• Keine Ergebnisse gefunden

6 Medienbezogene Reflektion als Zugangsmöglichkeit zu medienpädagogischer Professionalisierung

Bei manchen Lehrenden begrenzt der mediale Habitus die individuelle Professio-nalisierung stark oder verhindert diese ganz, während andere Lehrende durch ihre offenen, medialen Habitus mehr Möglichkeiten für medienpädagogische Professio-nalisierung sehen und nutzen. Digitale Medien stellen eine Erweiterung des Möglich-keitsraums dar (vgl. Meder 2008). Auch in Bildungskontexten werden mit digitalen Medien so neue Möglichkeiten erschlossen. Der mediale Habits stellt die Grenzen für die Nutzung dieser Möglichkeiten dar. Da die digitalen Möglichkeiten nur innerhalb der Grenzen des medialen Habitus nutzbar sind, kann auch von einem durch den medialen Habitus bedingten Ermöglichungsraum gesprochen werden (vgl. Bolten-Bühler, 2021).

Die Ergebnisse zeigen, dass, obwohl alle interviewten Lehrenden die Möglichkeit hatten, an einer medienpädagogischen Fortbildung ohne finanziellen Mehraufwand teilzunehmen, dies nur die Lehrenden getan haben, die ein Interesse an digitalen Me-dien haben, und sich dies in ihrem medialen Habitus vor allem durch funktionale Anteile und eine offene Einstellung Medien gegenüber zeigt. Vermehrte Angebote medienpädagogischer Professionalisierung allein werden ein medienpädagogisches Desiderat bei Lehrenden nicht beheben können. Angebote müssen so gestaltet sein, dass sie die Lehrenden entsprechend ihren medialen Habitusstrukturen ansprechen.

So reagieren die Lehrenden auf die Angebote nicht mit Distinktionstendenzen, und die Gefahr, dass es zu einem „clash of habitus“ zwischen den teilnehmenden Lehren-den und Lehren-den LehrenLehren-den der Angebote kommt, kann verringert werLehren-den. Vor allem der Gruppe der Lehrenden, die ambivalente Tendenzen in ihrem medialen Habitus auf-zeigen, fehlt es häufig an Orientierung und Unterstützung, diese Unsicherheiten in der Gestaltung ihrer medienpädagogischen Professionalisierung zu überwinden.

Medienpädagogische Professionalisierungsangebote können an dieser Stelle Refle-xionsmöglichkeiten bereitstellen, um diese Ambivalenzen aufzulösen und davon aus-gehend Orientierungen für eine weitere Auseinandersetzung mit medienpädago-gischen Inhalten bieten. Hier wäre es zielführend, Forschungs- und Entwicklungs-projekte in Zusammenarbeit von Forschung und Praxis zu entwickeln, um solche medienpädagogischen Professionalisierungsangebote zu entwickeln.

Literatur

Alexander, B., Adams Becker, S. & Cummins, M. (2016). Digital Literacy – An NMC Horizon Project Strategic Brief. The New Media Consortium.

Autorengruppe Bildungsberichterstattung. (2020). Bildung in Deutschland 2020. Ein indika-torengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Bielefeld:

wbv.

Biermann, R. (2009). Der mediale Habitus von Lehramtsstudierenden – Eine quantitative Stu-die zum MeStu-dienhandeln angehender Lehrpersonen. Wiesbaden: Springer VS.

Bohnsack, R. (2000). Dokumentarische Methode. In T. Hug (Hrsg.), Einführung in die Me-thodologie der Sozial- und Kulturwissenschaften (S. 326–345). Baltmannsweiler: Schnei-der Hohengehren.

Bolten-Bühler, R. (2021). Medialer Habitus von Lehrenden in der Erwachsenenbildung. Biogra-fische Analysen medienpädagogischer Professionalisierung. Bielefeld: wbv.

Bourdieu, P. (1981). Klassenschicksal, individuelles Handeln und das Gesetz der Wahr-scheinlichkeit. In P. Bourdieu, L. Boltanski, M. de Saint Martin & P. Maldidier (Hrsg.), Titel und Stelle. Über die Reproduktion sozialer Macht (S. 169–226). Frankfurt a. M.: Europäische Verlagsanstalt.

Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In R. Kre-ckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten (S. 183–198). Göttingen: Otto Schwartz und Co.

Bourdieu, P. (1987). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (24. Aufl.

2014). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Bourdieu, P. & Wacquant, L. J. D. (1996). Habitus, illusio und Rationalität. In P. Bourdieu &

L. J. D. Wacquant (Hrsg.), Reflexive Anthropologie (S. 147–175). Frankfurt a. M.: Suhr-kamp.

Bremer, H. & Lange-Vester, A. (2014). Die Pluralität der Habitus- und Milieuformen bei Lernenden und Lehrenden. Theoretische und methodologische Überlegungen zum Verhältnis von Habitus und sozialem Raum. In W. Helsper, R.-T. Kramer &

S. Thiersch (Hrsg.), Schülerhabitus (S. 56–81). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-schaften. DOI: 10.1007/978-3-658-00495-8

Bremer, H., Pape, N. & Schlitt, L. (2020). Habitus und professionelles Handeln in der Er-wachsenenbildung. Hessische Blätter für Volksbildung, (1/2020). DOI: 10.3278/

HBV2001W007

Engelhardt, M. von (2018). Schreiben und bildnerisches Gestalten in der Biographie.

Potentiale des ästhetisch-kreativen Widerstands. In A. Bosch & H. Pfütze (Hrsg.), Ästhetischer Widerstand gegen Zerstörung und Selbstzerstörung (S. 473–488). Wiesbaden:

Springer VS.

Flick, U. (2011a). Das Episodische Interview. In G. Oelerich & H.-U. Otto (Hrsg.), Empiri-sche Forschung und Soziale Arbeit: Ein Studienbuch (S. 273–280). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. DOI: 10.1007/978-3-531-92708-4

Flick, U. (2011b). Triangulation. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-schaften. DOI: 10.1007/978-3-531-92864-7

Friedrichs-Liesenkötter, H. (2016). Medienerziehung in Kindertagesstätten. Wiesbaden:

Springer VS. DOI: 10.1007/978-3-658-12307-9

Gieseke, W. (1989). Habitus von Erwachsenenbildnern. Oldenburg: ibe – Wolfgang Schulen-berg-Institut für Bildungsforschung und Erwachsenenbildung an der Universität Oldenburg.

Henrichwark, C. (2009). Der bildungsbezogene mediale Habitus von Grundschulkindern – Eine empirische Studie zur Reproduktion sozialer Ungleichheit in Schule und Familie (Disserta-tion). Bergische Universität Wuppertal.

Jörissen, B. (2013). Unbestellte Bildungsfelder. Wo bleiben die neuen Formate der Erwach-senen- und Weiterbildung? Forum Erwachsenenbildung, 2, 16–21. DOI: 10.3278/

FEB1302W016

Kommer, S. (2010). Kompetenter Medienumgang? Eine qualitative Untersuchung zum media-len Habitus und zur Medienkompetenz von SchülerInnen und Lehramtsstudierenden.

Opladen und Farmington Hills MI: Budrich UniPress.

Kommer, S. & Biermann, R. (2012). Der mediale Habitus von (angehenden) LehrerInnen.

Medienbezogene Dispositionen und Medienhandeln von Lehramtsstudierenden. In R. Schulz-Zander, B. Eickelmann, H. Moser, H. Niesyto & P. Grell (Hrsg.), Jahrbuch Medienpädagogik 9: Qualitätsentwicklung in der Schule und medienpädagogische Profes-sionalisierung (S. 81–108). Wiesbaden: Springer VS.

Martin, A., Lencer, S., Schrader, J., Koscheck, S., Ohly, H., Dobischat, R., Arne, E. & Rosen-dahl, A. (2017). Das Personal in der Weiterbildung. Bielefeld: wbv.

Meder, N. (2008). Die Luhmannsche Systemtheorie und der Medienbegriff. In J. Fromme

& W. Sesink (Hrsg.), Pädagogische Medientheorie (S. 37–50). Wiesbaden: Springer VS.

