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5. Daten und Analyse

5.6 Besonderer Anwendungsbereich: Geld

Der Faktor Geld bzw. Kryptowährungen wurden von den Befragten zu unterschiedlichen Fragestellungen und ohne dass in der Regeln danach explizit gefragt wurde eingebracht.

Dabei reichte das Spektrum des Kontexts von Anwendungsbereichen in der Verwaltung bis zur Aufhebung des Geldmonopols des Staates. So könnten Kryptowährungen von der Verwaltung für einen bestimmten Zweck eingesetzt werden, beispielsweise als Essens-marken für MitarbeiterInnen. Dies sei nichts anders zu beurteilen als Palmersmünzen oder früher der Calafati-Schilling im Prater ein Spezialgeld darstellten. Aber auch lokale Währungen, die zum Zweck der Ankurbelung der lokalen Wirtschaft in der Vergangenheit z.B. in Wörgl geschaffen wurden, könnten durch die Blockchain abgebildet werden. Bspw.

sei „Frycoin“ eine diesem Prinzip entsprechende Kryptowährung, die auf der Idee von Silivio Gisell basiert und stetig an Wert verliert, um zu verhindern, dass es gehortet wird; damit wird beabsichtigt, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Solche Systeme könnten dazu führen, dass Geld im Umlauf gehalten und ein staatlicher Umbruch hervorgerufen werden könnte.

In Bezug auf die Verwendung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel und Alternative zu nationalstaatlichem Geld konnten zwei entgegengesetzte Entwicklungsperspektiven in Bezug auf das Steueraufkommen des Staates festgestellt werden. So könne einerseits durch Schaffung einer staatlichen Kryptowährung der Staat die vollständige Kontrolle über die Finanzflüsse ausüben und bspw. die Steuer schon auf Transaktionsebene einziehen, während andererseits durch die Verwendung von nicht-staatlichen Kryptowährungen der Staat zunehmend seine Kontrolle über die Finanzmittel verlieren und so vor ein Finanzierungsproblem von staatlichen Leistungen gestellt werden könnte. Dabei spiele auch das Vertrauen in den Staat bzw. in dessen Finanzpolitik wieder eine entscheidende Rolle, da insbesondere in jenen Ländern, in denen eine hohe Inflation herrscht, Kryptowährungen allgemein eine attraktive Alternative für nationalstaatliches Geld darstellen würden.

Außerdem hätten weltweit gesehen viele Menschen überhaupt keinen Zugriff auf Finanzdienstleistungen von Banken. Für diese würden Kryptowährungen in dieser Hinsicht

178 Vgl.Government Office of Science2016, S. 7.

179 Vgl.Government Office of Science2016, S. 10.

48 auch ein Mittel zu Demokratisierung darstellen, was das Banken- und Geldmonopol wiederum in Frage stellen könnte, wobei unabhängig von der rechtlichen Frage der Einordnung von Kryptowährungen auch alleine in ihrer Zulassung die Aufhebung des staatlichen Geldmonopols gesehen werden kann. Derzeit stünden eher die hohen Transaktionskosten und die Nutzung von Kryptowährungen als Anlage- bzw.

Spekulationsobjekt dem großflächigen Einsatz als Zahlungsmittel entgegen. Eine der befragten Personen sprach sich abschließend für die Aufhebung des staatlichen Geldmonopols aus.

„Weil je nachdem wie man das gestaltet, zahlt überhaupt keiner mehr Steuern […]

Beziehungsweise kann ich dann wirklich auch auf Transaktionsebene sofort die Steuer abführen. Wenn alles transparent in der Blockchain ist, brauche ich keine Steuererklärungen mehr, sondern es wird sofort die Steuer berechnet.“ (Interview 1, Zeilen 94f und 96ff)

„Wir haben ja diese Situation nicht, aber wenn man sich z.B. die Situation in Venezuela anschauen, die haben halt Hyperinflation, was macht der Präsident, er führt eine eigene Kryptowährung ein, den Petro, ich weiß nicht, wie weit der akzeptiert wird, aber die Bevölkerung vertraut dem natürlich nicht und wenn die jetzt auf Bitcoin umschwenkt und in Bitcoin investiert, dann wird er auf jeden Fall der Staat geschwächt, weil einfach ein großer Teil des ganzen Finanzsystems dann am Staat vorbeigeht.“ (Interview 5, Zeilen 177ff)

