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4. Untersuchungen am System HN 3 -NaCl(100)

4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN 3 -NaCl(100)

4.3.7. Die Monolagenstruktur

In Anbetracht neuerer experimenteller Befunde wurden, basierend auf Arbeiten von Kampshoff und Hustedt [62,133], Simulationen der ν2-Spektren des Systems HN3-NaCl(100) durchgeführt. Dabei wird auf der Grundlage eines Modells der klassischen Elektrodynamik, welches die Dipol-Dipol-Wechselwirkungen zwischen den adsorbierten Molekülen berücksichtigt, eine Adsorbatüberstruktur systematisch variiert, bis sich eine optimale Über-einstimmung mit den experimentellen Daten ergibt. Als Ergebnis der Simulation erhält man die Absorption als Funktion der Wellenzahl. Bereits Paszkiewicz hat eine Spektrensimulation für das Adsorbat HN3-NaCl(100) durchgeführt und eine gute Anpassung für pg-Symmetrie

4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN3-NaCl(100) 109 erzielt [21] - daher sei bezüglich einer genaueren Einführung auf diese Arbeit verwiesen. Wird jedoch der experimentell gefundene, geringe Neigungswinkel der Spezies I (vgl. Abschnitt 4.3.4.) bei der Simulation der ν2 mit einbezogen, so ergibt sich eine deutlich bessere Anpassung der simulierten Spektren an das Experiment, was in Abb. 4.3.11 anhand der Darstellung der gemessenen und simulierten Spektren im Bereich der ν2 bei Monolagenbedeckung zum Ausdruck kommt. Allerdings treten im Vergleich zu der von Paszkiewicz durchgeführten Simulation keine wesentlichen Abweichungen bezüglich der Lagen der Molekülschwerpunkte in der Adsorbatelementarzelle auf.

Wellenzahl [cm-1]

Abb. 4.3.11: Gegenüberstellung eines gemessenen (durchgezogene Linie) und eines simulierten (gepunktete Linie) Spektrums im Bereich der ν2 bei Monolagenbedeckung.

Gemessenes Spektrum entspricht dem in Abb. 4.3.2 gezeigten.

Die bei den simulierten, aber nicht bei den gemessenen Spektren in s-Polarisation beobachtete geringe Absorption bei 2162 cm-1 kommt durch Kopplung der energetisch unterschiedlichen

4. Untersuchungen am System HN3-NaCl(100) 110

Spezies zustande [21,133]; insofern beschreibt die Simulation einen Effekt der experimentell nicht in jedem Fall beobachtet werden konnte.

Die Ergebnisse aus den oben beschriebenen Experimenten und der Simulation zusammen-gefaßt ermöglicht den in Abb. 4.3.12 gezeigten Strukturvorschlag bezüglich der lokalen Geometrie der beiden energetisch unterschiedlichen Adsorbatspezies und der Anordnung der Moleküle in der Elementarzelle. Die Lagen der Molekülschwerpunkte werden aus der Spektrensimulation gewonnen; die lokale Geometrie ergibt sich unter Berücksichtigung der Neigungswinkel der Übergangsdipole der ν1- und der ν2-Moden in Anbetracht der Tatsache, daß die CS-Ebene des Moleküls von der NH- und der NNN-Bindung aufgespannt wird.

Die Lagen der Molekülschwerpunkte werden aus der Spektrensimulation gewonnen; wegen der für pg-Symmetrie gefundenen optimalen Anpassung müssen die Moleküle in der Elementarzelle dieser Symmetrie genügen, was in Abb. 4.3.12 durch die Gleitspiegelebene g zum Ausdruck gebracht wird. Die Orientierung der H-Brücken erfolgt entsprechend den Ergebnissen des Abschnitts 4.3.2. zur Spektrengestalt im Bereich der ν1 und denen des Abschnitts 4.3.6. zur Matrixuntersuchung. So ist die Spezies I flach zur Oberfläche orientiert und weist einen intermolekularen Winkel ϕI = 43° ± 5° auf; das Nα befindet sich nahezu direkt über einem Na+ der Substratoberfläche. Diese Spezies bildet über seine NH-Bindung mit der Spezies II eine H-Brücke aus und verknüpft damit zwei HN3-Moleküle zu einem Dimer (vgl. Frequenzlagen der Dimerabsorptionen in der Matrix im Bereich der ν2 und der ν1

mit denen der Monolage). Der intermolekulare Winkel zwischen den NH-Moden dieser Spezies wurde im Experiment zu ϕCD = 170° ± 5° bestimmt - falls C die In-Phase-Mode des Korrelationsfelddubletts des Bandenpaares CD darstellt (siehe Kap. 4.2.) - und stimmt gut mit der Anordnung der NH-Bindungen in der Projektion überein (Abb. 4.3.12). Die Moleküle der Spezies II sind antiparallel zueinander ausgerichtet und weisen einen Neigungswinkel von 25°