Mutsch, U. (2012). Der mediale Habitus von Volksschulkindern und ihren Lehrerinnen und Lehrern (Dissertation). Universität Wien.

Nittel, D. & Seltrecht, A. (2008). Der Pfad der „individuellen Professionalisierung“. Ein Beitrag zur kritisch-konstruktiven erziehungswissenschaftlichen Berufsgruppen-forschung. BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufs-analysen, 1(21), 124–145.

Rohs, M. (2020a). Die Verantwortung der öffentlichen Erwachsenenbildungsanbieter in einer postdigitalen Gesellschaft. Forum Erwachsenenbildung, 53, 36–39.

Rohs, M. (2020b). Medienkompetenz in der Weiterbildung. Weiter Bilden, (2), 27–29.

Rohs, M. & Bolten, R. (2020). Einstellungen von Erwachsenenbildner*innen zur digitalen Transformation der Weiterbildung. In O. Dörner, O. Dörner, C. Iller, I. Schüssler, H. von Felden & S. Lerch (Hrsg.), Erwachsenenbildung und Lernen in Zeiten von Globali-sierung, Transformation und Entgrenzung (S. 77–88). Opladen: Barbara Budrich.

Rohs, M., Bolten, R. & Kohl, J. (2020). Between adoption and rejection: Attitudes of adult educators toward digitization in Germany. International Journal of Training and Development, 24(1), 57–73. DOI: 10.1111/ijtd.12170

Rohs, M., Schmidt-Hertha, B., Rott, K. J. & Bolten, R. (2019). Measurement of media peda-gogical competences of adult educators. European Journal for Research on the Education and Learning of Adults, 10(3), 307–324. DOI: 10.3384/rela.2000–7426.ojs393

Rosenberg, F. von. (2011). Bildung und Habitustransformation. Empirische Rekonstruktionen und bildungstheoretische Reflexionen. Bielefeld: transcript.

Schlüter, A. & Faulstich-Wieland, H. (2009). Geschlechterforschung in der Erziehungswis-senschaft – Inspirationen und Modifikationen durch Pierre Bourdieu. In B. Frieberts-häuser, M. Rieger-Ladich & L. Wigger (Hrsg.), Reflexive Erziehungswissenschaft. For-schungsperspektiven im Anschluss an Pierre Bourdieu (S. 211–227). Wiesbaden: Springer VS.

Schmid, U., Goertz, L. & Behrens, J. (2018). Monitor Digitale Bildung. Die Weiterbildung im digitalen Zeitalter. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

Schmidt-Hertha, B., Rott, K. J., Bolten, R. & Rohs, M. (2020). Messung medienpädagogi-scher Kompetenz von Lehrenden in der Weiterbildung. Zeitschrift für Weiterbildungs-forschung. DOI: 10.1007/s40955-020-00165-0

Strauch, A., Lencer, S., Bosche, B., Gladkova, V., Schneider, M. & Trevino-Eberhard, D.

(2019). GRETA – kompetent handeln in Training, Kurs & Seminar Das GRETA-Kompe-tenzmodell. http://www.die-bonn.de/id/37005

Swertz, C., Kern, G. & Kovacova, E. (2014). Der mediale Habitus in der frühen Kindheit.

MedienPädagogik, 22(22), 1–28.

Umbach, S. (2016). Lernbilder. Collagen als Ausdrucksform in Untersuchungen zu Lernvorstel-lungen Erwachsener. Bielefeld: transcript.

Wolf, K. D. & Koppel, I. (2017). Digitale Grundbildung: Ziel oder Methode einer chancen-gleichen Teilhabe in einer mediatisierten Gesellschaft? Wo wir stehen und wo wir hin müssen. Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 30, 03/1–03/11.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Bedingungsgefüge medienbezogener Professionalisierung in der Erwachse-nenbildung . . . . 177

Autorin

Dr.in Ricarda Bolten-Bühler arbeitet an der Europäischen Fernhochschule Hamburg und ist dort für den Bereich Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Online-Didaktik zuständig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind digitale Medien in der Lehre, medienpädagogische Kompetenz und medienpädagogische Professionalisierung so-wie die medialen Habitus Lehrender in der Erwachsenenbildung.