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2.4 Manuelle hämatologische Methoden

2.4.4 Manuelle Retikulozytenzählung

Bei der Retikulozytenbestimmung und -zählung wird die Art und Menge der ange-färbten netzartigen „Substantia granulofilamentosa“, bei der es sich um Zellorganell-reste kernhaltiger Vorstufen von Erythrozyten handelt, beurteilt (BUTTARELLO et al.

2002; MORITZ et al. 2013). Somit dient die Retikulozytenzählung als Klassifikation von Anämien und deren Regeneration. Bei der manuellen Vitalfärbung mittels katio-nischer Färbemittel, wie z.B. Brillantkresylblau, Neu Methylenblau u.a., stellt sich die Substantia granulofilamentosa als blau-schwarze Körnung mit unterschiedlicher Ausprägung dar. Folgende Grade werden unterschieden

Grad I: punktierte Retikulozyten ( mit 12–15 Punkten) Grad II: verzweigtes Netzwerk der Zellorganellreste

Grad III: klumpiges Knäuel der Substantia granulofilamentosa

Im Allgemeinen wird ein Erythrozyt mit mehr als 2 Punkten als Retikulozyt betitelt (MORITZ u. BECKER 2010), die oben vorgenommen Definition des Grad I stammt von TVEDTEN (WEISS u. TVEDTEN 2004b). Bei allen weiteren Graden besteht Übereinstimmung. Die Ausprägung der Grade variiert tierartspezifisch. Als Beispiel sei die Katze erwähnt, welche im Gegensatz zum Hund sowohl punktierte als auch aggregierte Retikulozyten aufweist (WEISS u. TVEDTEN 2004b; MORITZ et al.

2013). Bei dieser Vitalfärbung werden Farbstoff und Blut zu gleichen Teilen ge-mischt, je nach verwendetem Farbstoff 10–30 Minuten gewartet, erneut gemischt und dann ein Blutausstrich angefertigt. Bei Bedarf kann durch eine Gegenfärbung, mit z.B. May-Grünwald-Giemsa, das Retikulum noch dunkler dargestellt werden. Im Allgemeinen werden 1000 gefärbte, kernlose Erythrozyten ausgezählt und die Anga-be der Anga-beobachteten Retikulozyten erfolgt wahlweise in % oder als absolute Zahl bezogen auf die Gesamtmenge der Erythrozyten (MORITZ et al. 2013).

Die manuelle Retikulozytenbestimmung kommt nicht nur bei der Überprüfung von maschinell erhobenen Werten zum Einsatz, sondern wird auch standardmäßig in der Praxis verwendet, da wenige hämatologische Analysegeräte diesen Parameter an-bieten (ALI et al. 2010). SIMIONATTO et al. konnten 2010 zeigen, dass bei Berück-sichtigung der genauen Vorgehensweise die manuelle Zählung ebenso gut verwen-det werden konnte wie die eines Analyten. Die Differenz zwischen den beiden

Me-thoden war gering und hatte einen geschätzten systemischen Fehler von 0–45 % und einen zufälligen Fehler von 3–9 % (SIMIONATTO et al. 2010).

3 Material und Methoden 3.1 Tiere

Für die Untersuchung wurden Blutproben von Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) und Rhesusaffen (Macaca mulatta) verwendet. Beide Arten gehören zu der Gruppe der nicht-humanen Primaten und stammen aus der Tierhaltung des Deutschen Pri-matenzentrums (DPZ) in Göttingen.

Die Blutabnahme erfolgte beim Rhesus- und Weißbüschelaffen während der tierärzt-lichen Gesundheitskontrollen. Für den Weißbüschelaffen konnten zusätzliche Blut-proben im Rahmen der Sektion zur Organentnahme an gesunden Tieren gewonnen werden. Zur Validierung des ADVIA 2120 (siehe Kapitel 4.1, 4.2 und 4.3) sowie zur Erhebung der RI wurden nur Blutproben von gesunden Tieren herangezogen. Als gesund wurden Tiere eingestuft, die keine klinischen Symptome aufwiesen und von der Anamnese (Futter- und Wasseraufnahme, Kot- und Urinabsatz, Verhalten) un-auffällig waren.