„Auf der anderen Seite, es ist kein Zufall, ich habe jetzt gelesen, in Österreich haben zwischen 2-8 % der Menschen Bitcoin, in der Türkei inzwischen 18% der Leute Bitcoin. Weil, wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass die Währung stabil ist, nimm ich mir was anderes. […] Und wenn ich in Simbabwe lebe oder in Venezuela oder in Ländern, wo der Staat nicht seine Aufgaben erfüllt, dann sind das die Systeme, die ich nehme. Deswegen, es gibt ja, glaube ich, auch weltweit zwei Milliarden Menschen, die überhaupt keinen Zugang zum Banksystem haben. Weil sie auch keine Identität haben. Dort haben wir natürlich alternative Systeme, auf der Basis, eine Möglichkeit. Und für die Leute ist das auch vollkommen rational.“ (Interview 1, Zeilen 216ff und 222ff)

„Und da sind wir jetzt eben bei der Glaubensfrage, soll man das Geldmonopol dem Staat überlassen oder nicht. Und wenn sie meine private Meinung hören wollen, ich bin da relativ liberal. Die Staaten haben da sehr viel Schindluder getrieben. Es gab da damals auch die Wirtschaftskrise, was wahrscheinlich auch ein Grund für Bitcoin war. Wo eben diese ganzen faulen Hypothekarkredite vergeben wurden von den Investmentbanken in den USA und die haben dann zu einer weltweiten Krise geführt, weil es eine Riesenschweinerei ist in

49 Wirklichkeit. Und wenn ich jetzt sage, Private haben die Möglichkeit ihre eigenen Währungen zu schaffen, Geld auszutauschen, dann sozusagen nehme ich dem Staat ein Riesen-instrument der Machtpolitik. Also meine private Meinung ist, viele Staaten haben gezeigt, dass sie es nicht können, man kann es einmal ausprobieren.“ (Interview 5, Zeilen 444ff)

Auch der Report des UK Government Chief Scentific Adviser führt eine größere finanzielle Inklusion der Menschen am Rande des finanziellen Systems als möglichen Anwendungs-bereich für Regierungen an.180 DLT könnten konventionelle Finanzservices disruptieren, deren Kerngeschäft auf Geld- und Werttransfer basiert. „Colored Coins“ würden Geldeinheiten, welche verschiedene Werte beinhalten können, erlauben.181 Die Schaffung von Geld sei nicht mehr länger in der alleinigen Verantwortung und Hoheit von nationalen Regierungen.182

In dem Working Paper des United Nations Research Institute for Social Development (UNRISD) „How Can Crypotocurrency and Blockchain Technology Play a Role in Building Social and Solidarity Finance?“ diskutiert der Autor Scott das Potential der Blockchain-Technologie hinsichtlich Geldüberweisungen, finanzieller Inklusion, kooperativer Strukturen und Micro-Versicherungssystemen.183 Zu der Frage, ob Bitcoin Geld ist, merktScott an, dass Geld ebenfalls nur Token, in digitaler Form oder symbolisch in Papier oder Metall dargestellt, sind und sich der verstandene Wert eines Euro oder Yen, etc. aus einem historischen Prozess ergäbe. Um Token eine so starke ökonomische Position zu geben, wie dies bspw.

beim amerikanischen Dollar der Fall ist, benötige man ein Zusammenspiel zwischen Staat, Zentralbanken, Handelsbanken, Institutionen, die Eigentum schützen und gesetzlichen Zahlungsmitteln, um Steuern zu bezahlen und Schulden zu begleichen. Sobald ein monetärer Standard aber einmal etabliert ist, lasse er sich schwierig wieder widerlegen.

Bitcoin hätte im Gegensatz zu nationalen Währungen keinen geografischen und politischen Wirkungsraum, in welchem er dominiert, er sei nicht das primäre Mittel zur Preisgestaltung und werde auch nicht weitläufig als Tauschmittel angenommen. In der Praxis würde Bitcoin nur von wenigen Menschen als Geld im traditionellen Sinn verwendet werden.

