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Kompetenz des Problemlösens

4.1 Mathematikdidaktische Perspektive

4.1.5 Modelle der inneren Struktur: Heurismen und ihr Einsatz

Nach den verschiedenen Ansätzen zur Erläuterung der äußeren Struktur des Problemlösens werden nun die Elemente der inneren Struktur vorgestellt. Da-bei ist zu beachten, dass Da-beide Strukturen nicht als getrennten Systeme zu verstehen sind. Vielmehr sind sie eng miteinander verbunden. Dies zeigt sich darin, dass viele Autorinnen in ihren Modellen Heurismen bestimmten Phasen zuordnen. So beschreibt Schoenfeld (1980) in seinem Modell die häufig verwen-deten Heurismen im Zusammenhang mit den jeweiligen Phasen, und Bruder und Collet (2011) weisen bei verschiedenen Heurismen auf die besondere Eig-nung in bestimmten Phasen hin. Tietze, Klika und Wolpers (2000) ordnen in ihrem Planungsschema für das Lösen von Problemen auch unterschiedliche Heurismen bestimmten Phasen zu, in denen diese den jeweils vorherrschenden Prozess in besonderem Maße unterstützen können.

Die BegriffeHeuristik undHeurismen werden in der deutschsprachigen Litera-tur nicht einheitlich verwendet.8 Tietze et al. (2000) sprechen von globalen und lokalen Heuristiken, wobei sie Heuristik als Kurzform für heuristische Regeln, Prinzipien und Hilfen verwenden. Dabei beziehen sich die globalen Heuristiken

„mehr auf den Problemlöseprozess in seiner Gesamtheit“ (Tietze et al., 2000, S. 99) während die lokalen Heuristiken „dem Schüler helfen [sollen], zielgerich-tet Hypothesen zu entwickeln und sie effektiv und mit geringem Aufwand zu überprüfen. Beispiele hierfür sind ‚Suche und benutze Spezialfälle‘ oder ‚Nutze analoge Aufgaben‘ “ (Tietze et al., 2000, S. 102). Zu den globalen Heuristi-ken zählen Tietze et al. (2000) neben der Wahl der Arbeitsrichtung auch das Zerlegen des Lösungsprozesses in verschiedene Phasen. In diesem Zusammen-hang verweisen die Autoren explizit auf das Phasenmodell von Polya (vgl.

Abschnitt 4.1.4). Beachtet werden muss dabei aber, dass Polya den Begriff Heuristik auf eine andere Weise verwendet. Er versteht unter diesem Begriff einen Wissenszweig, der sowohl zur Logik, zur Philosophie als auch zur Psy-chologie gehört und zum Ziel hat, Methoden und Regeln des Entdeckens und Lernens zu studieren (Polya, 1957). „Zu [den] [...] spezifischen Zielen [der Heu-ristik] gehört es, in allgemeiner Formulierung die Gründe herauszustellen, für

8In der englischsprachigen Literatur wird dagegen nur vonheuristics gesprochen.

die Auswahl derjenigen Momente bei einem Problem, deren Untersuchung uns bei der Auffindung der Lösung helfen könnte“ (Polya, 1964, S. 5). Ähnliche Definitionen finden sich in vielen Veröffentlichungen zum Problemlösen (z. B.

Bruder & Collet, 2011). Schoenfeld (1985) definiert Heurismen wie folgt:

Heuristic strategies are rules of thumb for successful problem sol-ving, general suggestions that help an individual to understand a problem better or to make progress toward its solution. Such stra-tegies include exploiting analogies, introducing auxiliary elements in a problem or working auxiliary problems, arguing by contradicti-on, working forward from the data, decomposing and recombining, exploiting related problems, drawing figures, generalizing and using the ‚inventor’s paradox‘, specializing, using reduction ad absurdum and indirect proof, varying the problem, and working backward.