Über einen Zeitraum von 2,5 Jahren wurden insgesamt 215 Blutproben von Weißbü-schelaffen entnommen, die zwischen 6 Monaten und 15,3 Jahren alt waren, wobei das durchschnittliche Alter bei 4,1 Jahren lag. Von diesen 215 Tieren waren 104 weiblich und 111 männlich. Das durchschnittliche Alter bei den Weibchen lag bei 3,9 Jahren und bei den Männchen bei 4,3 Jahren.

Die Altersspanne bei den Rhesusaffen hingegen war deutlich größer und reichte von 6 Monaten bis 26,4 Jahren. Hier lag das durchschnittliche Alter bei 7,5 Jahren. Ins-gesamt wurde auch hier über eine Zeitraum von 2,5 Jahren 361 Blutproben evaluiert, von denen 170 von weiblichen Tieren stammten und 191 Proben von männlich Tie-ren. Das durchschnittliche Alter lag bei den Weibchen bei 7,9 Jahren und bei den Männchen bei 7,1 Jahren.

3.1.1 Haltung und Fütterung

Die Weißbüschelaffen werden aufgrund ihrer erhöhten Ansprüche an das Klima aus-schließlich drinnen gehalten. Bei einer durchschnittlichen Raumtemperatur von 24–

26 °C und einer Luftfeuchtigkeit von 50–60 %. Sie sind als Paare oder in Gruppe mit bis zu 12 Tieren vergesellschaftet. Das Nahrungsangebot setzt sich aus frischem Obst, Gemüse, mineralstoff- und eiweißreichen Pellets, Mehlwürmern, Heuschrecken und Gummi arabicum zusammen und wird neben freiem Zugang zu frischem Wasser täglich angeboten. Zusätzlich wird ein selbstgefertigter Brei, der unter anderem aus Quark, Joghurt, Karottensaft, Banane, Bierhefe und weiteren Mineralstoffen und Vi-taminen besteht, angeboten.

Die Rhesusaffen können das ganze Jahr über, teilweise zeitlich begrenzt, zwischen Außen- und Innenbereichen wählen. Die Raumtemperaturen in der Innenhaltung lie-gen zwischen 19–21 °C mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50–65 %. Ihre Mahl-zeiten, welche auch täglich angeboten werden, setzen sich aus Pellets, Quarkbrei, Obst, Gemüse und gekochten Kartoffeln und Reis zusammen. Der Quarkbrei wird wie der der Weißbüschelaffen selbst hergestellt und besteht unter anderem aus Ha-ferflocken, Vollkornschrot, Bananen, Joghurt, Mineralmischung, Bierhefe, Reis-schleim und Distelöl.

3.2 Geräte und Verbrauchsmaterialien 3.2.1 Geräte

ADVIA 2120 Hematology System (FA. Siemens Healthcare Diagnostics GmbH, Eschborn)

Zentrifuge: Haematokrit 210 (Fa. Hettich, Tuttlingen)

Zentrifuge: Compur 1100 Mikrohämatokritzentrifuge (Fa. Heraeus, Hanau) Zentrifuge: Labofuge GL (Fa. Hereaus Christ, Osterode)

Zentrifuge: Multifuge 1s (Fa. Hereaus, Osterode)

Pipetten: Eppendorf Reference 2–20 µl, 50–200µl, 100–1000µl (Fa. Eppen-dorf, Hamburg)

Biosphere ® Filter Tips 0,5–20 µl, 2–100 µl, 100–1000 µl (Fa. Sarstedt, Nüm-brecht)

Cellstar® Tubes 15 ml, 50 ml (Fa. Greiner Bio-One GmbH, Frickenhausen) Pipettierhilfe, Gummisauger (Fa. Henry Schein, Hamburg)

