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4.1. Forschungsinteresse

Wenn Blockchain-Anwendungen in der Zukunft weitreichenden adaptiert werden, wird dies unsere täglichen Anwendungen als StaatsbürgerInnen und KonsumentInnen von Gütern und Dienstleistungen berühren. Die Governance-Regeln, die in den Blockchains kodiert sind, könnten die grundlegende Basis für unsere künftigen Transaktionen, welche durch Smart Contracts, DAOs und DVBNs bestimmt werden, bilden.122 Die Forschung fokussierte bisher überwiegend die technischen Herausforderungen, aber auch rechtliche und ethische Fragen müssen geklärt werden.123 Das Forschungsinteresse besteht darin, mögliche Veränderungen und hierfür relevante Faktoren durch die Nutzung der Blockchain-Technologie im öffentlichen Sektor zu identifizieren und das Verhältnis von Verwaltung, Recht und Staat zur Blockchain-Technologie näher zu beleuchten.

4.2 Forschungsdesign

Methode ist der Weg zum Ziel. Dies bedeutet auf rationale und nachvollziehbare Weise zu einer theoretischen Erkenntnis, praktischen Einsicht oder zu Erkenntnisgrenzen zu gelangen.124 Die Auswahl einer zur vorliegenden Forschungsfrage passenden Methode gestaltete sich als komplexer Prozess, da die genaue wissenschaftliche Einordnung vorliegender Arbeit nicht eindeutig ist.

Betrachtet man Staatstheorien vergleichend, lassen sich gemeinsame Fragestellungen feststellen, wie der Einsatz des Begriffes des Staates und dessen Modifikation, das Verhältnis des Staats zur Gesellschaft bzw. Wirtschaft oder politische Denk- und Handlungs-möglichkeiten. Diese Betrachtungsweisen sind damit anlass- und problemorientiert und stellen politische Forderungen auf bzw. legen solche nahe.125

Die Sozialwissenschaften können als empirische Erfahrungswissenschaften bezeichnet werden, welche den erfahrungsunabhängigen Wissenschaften, deren Erkenntnisstand durch logische Schlussfolgerungen wie beispielsweise in der Philosophie oder durch „Anwendung der Regeln eines in sich geschlossenen Systems von in sich geschlossenen Axiomen“ wie bspw. in der Religionslehre erweitert wird, gegenüberstehen.126 In der Philosophie gibt es keinen Konsens hinsichtlich der Frage nach philosophischen Methoden. In der Praxis haben sich bestimmte Regeln, Gewohnheiten und Standards herausgebildet und es kann bspw.

von der phänomenologischen, hermeneutischen oder analytischen Methode gesprochen

122 Vgl.Voshmgir 2017, S. 508.

123 Vgl.Adams/Parry/Godsiff/Ward, 2017, S. 418.

124Vgl.Zippelius2006, S. 1.

125 Vgl.Löffler 2011, S. 37f.

126 Vgl.Cropley 2008, S. 48.

30 werden.127

Grundsätzlich kann mein Forschungsvorhaben auf Grund der Fragstellung und den naheliegenden politischen Forderungen, die sich aus dem Untersuchungsergebnis ableiten lassen in das Gebiet der Staatstheorie bzw. ebenso in das Gebiet der Politikwissenschaften eingeordnet werden. Es befasst sich nicht mit der Untersuchung menschlichen Verhaltens, nimmt jedoch teilweise ein gesellschaftliches Phänomen in den Fokus und kann somit ebenso - zumindest teilweise - den Sozialwissenschaften zugeordnet werden.

Philosophische, volkswirtschaftliche und rechtswissenschaftliche Aspekte spielen aber ebenso eine Rolle. Die Methoden der empirischen Sozialwissenschaften eigenen sich nur bedingt um die Forschungsfragen zu beantworten, da sie nicht die systematische Prüfung einer Theorie zum Gegenstand haben. Qualitative Studien sind im Gegensatz zu quantitativen Studien jedoch offen und können ohne Theorie anfangen.128 Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung wurden daher dort zum Einsatz gebracht, wo durch sie bessere Ergebnisse erzielt werden konnten und in jener Weise adaptiert, die notwendig erschien um sie für den Gegenstand der Arbeit nützlich zu machen.

4.3 Erhebungsmethoden, Material und Auswertung

Basis der Untersuchung bilden fünf ExpertInneninterviews, in welchen zum Thema des Forschungsinteresses „Deutungswissen“ erhoben wurde. Ergänzend zu den Interviews wurden gezielt ausgewählte Dokumente in Hinblick auf die sich aus den Interviews ergebenden Themenbereiche untersucht.

