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II. Literaturübersicht

4. Die Migration von Lymphozyten

Eine charakteristische und zum Auffinden des spezifischen Antigens wichtige Eigenschaft von Lymphozyten ist ihre Fähigkeit, in nahezu alle Organe und Gewebe ein- und auswandern zu können („Migration“). Die Rezirkulation von Lymphozyten ist ausschlaggebend für die Interaktion zwischen T-Lymphozyten und den dendritischen Zellen zur kontinuierlichen Präsentation des gesamten Antigenrepertoires im Körper und damit zur Einleitung von Immunantworten (WESTERMANN u. PABST, 1990). Dabei herrscht ein reger Verkehr zwischen dem Blut, den Geweben und der Lymphe. Etwa 5 x 1011 Lymphozyten wandern beim Menschen jeden Tag aus dem Blut aus und wieder zurück. Das Blut enthält nur 2% der

gesamten Lymphozyten, die sich im Durchschnitt nur etwa 30 Min dort aufhalten. Die meisten Lymphozyten wandern in Organe wie die Lunge, Milz, Leber, Knochenmark und nur ein geringerer Anteil, unter physiologischen Bedingungen, auch in die Haut, die Synovia, die Muskulatur oder das Gehirn. Durch Entzündungsgeschehen oder chronische Erkrankungen kann sich diese Situation aber deutlich verändern (WESTERMANN et al., 1988;

WESTERMANN u. PABST, 1996).

Ein Antigen, das die angeborene Immunabwehr durchbrochen hat, wird von dendritischen Zellen aufgenommen und zu den lymphatischen Organen transportiert, wo optimale Bedingungen für die Antigenerkennung herrschen (MONDINO et al., 1996). Ein Großteil der naiven T-Lymphozyten gelangt über Adhäsionsmoleküle wie L-Selektin über die hochendothelialen Venulen (HEV) in die sekundär lymphatischen Organe und durchwandert das Gewebe. Findet in dieser Zeit keine Antigenerkennung statt, so wandern die naiven T-Lymphozyten über die efferente Lymphe (SMITH u. FORD, 1983) aus und gelangen wieder in die Zirkulation (GIRARD u. SPRINGER, 1995). Die Anheftung an das Epithel und die anschließende Einwanderung in das Gewebe umfasst dabei mehrere Schritte und wird durch die Interaktion der Adhäsionsmoleküle auf den T-Lymphozyten und den spezifischen Rezeptoren auf den Endothelzellen vermittelt. Dabei werden in der Literatur immer wieder sogenannte „Homingrezeptoren“ diskutiert, die für den Eintritt der Lymphozyten in bestimmte Gewebe verantwortlich sein sollen, wie z.B. L-Selektin für den Eintritt in periphere Lymphknoten (GALLATIN et al., 1983), α4β7-Integrin für den Eintritt in die Peyerschen Platten (HAMANN et al., 1994). In LFA-1-defizienten Mäusen konnte gezeigt werden, dass die Migration von T-Lymphozyten in die peripheren Lymphknoten zwar bis auf 30% des Wertes bei Wildtypmäusen abfällt, jedoch andere α4-Integrine wie α4β7 oder α4β1 das Fehlen eines funktionellen LFA-1-Moleküls teilweise kompensieren können (BERLIN-RUFENACH et al., 1999). Für die Milz konnte kein spezifisches Molekül identifiziert werden. Zusätzlich zu den lymphatischen Geweben wandern naive T-Lymphozyten auch in die Leber (LUETTIG et al., 1999) und die Lunge ein.