Accu jet®pro, Pipettierhilfe (Fa. Brand, Wertheim) Differentialblutbild-Zähler L10 (Fa. Ferari, Berlin) Mikroskope: Axioplan 2 imaging (Fa. Zeiss, Göttingen) 3.2.2 Verbrauchsmaterialien

BD Vacutainer® Eclipse™ Sicherheitskanüle (BD, Heidelberg) 1 ml/2 ml Spritzen Esta (Codan medical ApS, R dby, DK)

25 G Kanülen (0,5 x 16 mm) Teramo, Neolus (Henry Schein®, Hamburg) 26 G Kanülen (0,45 x 12 mm) Teramo, Neolus (Henry Schein®, Hamburg) SuperFrost® Objektträger Menzel (Thermo Fisher Scientific Inc, Osterode) Deckgläser Menzel 24 x 50 mm (Fa. Menzel GmbH, Braunschweig)

Einmal Pasteur Pipetten (Henry Schein®, Hamburg)

Serologische Pipetten 10 ml (Fa. Sarstedt, Nümbrecht)

Na-Heparin Hämatokritkkapillaren, 75 mm/75 µl, REF 2074, ISO 12772 (FA.

Hettich, Tuttlingen)

Kit für die Hämatokritkapillare, Assistent (FA. Rettberg, Göttingen) 3.2.3 Reagenzien und Lösungen

TESTpoint™ ADVIA 2120 Kontrollen (low, medium, high) (Siemens Healthcare Diagnostics GmbH, Eschborn)

Natriumchlorid-Lösung 0,9% ad.us.vet. Zul.-Nr.: 1409.99.99 (Fa. WDT, Garb-sen)

May-Grünwalds Eosin-Methylenblaulösung, modifiziert 1.01424.2500 (Merck KGaA, Darmstadt)

Giemsas Azur-Eosin-Methylenblau 1.09204.0100 (Merck KGaA, Darmstadt) Reinstwasser nach DAB 10 (AquaQuick, Schwalbach)

Mikroprobe für Retikulozytenzählung, 100 µl Brillantkresylblau 1% (Sarstedt, Nümbrecht)

Entellan® Neu, Schnelleindeckmittel 1.07961.0100 (Merck KGaA, Darmstadt) Immersionsöl nach ISO 8036, modifiziert für die Mikroskopie (Merck KGaA,

Darmstadt)

Ketamin Injektionslösung (Ketvet®, 100 mg/ml, Intervet Deutschland GmbH, Unterschleißheim)

3.3 Gewinnung und Verarbeitung der Proben

Die Blutentnahme beim Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) erfolgte am wachen Tier an der Vena femoralis ohne vorherige Stauung des Gefäßes nach Desinfektion der Haut mittels Spritze und aufgesetzter Einmalkanüle. Hierfür wurde mittels Punkti-onskanüle die EDTA-Lösung aus dem Probenröhrchen (BD VacutainerTM 3 ml, K3 EDTA 7,5 % 0,072 ml) bei geöffneten Deckel aufgesogen, so dass es sich in der verbundenen 1 oder 2 ml Spritze befand. Die Kanüle sollte vor der Blutentnahme nicht mehr gewechselt werden, um das Risiko von (Mikro-) Koagulation im Blut auf ein Minimum zu reduzieren. Direkt nach der Entnahme wurde das Blut in das jeweili-ge Probenröhrchen nach Entfernung der Kanüle überführt, indem man es langsam am Rand des Gefäßes hinab laufen ließ. Nach Verschließen des Vacutainers erfolgte eine Durchmischung von Blut und EDTA durch manuelles Schwenken des Röhr-chens.

Die Blutentnahme beim Rhesusaffen (Macaca mulatta) unterschied sich dadurch, dass sie jedes Mal am narkotisiertem Tier mittels BD Halter und BD Vacutainer® E-clipse™ Sicherheitskanüle erfolgte. Die Blutüberführung erfolgte durch den direkten Anschluss der Vacuette® 4 ml, K3 EDTA an die Sicherheitskanüle. Punktionsstelle

war auch hier, nach vorheriger Desinfektion der Haut, die Vena femoralis. Die Tiere wurden mittels 0,1 ml Ketamin/kg Körpergewicht intramuskulär sediert.

