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Memento mori und Contemptus mundi

Im Dokument Im Diesseits das Jenseits bereiten (Seite 126-130)

Theologisches Wissen für Laien des späteren Mittelalters

5.1 Der Tod

5.1.4 Memento mori und Contemptus mundi

Das Memento mori mahnt dazu, sich die Unvermeidlichkeit des Todes und des Gerichts vor Augen zu halten.31 In der mittellateinischen Literatur wird mit dem Memento mori oft das Motiv des Contemptus mundi, das heißt die Nichtigkeit der Welt und der irdischen Güter, ver-bunden. Das Memento mori in lateinischen Artes moriendi und ähnlichen Schriften, wie z. B. dem im Spätmittelalter populären Cordiale de quatuor novissimis des Gerard van Vliederhoven (siehe DUSCH 1975), und in der volkssprachlichen Literatur ruft meist zur Buße als Vorbereitung auf den Tod auf. In der mittelalterlichen deutschen Literatur scheint das Memento mori jedoch oft als Sinnhorizont größer angelegter Betrachtungen zu dienen, die zur „rechte[n] Gestaltung des Lebens“ (siehe SCHULZE 1999, Zitat ebd., Sp. 506) anregen wollen. So nutzt auch Berthold von Regensburg gerne Betrachtungen über die Vergänglichkeit des Lebens, um auf das ewige Leben zu verweisen (siehe OECHSLIN WEIBEL 2005, S. 34f).

Als eine der einflussreichsten Schriften für den mittelalterlichen Contemptus-Gedanken gilt De miseria humanae conditionis (entst. 1195) des späteren Papstes Innozenz III. (Lotharius von Segni). In ihr wird – mit dem Ziel, den Hochmut aus der Welt zu vertreiben – die Nichtigkeit des Menschen stärker als die Verachtung der Welt betont (siehe REYNAERT 1996, S. 189f).32 Trotz der weiten Verbreitung der lateinischen Version und vielen frühen volkssprachlichen Übersetzungen, unter anderem ins Italienische, Französische und Deutsche, ist die erste mittelniederländische Übersetzung dieses Werkes erst relativ spät entstanden (siehe REY

-NAERT 1996, S. 190). Die bereimte Übersetzung des Rederijkers Andries van der Meulen ist wahrscheinlich gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts entstanden und wurde Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gedruckt (ebd., S. 190).33 REYNAERT (1996, S. 189f) findet es be-merkenswert, dass sich dieses aus der lateinischen asketisch-monastischen Literatur stam-mende menschenfeindliche Bild der Verachtung der Welt und des Körpers angesichts des Todes in der Laienwelt etablieren konnte.

Der Memento mori-Gedanke ist innerhalb des Korpus vor allem in den Moralisierungen Jans van Boendale und in Jans van Leeuwen Traktaten prominent anwesend. So wird Jan van Boendale nicht müde zu mahnen, dass jeder Christ gut daran täte, sich den Tod vor Augen zu halten (Waeromme en peinstu niet ende veest / Wanen du quaems ende wie du beest, Lsp., I, 16, V. 73f, vgl. Lsp., I, 19, V. 87-90, Lsp., I, 24, V. 62-64, Wraken, III, 17, V. 2393f, Teest., 28, V.

31 Soweit nicht anders ausgewiesen, beruht dieser Absatz auf BERNT 1999b und SCHULZE 1999.

32 De miseria humanae conditionis ist in drei Bücher eingeteilt (Geburt, Leben und Tod). Die stark dualistische Sichtweise in diesem Werk, in dem alles Elend dem menschlichen Dasein zugeschrieben wird, grenzt an Häresien wie den früh-christlichen Manichäismus oder das zeitgenössische Katharertum. Der unorthodoxe Aspekt blieb von kirchlicher Seite nicht unbemerkt und führte zu Kritik, die der anhaltenden Popularität des Werkes jedoch nicht schadete (siehe REYNAERT 1996, S. 189).