± 5° relativ zur Oberfläche auf. Das Nγ ist deutlich näher am Na+ als das Nα; die parallel zur Oberfläche ausgerichtete NH-Bindung weist in Richtung eines Cl-, so daß vermutlich eine H-Brücke zu einem Anion der Oberfläche ausgebildet wird (vgl. Frequenzverschiebung des Bandenpaares AB im Adsorbat, Kap. 4.3.2.). Die H-Brücken in Abb. 4.3.12 erscheinen recht kurz, es ergab sich jedoch aus der Spektrensimulation ein erheblicher relativer Höhenunterschied der energetisch unterschiedlichen HN3-Spezies, so daß die Annahme nahe liegt, daß sich Spezies II relativ zur Oberfläche oberhalb von Spezies I befindet, einhergehend

4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN3-NaCl(100) 111 mit längeren Wasserstoffbrücken als aus der Abbildung ersichtlich ist. Daß die Spezies II nicht mit dem Nα, dem Ort der höchsten Elektronendichte über dem Na+ sitzt, ist vermutlich Ausdruck des größeren Abstand dieser Spezies zur Oberfläche mit der Folge geringerer Wechselwirkungen zwischen Molekül und Substrat.

Cl- Na+

a = 396 pm Spezies II

CS

25°

Lokale Geometrie Projektion der Adsorbatelementarzelle

CS

13°

Spezies I

g

Abb. 4.3.12: Modell der Monolagenstruktur von NaCl(100)(2×2)-HN3.

Lokale Geometrie der energetisch unterschiedlichen, adsorbierten Spezies und Projektion der Adsorbatelementarzelle in die (100)-Ebene der NaCl-Oberfläche (siehe auch Text).

Wie aus Kap. 4.1. bekannt, war es experimentell nicht möglich, die Adsorptionsenthalpie

∆Hads von HN3-NaCl(100) zu ermitteln. Sollte aber, wie in den vorherigen Abschnitten gezeigt, die Ausbildung von Wasserstoffbrücken maßgeblich zum Aufbau der Adsorbat-struktur beitragen, so ist ein hoher Betrag für ∆Hads zu erwarten. Ein Zugang zur Bestimmung der Energetik des Systems besteht allerdings in der Ermittlung der Aktivierungsenergie ED für die Desorption der HN3-Moleküle. So kann ED in guter Näherung für viele Systeme mit dem Betrag der Adsorptionsenthalpie gleichgesetzt werden [163-165]. Daher wurde ein thermisches Desorptionsspektrum (TDS) von HN3-NaCl(100) aufgenommen; das TDS zeigt einsetzende Desorption bei T = (121 ± 1) K und einen Peak maximaler Desorptionsrate bei Tmax = (140 ± 1) K. Nach der "Redhead-Formel" [72]

4. Untersuchungen am System HN3-NaCl(100) 112

E R T T

D = ⋅ ⋅ ⋅

 −

 



max

ln ν max ,

β 3 64 , (4.3-4)

wobei mit ν = 1013 s-1 der typische Wert eines Frequenzfaktors für eine Desorption erster Ordnung eingesetzt wird und β = 0,0594 K⋅s-1 die experimentelle Temperaturrampe darstellt, ergibt sich damit für HN3-NaCl(100) ED = (43,8 ± 0,3) kJ/mol. Der erhaltene Wert für ED stimmt sehr gut den von Paszkiewicz aus der isothermen Desorption des Adsorbats ermittelten 43,2 kJ/mol überein [21]. In diesem für eine Physisorption relativ hohen Wert kommen starke Wechselwirkungen zwischen Substratoberfläche und adsorbierten Teilchen zum Ausdruck. In Anbetracht dessen scheint der in dem Modell der Monolagenstruktur gemachte Vorschlag einer nicht zu langen H-Brücke vom Dimer zu einem Cl- der Oberfläche gerechtfertigt zu sein.

Der in der Simulation ermittelte relative Höhenunterschied d der Spezies von ca. 3 Å erscheint als kritischer Parameter; denn aufgrund des Adsorptions- bzw. Desorptionsverhaltens und des erhaltenen Wertes für ED kann ein echtes Zweilagen-Modell nahezu ausgeschlossen werden.

Desweiteren ergibt sich aus der Abschätzung des 2D-Platzbedarfes eines HN3-Moleküls in der kondensierten Phase (15,89 Å2) eine gute Übereinstimmung mit der Größe der Ober-flächenelementarzelle des NaCl (15,68 Å2), so daß davon ausgegangen werden kann, daß bei Adsorption eines HN3-Molküls pro NaCl-Ionenpaar aufgrund des ausreichenden Platzes alle vier Teilchen in der Elementarzelle in etwa der gleichen Lage adsorbiert sind.

4.4. Zur Reaktion von HN

3

-NaCl(100) mit Ammoniak