Alle weiteren Messungen und Bearbeitungen der Blutproben erfolgten innerhalb von vier Stunden im Anschluss an die Blutentnahme.

3.4 Messprinzipien Hämatologiesystem ADVIA 2120

Der ADVIA 2120 (Abb. 1) bedient sich der Streuchlichtmethode, welche auch als optoelektrische Messung bezeichnet wird. Bei dieser Art der Durchflusszytometrie werden die Blutzellen mittels des Mantelstromprinzips einzeln und hintereinander durch den Messkanal geleitet. Ein auf die Zellgröße fokussierter Laserstrahl trifft auf die vorbeigleitende Zelle und verursacht, je nach Partikelbeschaffenheit, ein entspre-chendes Streulicht. Dieses wird von Detektoren aufgefangen und in einen elektri-schen Impuls umgewandelt. Das Großwinkelstreulicht gibt Auskunft über die intrazel-luläre Beschaffenheit der Zelle, wohingegen das Kleinwinkelstreulicht eine Aussage über die Zellgröße bzw. deren Volumen ermöglicht. Die Intensität des Streulichts ist proportional zu der Größe der Zellen (GRONER u. TYCKO 1980). Das Mantelstrom-prinzip wird durch die hydrodynamische Zellfokussierung, d.h. durch eine laminare Strömung, welche die Vermischung des Probenstroms mit dem Mantelstrom verhin-dert, ermöglicht. Somit wird die gleichzeitige Passage (Koinzidenz) von mehreren Zellen am Laser vorbei und eine dadurch bedingte fehlerhafte Messung verhindert.

Erythrozyten und Thrombozyten werden vor der Messung isovolämisch aufgekugelt, um die individuelle Form der Zelle als Variabilitätsfaktor auszuschließen.

Erythrozyten (RBC), Thrombozyten (PLT) und Retikulozyten (Retic) werden mit der Doppel-Laser-Streulichtmethode bestimmt, das Volumen der Leukozyten hingegen mittels Halogen-Streulichtmessung und die Differenzierung der Leukozyten sowie des Reifegrades der Retic mit einer Absorptionsmessung. Darüber hinaus ist der ADVIA 2120 in der Lage weitere Flüssigkeiten wie Liquor und Körperhöhlenpunktate zu untersuchen. In der verfügbaren Multispezis-Software sind neben den gängigen Tierarten wie Hund, Katze, Maus und Rind, Schwein und Ziege auch bereits der Rhesusaffe (Macaca mulatta) und Javaneraffe (Macaca fascicularis), in der Software des ADVIA 2120 als Zynomolgen Affe betitelt, etabliert.

In den letzten 10 Jahren war der ADVIA 2120 bzw. sein Vorgänger der ADVIA120 mehrmals Bestandteil vergleichender Studien mit anderen hämatologischen Analy-segeräten unterschiedlicher Messprinzipien (HARRIS et al. 2005; BECKER et al.

2008; GIORDANO et al. 2008; KANG et al. 2008; MEINTKER et al. 2013). Er diente dabei auch als Grundlage zur Etablierung von hämatologischen Parametern bei klassischen Haustierspezies wie Katze, Rind, Schwein und Pferd (HOLSTEG 2002;

MORITZ et al. 2004; MEYER 2005; DURA 2006).

Das Hämatologiesystem ADVIA 2120 bietet drei unterschiedliche Möglichkeiten der Probenaufnahme. Zum einen kann manuell bei geschlossenen Probenröhrchen über Kopf der Deckel des Probenröhrchens punktiert oder die Probe bei geöffnetem Röhr-chen angesaugt werden (Abb. 2), zum anderen kann die Probe über den automati-schen Probennehmer (Rack-System) ebenfalls durch Punktion des geschlossenen Probenröhrchendeckels erfolgen. Dieser Vorgang findet innerhalb des Gerätes statt.

Dadurch wird eine automatische Identifizierung der Proben mittels Barcode und ein Durchsatz von bis zu 120 Proben pro Stunde, je nach Anforderungsprofil, ermöglicht.