33 Einige Aspekte der Vermittlung, wie die mündliche Übermittlung durch die Predigt und in kleinerem Kreis durch Lesungen, entziehen sich unserem Blick (siehe REYNAERT 1996, S. 191).

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2512).34 Jan van Boendale zeigt außerdem eine Vorliebe für das Motiv des Todes als Gleichmacher. Dieses Motiv tritt häufig in spätmittelalterlichen deutschen Texten, wie der Erzählung von den Drei Lebenden und den Drei Toten, in Artes moriendi oder Totentanzdichtungen im Kontext des ständeübergreifenden Aufrufs zur Buße angesichts des Todes auf (siehe SCHULZE 1999).35 Jan van Boendale warnt, dass es angesichts der Vergänglichkeit alles Irdischen und der Gewissheit, dass vor dem Tod alle gleich sind, unnütz sei, sich an seinen Körper, das Leben oder irdische Güter zu klammern (Bestu aerm, rike, ionc oft out / Du moests wech, eist lief, eist leet, Lsp., I, 16, V. 76f, vgl. Wraken, III, 14, V. 1891f).36 Jan van Boendale will die Gläubigen zwar dazu anregen, über ihr Leben nachzudenken (vgl. Lsp., III, 118, V. 1-23), aber keine Angst vor dem Tod schüren (vgl. Lsp., III, 114, V. 306-314). Damit ähnelt seine Intention den meisten mittelalterlichen Memento mori-Betrachtungen, die zur moralischen Einkehr aufrufen, ohne dabei Angst vor dem Tod als Ereignis einflößen zu wollen.37 Auch Jan van Boendale kontrastiert die Vergänglichkeit der (Güter der) Welt mit dem ewigen Lohn im Himmelreich: Daer omme soude wi van rechte alle dese vergankelike werelt begheven ende trecken uit desen eertsche lande ten eweliken lande der gheloften wert daer boven. Want wi en sijn niet ghemaect hier te bliven in dit eertsche alindeghe lant mer wi souden metten gheeste onsen heere Jhesum Cristum vrilijc na volghen ten eweghen lande wert daer boven (Dboec tien gheboden, f. 19ra-19rb, vgl. Ongherechticheit, f. 117ra).

Die früheste Spur der mittelniederländischen laikalen Rezeption des contemptus-Gedankens über die Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis (kurz Meditationes) findet sich bei Jan van Boendale in Jans Teesteye (siehe REYNAERT 1996, S. 201). Die Meditationes beruhen

34 Vgl. Berthold von Regensburg (zitiert nach OECHSLIN WEIBEL 2005, S. 35): Swenne dû gerne andâht haben wilt, sô gedenke rehte wannen dû komen bist unde wer dû iezuo und iemittunt bist unde war zuo dû in kurzen zîten werden muost. Beide Passagen ähneln einer Stelle in einer Predigt Bernhards von Clairvaux: „Erwäge woher du gekommen, und erröte, wo du bist, und seufze, wohin du gehst, und zittere.“ (zitiert nach HAAS 1998, S. 83). REYNAERT (1996, S. 196) zitiert eine sehr ähnliche Passage aus der Pseudo-Bernhard von Clairvaux-Schrift Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis („Attende homo, quid fuisti, ... quid s, ... quid eris“), die auch nicht als Quelle ausgeschlossen werden kann, da Jan van Boendale dieses Werk nachweislich kannte und für Teesteye verwendet hat (siehe unten, S. 109).

35 Bei der Erzählung von den Drei Lebenden und den Drei Toten handelt es sich um die Legende von drei jungen Männern, die bei einem Ausritt auf drei Skelette treffen, die sie an ihre Vergänglichkeit und die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge erinnern (siehe HEYSE 1999a). Das Motiv des Todes als Gleichmacher (ebenaere) tritt zum ersten Mal in einem Notker zugeschriebenen alemannischen Memento mori-Text gegen Ende des elften Jahrhunderts unter stark

sozialkritischen Aspekten auf (siehe SCHULZE 1999). Im Spätmittelalter wurden Darstellungen des Makabren und das Motiv des Todes als Gleichmacher angesichts von Krisen wie Hungersnöten, Kriegen und der Pest besonders populär (vgl. BLOCKMANS 2010, S. 419).