ExpertInnen lassen sich nach Bogner et al „als Personen verstehen, die sich – ausgehend von einem spezifischen Praxis- oder Erfahrungswissen, das sich auf einen klar begrenzbaren Problemkreis bezieht – die Möglichkeit geschaffen haben, mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld sinnhaft und handlungsleitend für Andere zu strukturieren.“129 Deutungswissen ist in Abgrenzung zu technischem Wissen und Prozesswissen zu verstehen und beinhaltet subjektive Relevanzen, Deutungen und Erklärungsmuster sowie Zielsetzungen und Bewertungen und ist an individuelle TrägerInnen gebunden.130 Auf Grund des Forschungsinteresses handelte es sich bei den durchzuführenden Interviews somit um theoriegenierede ExpertInneninterviews. Dies sind solche, bei denen die „subjektive Dimension“ des ExpertInnenwissens im Mittelpunkt steht und die darauf abzielen, Zusammenhänge zu erarbeiten und Theorien zu entwickeln.131 Das Sampling ist die Auswahl der zu befragenden ExpertInnen und orientiert sich an den Forschungsfragen. Es gilt jene Personen zu finden, deren Deutungen relevant für den

127 Vgl.Puntel/Tourpe 2014, S. 59.

128 Vgl.Cropley 2008, S. 10.

129Bogner/Littig/Menz 2014, S. 13.

130 VglBogner/Littig/Menz 2014, S. 17ff.

131 Vgl.Bogner/Littig/Menz 2014, S. 25.

31 gewählten Forschungsgegenstand sind.132 Für die Durchführung der Interviews wurden folgende fünf Forschungsfelder bzw. InterviewpartnerInnen aus unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft und Praxis ausgewählt:

.) Gartner Inc. ist ein führendes Forschungsunternehmen und bietet Analysen und Beratung im Bereich der Informationstechnologie an.133 Interviewt wurde Dr. Philipp Mueller. Er ist bei Gartner als Managing Partner im Bereich „Public Sector“ tätig.

.) Das Forschungsinstitut für Kryptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien wurde 2016 gegründet und bündelt ForscherInnen aus unterschiedlichen Kompetenzbereichen um das Thema Kryptoökonomie in allen Facetten zu beleuchten.134 Befragt wurde der wissenschaftliche Leiter Univ. Prof. Dr. Alfred Taudes.

.) Der Vorstand des Department of International Management an der Modul University Vienna, Univ. Prof Dr. Horst Treiblmaier, wurde ebenso befragt.

.) Als Interviewpartnerin stellte sich außerdem Mag.a Sophie Martinetz, Gründerin der Plattform „Futur Law“ (eine unabhängige Plattform für Legal Tech und Digitalisierung im Rechtsbereich135) zur Verfügung.

.) Vom Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien wurde außerdem der Vorstand Univ. Prof. Dr. Nikolaus Forgó interviewt.

Mit dieser Auswahl wurde versucht, ein ausgewogenes Verhältnis unterschiedlicher thematischer Zugänge herzustellen.

In der qualitativen Sozialforschung werden in der Regel teilstrukturierte Interviews durchgeführt.136 Für das theoriegenerierende Interview ist in der Regel der Gesprächs-leitfaden lockerer und offener zu gestalten.137 In diesem Sinn wurde für die Durchführung der Interviews ein Interviewleitfaden mit offenen Fragen erstellt, welcher im Anhang der Arbeit ersichtlich ist. Die Reihenfolge der Fragen wurde dabei in der praktischen Durchführung nicht immer eingehalten, da der Gesprächsverlauf teilweise die Vorziehung anderer Fragen begünstigte, da die Themenbereiche ineinander übergehen und sich teilweise überschneiden. Folgefragen ergaben sich in abweichender Weise auf Grund der unterschiedlichen Antworten der InterviewpartnerInnen. Die Interviews dauerten jeweils zwischen 35 und 60 Minuten und wurden währenddessen im Einverständnis der GesprächspartnerInnen aufgezeichnet. Im Anschluss wurden die Interviews auf Grundlage der Aufzeichnung ins Schriftdeutsche transkribiert und die Transkripte ausgewertet. Im Mittelpunkt der Auswertung von theoriegenerierenden ExpertInneneninterviews steht

132 Vgl.Bogner/Littig/Menz2014, S. 35.

133 Vgl. Gartner, Inc.2018.

134 Vgl.Wirtschaftsuniversität Wien 2018.

135Vgl.Seinfeld Professionals Infrastruktur GmbH & Co KG.

