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Hämatologische Untersuchungen bei nicht-menschlichen Primaten

2.1 Primaten in der biomedizinischen Forschung

2.1.4 Hämatologische Untersuchungen bei nicht-menschlichen Primaten

Blutuntersuchungen ermöglichen bei Versuchstieren die Beurteilung des allgemeinen Befindens im Rahmen einer Routineuntersuchung, als Verlaufskontrolle innerhalb einer Studie oder im Falle von Krankheit und lassen Rückschlüsse auf das Krank-heitsgeschehen ziehen. Ohne die entsprechenden Referenzwerte ist eine Interpreta-tion des Blutbildes nicht möglich und somit die Beurteilung stark eingeschränkt (SCHWENDENWEIN 2014).

Da Rhesus- und Weißbüschelaffen schon viele Jahre in der biomedizinischen For-schung eingesetzt werden, wurden dementsprechend schon mehrfach Referenzwer-te erhoben und veröffentlicht (DILLINGHAM et al. 1971; ROSENBLUM u.

COULSTON 1981; MCNEES et al. 1982; BUCHL u. HOWARD 1997; SMUCNY et al.

2001; OMATSU et al. 2012).

Bei der Verwendung von Daten aus der Literatur muss berücksichtigt werden, ob die Erhebung unter ähnlichen Bedingungen wie die der eigenen Daten stattgefunden hat. Als die wichtigsten Kriterien sind dabei anzusehen (WOOD et al. 2013; ICSH 2014):

Tieranzahl, mindestens 80 Tiere, Optimum 100 bis 120 Tiere Alter und Geschlecht der Tiere, hormoneller Status

Haltungsbedingungen, Außen- und Innenbereiche Klimabedingungen

Fütterung (Art und Zusammensetzung) Art der Blutentnahme

Erst wenn sich diese Bedingungen entsprechen, lassen sich die Referenzwerte aus der Literatur auf die eigene Bestandssituation valide übertragen (SCHWENDEN-WEIN 2013). In Standardwerken für nicht menschliche Primaten, wie zum Beispiel

„The Laboratory Primate“ (WOLFE-COOTE 2005) oder “The Laboratory Nonhuman Primate” (FORTMAN et al. 2001), finden sich sowohl zum Rhesusaffen als auch zum Weißbüschelaffen hämatologische RI (Tab. 1, Tab. 2). Dabei ist nicht immer eindeu-tig dokumentiert, aufgrund welcher Originalarbeiten die angeführten Werte

entnom-men wurden. So wird in den beiden oben aufgeführten Standardwerken als Referenz für den Weißbüschelaffen neben den gesammelten Daten von ABOU-MADI bei-spielsweise auch eine persönliche Mitteilung angeführt (ABOU-MADI 1999). Als Re-ferenz für den Rhesusaffen wurden Studien mit einer geringen Tieranzahl (n = 54) oder Angaben ohne weitere Hintergrundinformationen angeben. Bei HOM und Mitar-beitern (1999) ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Blutabnahme über einen Port und mit gänzlich anderen Analysegeräten, dem Hämatologiesystem H1E von Bayer (Bayer Diagnostics, Tarrytown, New York) und dem Hämatologiesystem Baker 9000 (BiochemImmuno Systems, Allentown, Pennsylvania) erfolgte.

In dem tierartenübergreifenden Standardwerk der Hämatologie „Schalm´s Veterinary Hematology“ (WEISS u. WARDROP 2010) werden ebenfalls Referenzwerte für den Weißbüschel- und Rhesusaffen angeben. Die den Referenzwerten zugrunde liegen-den Arbeiten sind alle in der Zeit von 1983 bis 2001 entstanliegen-den, nur zwei davon mit einer für die heutigen Standards akzeptablen Anzahl an Tieren (BUCHL u. HOWARD 1997; SMUCNY et al. 2001). In die Studie von SMUNCY et al. (2001) wurden Tiere aus drei unterschiedlichen Primatenzentren und somit aus unterschiedlichen Hal-tungsbedingungen einbezogen. Die Studie von BUCHL u. HOWARD (1997) verwen-dete Analysegeräte, die heute als veraltet anzusehen sind (Tab. 1, Tab. 2). Die bei-den anderen Untersuchungen geben Referenzwerte an, die auf Daten mit einer nied-rigen Tieranzahl und enger Spannbreite im Alter basieren (FERNIE et al. 1994) oder Tiere aus nicht vergleichbaren Lebensräumen berücksichtigen (KESSLER u.

RAWLINS 1983).

Tab. 1: Referenzintervalle für Blutparameter beim Rhesusaffen aus der Standardlite-ratur

1) 54 männliche Tiere im Alter von 3–5 Jahren, Sedation mittels Ketaminhydrochlorid

2) 44 männliche Tiere im Alter von 4–5 Jahren, Sedation mittels Ketaminhydrochlorid

3) 345 männliche und weibliche Tiere zusammen, 7–36 Jahre alt, Blutprobenentnahme sowohl im Wachzustand als auch unter Sedation

4) 161 männliche Tiere im Alter von 5–6 Jahren, keine Angaben bzgl. Sedation

5) segmentkernige Granulozyten

6) stabkernige Granulozyten

k.a (keine Angaben), MCV = mittleres Erythrozytenvolumen, MCH = mittlerer zellulärer Hämoglobin-gehalt, MCHC = mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrozyten

Zusätzlich zu den Studien aus den in Tabelle 2 genannten Standardwerken über den Weißbüschelaffen seien zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1982 und 1984 aufgrund der hohen Tieranzahl von 96 Tieren (HAWKEY et al. 1982) und 115 Tieren (YARBROUGH et al. 1984) erwähnt. Beide Untersuchungen weisen neben unter-schiedlichen Messmethoden keine einheitlichen Herkunftsorte sowie unterschiedliche Haltungs- und Fütterungsbedingungen der Primaten auf.

