunsch

Berufsmöglichkeiten

Einkommen

Arbeitsplatzsicherheit

Führungsposition

F achho chschulen

94

94

67

89

76

81

67

94

94

75

89

68

74

57

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Fachint eresse

Begabung

Berufswunsch

Beruf smöglichkeiten

Einkommen

Arbeitsplatzsicherheit

Führungsposit ion

M änner Frauen

Quelle: Studierendensurvey 1983-2004, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.

Das ideelle Motiv des speziellen Fachinte-resses hat zwar für alle Studierenden eine ho-he Bedeutung, allerdings spielt es nicht in allen Fächern die größte Rolle. In der Rechts- und den Wirtschaftswissenschaften (auch an den Fachhochschulen) war es nicht das wich-tigste Motiv für die Studierenden gewesen, sondern die Vielfalt der beruflichen Möglich-keiten waren hier wichtiger.

Am wichtigsten war das Fachinteresse in-des in den Naturwissenschaften und der Medi-zin, über 80% nennen es als Hauptmotiv.

Die eigene Begabung war insbesondere in den Kulturwissenschaften und dem Sozialwe-sen an den Fachhochschulen ein vorrangiger Grund für die Fachwahl. Im Vergleich dazu spielte sie in der Rechtswissenschaft und den Wirtschaftswissenschaften nur eine unterge-ordnete Rolle, obwohl sie als Mitgrund häufig genannt wird (vgl. Tabelle 23).

Fester Berufswunsch bei Professionen Der feste Berufswunsch hat bei den Studie-renden der Medizin eine vergleichsweise große Bedeutung. 57% nennen ihn als Haupt-motiv. In der zweiten klassischen Profession, der Rechtswissenschaft, war der Berufs-wunsch nur etwas häufiger wichtig als bei Studierenden anderer Fächergruppen. Da die Vielfalt beruflicher Möglichkeiten eine weit größere Rolle spielt, ist zu vermuten, dass das Berufsbild des Juristen eine breitere Streuung aufweist und die Vorstellung einer Kanzlei nicht im Vordergrund steht. Dazu kommt, dass das Studium vorrangig auf den Richter-beruf ausbildet, den nicht die Mehrzahl der Studierenden aufnehmen kann.

Die größere Professionsbezogenheit in der Medizin ist dagegen verständlich, da ein Medizinstudium bereits in der Vorstellung eng mit der ärztlichen Tätigkeit verbunden ist, welche die Mehrheit der Studierenden anstrebt. Alternative Möglichkeiten sind eher rar. Dass dennoch nicht die große Mehrheit einen festen Berufswunsch äußert, mag an der noch offenen Spezialisierung des fachärztli-chen Bereichs liegen.

Das andere berufsbezogene Motiv, die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten, ist für die Studierenden der Rechts- und der Wirt-schaftswissenschaften sowie im Sozial- und im Wirtschaftswesen von besonders hoher Be-deutung. Annähernd drei von vier Studieren-den bezeichnen es als eines ihrer Hauptmoti-ve (vgl. Tabelle 23).

Auffällig seltener war die Berufsvielfalt für die Studierenden der Kultur- und Naturwis-senschaften ein wichtiger Grund für die Fach-wahl: nur etwa einem Drittel. Dafür sind zum einen die Lehramtsstudierenden verantwort-lich, deren Berufsziel „Lehrer“ im Schuldienst weitgehend definiert ist und andere Berufsop-tionen ausschließt. Zum anderen nennen die Magister der Kulturwissenschaften ebenfalls unterdurchschnittlich oft diesen Grund, wes-halb die vielfältigen Möglichkeiten auch von ihnen eher als Notwendigkeit denn als Vorteil erachtet werden dürften, jedenfalls treten sie gegenüber dem Fachinteresse stark zurück.

Karriere ist in den Wirtschaftswissen-schaften wichtig

Die karriereorientierten Motive sind in den Wirtschaftswissenschaften besonders wichtig.

Tabelle 23

Wichtigkeit der Motive der Fachwahl nach Fächergruppen (2004)

(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig, Angaben in Prozent für Kategorien: 3-6 = wichtig / davon: 5-6 = sehr wichtig)

Universitäten Fachhochschulen

Motiv war Kult. Soz. Rechts- Wirt. Medi- Nat. Ing. Soz. Wirt. Ing.

wichtig: wiss. wiss. wiss. wiss. zin wiss. wiss. wiss. wiss. wiss.

Ideelle Motive

Fachinteresse 96 93 90 89 97 98 95 95 89 96 davon: sehr wichtig 77 71 52 48 82 80 67 72 52 74 Begabung 98 94 89 90 94 96 93 96 92 93 davon: sehr wichtig 70 57 37 43 54 60 54 70 38 56

Berufsbezogene Motive

Fester Berufswunsch 57 58 63 56 84 56 58 78 63 72 davon: sehr wichtig 28 27 32 20 57 22 23 39 23 29 Berufliche

Möglichkeiten 69 83 92 94 82 76 88 92 95 86 davon: sehr wichtig 31 47 71 73 49 37 50 72 75 48 Karriere- und

Materielle Motive

Einkommen 52 52 83 90 63 64 72 43 87 76 davon: sehr wichtig 12 10 35 47 17 19 24 9 47 27 Arbeitsplatz-

Sicherheit 54 57 74 89 72 72 74 68 90 73 davon: sehr wichtig 19 19 26 50 32 30 37 19 52 37 Führungsposition 27 34 74 81 50 43 58 34 83 64 davon: sehr wichtig 5 8 31 41 17 11 18 7 49 21 Quelle: Studierendensurvey 1983-2004, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.

Das gilt sowohl an den Universitäten wie an den Fachhochschulen. Besonders groß ist der Abstand zu den Kultur- und Sozialwissen-schaften, bei denen diese Motive den gerings-ten Stellenwert besitzen.

In Kombination mit der hohen Bedeutung der Karriere kann die Wichtigkeit der Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten als Studienmo-tiv in den Wirtschaftswissenschaften neu eingeordnet werden. Weniger scheint eine

noch offenstehende Entscheidung der beruf-lichen Tätigkeit oder die Flexibilität der Be-rufsfelder im Vordergrund zu stehen, sondern vielmehr die ausbildungsbezogenen Mög-lichkeiten, im Beruf der eigenen Karriere die Wege offen zu halten.

Die materiellen Motive zeigen relativ gro-ße Differenzen zwischen ihrer Bedeutung als Haupt- und als Mitgrund für die Fachwahl.

Der größte Unterschied findet sich dabei beim

Einkommen. Auch wenn nur einem kleineren Teil der Studierenden ein gutes Einkommen im Beruf besonders wichtig ist, so haben sie für einen größeren Teil dennoch einige Be-deutung. Ähnliches zeichnet sich für das Motiv der Arbeitsplatzsicherheit ab. Es hat für die Studierende einige Bedeutung, nur wird es nicht primär zur Entscheidung heran-gezogen.