(S. 23)

Dies betont den Aspekt, dass Heurismen zum Lösen von Problemen keine Al-gorithmen sind, die stringent zum Ziel führen. Auf ähnliche Weise verstehen Bruder und Collet (2011) Heurismen als Verfahren, welche sich grundsätzlich von „den aus der Mathematik bekannten algorithmischen und quasialgorithmi-schen Verfahren z. B. zum Umformen von Termen und Lösen von Gleichungen“

(S. 42) unterscheiden. „[S]ie bieten lediglich Orientierung [...] beim Lösen ei-ner Aufgabe“ und „keine Lösungsgarantie wie die Algorithmen“ (S. 42). Im Gegensatz zu Algorithmen können Heurismen zudem für eine größere Anzahl von Problemen als Hilfen herangezogen werden (vgl. Polya, 1964; Tietze et al., 2000; Heinze, 2007; Rott, 2013).9

Schoenfeld benennt in seiner obigen Definition eine große Anzahl von möglichen Methoden, welche sich so auch bei anderen Autorinnen wiederfinden. Die Auf-zählungen unterscheiden sich hauptsächlich in der Art und Weise, wie die Heu-rismen kategorisiert werden, sei es nach Abstraktionsgrad wie bei Bruder und Collet (2011), nach der grundlegenden Vorgehensweise wie bei Schwarz (2006), nach Domänenspezifität wie bei Chinnappan und Lawson (1996) oder nach Generalisierungseigenschaft wie bei Tietze et al. (2000). Während Bruder und

9Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werde ich den Begriff Heurismen für Werkzeuge und Methoden zum Problemlösen nutzen. Den BegriffHeuristik nutze ich für die Wissenschaft vom Problemlösen.

Collet (2011) die drei Kategorien heuristische Hilfsmittel, heuristische Stra-tegien und heuristische Prinzipien vorschlagen, unterteilen Chinnappan und Lawson (1996) Heurismen inDomain-related Actions,Domain-specific Actions sowie Task-specific actions. Tietze et al. (2000) wiederum unterscheiden zwi-schenglobalen und lokalen Heuristiken.

Argumentativ werde ich nun wie folgt vorgehen: Aufbauend auf der Klassifi-kation von Bruder und Collet (2011) werde ich die für die vorliegende Arbeit wichtigen Heurismen vorstellen, diskutieren und Unterschiede bzw. Gemein-samkeiten zwischen verschiedenen Autorinnen herausarbeiten. Dabei werde ich Bruder und Collet folgend zuerst heuristische Hilfsmittel, danachheuristische Strategien und abschließend heuristische Prinzipien thematisieren.10

Heuristische Hilfsmittel

Heuristische Hilfsmittel dienen dazu, Probleme durch andere Repräsentati-onsformen für die Problemlöserin bearbeitbar zu machen (Tabelle, Gleichung, Informative Figur), mögliche Lösungswege zu strukturieren (Lösungsgraph) oder vorhandenes Wissen und bekannte Zusammenhänge für die Lösung zu aktivieren (Wissensspeicher). Die Hilfsmittel sollen die Problemlöserin dabei unterstützen, die wesentlichen Aspekte des Problems herauszuarbeiten und diese für den weiteren Prozess in den Fokus zu nehmen. So kann der Wechsel bzw. die Kombination verschiedener Repräsentationsformen selbst als Heu-rismus verstanden werden (Tietze et al., 2000; Zimmermann, 2003; Schwarz, 2006).

Damit eineAbbildung im Sinne von Bruder und Collet (2011) eineInformative Figur darstellt, muss diese Informationen enthalten, die mögliche Zusammen-hänge und Beziehungen zwischen den Elementen aufzeigen. Zu solchen Visua-lisierungen zählen Bruder und Collet die Darstellung von Anzahl, Größen und Anteilen durch Längen von Strecken oder Größen von Flächen, die Darstellung von Rechenoperationen (z. B. Rechteck als Repräsentation einer Multiplikation zweier reeller Zahlen) oder die Darstellung von Zuordnungen mehrerer Größen

10Die Darstellung ist nicht als vollständige Übersicht über Heurismen zu verstehen. Es exis-tiert eine Vielzahl von Klassifikationen, die über die hier gewählte Darstellung hinausgehen, auch von den hier genannten Autorinnen.

