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4. Untersuchungen am System HN 3 -NaCl(100)

4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN 3 -NaCl(100)

4.3.6. Matrix-Untersuchungen

Um den Einfluß einer möglichen Dimerbildung im Adsorbat HN3-NaCl(100) genauer einschätzen zu können, wurde eine Untersuchung des matrixisolierten HN3-Moleküls durchgeführt. Insbesondere die Frequenzverschiebungen bei Vergleich der Monomer-absorptionen mit denen des Dimeren im Bereich der ν1 und der ν2 sollen Aufschluß darüber geben, wie die Adsorbatmoden im Bereich der ν1 den entsprechenden Spezies zugeordnet werden können.

Einer der auffallensten Effekte im Zusammenhang mit der spektralen Gestalt der ν(AH) bei Ausbildung einer Wasserstoffbrücke ist die Zunahme der integralen Absorption, wenn ursprünglich monomere Moleküle sich zu Dimeren oder auch Multimeren zusammenlagern.

Die Intensität einer IR-Absorption ist mit dem Übergangsdipolmoment der Schwingung verknüpft. Die polare A—H-Bindung mit dem Dipolmoment µ(A—H) induziert ein Dipolmoment µi am hoch polarisierbaren einsamen Elektronenpaar der Base bzw. des H-Brückenakzeptors B. Aufgrund der AH-Streckbewegung kommt es ebenfalls zu einer Schwingung von µi, was einen zusätzlichen Beitrag zur Gesamtänderung des Übergangs-dipolmoments während der Schwingung liefert. Auf diese Weise pulst die AH-Streckschwingung das einsame Elektronenpaar und das induzierte Dipolmoment trägt zum Gesamtdipolmoment der A—H-Mode im Dimer bei, was eine erhöhte IR-Absorption zur Folge hat. Desweiteren werden bei der Ausbildung von H-Brücken verschiedentlich signifikante Änderungen der Gerüstschwingung der H-Brückenakzeptoren beobachtet [138].

Da sowohl Rot- als auch Blauverschiebungen der Frequenzen gemessen worden sind, müssen die Meßergebnisse im jeweiligen Fall speziell diskutiert werden.

Die Matrixisolation des HN3 erfolgte, indem ein gasförmiges HN3:N2-Gemisch im Verhältnis von ca. 1:500 auf die unbelegte und auf 13 K eingekühlte NaCl(100)-Fläche dosiert wurde.

Die Temperatur von 13 K wurde gewählt, um die erhaltenen Ergebnisse mit den

Tief-4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN3-NaCl(100) 105 temperaturspektren der Monolage vergleichen zu können (siehe Abschnitt 4.2.). Als Meßparameter wurden die gleichen wie bei der Spektroskopie der Monolage gewählt. Die instrumentelle Auflösung betrug 0,3 cm-1.

Wellenzahl [cm-1]

Das erhaltene Spektrum des matrixisolierten HN3 ist in Abb. 4.3.9 gezeigt. Im Bereich der NH-Mode ist eine scharfe Bande bei 3322,0 cm-1 (1) zu erkennen, welche der Monomerabsorption zugeordnet werden kann; desweiteren ist eine schwächere und breitere Bande bei 3171 cm-1 (2) zu beobachten, welche auf die Absorption einer NH-Schwingung, deren H-Atom eine H-Brücke zu einem anderen HN3-Molekül eingegangen ist, zurückgeführt werden kann. Im Bereich der asymmetrischen NNN-Streckschwingung ist eine scharfe Bande bei 2149,7 cm-1 (5) zu erkennen, welche der Absorption des Monomers zuzuordnen ist; ferner sind Banden bei 2162,0 (3) und mehrere bei etwa 2143 cm-1 (4) zu sehen, welche durch die Absorption von Dimeren (HN3)2 zustande kommen. Die beobachteten Frequenzen und weitere spektrale Parameter des matrixisolierten HN3 sind in der Tabelle 4.3.2 zusammengefaßt.