36 Zum Tod als Gleichmacher zwischen Arm und Reich vgl. Sidrac, Frage 56, S. 64, Sidrac, Frage 87, S. 83, Sidrac, Frage 101, S. 89f, Ongherechticheit, f. 118va-vb. Die Vergänglichkeit der irdischen Güter angesichts des Todes wird in Wech van Salicheit (Z. 450-460) anhand der Lazarus-Parabel unter der Sünde des Hochmuts behandelt.

37 Vgl. Een scone Leeringe om salich te sterven (Z. 87-105), wo der Tod als ein freudiges Ereignis beschrieben wird: Da der Tod für gute Menschen ihre Befreiung aus der irdischen Verbannung und die Erlösung ihrer Seele mit sich bringe, sei – wie schon Koh 7:1 besagt – der Tag des Todes besser als der Tag der Geburt. Auch Berthold von Regensburg betont die positiven Aspekte des körperlichen Todes (siehe OECHSLIN WEIBEL 2005, S. 26-37).

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großteils auf dem für den mittelalterlichen contemptus-Gedanken grundlegenden Text De miseria humanae conditionis (siehe oben, S. 110) und wurden meist fälschlich Bernhard von Clairvaux zugeschrieben. REYNAERT (1996, S. 201) zeigt auf, dass Jan van Boendale das vollständige dritte und den Anfang des vierten Kapitels bearbeitet und in verschiedene seiner Texte integriert hat (unter anderem als Schluss von Teesteye und Wraken, siehe oben, Kapitel 1.1.2).

Obwohl in den Meditationes das zweite und das dritte Kapitel dem contemptus-Gedanken gewidmet sind, hat Jan van Boendale aus dem zweiten, am dichtesten bei De miseria an-schließendem, Kapitel wenig übernommen; das dritte Kapitel (De dignitate animae, et vilitate corporis), in dem – anders als in De miseria – der Sterblichkeit des Körpers als Ausgleich die Würdigkeit des Geistes gegenübergestellt wird, hat er hingegen beinahe vollständig übernommen (siehe REYNAERT 1996, S. 203). Der Vergleich zeigt, dass er bei seiner Bearbei-tung neue Schwerpunkte setzte: So lässt er eine für Laien ungeeignete Passage über die klösterliche Devotionspraxis der Selbstkasteiung weg und nimmt eine weltlichere Perspektive im Konflikt zwischen der Welt und Gott ein (ebd.). Außerdem hat Jan van Boendale kein Problem mit rechtmäßigem, das heißt ehelichem sexuellen Umgang – hiervon ist in seiner Quelle nirgendwo die Rede – und er sieht die Möglichkeit der Wahl in dieser Welt für Gut und Böse, das heißt, anders als der Autor der Meditationes, betrachtet er diese Welt nicht als von sich aus schlecht (ebd., S. 204, vgl. Teest., 43, V. 4062-4073).

Ausschlaggebend für den Weg in den Himmel ist für Jan van Boendale das Einschlagen des richtigen Weges in dieser Welt, nicht die Verachtung der Welt an sich. Im Einklang mit dem kirchenkritischen Grundton von Teesteye bietet der in den Meditationes propagierte weltverachtende asketisch-geistliche Lebenswandel keine Garantie mehr für das Seelenheil, auch Laien können sich zwischen Gut und Böse entscheiden (siehe REYNAERT 1996, S. 204).38 Dieser Aspekt wird in dem unabhängig von den Meditationes formulierten Schluss von Teesteye unterstrichen (siehe REYNAERT 1996, S. 204f, vgl. Teest., 43, V. 4088-4097).