(z. B. Koordinatensystem und Graphen von Funktionen) (vgl. Bruder & Col-let, 2011, S. 47). Auch Polya (1957) sieht in der Anfertigung von Abbildungen eine wichtige Unterstützung für den Problemlöseprozess. So stellt er als beson-deren Vorteil die Sicherung von Informationen durch eine Zeichnung heraus:

„[a] detail pictured in our imagination may be forgotten; but the detail traced on paper remains [...]“ (Polya, 1957, S. 103–104). Mit Hilfe einer symbolischen Notation, die auf Basis einer Abbildung entstehen kann, ist im Anschluss eine Weiterarbeit auch ohne die Abbildung möglich, zum Beispiel bei der Über-führung der Zusammenhänge in eine Gleichung. Als eine der grundlegenden heuristischen Techniken findet sich das Anfertigen einer Abbildung in nahe-zu allen Übersichten nahe-zu Problemlösestrategien wieder (vgl. Schoenfeld, 1985;

Chinnappan & Lawson, 1996; Tietze et al., 2000; Zimmermann, 2003).

Eine weitere Repräsentationsform, die nach Bruder und Collet (2011) als heu-ristisches Hilfsmittel genutzt werden kann, ist dieTabelle. In der Funktion eines Heurismus ist sie kein reines Datenblatt, sondern dient vielmehr der Unterstüt-zung anderer heuristischer Verfahren (z. B. der heuristischen Strategie Syste-matisches Probieren oder dem heuristischen Prinzip Invarianzprinzip) durch die Strukturierung von Informationen.

WährendTabellen nur in wenigen Arbeiten zum Problemlösen als Heurismus angesprochen werden, werdenGleichungen als Heurismus im Problemlösepro-zess von vielen Autorinnen thematisiert (vgl. Polya, 1957; Schoenfeld, 1985;

Chinnappan & Lawson, 1996; Tietze et al., 2000; Schwarz, 2006; Brockmann-Behnsen, Gawlick & Elschenbroich, 2014). Nach Bruder und Collet (2011) sind Gleichungen sowohl dazu geeignet, Informationen eines Problems zu reduzie-ren, als auch komplexe Zusammenhänge mit vielen Bedingungen übersichtlich zusammenzufassen. Die Funktion eines heuristischen Hilfsmittels haben Glei-chungen jedoch „nur in der Phase des Mathematisierens eines Sachverhalts“

(Bruder & Collet, 2011, S. 68). Mit dieser Einschränkung unterscheiden sich Bruder und Collet (2011) von Chinnappan und Lawson (1996), die Equation-handling als eine Domain-specific Action ansehen, die über die Phase des Ma-thematisierens hinaus angewendet werden kann. Während Bruder und Collet die Nutzung von Gleichungen nur in den ersten beiden Phasen als eine heu-ristische Methode ansehen, kann für Chinnappan und Lawson auch das Rech-nen mitGleichungen, welches eher in der Phase derDurchführung stattfindet,

einen Heurismus darstellen. DaGleichungen ein umfassenderes Fachwissen be-nötigen alsInformative Figuren oderTabellen und damit domänenspezifischer aufzustellen sind, ist die Problemlöserin mit Hilfe der Gleichungen in der La-ge, Probleme allgemeiner zu lösen als mit Informativen Figuren oderTabellen.

Für Polya ist das Aufstellen einer Gleichung aus den gegebenen Informatio-nen vergleichbar mit der Übersetzung von einer Sprache in eine andere (Polya, 1957). Die Schwierigkeit besteht für ihn darin, dass die Voraussetzungen ei-nes Problems nicht immer ohne weiteres in mathematische Symbole übersetzt werden können: „[b]efore we start writing formulas, we may have to rearrange the condition, and we should keep an eye on the resources of mathematical no-tation while doing so“ (Polya, 1957, S. 174–175). In seinen Erklärungen wird deutlich, dass er die heuristische Funktion von Gleichungen eher in der Phase des Mathematisierens des Problems verortet sieht.

