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6. Diskussion

6.2. Motivation

Die Motivation der Greifswalder Medizinstudierenden nimmt im Verlauf der Semester signifikant gegenüber dem Ausgangsniveau ab, insbesondere die intrinsische Motivation lässt nach (siehe Abbildung 6 und 7). Allerdings bleibt die Motivation im Mittel der Zeitpunkte bei ca. 80 % der Studierenden hoch. Nach dem bestandenen Physikum zeigt sich im fünften

Semester eine kurze Erholung der Motivation (vergleichbar mit der emotionalen Erschöpfung), welche aber signifikant geringer bleibt als zu Studienbeginn. Vergleichbare Ergebnisse bezogen auf die Entwicklung der Motivation berichten neben Lucchetti et al. (2018) Fabry und Giesler (2007). In ihrer Studie an Medizinstudierenden in den ersten Studienjahren nimmt die anfangs hohe Studienmotivation der Studierenden bereits im ersten Semester stark ab, bleibt aber wie auch in der Greifswalder Stichprobe auf hohem Niveau erhalten. Als mögliche Ursachen für eine abnehmende Motivation nennen Fabry und Giesler neben dem Leistungsdruck der vorklinischen Ausbildung auch familiäre Belastungen, Schwierigkeiten mit der Finanzierung und Studiums und Faktoren der Lernumgebung. Für die Lernumgebung beschreiben Hiemisch et al. (2005) an einer früheren Kohorte Greifswalder Medizinstudierender eine signifikante Abnahme der Zufriedenheit mit den Studieninhalten und –bedingungen sowie der wahrgenommenen Realisierbarkeit der Studienziele vom ersten zum zweiten Semester. Dazu passend sinkt insbesondere die intrinsische Motivation der Studierenden an der Universitätsmedizin im Verlauf der Semester. Die Medizinstudierenden weisen aber zu allen Zeitpunkten eine hohe, vorrangig intrinsische Motivation auf (vgl. Lucchetti et al., 2018;

Kolbert-Ramm, 2011; Willich et al., 2011; Strube et al., 2011; Fabry und Giesler, 2007; Sobral, 2004). Ausbleibender Erfolg und fehlendes Feedback können eine Abnahme der intrinsischen Motivation bedingen (Jennings, 2009; Maslach et al., 2001). Dementgegen nimmt die extrinsische Motivation, wenngleich nicht signifikant zu (vgl. Lucchetti et al., 2018; Strube et al., 2011). Bei Fabry und Giesler (2007) werden ebenfalls hauptsächlich intrinsische Studien- und Berufsziele angegeben. Extrinsische Studienziele werden, wie von den Greifswalder Studierenden die statusbezogenen Motive, als relevant bewertet, vor allem bei den männlichen Studenten.

Für die vorliegende Stichprobe der Greifswalder Medizinstudierenden wird ein signifikanter Einfluss der Motivation zum und im Studium auf die Burnout-Gefährdung nachgewiesen. Eine im Verlauf des Studiums abnehmende Motivation bedingt ein höheres Burnout-Erleben in allen drei Dimensionen (vgl. Boni et al., 2018). Außerdem zeigt sich, dass vorranging intrinsische Studienmotive eine protektive Wirkung gegenüber der Entwicklung eines Burnouts haben. Die Abnahme der intrinsischen Motivation wirkt sich signifikant negativ auf die persönliche Leistungsfähigkeit aus und erhöht den Grad an Zynismus. Anders ausgedrückt, die Studieninhalte werden zunehmend als wenig interessant und relevant empfunden, sodass eine Distanz gegenüber den Lerninhalten besteht, die in der Folge nicht mehr effizient erarbeitet

Studierenden noch hoch motiviert. Frustration und Unzufriedenheit mit dem Studium werden aber bereits in den ersten Semestern beschrieben (Hiemisch et al., 2005). Nach Maslach et al.

(2001) sind vor allem Personen mit einer anfangs hohen Motivation Burnout-gefährdet, da sie einen Motivationsverlust erleiden.