Aus dem Verhältnis der integralen Absorptionen von Monomer- zu Dimerabsorption AintM/AintD (Bande bei 2162 cm-1) ist ersichtlich, daß auf 15 Monomere ein Dimer (HN3)2 kommt; für die Banden bei 2142,1 cm-1 errechnet sich ein geringeres Verhältnis, was auf

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einen leicht erhöhten Absorptionsquerschnitt der entsprechenden ν2-Mode zurückzuführen ist (s.u.).

Tabelle 4.3.2: Parameter der ν1 und der ν2-Absorptionen der in Abb. 4.3.9 gezeigten Spektren

ν1 ν2

Monomer Dimer Monomer Dimer

[cm-1] 3322,0 3171 2149,7 2162,0 (3)

2142,1 (4)

HWB[cm-1] 0,7 4,7 0,6 0,7

0,7

Aint [cm-1] 0,0080 0,0055 0,0388 0,0026 (3)

0,0040 (4)

AintM/AintD 1,45 14,9 (3)

9,7 (4)

Das Verhältnis AintM/AintD für die NH-Absorption beträgt sogar nur 1,5 - ist also eine Größenordnung kleiner als für die Bande der ν2 bei 2162 cm-1. Daraus läßt sich auf ein um den Faktor 10 vergrößerten Absorptionsquerschnitt der NH-Mode des Dimeren im Vergleich zur Monomerabsorption schließen, was auf die entsprechende Zunahme des Gesamtdipolmoments der NHMode bei Ausbildung einer Wasserstoffbrücke zurückzuführen ist -eine genauere Erklärung des Resultats ist eingangs dieses Abschnitts gegeben worden. Auf die Ursachen der Rotverschiebung ist bereits in Kap. 4.2. eingegangen worden; so konnte aus dem Vergleich der Rotverschiebung der NH-Mode im matrixisoliertem Dimer mit anderen N H N− -Bindungen bekannter Stärke eine Dimerbindungsenergie von etwa -10 kJ/mol abgeleitet werden [158].

Gegenüber der schmalen Monomerabsorption der ν1 mit einer HWB von 0,7 cm-1 stellt die Dimerabsorption mit 4,7 cm-1 eine recht breite Bande dar - ihre HWB ist sogar deutlich größer als die der ν1-Moden im Adsorbat bei entsprechender Temperatur (vgl. Kap. 4.2.). Denkbar wäre eine Verbreiterung der Bande durch die Ausbildung unterschiedlich langer H-Brücken zwischen den in verschiedenen N2-Käfigen eingeschlossenen Dimeren, wobei in dieser Betrachtung die Ausbildung von Trimeren und höheren Multimeren angesichts ihres geringen statistischen Gewichts ausgeschlossen wird.

Die Dimerbanden im Bereich der ν2 (3) und (4) sind mit HWB von unter 1 cm-1 alle schärfer als die Multiplettabsorptionen der ν2 im Adsorbat. Die erhebliche Blauverschiebung der Frequenzlage der Dimerbande (3) von ca. 12 cm-1 gegenüber der Monomerfrequenz kann durch die Ausbildung einer H-Brücken über das Nα erklärt werden: So kommt es bei der

H-4.3. Zur Struktur des Adsorbats HN3-NaCl(100) 107 Brücken-Akzeptorspezies vermutlich zur Delokalisation von Elektronendichte vom einsamen Elektronenpaar des Nα zur H-Brücke hin; die Ladungsverschiebung am Nα hat die Bevor-zugung der mesomeren Grenzstruktur mit der Ausbildung der Dreifachbindung zwischen Nβ und Nγ zur Folge, einhergehend mit einer Vergrößerung der Kraftkonstante der IR-Mode dieser Spezies 3. Mit der Ausbildug der H-Brücke ist wahrscheinlich auch der im Vergleich zur Bande (4) leicht verringerte Absorptionsquerschnitt verbunden (verminderte Schwin-gungspolarisierbarkeit der Mode).