Zusammenfassend könnte für den jetzigen Zeitpunkt gesagt werden, dass Bitcoin ein digitaler Token ist, welcher zwischen Parteien übertragen werden kann, einen Marktwert besitzt und sporadisch zum Austausch von Gütern und Dienstleistungen genutzt wird.184 Der Prozess, welcher digitalen Tokens ihren Wert gibt, entwickle sich jedoch weiter und neue AkteurInnen treten hinzu. Preisvolatilität und Sicherheitsbedenken seien Schlüsselelemente

180 Vgl.Government Office of Science2016, S. 65.

181 Vgl.Government Office of Science2016, S. 61.

182 Vgl.Government Office of Science2016, S. 57.

183 Vgl.Scott, 2016, S. ii.

184 Vgl.Scott, 2016, S. 3.

50 in diesem Kontext. Einhergehend mit der Literatur und Praxis um Kryptowährungen entstünden auch Debatten rund um die Regulierung, rechtliche Einordnung und Besteuerung von Bitcoin.185

Abseits der Prominenz in „entwickelten“ Industriestaaten, wäre auch eine Anzahl an Narrativen zum möglichen Empowerment von Menschen in „weniger entwickelten“ Ländern hervorgetreten, nämlich:

- Bitcoin als Weg preiswerte internationale Überweisungen zu ermöglichen,

- Bitcoin als Weg für vom Finanzsystem ausgeschlossenen Einzelpersonen einen dezentralisierten globalen Bankzugang zu erhalten und

- Blockchain als Basis um eine Vielzahl an Finanzdienstleistungen zu beschaffen.186

Hinsichtlich Überweisungen wird im Detail ausgeführt, dass Bitcoin das Potential habe, als intermediäre Währung zwischen anderen Währungen zu fungieren und den „kleinen“

internationalen Handel zu fördern. So könne bspw. ein philippinischer Arbeiter in den USA seiner Familie auf den Philippinen einfacher Geld überweisen ohne auf Unternehmen wie z.B. Western Union angewiesen zu sein, oder es biete sich für lokale AnbieterInnen in

„ärmeren“ Ländern, die Schwierigkeiten mit dem Zugang zu internationalen Bezahlungssystemen haben, eine Möglichkeit, ihre Produkte international verkaufen, oder auch für NGOs Spendengelder zu empfangen.187 Im Zusammenhang mit Ländern mit einer schlechter Infrastruktur im Bankgeschäft wird mangelndes Vertrauen in die Wertstabilität von Geld ins Treffen geführt; die Technologie könnte somit genutzt werden, um auf sichereren Weg Geld zu halten oder für alltägliche Transaktionen zu nutzen. Bitcoin könne so eine Infrastruktur für alltägliche lokale Zahlungen in prekären und informellen Umgebungen bereitstellen.188

Verschiedene Faktoren stünden solchen Entwicklungen jedoch entgegen. So seien Überweisungen abhängig von der Flüssigkeit des Markes zwischen Bitcoin und der nationalen Währung der EmpfängerInnen, mobile Geldsysteme abhängig von einem existierenden Netzwerk von verschiedenen AnbieterInnen und die Entwicklungsfähigkeit von Bitcoin in Ländern mit schlechtem technischen Zugang und geringem Ausbau der Infrastruktur zweifelhaft. Und auch wenn diese Hürden überwunden werden könnten, sei es notwendig zu realisieren, dass die Probleme von finanzieller Exklusion nicht durch das Anbieten der Möglichkeiten eines Bitcoin-Kontos oder -Bezahlungssystems gelöst werden können. Finanzieller Exklusion sei der Situation von Menschen, welche keinen Zugang zu Bankkonten haben immanent, doch Exklusion bedeute auch den fehlenden Zugang zu Krediten, was in einem Kontext zu fehlendem regelmäßigen Einkommen oder den Mangel an