Auf Grund des signifikanten Einflusses der abnehmenden Motivation und dabei insbesondere der intrinsischen Motivation nicht nur auf die Burnout-Gefährdung, sondern auch auf die akademische Leistungsfähigkeit weisen die vorliegenden Ergebnisse darauf hin, dass bereits frühzeitig im Studium Maßnahmen ergriffen werden sollten, die die Motivation der Studierenden erhalten (Scholz et al., 2018; Lucchetti et al., 2018). Dazu sollten die Zufriedenheit mit den Studieninhalten und deren Realisierbarkeit gesteigert werden und die größten Stressoren wie z. B. enorme Lernbelastungen, Leistungs- und Zeitdruck bei nur geringer erlebter Unterstützung durch die Lehrenden reduziert werden (vgl. Dyrbye et al. 2009;

Jennings, 2009; IsHak et al. 2013). Denkbare Maßnahmen sind eine Entzerrung der Studieninhalte der Vorklinik und die frühe Implementierung von klinisch relevantem Wissen (Jennings, 2009), sodass die intrinsische Motivation erhalten bleibt. Zudem kann der Lernalltag über das Angebot digitaler Lerninhalte für die Studierenden flexibler gestaltet werden, sodass auf individuelle Lernstrategien oder Tagesabläufe und, wo immer möglich, auf Interessen Rücksicht genommen werden kann. Über ein Tutoren- oder Mentoring-Programm (z. B. durch Kommiliton*innen höherer Semester oder Assistenzärzt*innen) kann Studierenden eine persönliche Rückmeldung zu ihrem Leistungsstand gegeben werden und zugleich ein Erfahrungsaustausch über extracurriculäre Probleme stattfinden (IsHak et al., 2013).

Insbesondere in den Übergangsphasen zu Studienbeginn und in die klinische Ausbildung bedarf es vermehrter Unterstützung und Beratung. Die Ergebnisse legen außerdem nahe, dass die Einrichtung längerer Einheiten ohne Pflichtveranstaltungen protektiv gegen den Motivationsverlust und das Burnout-Erleben wirken. Auf diese Weise wird nicht nur der Lernstress reduziert, die Studierenden können darüber hinaus auch selbstbestimmte bzw.

intrinsisch motivierte Entscheidungen treffen.

6.3. Typ-A-Verhalten

Ein Typ-A-Verhalten erhöht in der vorliegenden Stichprobe das Risiko für ein Burnout-Syndrom. 73 % der Medizinstudierenden zeigen eher ein Typ-A- als ein Typ-B-Verhalten.

Studierende, die eher ein Typ-A-Verhalten aufweisen, sind häufiger emotional erschöpft und

zynisch. Die persönliche Leistungsfähigkeit ist reduziert (vgl. Maslach, 2001). Das Geschlecht zeigt einen signifikanten Einfluss auf das A-Verhalten. Studentinnen weisen eher ein Typ-A-Verhalten auf, erstaunlicherweise aber keine signifikant höhere Burnout-Gefährdung. Es liegen nur wenige vergleichbare Arbeiten vor, die das Typ-A-Verhalten von Medizinstudierenden untersuchen. Rosal et al. (1997) finden unter Verwendung der Bortner-Scale vergleichbare Ergebnisse, auch hier weisen Studentinnen signifikant höhere Punktwerte auf als ihre Kommilitonen. Dementgegen finden Hisam et al. (2014) in einer deskriptiven Studie an pakistanischen Medizinstudierenden keine signifikanten Geschlechterunterschiede, beobachten aber auch ein häufigeres Auftreten des Typ-A-Verhaltens bei Frauen. In ihrer Studie weisen aber insgesamt nur 10,8 % der Studierenden ein Typ-A-Verhalten auf. Die Vergleichbarkeit ist aber durch eine andere Operationalisierung und ethnische Abweichungen deutlich eingeschränkt. Denkbar ist eine Überschätzung des Typ-A-Verhaltens in der Greifswalder Stichprobe auf Grund des Effektes der sozialen Erwünschtheit in der Selbsteinschätzung.

Die bewusste Wahrnehmung von Typ-A-Verhaltensweisen und das Wissen um deren möglichen, negativen Einfluss auf das Stresslevel und die Burnout-Gefährdung bietet Möglichkeiten zur Prävention. Studierende können auf entsprechende Verhaltensweisen aufmerksam gemacht werden und z. B. ein Training in Stress- und Zeitmanagement erhalten.

Zudem kann bei der Erstellung des Lehrplans den Tendenzen zum Wetteifer und dem bestehenden Zeitdruck entgegengewirkt werden. Werden beispielsweise keine Noten verteilt und ein mündliches Feedback zu Prüfungsleistungen gegeben, können die Studierenden individuell beurteilt werden, ohne sich vergleichen zu müssen. Stress darf nicht als Anreiz oder gar Belohnung für die eigene Leistung wahrgenommen werden.