Tabelle 4.2 gibt einen Überblick zu den beschriebenen heuristischen Hilfsmit-teln und stellt zudem dar, welche weiteren Autorinnen diese Heurismen the-matisieren.

Tabelle 4.2: Überblick zu Heuristischen Hilfsmitteln

Heurismus Autorinnen Einordnung durch

Autorinnen

Abbildung Bruder und Collet (2011) Heuristisches Hilfsmittel Chinnappan und Lawson (1996) Domain-related Actions

Polya (1957) Verstehen der Aufgabe

Schoenfeld (1980) Analysis Phase

Schwarz (2006) Heurismen der Variation der Problemstellung Tietze et al. (2000) Lokale Heuristiken Zimmermann (2003)

Fan und Zhu (2007)

Gleichung Bruder und Collet (2011) Heuristisches Hilfsmittel Chinnappan und Lawson (1996) Domain-specific Actions Tietze et al. (2000) Lokale Heuristiken

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Heurismus Autorinnen Einordnung durch

Autorinnen Brockmann-Behnsen et al.

(2014)

Zimmermann (2003) Fan und Zhu (2007)

Tabelle Bruder und Collet (2011) Heuristisches Hilfsmittel Fan und Zhu (2007)

Schwarz (2006) Heurismen der Variation der Darstellung

Heuristische Strategien

Heuristische Strategien11 beschreiben, ähnlich wie heuristische Prinzipien, all-gemeine Prozesse und Verfahren während der Problembearbeitung. Sie können in allen Phasen des Lösungsprozesses eingesetzt werden, aufeinander aufbau-en oder kombiniert werdaufbau-en. Bruder und Collet (2011) baufbau-enaufbau-ennaufbau-en die folgaufbau-en- folgen-den Strategien:Systematisches Probieren, Analogieschlüsse,Vorwärtsarbeiten, Rückwärtsarbeiten und Rückführung von Unbekanntem auf Bekanntes.

Bruder und Collet (2011) beschreiben das Systematische Probieren als eine Aufwertung des Herumprobierens zu einer heuristischen Strategie durch die bewusste Anwendung von Kriterien, „nach denen man weitere Berechnungen oder Darstellungen“ (S. 71) durchführen kann.Systematisches Probieren kann genutzt werden, um eine Problemsituation besser zu verstehen und Prozesse in Problemen können nachvollzogen werden, indem durch systematisches Ein-setzen aufeinanderfolgender Werte die jeweiligen Wirkungen überprüft werden (Bruder & Collet, 2011; Schwarz, 2006; Söhling, 2014). Zudem können beim Modellieren systematisch Größen und Werte variiert werden, um Rückschlüsse auf ihren Einfluss zu ziehen.

11Dieser Begriff wird sehr unterschiedlich verwendet. Wie oben bereits erwähnt, werden in der englischsprachigen Literatur unter heuristic strategies alle Methoden und Verfahren der inneren Struktur zusammengefasst. Teilweise werden diese auch nur als heuristics bezeichnet. Ich werde den Begriffheuristische Strategien im Sinne von Bruder und Collet (2011) verwenden.