185 Vgl.Scott, 2016, S. 4.

186 Vgl.Scott, 2016, S. 5.

187 Vgl.Scott, 2016, S. 5.

188 Vgl.Scott, 2016, S. 6.

51 formellen Besitztiteln als Garantien gesehen werden könnte. Ein möglicher Weg zur finanziellen Inklusion sei hinter den Profit zu blicken und Finanzinstitute zu schaffen, welche auf sozialen und solidarischen Prinzipien aufbauen. Ein anderer Weg – innerhalb des Paradigmas des Profits – bilde der Versuch die Kosten von Dienstleistungen über die Technologie zu reduzieren und so die potentiellen Profite und Anreize für AnbieterInnen von Finanzdienstleistungen zu steigern. Bitcoin hätte sich in diesem Feld erst zu beweisen und habe zwar das Potential alternative Bezahlsysteme zu ermöglichen, aber es hätte sich noch nicht gezeigt, wie dadurch finanzielle Inklusion ermöglicht werden könne. Ein interessantes Feld in diesem Zusammenhang bilde das Potential, die Technologie für Versicherungs-verträge und geteilte Versicherungen einzusetzen.189

Scott sieht jedoch auch allgemein den Ansatz, Technologie und die „Flucht ins Internet“ als Lösung für alle Probleme heranzuziehen, kritisch und bemerkt, dass technologische Lösungen mehr aus einer holistischen respektive anthropologischen Perspektive im Sinne eines Verstehens des gesellschaftlich eingeschlossenen Gebrauchs der Technologie in verschiedenen kulturellen und politischen Umgebungen betrachtet werden können.190

Kryptowährungen würden zwar allgemein mehr mit der Idee der freien Märke und kapitalistischen Modellen verbunden werden, linksliberale Strömungen würden sich jedoch für die Funktionen, welche eine nicht-hierarchische Selbstorganisation und gleichrangige Kollaboration innerhalb gemeinschaftlicher Netzwerkstrukturen erlauben, interessieren. Als ein Beispiel hierfür wird „Faircoin“ genannt, welcher durch das Unternehmen Fair.Coop, eine Initiative eines spanischen Aktivisten, eingeführt wurde. Faircoin hat das Ziel, eine globale Währung für Transaktionen innerhalb eines kooperatives globalen Netzwerks zu etablieren und versucht so, Kryptowährungen außerhalb des kapitalistischen Modells mit einem Fokus auf kollaborative Solidarität und autonomer Selbststeuerung, welche Gleichheit und Umverteilung wichtiger ansieht als den starren Schutz von historischen Besitztümern, zu verwenden. Projekte wie Faircoin gehen von der Annahme aus, dass formale Marktsysteme zwar der Ursprung von ökologischen Wachstum und individueller Verbesserung sind, diese aber ebenso gleichzeitig die Ursache für soziale Ungleichheiten, Entfremdung und gemeinschaftlichen Zerfall seien. Initiativen wie Faircoin versuchen also alternative ökonomische Systeme außerhalb der normalen Märkte zu schaffen und so die tief reichenden Regeln von wirtschaftlichen Beziehungen zu dekonstruieren.191

189 Vgl.Scott, 2016, S. 7f.

190 Vgl.Scott, 2016, S. 9.

191 Vgl.Scott, 2016, S. 9f.

52 5.7 Disrupted Government – welche Faktoren begünstigen die aus Sicht des Staates ungewollte Disruption?

Im Zusammenhang mit dem Themengebiet, sowie den folgenden Punkten 5.8 und 5.9 ist insbesondere auf die Unterkapitel 3.4.1 und 3.4.4 der Arbeit hingewiesen, welche den Stand der wissenschaftlichen Literatur zur disruptiven Kraft der Blockchain-Technologie und die Herausforderungen für den Staat ausführen und mit den folgenden Ausführungen in einem engen Bezug stehen.

In den Befragungen wurden hinsichtlich der aus der Sicht des Staates ungewollten (teilweisen) Disruption wurden unterschiedliche Aspekte eingebracht. In der Gesamtheit ließen die Aussagen den Schluss zu, dass es eine entscheidende Rolle spielt, inwieweit Staatlichkeit und insbesondere Rechtsstaatlichkeit in einem Land überhaupt vorhanden ist und/oder wie gut der Staat seine Aufgaben im Verhältnis gegenüber den BürgerInnen erfüllt, damit diese nicht beginnen, sich unter Zuhilfenahme der Blockchain-Technologie selbst zu organisieren oder auf alternative Angebote umsteigen. Hierbei spielen die Anforderungen der BürgerInnen an den Staat wie insbesondere soziale Sicherheit und Geldwertstabilität bzw.

