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Darstellung.646 Das „Warburger Kreisblatt“ berichtete am 28.5.1919 kurz über das Ableben von Oppenheim.647 Am 4.7.1919 erschien in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“

ein weiterer Artikel eines Kollegen.648 Das „Berliner Tageblatt“ vom 24.5.1919 und das

„Warburger Kreisblatt“ vom 28.5.1919 brachten die Todesanzeige der Familie (Abb. 144, 145):

„Heute vormittags entschlief sanft nach kurzem Leiden im 62. Lebensjahre unser lieber Mann und Vater Professor Dr. Hermann Oppenheim Im Namen der Hinterbliebenen Martha Oppenheim Hans Oppenheim. Berlin, den 22. Mai 1919. Königin-Augusta-Str.

28. Auf Wunsch des Entschlafenen findet die Beisetzung in der Stille statt.“649

Im Jahre 1919 sowie später anlässlich seiner Geburts- und Todestage, erschienen zahl-reiche Nekrologe seiner Kollegen in den verschiedensten Zeitschriften.650 Die Trauerrede seines Neffen Emil Herz erhielt ich von seinem Sohn Arthur Herz aus Rochester persönlich zugesandt. Sie beschreibt den Menschen Hermann Oppenheim in all seinen Facetten:

„Was der Verstorbene als Gelehrter und Arzt geleistet, wie er der Nervenheilkunde neue Ziele und Wege gewiesen, das mögen Berufenere festhalten. Ich, der ich dem Heimgegangenen durch nahe Bande der Verwandtschaft und mehr noch durch die der Liebe und Freundschaft verbunden war, ich kannte nur den Menschen Hermann Oppenheim. Aber stets war mir bewusst, daß wenn für irgendeinen Menschen, so für ihn der Satz zutrifft: Nur der wahrhaft gute Mensch kann ein großer Arzt sein.“651

„Nach der Inflation blieb sie ohne finanzielle Mittel und wohnte in einem Sanatorium; als die Gestapo allen dortigen jüdischen Ärzten die Praxis verbot, nahm sie sich das Leben.“652

Seite 104 Martha Oppenheim

Martha Oppenheim verließ einige Zeit nach dem Tod ihres Mannes die Wohnung in der Königin-Augusta-Str. 28. (Abb. 151, 152) Ihr blieb nur ein Existenzminimum, was sie jedoch hinnahm. Wie Herz sich erinnerte, störte diese Umstellung Martha Oppenheim wenig, denn „sie war gewöhnt, ihr Leben nach innen, nicht nach außen zu führen“.654 Etwa 1925 zog sie zunächst in die nahe gelegene Lützowstr. 62.655 Ab dem 1.9.1931 war sie im Siegmundshof 10 (Heim) registriert.656 (Abb. 153) Im Siegmundshof 11 stand die Synagoge der Gemeinde Adass Jisroel, die 1941 durch die Nationalsozialisten zerstört wurde. Heute befindet sich dort ein Denkmal in Form einer „menora“, eines siebenar-migen Leuchters. Unter der Adresse Siegmundshof 10 war keine Heimeintragung ver-merkt. Das „Heim“ gehörte auch nicht zur Gemeinde Adass Jisroel. Es ist denkbar, dass es sich hierbei um eine private Einrichtung handelte, die jedoch nicht amtlich registriert war.

Am 1.10.1938 verließ Martha Oppenheim Berlin-Tiergarten und zog in das Aquinatahaus nach Berlin-Lichterfelde, Wilhelmstr. 8, die 1964 in Königsberger Str. 8 umbenannt wur-de.657 (Abb. 154) Nur wenige Tage später setzte sie 69-jährig durch Suizid ihrem Leben ein Ende. Das Aquinatahaus, ein Altersheim, wurde am 1.8.1932 als Liebeswerk für alte, hilflose und sieche Menschen eröffnet und gehörte der 1927 gegründeten katholischen Schwesternschaft Aquinata e. V. Berlin. Es bot ca. 55 Menschen Platz. In den Bauakten des Landesarchivs Berlin fand sich kein Hinweis auf diesen Eigentümer. Im Vorwort zu einer Gedenkschrift anlässlich des 25-jährigen Bestehens hieß es:

„1933 brachte mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus auch den Aquinata-Schwestern und ihrem Werk Behinderung und Widerstand durch Staat und Partei.“658 Wie im gesamten Deutschen Reich, so wurden den jüdischen Ärzten auch hier im Juli 1938 die Approbation und damit ihre Existenzgrundlage entzogen, so dass dem Haus wirt-schaftliche Schwierigkeiten drohten.659 Die „Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“

vom 25.6.1938 erklärte zum 30.9.1938 die Bestallung aller jüdischen Ärzte für erloschen.

Damals waren noch 3152 jüdische Ärzte im Deutschen Reich tätig, von denen nur noch 709 als „sog. Krankenbehandler“ arbeiten durften.660 Das Aquinatahaus wurde in der Nacht vom 23. zum 24.8.1943 zerstört.661 In der Sterbeurkunde Martha Oppenheims ist als Todestag der 20.11.1938 angegeben.662 Die Beisetzung fand am 04.01.1939 im Kleinen Urnenraum A-10-6 des Kolumbariums des Krematoriums Berlin-Wilmersdorf statt. Als Eintrag im Aschenregister des Krematoriums Wilmersdorf war zu lesen (Abb. 155 a):

„Nr. 232, Oppenheim, Martha, geb. Oppenheimer, geb. 26.3.1869 in Hannover, gest.