Die Strategie derAnalogieschlüsse ist im Vergleich zu anderen Heurismen eine Methode, welche in vielen alltäglichen Bereichen Anwendung findet. Sie kann dazu genutzt werden, Lösungsideen für ein Problem abzuleiten oder allgemei-ne Verfahrensweisen auf das aktuelle Problem zu übertragen (vgl. z. B. An-derson, 2001; Schoenfeld, 1985; Heinze, 2007; Tietze et al., 2000). Indem die Problemlöserin mit Hilfe des Analogieschlusses unterschiedliche Aspekte des Problems fokussiert, kann sowohl eine inhaltliche als auch eine methodische Ebene untersucht werden. So ist es möglich, nach Problemen mit derselben

„oder eine[r] ähnliche[n] Voraussetzung oder [denselben] oder ähnliche[n] Da-ten oder eine[r] ähnlichen Struktur der Bedingung [...]“ (Polya, 1964, S. 13) wie dem aktuell vorliegenden Problem zu suchen. Dabei beruhen die Wirksamkeit von Analogieschlüssen und das Lernpotenzial in der Möglichkeit, „Heurismen auf andere Themengebiete zu transferieren“ (Bruder & Collet, 2011, S. 83;

vgl. auch Polya, 1964, S. 13). Analogien beziehen sich dabei nicht notwendi-gerweise auf ein gesamtes Problem, vielmehr können sie bereits das Finden von Lösungen zu einzelnen Teilen des Problems fördern. Bruder und Collet (2011) verbinden in diesem Zusammenhang die Strategie Analogieschlüsse mit der Strategie Unbekanntes auf Bekanntes zurückzuführen. Hierbei wird die vorliegende Problemsituation so modifiziert, dass ein Analogieschluss möglich ist. Schoenfeld (1980) nennt in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Me-thoden, welche die Problemlöserin bei der Findung einer Lösung unterstützen können: „Consider slightly modified problems [...] Consider broadly modified problems“ (S. 801). Hierbei werden Bedingungen abgeschwächt und neu aufge-stellt, oder alle bis auf eine Variable fixiert, um anschließend die Auswirkung dieser einen Größe zu untersuchen. Eine strenge Anwendung des Analogie-schlusses findet sich auch in vielen mathematischen Beweisen wieder, hier kann die Nutzung von Isomorphismen oder Homomorphismen als Analogieschluss verstanden werden. Analogien sind neben ihrem Nutzen für das Finden von Problemlösungen auch zu einem anderen Zeitpunkt für den Lernprozess hilf-reich. So kann es eine mögliche Aktivität in der Reflexionsphase sein, nach analogen Fragestellungen, Problemen und Situationen zu suchen (vgl. Mason et al., 2010, S. 42).

Die Strategie des Vorwärtsarbeitens kann zu vielen Zeitpunkten während der Problembearbeitung genutzt werden (Bruder & Collet, 2011): Studierende

wid-men sich einem Problem und starten damit, die gegebenen Informationen oder Teilergebnisse zusammenzustellen und die Bearbeitung durch Vorwärtsarbei-tenbis zum Erreichen der gewünschten Lösung fortzuführen. Schritt für Schritt können so Zwischenergebnisse generiert werden. Das Vorgehen ist vergleichbar mit der Beweismethode der vollständigen Induktion und wird von Schwarz (2006) in der Kategorie Heurismen der Induktion genannt. Bruder und Col-let (2011) schlagen mehrere Schlüsselfragen vor, die bei der Verfolgung der Strategie hilfreich sein können: Was ist gegeben? Was muss ich über das, was gegeben ist, wissen? Was kann ich durch diese Information bestimmen? Vor-wärtsarbeiten zeigt sich so in einem strukturierten und geplanten Abarbeiten eines Lösungsplans. Schwarz (2006) sieht hier Verbindungen zur Mittel-Ziel-Analyse (vgl. Anderson, 2001), insofern genau wie dort auch beim Vorwärts-arbeiten versucht wird, den Unterschied zwischen dem aktuellen Zustand und dem Zielzustand zu verringern.

Während ich die drei ersten Strategien ausführlich präsentiert habe, sind die beiden letzten im Zusammenhang mit dieser Arbeit nicht von Relevanz. Einen Überblick, welche weiteren Autorinnen die Strategien Analogieschluss, Vor-wärtsarbeiten und Systematisches Probieren im Zusammenhang mit mathe-matischen Problemlösen thematisieren, gibt Tabelle 4.3.