das Ausmaß von Korruption und Kriminalität eine wichtige Rolle, aber auch allgemein die Fähigkeit, anständige Dienstleistungen für die BürgerInnen bereitzustellen. In einem Gespräch wurde explizit darauf hingewiesen, dass Träger der Disruption nicht die Technologie selbst, sondern die Unzufriedenheit der Menschen sei. Innerhalb zwei Befragungen ergaben sich im Detail potentielle Widersprüche im Zusammenhang mit der Disruptionskraft der Blockchain-Technologie. So wurde einerseits geäußert, dass die disruptive Kraft der Blockchain-Technologie in diesem Kontext auch nicht stärker sei als jene von WhatsApp oder dem Smartphone. In einem anderen Gespräch wurde hingegen angemerkt, dass die Blockchain-Technologie besonders geeignet sei für eine Gemeinschaft, sich selbst zu organisieren. Diese Aussagen können insofern in Einklang gebracht werden, als dass die disruptive Kraft von WhatsApp oder dem Smartphone letztendlich auf das Internet zurückzuführen ist und die Blockchain-Technologie hinsichtlich ihrer Disruptivität allgemein oft mit dem Internet verglichen oder beispielsweise auch als „Internet der Werte“

bezeichnet wird. Darüber, ob die Disruptionskraft der Blockchain-Technologie mit jener des Internets vergleichbar ist oder auch darüber hinausgeht, kann es freilich allgemein noch kein finales Urteil geben, jedenfalls können beide Technologien als Mittel zur Selbstorganisation gesehen werden.

„Wenn der normale Staat seine Anforderungen erfüllt, gibt es keine Gründe auf Bitnation zu gehen.“ (Interview 1, Zeilen 211f)

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„Naja die Fähigkeit anständige Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen. Und eben, die im Gesamtkonzept dazu zuführen, dass die Bürgerinnen und Bürger bereit sind weiterhin 50% ihrer Wertschöpfung über den Staat laufen zu lassen.“

(Interview 2, Zeilen 183ff).

„Dann gibt es einen Schwarzhandel, dann gibt es Slums, wo sie eigene Rechtsstaatlichkeit haben und ich glaube, das ist in der echten Welt oder in der Blockchain-Welt ziemlich ähnlich, aber ja, klar hebelt sich da der Staat aus, das ist was Faktisches. Aber da spielt er sowieso nicht mehr mit [...]“ (Interview 3, Zeilen 243ff)

„[…] wenn es kein funktionierendes Bankensystem gibt und keinen funktionierenden Staat, dann organisieren sich die Leute halt selber und da ist die Blockchain die Technologie welche.“ (Interview 1, Zeilen 229ff)

„[…] also es ist ein Träger der Disruption aber nicht der Verursacher, sondern die Unzufriedenheit der Menschen mit gewissen Dingen ist der Verursacher.“ (Interview 3, Zeilen 279f)

In den genannten Zusammenhängen wurde aber auch das Vorhandensein von Angebot und Nachfrage ins Treffen geführt. So wäre es einerseits relevant wieviele Menschen das Bedürfnis nach Alternativen zur Staatlichkeit haben und andererseits würde das Ausmaß, inwieweit und welche Alternativen vorhanden sind, eine Rolle spielen. Aus Sicht der BürgerInnen müsse sich jedenfalls ein Vorteil für die Wahl für Alternativen ergeben. Aber auch noch weitere Faktoren würden eine Rolle spielen. So könne bspw. bei großer Armut und schlechter Bildung in der Bevölkerung eher davon ausgegangen werden, dass die Technologie weniger einfach eingesetzt werden könne; selbiges treffe zu, wenn die Menschen technologisch schlechter vernetzt sind. Weiters wurde auf den Regierungsstil hingewiesen: Je autoritärer ein Staat regieren würde, desto weniger Freiheit bestünde für die Menschen, auch alternative Organisationsformen zu wählen.