Die bei der Bande (4) zu erkennenden, unterschiedlichen Frequenzlagen sind vermutlich Resultat von in verschiedenen N2-Käfigen eingeschlossenen HN3-Dimere. Dabei kommt in den beobachteten Intensitätsverhältnissen jeweils das statistische Gewicht der unter-schiedlichen N2-Käfige zum Ausdruck. Die H-Brücken-Donorspezies erfährt gegenüber der Monomerfrequenzlage eine Verschiebung um etwa 6 cm-1 zu niedrigeren Frequenzen.

ν1 (A') = 3338,9 cm-1

ν2 (A') = 2140,3 cm-1 Monomer (Gas)

(298 K) Dimer

(13 K) Adsorbat

(15 K)

(3314 cm-1) II

3171 cm-1 I

2162,0 cm-1 II

2142,1 cm-1 I

3209 cm-1 (B) 3211 cm-1 (A)

3161 cm-1 (C) 3157 cm-1 (D) 2163,9 cm-1 (E) 2154,4 cm-1 (F) 2150,9 cm-1 (G) 2137,8 cm-1 (H) II

I

Abb. 4.3.10: Frequenzlagen des Gases, des matrixisolierten Dimers und des Adsorbats.

Zuordnung der Absorptionen zu den energetisch unterschiedlichen Spezies.

Dimerfrequenz der ν1 (Spezies II) aus [159].

3 So weisen einige stickstoffhaltige Basen bei Ausbildung einer H-Brücke Frequenzverschiebungen von 5 bis 12 cm-1 auf [158].

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Auffallend ist die gute Übereinstimmung der Frequenzlagen von H-Brücken-Donor- und Akzeptorspezies im Bereich der ν2 mit den im Adsorbat gemessenen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Dimerbildung in der Monolage. So sind die ν2-Frequenzen des Bandenpaares EF in der Monolage bei der Temperatur der Matrix (vgl. Kap. 4.2.) gegenüber der entsprechenden Dimerfrequenz um ca. 2 cm-1 blau- bzw. 7,5 cm-1 rotverschoben, die des Bandenpaares GH gegenüber der entsprechenden intensivsten Dimerfrequenz um 9 bzw. 4 cm-1. Somit ist anscheinend der energetische Unterschied der Adsorbatspezies durch die Bildung von H-verbrückten Dimeren bedingt; die beiden Dimer-Absorptionen spalten dann im Korrelationsfeld der Monolage aufgrund von dynamischen Dipol-Dipol-Kopplungen jeweils in ein Dublett auf (vgl. Abb. 4.3.10).

Aufgrund der guten Übereinstimmung der Frequenzlagen des Bandenpaares CD in der Monolage mit denen des matrixisolierten Dimers im Bereich der NH-Mode kann davon ausgegangen werden, daß die Frequenzen von CD entsprechend der Ausbildung eines H-verbrückten Dimers verschoben sind. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse früherer Veröffentlichungen [158,159] ergeben sich zwei mögliche Dimerstrukturen: 1) die Kopf-Schwanz-Anordnung Nα—H···Nγ und 2) die Kopf-Kopf-Anordnung Nα—H···Nα. Letzterer Struktur ist aufgrund von Potentialrechnungen, durch welche für die Kopf-Kopf-Anordnung eine optimale Dimerstruktur ermittelt wurde [21], und aufgrund von Berechnungen zur Elektronendichte im HN3-Molekül, welche am Nα die höchste e--Dichte ergaben [160,161], der Vorzug zu geben. Dementsprechend wurde in Abb. 4.3.10 eine Zuordnung der in der Monolage beobachteten Banden zu den HN3-Spezies im Dimer bzw. Adsorbat versucht.