Tabelle 4.3: Überblick zu Heuristischen Strategien

Heurismus Autorinnen Einordnung durch

Autorinnen

Analogieschluss Bruder und Collet (2011) Heuristische Strategie Polya (1957) Verstehen der Aufgabe Schoenfeld (1980) Analysis Phase

Schwarz (2006) Heurismen der Variation der Problemstellung Tietze et al. (2000) Lokale Heuristiken Zimmermann (2003)

Fan und Zhu (2007)

Vorwärtsarbeiten Bruder und Collet (2011) Heuristische Strategie Tietze et al. (2000) Lokale Heuristiken

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Heurismus Autorinnen Einordnung durch

Autorinnen Schwarz (2006) Heurismen der

(unvollendeten) Induktion

Systematisches Bruder und Collet (2011) Heuristische Strategie

Probieren Schwarz (2006) Heurismen der

(unvollendeten) Induktion

Heuristische Prinzipien

Heuristische Prinzipien beschreiben elaboriertere mathematische Methoden als heuristische Strategien und erfordern daher ein höheres konzeptuelles Ver-ständnis. Das bedeutet, während heuristische Hilfsmittel und heuristische Stra-tegien eher auf allgemeine Merkmale des Problemlöseprozesses aufsetzen, sind heuristische Prinzipien eng mit dem mathematischen Kontext des Problems verbunden. Im Einklang mit Sewerin (1979) schlagen Bruder und Collet (2011) die folgenden heuristischen Prinzipien vor: das Invarianzprinzip, das Extremal-prinzip, das Symmetrieprinzip, Zerlegen und Ergänzen, das Prinzip der Fall-unterscheidung und dasTransformationsprinzip.

Erkundet eine Person ein Problem, indem sie nach Objekten sucht, welche un-ter bestimmten Transformationen konstant bleiben, so nutzt die Person das Invarianzprinzip. Insbesondere bei der Bearbeitung von Problemen, in denen Prozesse von Bedeutung sind, kann das Invarianzprinzip helfen, Lösungsideen zu entwickeln und Lösungen zu erarbeiten (vgl. Grieser, 2013). Auch bei die-sem Heurismus zeigt sich die enge Verbindung zu anderen heuristischen Hilfs-mitteln und Strategien. So schlagen Peter und Winklmaier (2002) vor, das Invarianzprinzip gemeinsam mit den Schülerinnen am Thema „Zuordnungen“

einzuführen. Dabei sollen diese mit Hilfe des heuristischen Hilfsmittels der Ta-belle und der Strategie Systematisches Probieren auch unter Ausnutzung von Invarianten zu einer Lösung der gestellten Probleme gelangen. Schwarz (2006) macht in diesem Zusammenhang auf eine Schwierigkeit bei der Anwendung

desInvarianzprinzips aufmerksam und zeigt die Bedeutung dynamischer Geo-metriesoftware auf:

Die vorgestellten Beispiele haben deutlich gemacht, dass es eine beachtliche Vielfalt von Objekten gibt, die bei der Anwendung des Invarianzprinzips als Invarianten in Betracht gezogen werden kön-nen; im Allgemeinen gibt es jedoch kein systematisches Vorgehen zur Entdeckung geeigneter Invarianten, mit einer wichtigen Aus-nahme: Der Einsatzdynamischer Geometriesoftware (DGS) macht Invarianten geometrischer Transformationen sichtbar. (S. 53)

Die hier angesprochene Komplexität verdeutlicht die zuvor erwähnte Notwen-digkeit eines höheren konzeptuellen Verständnisses, und auch technische Hilfs-mittel als Unterstützung einzusetzen.

Das Extremalprinzip ist eng verknüpft mit dem Lösungsprozess von Optimie-rungsproblemen. Die Anwendung des Prinzips eignet sich in besonderem Maße für Probleme, in denen Objekte gesucht werden, welche bestimmte Charak-teristika erfüllen müssen.12 Bei diesem Prinzip werden zur Gewinnung einer Lösungsidee bzw. einer Lösung besonders die Randbedingungen des Problems, die Extrema, betrachtet.