21.11.1938 in Lichterfelde, mosaischer Konfession, Todesursache Vergiftung, Einäscherung am 26.11.1938, 19.45 Uhr, Genehmigungsurkunde ausgestellt am 24.11.1938, Nr. 5165, Beisetzung am 4.1.1939 im Krematorium Wilmersdorf, kleiner Urnenraum A-10-6.“663

654 Herz Deutschland S. 281.

655 Adressbuch Berlin, 1926, Bd. 2, S. 2385.

656 LA Berlin, historische Einwohnermeldekartei (EMK) von 1875-1960.

657 LA Berlin, historische Einwohnermeldekartei (EMK) von 1875-1960, Auskunft von Frau Schure.

658 Katholische Schwesternschaft Aquinata 25 Jahre S. 3,19.

659 Vgl. Deutschkron Stern S. 28-31.

660 Schmiedebach Jüdische Ärzte S. 15.

661 Katholische Schwesternschaft Aquinata 25 Jahre S. 13.

662 Standesamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin, Sterbeurkunde Martha Oppenheim, Auskunft des Standesbeamten.

663 Krematorium Berlin-Wilmersdorf: Aschenregister

Martha Oppenheim hatte es abgelehnt, gemeinsam mit ihrem Sohn Hans, der bereits 1933 Deutschland verlassen hatte, nach England zu emigrieren und entschloss sich, in Berlin zu bleiben. Wie Herz schrieb, ließ sich ihr Vertrauen auf Deutschland „ auch durch Hitler nicht erschüttern, sie glaubte nicht an den Bestand seiner Macht“.664 Hermann Oppenheim war auch nach seinem Tode hoch anerkannt und stand, wie Paul Oppenheim später schrieb, „bei den Mitgliedern seiner Familie in beinahe göttlicher Verehrung“.665 Im Tagebuch von Paul Oppenheim fand sich eine interessante Passage aus dem späteren Leben von Martha Oppenheim:

„Seine Witwe, Martha Oppenheim, lebte aber weiter in Berlin und wurde als „Aushängeschild“

der Familie lebhaft benutzt. Alles, was nicht die Zustimmung meiner Großmutter fand (...) veranlaßte sie regelmäßig zu der Bemerkung. „Ich schreib’s nach Berlin!“666

Nach Schilderungen der Schriftstellerin Inge Deutschkron (*1922), die die Nazizeit in Berlin überlebte, begannen viele deutsche Juden auch nach der Pogromnacht am 9.11.1938, die Wirklichkeit nur zögernd zu begreifen. Für viele war es bereits zu spät zur Emigration, da ihnen immer mehr Staaten die Einreise verweigerten oder unerfüllbare Bedingungen in Form hoher Geldsummen stellten. Viele dachten, es sei „fünf Minuten vor zwölf. Tatsächlich aber war es für die meisten von ihnen bereits fünf Minuten nach zwölf – zu spät“,so auch für Martha Oppenheim. Eine erste größere Verhaftungswelle in Berlin fand im Juni 1938 statt und betraf vor allem sogenannte „Vorbestrafte“ und „arbeitsscheue Elemente“. Weitere Repressalien folgten mit dem Gesetz vom 22.7.1938 und der Pflicht, sogenannte „Kennkarten“ zu tragen, auf denen ein großes „J“ auf der Außenseite und ein gelbes „J“ auf der Innenseite die Abstammung zweifelsfrei erkennbar machen sollte. Ein Foto mit einem frei gehaltenen linken Ohr sollte die Rassenzugehörigkeit unterstreichen.

Nach dem Gesetz vom 17.8.1938 bekamen alle männlichen Juden den Zusatznamen Israel und alle weiblichen Juden den Zusatznamen Sara, die zwischen Vor- und Nachnamen einzufügen waren, also „Martha Sara Oppenheim“.667 Betrachtet man ihr späteres Leben, so war es das bittere und tragische Ende einer hoch gebildeten jüdischen Frau, die in der deutschen Musik und Literatur glänzend bewandert war, diese mit Hingabe im Kreise der Familie, der Freunde und Kollegen ihres Mannes pflegte und an die Nachwelt weitergab.

Herz schrieb:

„Als dann der Naziterror ihr jeden anderen Ausweg versperrte, beschritt sie den Weg so vieler jüdischer Frauen. Stolz und tapfer, wie sie gelebt hatte, ging sie freiwillig in den Tod.“668

Für sie galt 1938 noch der Ausspruch: „Sie erwarten das Schlimmste – sie erwarten nicht das Unfassbare.“669 Ihr Schicksal ist eingereiht in das der sechs Millionen ermordeter Juden Europas.

664 Herz Deutschland S. 281.

665 Oppenheim, Paul Tagebuch S. 81.

666 Ebd. S. 92.

667 Vgl. Deutschkron Stern S. 28-31, 42, 43.

668 Herz Deutschland S. 281.

669 Bruchfeld/Levine Erzählt es S. 77, 150. Ausspruch von Charlotte Delbo.

Seite 106 Martha Oppenheim

„Bach, Beethoven, Brahms und Wagner waren seine Lieblinge, bis ins einzelnste kannte er sich in seinen Werken aus. Ihnen begegnete man immer wieder bei den musikalischen Veranstaltungen des Hauses, die um so häufiger und anregender wurden, seitdem Hans, der Sohn, sich der Musik gewidmet und in das stille, ernste Gelehrtendasein den Glanz und den Schimmer frischer Jugend, künstlerisches Temperament und künstlerischen Überschwang gebracht hatte.“670