136 Vgl.Bogner/Littig/Menz 2014, S. 27.

137 Vgl.Bogner/Littig/Menz 2014, S. 25.

32 allgemein „der Versuch, das Deutungswissen der ExpertInnen zu erschließen, also jene Prinzipien, Regeln und Werte zu identifizieren, die das Denken und Deuten der ExpertInnen maßgeblich bestimmen.“138 Dabei wurde ein an die Grounded Theory angelehntes Auswertungsverfahren herangezogen, wobei zu beachten war, dass bei vorliegenden Forschungsvorhaben nicht eine soziologische Konzeptualisierung oder eine soziologische Theorienbildung im Vordergrund stand, sondern staatstheoretische, rechtliche und volkswirtschaftliche Aspekte ebenso eine bedeutende Rolle spielen. Eine Anlehnung an die Grounded Theory erschien jedoch insofern als geeignet, als sie das Ziel verfolgt, einen Zugang zur sozialen Welt zu skizzieren und sich der sozialen Realität auf eine bestimmte Weise zu nähern. Sie basiert auf einem induktiven Ansatz, bei welchen auf Basis von Einzelbefunden generalisierende Aussagen entwickelt werden.139 In diesem Sinne wurden die Interviewtranskripte kodiert und anhand von Hauptüberschriften strukturiert. Für das Forschungsinteresse nicht relevante Textpassagen wurden gestrichen. Dadurch konnten die Themenbereiche identifiziert werden, welche durch den Interviewleitfaden weitgehend bereits vorgegeben waren. Teilweise konnten dadurch aber auch neue Bereiche erfasst werden. Im zweiten Schritt erfolgte die Sortierung themengleicher Passagen aus den Transkripten. Im Anschluss wurden die Inhalte systematisch zusammengefasst und bereits erste Interpretationen angestellt, wobei die Erfassung von logischen Zusammenhängen mehr im Mittelpunkt stand als von ähnlichen Relevanzen, Typsierungen oder Deutungen der ExpertInnen.

Um einen möglichst ganzheitlichen Zugang zum Forschungsgegenstand zu erlangen, wurden im Anschluss an die Auswertung der Transkripte gezielt ausgewählte Dokumente herangezogen und in Hinblick auf die Themenbereiche der Auswertung untersucht, um ergänzende Informationen zu ermitteln, welche die Themenbereiche weiter ausführen und/oder komplementäre Haltungen gegenüberstellen. Dabei wurden die Dokumente ebenfalls kodiert und nicht relevante Textpassagen gestrichen. Folgende Dokumente wurden zur Ergänzung herangezogen:

.) Der Report des Government Office of Science “Distributed Ledger Technology: beyond block chain” aus dem Jahr 2016 enthält verschiedene Informationen zu den Themengebieten 5.1, 5.3, 5.5, 5.6, 5.9, 5.11, 5.13 und 5.14 der Interviewauswertung. Es wurde insbesondere auf Grund seines Umfangs und seiner Herkunft als berücksichtigungswürdig erachtet.

.) Das Paper der Autorin Atzori “Blockchain Technology and Decentralized Governance: Is the State Still Necessary?” aus dem Jahr 2015 wurde auf Grund seines Inhalts zu den Themengebieten 5.7 – 5.9 herangezogen. Es ist zum Zeitpunkt der Untersuchung die einzig

138Bogner/Littig/Menz 2014, S. 76.

139 Vgl.Bogner/Littig/Menz 2014, S. 77.

33 auffindbare umfassende Darstellung und Diskussion von Prinzipen blockchain-basierter Steuerung. Die Autorin arbeitet als politische Beraterin und wissenschaftliche Forscherin.140 .) Das White Paper „Pangea Jurisdiction and Pangea Arbitration Token (PAT)“ ist in Hinblick auf den Forschungsgegenstand interessant, weil das Projekt das bekannteste blockchain-basierte Modell einer staatenlosen blockchain-blockchain-basierten Ordnung darstellt. Es wurde im Zusammenhang mit dem Themengebiet 5.7 berücksichtigt.

.) Die Berücksichtigung des Working Papers des United Nations Research Institute for Social Development “How can Cryptocurrency and Blockchain Technology Play a Role in Building Social and Solidarity Finance?” ergab sich auf Grund seiner Thematik und wurde zu den Themenbereichen 5.6 und 5.8 herangezogen.

.) Das Outcome-Dokument der Menschenrechtskonferenz „Vienna +25“ wurde zum Themengebiet 5.11 ergänzend berücksichtigt, da es eine Empfehlung für Staaten in Hinblick auf die Blockchain-Technologie enthält.

.) Der Artikel „Blockchain in the European Union: How the European Parliament approaches DLTs“ der Abgeordneten zum Europäischen ParlamentKaili wurde zum Themengebiet 5.13 miteinbezogen, um die Perspektive des Europäischen Parlaments hinsichtlich einer möglichen Regulierung der Blockchain-Technologie ebenfalls einbeziehen zu können.

.) Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die technischen Einzelheiten für Sicherheitseinrichtungen in den Registrierkassen und andere der Datensicherheit dienende Maßnahmen wurde zum Themengebiet 5.12 herangezogen, da sie Teile der Blockchain-Technologie im Rahmen einer österreichischen Rechtsvorschrift abbildet.

Eine zusammenfassende Darstellung der Daten erfolgt in Kapitel 5 „Daten und Analyse“,