„Sicher, das habe ich eh gesagt. Der Staat ist ein soziales Konstrukt und wenn genug Leute sind, siehe DDR, wenn die auf die Straße gehen und sagen, ich akzeptiere die staatlichen Autoritäten nicht mehr, dann ist der Staat zu Ende, klar, sicher.“ (Interview 1, Zeilen 247ff)

„Naja, ich glaube es ist immer eine Frage der Konkurrenz.“ (Interview 1, Zeile 208)

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„Aber wenn man eben blockchainbasierte oder distributed-ledger-basierte Systeme aufbaut, die eleganter und billiger und besser sind, als das was der Staat an Gemeinwohl heutzutage bereitstellt, dann werden wir da Situationen haben, wo Staatlichkeit abgelöst wird […]“

(Interview 2, Zeilen 54ff)

„[…] was ich jetzt eben gehört habe, in Afrika ist das große Problem immer die Energie, die haben keine vernünftige Energieversorgung. Und eine Möglichkeit das zu machen mit der Blockchain sind dezentrale Energiesysteme und dazu braucht man immer eine Krypto-währung. Weil ja dann jeder mit Sonnenkollektor auch Energie handelt. Und das macht man auf der Blockchain mit einer eigenen Kryptowährung. Und diese Kryptowährung ist dann eigentlich der Schluss, dass man sagt, die Währung verwende ich für andere Sache auch.

Dann wäre das die Basis für lokale Peer-to-Peer-Ökonomie und den dezentralen Staat.“

(Interview 1, Zeilen 253ff)

Allgemein wurde von den Befragten davon ausgegangen, dass sich Staaten grundsätzlich halten würden, jedenfalls „bei uns“, bzw. wurde auch angeführt, dass diese Entwicklungen auf lange Sicht nicht vorauszusehen wären und davon abhängig seien, welches Bild vom Menschen man habe. Es wurde aber auch angemerkt, dass es zwischenzeitlich Entwicklungen gäben könne, die der Staat nicht sofort korrigieren oder in gewünschte Bahnen lenken könne. Außerdem wurde angeführt, dass Staatlichkeit nicht schon immer jene Rolle spiele, die sie heute habe und in manchen Staaten auch jene Aufgaben von Privaten besorgt werden, die „bei uns“ zu kernstaatlichen Aufgaben gehören würden, wie bspw. Sicherheit.

„Es ist schon so, dass Staatlichkeit im Moment mehr als in den letzten 100 Jahren durch andere Systeme ersetzt werden kann. Wir sind in der Privatisierung sind wir sehr viel besser geworden, im Sinne von was man da machen kann. Und das sieht man ja in vielen Ländern dieser Welt, dass viele Aufgaben die wir jetzt als Kernaufgaben von Staatlichkeiten sehen würden bis hin zur Sicherheitsbereitstellung von Privaten übernommen werden, und das interessante an Blockchain-Technologien ist, dass sie tatsächlich zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eben eine logische Konkurrenz zu den zentralinstanzlichen Datenbanken sind. Ob das jetzt Banken, also da sind Banken genauso betroffen wie eben Staaten. Und insofern natürlich kann das kommen und wenn man eben die Geschichte der Menschheit anschaut, Staatlichkeit hatte nicht immer die Rolle, die sie jetzt hat.“ (Interview 2, Zeilen 161ff)

55 „Man muss halt dann im Grunde die gesamte Literatur der Aufklärung neu lesen und ob sich das westlich, individualistisch, liberalistische Bild vom Staat auf Dauer wird halten lassen, weiß ich nicht, aber hoffen tu ich es schon.“ (Interview 4, Zeilen 383ff)

In einem Interview wurde außerdem in dem Kontext die Tatsache als problematisch bewertet, dass Anwendungen der Blockchain-Technologie durch den Code von ProgrammiererInnen bestimmt werden würden, was auch nicht demokratisch sei, sowie, dass jene Programme unter Umständen fehlerhaft sein könnten und von den Menschen im Normalfall auch nicht lesbar oder nachvollziehbar seien.

„Und ein normaler Mensch kann die Programme auch nicht lesen. […] Wir haben ja ein Riesenproblem, dass sehr viele Leute nicht programmieren können. Und dann legen wir die staatliche Logik in Programme und nur ganz wenige Leute verstehen das, wie die gehen.“

(Interview 1, Zeilen 189f und 191ff)

Im dem Kontext der Fragestellung ist auf das Projekt „Bitnation“ hinzuweisen. In dem White

Im dem Kontext der Fragestellung ist auf das Projekt „Bitnation“ hinzuweisen. In dem White