Sämtliche Reaktionskammern für die unterschiedlichen zu analysierenden Parameter sind in einem Acrylblock vereint, der sogenannten Unified Fluids Circuit Einheit (UFC Einheit). Sie wird einerseits über eine ebenfalls aus Acryl bestehende Pumpe mit dem jeweiligen Reagenz versorgt und andererseits über das Scherventil mit der an-gesogenen Blutprobe (Abb. 3).

Um die erhobenen Ergebnisse des ADVIA 2120 optimal zu beurteilen und zu bear-beiten, ist das Gerät mit einem PC/Bildschirm und Drucker verbunden. Die graphi-sche und nummerigraphi-sche Darstellung der Messung, am Bildschirm und auf dem Aus-druck, ist in seiner Zusammenstellung frei wählbar (Abb. 4). Es ist über die auf Windows-NT basierende Benutzeroberfläche möglich, jegliche Messung unter einer anderen bereits etablierten Spezies wieder zugeben und somit die erhobenen Daten mittels der speziesspezifischen Grenzwerte darzustellen.

Abb. 1: ADVIA 2120 im Labor der Abteilung Infektionspathologie des DPZ.

Abb. 2: Manuelle Probennahme beim Hämatologiesystem ADVIA 2120, links für of-fene Röhrchen mittels Ansaugschlauch, rechts für geschlossene Probenröhrchen mittels Nadelpunktion kopfüber.

Abb. 3: UFC Einheit des ADVIA 2120 mit dem unten gelegenen kreisförmigen Scherventil, der schwarzen, viereckigen, oben links abgebildeten PEROX-Reaktionskammer, der gegenüberliegenden silbrig, durchsichtigen BASO-Reaktionskammer und der mittig darüber liegenden Hb-BASO-Reaktionskammer.

Abb. 4: Darstellung einer möglichen Zusammenstellung der Bildschirmoberfläche (Run Screen) am Beispiel einer hämatologischen Messung inkl. Leukozytendifferen-zierung ohne Retikulozytenbestimmung für einen Rhesusaffen am ADVIA 2120.

3.4.1 Erythrozyten- und Thrombozytenkanal

In diesem Kanal werden die Zellen des roten Blutbildes und die PLT nach Behand-lung mit Natriumdodecylsulfat (NDS) und Glutaraldehyd ohne Volumenänderung ge-kugelt und fixiert. Im Anschluss erfolgt in der Flusszelle eine Zellzählung und, mittels einem Kleinwinkel-Streulicht von 2° bis 3°, die Bestimmung des jeweilige Zellvolu-mens. Gleichzeit wird über ein Großwinkel-Streulicht bei 5° bis 15° die Bestimmung des Hämoglobingehaltes (RBC) und des Brechungsindexes (PLT) vorgenommen.

Um die PLT von den RBC abzugrenzen wird deren Kleinwinkel-Streulicht um das 30fache und das Großwinkel-Streulicht um das 12fache verstärkt (TYCKO et al.

1985). Das gemessene Erythrozytenvolumen und die mittlere Hämoglobinkonzentra-tion der RBC (CHCM) werden für die Berechnung folgender Parameter herangezo-gen:

Hämatokrit (HCT)

mittleres Erythrozytenvolumen (MCV) Erythrozytenverteilungsbreite (RDW) Hämoglobinverteilungsbreite (HDW)

mittlere Hämoglobinkonzentration der RBC (MCHC)

Beim Erythrogramm (Abb. 5) werden die Hämoglobinkonzentration auf der x-Achse und das Volumen auf der y-Achse dargestellt und somit kann eine Einteilung der Erythrozytenaberrationen graphisch verdeutlicht werden („TicTac-Toe“–Darstellung).

Zur Abgrenzung der PLT von RBC oder Zellfragmenten bzw. von großen PLT erfolgt eine 2-dimensionale Analyse, bei der die beiden verstärkten Streulichtmessungen kombiniert und umgerechnet werden. Graphisch erfolgt die Darstellung des Volu-mens auf der y-Achse und des Brechungsindexes auf der x-Achse (Abb. 6).