Dennoch hat Jan van Boendale den Meditationes auch ein drastisches Motiv entlehnt, das der Nichtigkeit des irdischen Ruhms und der Vergänglichkeit des Körpers mahnt. Der Körper ist nichts weiter als die Hülle der Seele; er wird als leerer, stinkender Sack, an dem die Würmer nagen, zurückbleiben (vgl. Lsp., I, 16, V. 59-66, Wraken, III, 17, V. 2299-2302, 2321-2328, parallele Passage Teest., 43, V. 3910-3913, 3932-3939).39 Dieses Motiv beruht auf der gegen Ende des elften Jahrhunderts vermehrt thematisierten Vorstellung, dass der körperliche

38 Trotz der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung ist die frühe Rezeption an sich bedeutsam (siehe REY -NAERT 1996, S. 205). Warum es in den folgenden ein bis zwei Generationen auch in laikalen Kreisen zur positiven Rezeption dieser weltverachtenden Sichtweise kam, ist unklar (ebd.).

39 Siehe REYNAERT 1996, S. 206-210, für eine Gegenüberstellung der von Jan van Boendale bearbeiteten Passagen der Meditationes mit dem lateinischen Text.

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Verfall des Leichnams eine Folge des Sündenfalls sei (siehe oben, Kapitel 5.1.2). Es wurde als heilsames Mittel gegen die Sünde des Hochmuts – besonders bei Mächtigen – betrachtet und auch Jan van Boendale setzt es in diesem Sinn ein.40

Das im späten Mittelalter stark an Popularität gewinnende Motiv des personifizierten Todes findet sich im Korpus nur in einem der späteren Werke Jans van Boendale.41 In Wraken tritt in einer im Kontext der Pest stehenden Passage der Tod als Reiter personifiziert auf (vgl. Wraken, III, 14, V. 1757-1822). Das Motiv ist wahrscheinlich auf die Johannesoffen-barung (6:7-8) zurückzuführen (siehe VAN GERVEN 1988/1989, S. 202). Der Tod erscheint einer Gruppe verängstigter englischer Seeleute als ‚ernst‘ oder ‚böse‘ aussehender Reiter (Ende een man daer op ocht hi was gram, Wraken, III, 14, V. 1770), der sich dem Schiff über das Wasser nähert und sich als Strafinstrument Gottes vorstellt: ic ben die doot / Die nieman en can verdraghen / Dien God wilt hebben verslaghen, Wraken, III, 14, V. 1782-1784. In dieser Passage stellt Jan van Boendale die Pest als Strafe Gottes für das Unterlassen eines den Verlust Akkos rächenden Kreuzzuges dar, wobei er besonders die Passivität des Königs von Frankreich anprangert.42 Hierzu sei angemerkt, dass die Pest das niederländische Sprachgebiet im Jahr 1348 erreichte.

Es ist nicht sicher, ob die Berichte über die Pest in Wraken auf Hörensagen oder persönlichen Erfahrungen beruhen, das heißt, ob die Pest Brabant zu diesem Zeitpunkt erreicht hat (siehe VAN GERVEN 1988/1989, S. 201-205). Aktuell hat BLOCKMANS (2010, S. 226f) unter ande-rem anhand dieser Passage argumentiert, dass die erste Pestwelle Brabant wahrscheinlich nicht mit der gleichen Heftigkeit wie andere Gebiete getroffen hat.

Auch aus vielen Moralisierungen in den Traktaten Jans van Leeuwen spricht der mittel-alterliche Memento mori-Gedanke. So ruft Jan van Leeuwen sein Publikum dazu auf, sich fort-während die eigene Sterblichkeit vor Augen zu halten, denn man weiß weder, wann der Tod zuschlägt, noch, wie das Urteil ausfallen wird (vgl. Tien gheboden, f. 39rb-39va). Auch sein