Beim Einsatz des Symmetrieprinzips untersucht die Problemlöserin die Infor-mationen aus der Problemstellung nach Mustern und Identitäten zwischen den Elementen. Dies können vergleichbare Ausdrücke auf den beiden Seiten einer Gleichungsein oder Symmetrien bei einem Geometrieproblem, welche eine Tei-lung des Gesamtproblems in Einzelprobleme ermöglichen (Polya, 1957). Jedoch sind Symmetrien nicht nur auf geometrische Probleme beschränkt, sondern können auf einer übergeordneten Ebene bei vielen Problemen genutzt werden.

Bruder und Collet (2011) betonen, dass insbesondere das bewusste Erzeugen von Symmetrien den Grundgedanken dieses Prinzips widerspiegelt und helfen kann, Probleme zu lösen. Schwarz (2006) argumentiert vergleichbar zu Bruder

12Beispiele aus der Schulmathematik sind Optimierungsaufgaben: „Wie kann man mit ei-nem Stück Draht bekannter Länge an einer Hauswand ein möglichst großes Blumenbeet abstecken?“ (Bruder & Collet, 2011, S. 99). Darüber hinaus kann es bei Problemen helfen, welche eine große Menge an Objekten beinhalten: „Entlang eines Kreises seien 1000 Zahlen angeordnet. Jede ist der Mittelwert ihrer beiden Nachbarn. Zeige, dass alle Zahlen gleich sind“ (Grieser, 2013, S. 212).

und Collet sowie zu Polyas Empfehlung der Teilung in Einzelprobleme, indem er deutlich macht, dass „versteckte Symmetrien einer Problemstellung“ (S. 70) besonders durch einen Repäsentationswechsel in eine geometrische Darstellung sichtbar werden können.

Zerlegen und Ergänzen ist ein weiteres heuristisches Prinzip, es übertrifft die bisher vorgestellten durch seine Universalität. Diese zeigt sich darin, dass das Zerlegen des Lösungsprozesses in verschiedene Phasen Aspekte der äußeren Struktur des Bearbeitungsprozesses aufweist (siehe Abschnitt 4.1.4). So be-schreibt Polya (1957) für die erste Phase, in welcher das Problem in seiner Gänze verstanden werden soll, den Prozess, die gegebenen Informationen zu zerlegen, diese zu verstehen und danach wieder zusammenzusetzen. Dies kann in einer neuen Art und Weise geschehen, welche es ermöglicht, das Problem zielführend zu bearbeiten. Auch in einigen der vorherigen Heurismen ist die-ses Prinzip wiederzuerkennen. So kann das Symmetrieprinzip genutzt werden, um Probleme in beispielsweise zwei symmetrische Teilprobleme zu unterteilen.

Die Lösung eines Teilproblems führt daraufhin zur Lösung des anderen und des Gesamtproblems. Im Zusammenhang mit der empirischen Studie sind die drei berichteten Prinzipien von Bedeutung, sodass auf die Darlegung der weiteren verzichtet wird. Einen Überblick, welche weiteren Autorinnen die relevanten Prinzipien thematisieren, gibt Tabelle 4.4.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heurismen in vielen Fällen nicht iso-liert betrachtet bzw. von der Problemlöserin eingesetzt werden können, um ein Problem erfolgreich zu lösen. So dienen heuristische Hilfsmittel häufig dazu, Strategien durchzuführen oder zu unterstützen. Die Strategien wiederum erge-ben sich häufig aus den Prinzipien, die der Lösung eines Problems zu Grunde liegen. Vor allem bei den Hilfsmitteln führt erst eine Kombination dazu, dass sie den Status eines Heurismus einnehmen. So wird eine Zeichnung erst zu einem Heurismus, wenn diese so gestaltet ist, dass aus ihr Ideen entwickelt werden können, die den Lösungsprozess vorantreiben.