Die Abbildungen 5 und 6 wurden mit freundlicher Genehmigung von Siemens Healthcare Diagnostik GmbH, Eschborn ©2012 zur Verfügung gestellt.

Abb. 5: Darstellung der Erythrozytenanalyse im Erythrogramm des ADVIA 2120 (Erythrozytenkanal).

Abb. 6: Thrombozyten Scattergramm beim ADVIA 2120: 1) Zelltrümmer (Debris), 2) Geisterzellen, 3) Thrombozyten bis 20 fl, 4) Große Thrombozyten, 5) Mikrozyten, 6) Fragmentozyten, 7) aktivierte Thrombozyten.

3.4.2 Retikulozytenanalyse

In der Retikulozytenreaktionskammer erfolgt, ebenso wie bei der Erythrozyten- und Thrombozytenbestimmung, zunächst eine isovolämische Kugelung durch Zugabe eines zwitterionischen Netzmittels (Surfactant). Nachfolgend wird der Ribonuklein-säure-Gehalt durch den kationischen Farbstoff Oxazin 750 angefärbt.

Von der Reaktionskammer fließt ein konstantes Zellsuspensionsvolumen durch die Flusszelle, wo die Messung des Kleinwinkel-Streulichts (2°–3°) und des Grosswin-kelstreulichts (5°–15°) sowie der Absorptionsmerkmale jeder einzelnen Zelle erfolgt (Tab. 3). Auch hier gibt die Kleinwinkelstreulichtmarkierung eine Auskunft über die Zellgröße und die Großwinkelstreulichtmarkierung über den Hämoglobingehalt (Abb.

7). Die Lichtabsorption ist proportional zum RNS-Gehalt. Retic haben aufgrund der angefärbten RNA ein höheres Absorptionsvermögen als RBC. Durch die Verstärkung der ermittelten elektronischen Signale, und deren graphischen Darstellung, ist es u.a.

möglich detaillierte Aussage zu der Subklassifikation und dem Reifungsindex der Re-tic zu treffen (Abb. 8).

Tab. 3: Verstärkung der einzelnen Signale für die Retikulozytenmessung am ADVIA 2120.

Signal Verstärkung

Kleinwinkelstreulicht 28 fach Großwinkelstreulicht 12 fach Absorptionssignal 33 fach

Die Abbildungen 7 und 8 wurden mit freundlicher Genehmigung von Siemens Healthcare Diagnostik GmbH, Eschborn ©2012 zur Verfügung gestellt.

Abb. 7: Retikulozyten Scattergramm des ADVIA 2120: Darstellung der Hämoglobin-konzentration auf der x-Achse (Hochwinkeldaten) und des Zellvolumens auf der y-Achse (Niedrigwinkel).

Abb. 8: Absorptions-Zytogramm mit Darstellung der Absorptions- und Streulichtmes-sung beim ADVIA 2120. Die hoch verstärkten Absorptionsdaten (Zellreifung) werden entlang der x-Achse und die niedrig verstärkten Grosswinkel-Streulicht-Daten (Hä-moglobinkonzentration) entlang der y-Achse aufgetragen. L, M und H steht für einen niedrigen (low), mittleren (medium) und hohen (high) RNA-Gehalt in den Retikulozy-ten. Ganz links im Bild in Rot dargestellt liegen die RBC.

3.4.3 Hämoglobinkanal

Die Freisetzung des Gesamthämoglobins (HGB) erfolgt in der dafür vorgesehenen Reaktionskammer, dem Kolorimeter, in 2 Schritten. Zunächst erfolgt eine Freisetzung des HGB durch Lyse der RBC mittels eines Surfactant. Nach Sauerstoffoxidation des Ferroprotoporphyrins (Häm) und dadurch bedingter Umwandlung von zweiwertigem Eisen in dreiwertiges Eisen, geht es eine Verbindung mit dem zugegebenen Cyanid ein. Es entstehen Ferrihäm-Mizellen, welche bei einer Wellenlänge von 546 nm pho-tometrisch gemessen werden. Die Messung erfolgt gegen eine Referenzlösung (Sheath-Rinse).