40 Bilder des körperlichen Verfalls des Körpers und seines Schicksals, Wurmfutter zu werden, finden sich schon im AT (Sir 10:11, Jes 14:11). Sie wurden breiteren Schichten unter anderem durch die Schriften Bernhards von Clair-vaux bekannt (siehe COHEN 1973, bes. S. 23-25). Auch im mittelniederländischen Text Wech van Salicheit (Z. 1839-1844) bezieht sich eine betreffende Passage auf Bernhard: Willen wi oec anderwerf merken | die dingen die in ons sijn, dats ons selven in alle manieren, wi vinden in ons oec sake van ons te veroetmoedegene. Want willen wi ons selven wel kennen ende merken, wi sullen vinden, also sente Bernaerd seit, dat wi in ons beghinsel sijn I vul saet, in onse middewaert I sac van vulheden, ende in onsen einde I spise vanden wormen. Siehe COHEN 1973, bes. S. 12-47, und ARIÈS 1976, S. 93-108, zum so genannten Makaberen im Totengedenken des Spätmittelalters. Das Makabere hat besonders in der mittelalterlichen romanischen und englischen Literatur ein starkes Gewicht (siehe GIER 1999, BITTERLING 1999).

41 DINZELBACHER (1999a, S. 32-35) liest die sich gegen Ende des Hochmittelalters verändernde Einstellung zum Tod daran ab, dass in der Literatur zu der Beschäftigung mit dem Schicksal der Seele nach dem Tod verstärkt Reflek-tionen über den Tod und den Moment des Sterbens treten. Im Zuge dieser Entwicklung tritt in der europäischen Literatur um das Jahr 1200 die unheimliche Gestalt des personifizierten Todes auf, zuerst in Les Vers de la Mort (entst.

ca. 1195) des Hélinands de Froidmont (ebd.).

42 Laut VAN ANROOIJ (1994a, S. 141 und 1995, S. 44f) illustriert diese Episode, insbesondere die Moralisierung am Ende dieser Episode (Wraken III, 14, V. 1823-1872), zusammen mit der Aktualisierung der Visio Fratris Johannis (vgl.

Wraken III, 9-10), wie stark bei Jan van Boendale nach der Vertreibung der Christen aus dem Heiligen Land der Wunsch nach einem neuen Kreuzzug vorhanden war. (Siehe unten, Kapitel 7.1.)

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primäres Anliegen ist es nicht, seinem Publikum Angst vor dem Tod zu machen, sondern es angesichts des bevorstehenden Urteils zu einer moralischen Einkehr zu veranlassen. Dies lässt sich zum Beispiel anhand einer auffallenden Memento mori-Passage im Traktat Ongherechticheit illustrieren. In diesem Traktat wird das Christuswort „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ (Mt 4:17, Mk 1,14), das eigentlich ein Verweis auf das Jüngste Gericht ist, auf das persönliche Ende jedes Menschen bezogen: Hier omme sprac ons here doet penitencie ende gheloeft dat eweghe hemelrike beghint te naken [...] ende alsoe trect deen mensche den anderen waer hi mach af ende achterweert / ende eer sijs waer weten comt die doot diet al verslaet te gronde (Ongherechticheit, f. 114va-115ra). In einem anderen Traktat schreibt Jan van Leeuwen, dass der Mensch keine Angst vor dem Tod zu haben brauche, denn die Frage ist nicht, ob und wann man stirbt, sondern ob man den ewigen Lohn erhalten wird (vgl. Tien gheboden, f. 14rb-14va). Er ruft nicht nur dazu auf, sich zu Lebzeiten immer wieder den Tod und das Urteil vor Augen zu halten, er nennt auch als besondere Strafe der Bösen, dass sie schon in der Todesstunde ihr Urteil, das heißt ihre Verdammung, sehen (vgl. Ongherechticheit, f. 117ra). Während er aber in einigen Traktaten das Beten aus Angst vor der Verdammung verurteilt (vgl. u. a. Goeder leeringhen, f. 163vb-164ra, Bedinghen, f. 52ra-rb), spricht er an anderer Stelle davon, dass die Angst vor dem Tod und der Hölle den Sünder vor weiteren Sünden abhalten solle, wenn er sie nicht von alleine aus Liebe zu Gott unterlässt (vgl. Seven teekenen, f. 65rb, ähnlich Lodewijk van Velthem, SH V, VIII, 25, V. 1307-1318). Diese Inkonsistenz sollte angesichts des Umfangs und des langen Entstehungszeitraums seines Oeuvres jedoch nicht überbewertet werden.

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