Findet bei der Durchwanderung z.B. des Lymphknotens eine Antigenerkennung statt, so stellt die Bindung des TCR ein Stopsignal für den T-Lymphozyten da und führt zur Beendigung der Migration (DUSTIN et al., 1997). Dieses Phänomen wird als ein Mechanismus angesehen, um

Antigen-spezifische Lymphozyten im drainierenden Lymphknoten anzureichern. Dabei ist die Bindung des membrangebundenen LFA-1 mit seinen Liganden ICAM-1, -2 oder –3 auf den T-Lymphozyten ein früher und essentieller Schritt in der Zellaktivierung. LFA-1 gehört zur Familie der β2-Integrine und vermittelt eine Antigen-unabhängige Bindung der T-Lymphozyten mit dendritischen Zellen, aber auch mit dem Endothel von Gefäßen (SPRINGER, 1990). Durch die Rezeptor-Ligandenpaare LFA-1/ ICAM, ICAM/ LFA-1, CD2/ LFA-3 und CD28/ CD80 wird eine transiente Adhäsion zwischen CD4+ T-Lymphozyten und DC vermittelt, wie durch monoklonale Antikörper nachgewiesen werden konnte (HAUSS et al., 1995).

Die Interaktion mit der DC erfordert mehrere Stunden zur Initiierung der Zytokinproduktion, zum Eintritt in den Zellzyklus und zur Differenzierung. Einige dieser Effektor T-Lymphozyten wandern vom Parakortex in die Follikel ein und initiieren dort eine B-Zellantwort, die zur Ausbildung von Keimzentren führt (FULLER et al., 1993). Andere T-Lymphozyten verlassen auch über die efferente Lymphe den Lymphknoten auf dem Weg in das Blut (AGER, 1994).

Mit der Aktivierung der T-Lymphozyten sind phänotypische Veränderungen der Zellen verbunden, die u.a. zu einer Funktionsänderung, aber auch zu einem veränderten Wanderungsverhalten führen. Auf aktivierten T-Lymphozyten werden Adhäsionsmoleküle wie LFA-1, VLA-1 und CD2 verstärkt exprimiert, von denen angenommen wird, dass sie eine erhöhte Interaktion mit dem Endothel bewirken. Dadurch könnte eine verbesserte Einwanderung in nicht-lymphatische Gewebe und eine erhöhte Kapazität in entzündete Gewebe einwandern zu können, erklärt werden (SPRENT, 1994). Entgegen der Annahme, dass über diesen Mechanismus Antigen-spezifische T-Lymphozyten so an den Ursprung der Entzündung wandern (DUNON et al., 1996), konnte gezeigt werden, dass Effektor T-Lymphozyten in alle Gewebe einwandern, aber nur in ihrem Herkunftsmilieu bevorzugt proliferieren und vermindert der Apoptose anheim fallen (BODE et al., 1999). Effektor T-Lymphozyten finden sich vorwiegend in nicht-lymphatischen Geweben wie Lunge, Leber und Darm wieder (HAMANN u. REBSTOCK, 1993; LUETTIG et al., 1999). Es konnten aber auch Effektor T-Lymphozyten im Lymphknoten und in den Peyerschen Platten nachgewiesen

werden (BODE et al., 1999), obwohl auf vielen Effektor T-Lymphozyten kein oder nur geringe Mengen L-Selektin exprimiert wird (DAILEY et al., 1985), das für den Eintritt über HEV in Lymphknoten verantwortlich gemacht wird.

T-Lymphozyten, die nach der Aktivierung und Differenzierung entstehen und eine Immunantwort überleben, werden als „memory“ Lymphozyten bezeichnet. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass sowohl naive wie auch memory T-Lymphozyten in der Lage sind, über HEV in lymphatische Gewebe einzuwandern. Beide Subpopulationen wandern ebenfalls in B-Zellareale und Keimzentren ein. Dabei wandern T-Lymphozyten vom memory-Phänotyp schneller durch die T-Zellareale und lassen sich deshalb in geringer Anzahl im Gewebe auffinden (WESTERMANN et al., 1997). Für andere Spezies wie der Maus wird beschrieben, dass sich memory T-Lymphozyten, wie auch Effektor T-Lymphozyten, vorwiegend in Leber und Lunge ansammeln, aber nicht von der Migration in lymphatische Gewebe ausgeschlossen sind (TIETZ u. HAMANN, 1997).