Die graphische Darstellung kann mittels eines HGB-Rate-Diagramms erfolgen. Hier wird die Zeit in Sekunden auf der x-Achse angegeben und die Lichttransmission in % auf der y-Achse. Im HGB Trans-Histogramm hingegen können fünf Bereiche unter-schieden werden (Abb. 9). Die Differenz der Transmission von Bereich 5 und 3 ergibt den Hämoglobingehalt der Probe. Der Basislinien-Mittelwert sollte zwischen 2,05 und 4,1 liegen. Mittels der Messung von HGB und RBC kann der mittlere zelluläre Hämo-globingehalt (MCH) errechnet werden.

Die Abbildung 9 wurden mit freundlicher Genehmigung von Siemens Healthcare Di-agnostik GmbH, Eschborn ©2012 zur Verfügung gestellt.

Abb. 9: HGB-Trans-Histogram beim ADVIA 2120. 1 Reaktionskammer wird mit Refe-renzlösung befüllt, 2 Entfernung des Sheath Rinse und Füllung der Kammer mit Re-aktionslösung bestehend aus Probe und HB-Reagenz, 3 Wert der ReRe-aktionslösung als Probenmittelwert ausgedrückt, 4 Leerung der Reaktionskammer und erneutes Befüllen mit der Referenzflüssigkeit, 5 Werte der Referenzlösung für die aktuelle Probe.

3.4.4 Leukogramm (Peroxidase-Kanal)

Im Peroxidase-Kanal (LeukoP) erfolgt nach einer zytochemischen Reaktion die Zäh-lung der Leukozyten (WBC) und deren Differenzierung entsprechend ihrer Absorpti-on im Halogenstrahl. Hierfür werden zunächst die RBC unter Hinzunahme vAbsorpti-on Wär-me und Surfactant lysiert und die WBC durch Formaldehyd fixiert.

Durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid und 4-Chlor-1-Naphthol entsteht an den dafür empfänglichen Stellen der zellulären Peroxidase, welche sich in den Granula der WBC befindet, ein dunkler Niederschlag, welcher je nach Konzentration bzw.

Peroxidaseaktivität zu unterschiedlichen Ergebnissen der Absorption in der

Flusszel-le führt. Das gFlusszel-leichzeitig gemessene Vorwärts-Streulicht-Merkmal gibt Auskunft über die Größe der Zelle. Die Leukozytendifferenzierung (Diff.) erfolgt tierartspezifisch durch die Clusteranalyse, wobei jede Population aufgrund von Position, Bereich und Dichte identifiziert wird. Man unterscheidet generell neutrophile Granulozyten (Neut), Lymphozyten (Lymph), Monozyten (Mono), eosinophile Granulozyten (Eos), basophi-le Granulozyten (Baso). Der ADVIA 2120 differenziert die WBC zusätzlich noch in große, Peroxidase-negative Zellen (large unstained cells = LUC). Diese charakteristi-schen Zellwolken werden auch als Dot-Plots bezeichnet. Die Linien, welche die ver-schiedenen Zellpopulationen voneinander trennen, sind speziesspezifisch festgelegt.

Eine mögliche graphische Darstellung ist das Peroxidase-Zytogramm, in dem sich deutlich voneinander getrennte Zellansammlungen bzw. Population ergeben. Das Peroxidase-Zytogramm wird auf jeder Achse in 100 Kanäle unterteilt, wobei auf der x-Achse die Lichtabsorption und auf der y-Achse das Streulicht aufgetragen werden (Abb. 10). Die Lichtabsorption ist proportional zur Intensität der Peroxidase-Färbung und das Streulicht zur Größe der Zelle.

Abb. 10: Leukozytenanalytik im Peroxidase-Kanal, beispielhafte Darstellung der möglichen unterschiedlichen Populationen als Dot-Plots. Bei den NRBC handelt es sich um Normoblasten. Bei den LUC um große, Peroxidase-negative Zellen (large unstained cells = LUC).

Die Abbildung 10 und 11 wurden mit freundlicher Genehmigung von Siemens Healthcare Diagnostik GmbH, Eschborn ©2012 zur Verfügung gestellt.

3.4.5 Nukleogramm der Leukozyten (Baso-Kanal)

Da im Peroxidase-Kanal eine Unterscheidung der Lymphozyten und basophilen Gra-nulozyten (Baso) nicht möglich ist, erfolgt in der Reaktionskammer des Baso-Kanals durch Phthalsäure und Surfactant nicht nur eine Lyse der RBC und PLT sondern auch eine Auflösung des Zytoplasmas aller WBC mit Ausnahme der basophilen Gra-nulozyten. In der Flusszelle wird über das Kleinwinkel-Streulicht-Merkmal (2°–3°) und das Großwinkel-Streulicht-Merkmal (5°–15°), neben der Größe der Zelle und des Zellkerns, die Konfiguration des Zellkerns, welche sich aus Form und Dichte zusam-mensetzt, ermittelt. Eine mögliche Darstellung der Messung erfolgt durch die Clus-teranalyse von drei Zellpopulationen im Nukleogramm (Abb. 11).

Abb. 11: Leukozytenanalytik im Baso-Kanal. Die blaue Wolke zeigt die Monozyten und Lymphozyten (mononukleäre Granulozyten, MN), die lila Wolke die neutrophilen und eosinophilen Granulozyten (polymorphkernige Granulozyten, PMN) und der gel-be Bereich die basophilen Granulozyten an.

Die Leukozytenmessung im Basophilen-Kanal wird vom ADVIA 2120 als Leuko B angegeben. Bei differierendem Messergebnis, der Gesamtleukozytenzählungen im Baso-Kanal (LeukoB) und Peroxidasekanal (LeukoP) von mehr als 10 % wird dieses

durch sogenannte Flags angezeigt. Grundsätzlich reportiert der ADVIA 2120 das LeukoB-Messergebnis. Die im Basophilen-Kanal ermittelten basophilen Granulozyten werden nach Korrektur der Lymph aus dem Peroxidasekanal dem Gesamtdifferenti-alblutbild hinzugefügt. Im Baso-Zytogramm wird jede Achse in 50 Messkanäle unter-teilt, wobei auf der x-Achse die Kern-Konfiguration und auf der y-Achse die Zellgröße dargestellt wird. Dadurch bilden sich deutlich voneinander getrennte Zellpopulatio-nen. Beim Menschen weist normalerweise das Nukleogramm ein Tal zwischen mo-nonuklären und polymorphkernigen Zellen auf. An dieser Stelle setzt der ADVIA 2120 einen sog. Segmentierungsindex auch Lobularitätsindex (LI). Sollte dieses Tal verschwinden und sich der LI verschieben, deutet dieses auf eine Linksverschie-bung, also eine Vermehrung der stabkernigen Granulozyten hin, und wird durch ein entsprechendes Signal dem Untersucher bekannt gegeben. Für die verschiedenen Tierarten wird eine entsprechend detaillierte Auftrennung vom Hersteller angestrebt.

3.4.6 Störungen der automatischen Blutzellanalyse und –differenzierung

Blutproben mit starken pathologischen Veränderungen in der Zellanzahl oder -morphologie können bei der maschinellen Messung deutlichen Einfluss auf einige Parameter nehmen und somit zu veränderten Ergebnissen führen. Die Kriterien, ab welchem Messergebnis eine Kontrolle notwendig wird, um eine Fehlmessung von einer tatsächlichen pathologischen Veränderung zu unterscheiden, sind für den Menschen klar definiert und in Tabelle 4 dargestellt (KATZ u. LENZ 1986).

Die in Tabelle 4 angegebenen Grenzen sind Empfehlungen und sollten immer in

Die in Tabelle 4 angegebenen Grenzen sind Empfehlungen und sollten immer in