Parameter SI-Einheiten HOM et al.

Retikulozyten x109/l oder % k.a k.a k.a k.a

Tab. 2: Referenzintervalle für Blutparameter beim Weißbüschelaffen aus der Stan-dardliteratur

*) segmentkernige Granulozyten

**) stabkernige Granulozyten

1) keine Angaben bzgl. Tieranzahl oder Sedation

2) 30–35 männliche und weibliche, erwachsene Tiere zusammen je nach Parameter, Blutentnahme im Wachzustand als auch unter Sedation mittels Ketaminhydrochlorid

3) 55–61 männliche, erwachsene Tiere, , Blutprobenentnahme im Wachzustand

4) 6–45 männliche und weibliche Tiere, keine Angaben bzgl. Sedation

k.a (keine Angaben), MCV = mittleres Erythrozytenvolumen, MCH = mittlerer zellulärer Hämoglobin-gehalt, MCHC = mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrozyten

Bereits zu diesem Zeitpunkt sind sich die Verfasser einig, dass es zur Erhebung von validen Ergebnissen erforderlich ist, Referenzwerte für die unterschiedlichen Prima-tenarten, unter deren spezifischen Haltungsbedingungen, zu etablieren (KESSLER u.

RAWLINS 1983; YARBROUGH et al. 1984; BUCHL u. HOWARD 1997).

Parameter SI-Einheiten FORTMAN et al.

Im Zeitalter des Internets werden auch über dieses Medium Referenzwerte veröffent-licht. Zwei häufig genutzte Seiten sind die des „Panther Tracks Learning Center“ der Firma „Primate Products, Inc.“ und das „Primate Info Net“, welches zum Library and Information Service des National Primate Research Center der Universität von Wis-consin, USA in Madison gehört (www.primateproducts.com). Primate Products, Inc.

ist eine Firma in Florida, USA, welche Produkte und Zubehör für die Primatenhaltung vertreibt und sich dem Schutz und der Pflege von nicht-humanen Primaten verbun-den fühlt. Weder auf der Internetseite noch auf verbun-den verkäuflichen Postern werverbun-den Quellennachweise zu den erhobenen Daten angegeben. Lediglich ein Hinweis auf die Varianz der Werte, abhängig von Alter, Geschlecht, Haltung, sozialem Verband und Hormonstatus, erfolgt (www.primateproducts.com).

Die Internetseite des Primate Info Net (PIN), welche über die Homepage der Univer-sity of Wisconsin-Madison verlinkt ist, wurde seit einigen Jahren nicht mehr aktuali-siert und verweist bei den Referenzen für die hämatologischen Parameter auf unter-schiedliche Studien (www.primate.wisc.edu). Die Verweise für den Rhesusaffen lie-gen zeitlich zwischen 1955 und 1983 und decken sich teilweise mit den bereits in der Fachliteratur zitierten Studien (KESSLER u. RAWLINS 1983). Ihnen liegen niedrige Tierzahlen zugrunde oder sie entsprechen in der Auswertung bzw. Zählung der Zel-len nicht mehr den heutigen Standards (DILLINGHAM et al. 1971; VOGIN u. OSER 1971). Ähnliches gilt beim Weißbüschelaffen in Bezug auf bereits in der Fachliteratur zitierte Werke (HAWKEY et al. 1982; YARBROUGH et al. 1984). Des Weiteren wer-den Veröffentlichungen, die sich in keinerlei Hinsicht mit hämatologischen Parame-tern beschäftigt haben, angeführt (FREMMING et al. 1955; WADSWORTH et al.

1981). Der im Internet gelistete Ansprechpartner ist unter der gegebenen E-mail Ad-resse nicht erreichbar. Der Library and Information Service der Universität von Wis-consin wurde mit der Schließung der Bibliothek bis auf weiteres eingestellt. Obwohl die Internetseite des PIN weiterhin online bleibt, wird sie nicht mehr aktualisiert.

Die Anzahl der Veröffentlichungen der letzten dreißig Jahre, die sich mit hämatologi-schen Referenzwerten beim Rhesus- und Weißbüschelaffen beschäftigt haben, ist im Gegensatz zu den Jahren 1955 bis 1985 relativ gering. Dieses kann daran liegen, dass die dokumentierten Werte als valide angesehen wurden. Zum anderen änder-ten sich die Fragestellungen im Zusammenhang mit der Erhebung hämatologischer Werte. So wurden für den Rhesusaffen, neben dem Einfluss von unterschiedlichen Narkosearten, die Veränderungen der Blutparameter im Laufe der Schwangerschaft beleuchtet (HOM et al. 1999; ROGERS et al. 2005; IBANEZ-CONTRERAS et al.

2013). Bei allen Studien wurden aber nur niedrige Tierzahlen, bis maximal 28 Tiere, mit unterschiedlichen Narkoseregimen und Haltungsbedingungen untersucht. Dies gilt auch für den Weißbüschelaffen, der in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der biomedizinischen Forschung geraten ist. Auch hier handelt es sich meist um sehr

spezifische Fragestellungen, wie zum Beispiel Auswirkungen von Stresssituationen oder Virusinfektionen auf das hämatologische Bild. Versuchsbedingt wurden in die-sen Studien nur kleine Tierzahlen verwendet (KUEHNEL et al. 2012; OMATSU et al.

2012).

Abschließend lässt sich das Fazit ziehen, dass Rhesus- und Weißbüschelaffen unter den Versuchstieren in der biomedizinischen Forschung einen hohen Stellenwert in-nehaben und es heute mehr denn je wichtig ist, auf geeignete Referenzwerte zu-rückgreifen zu können. Die in der Literatur dokumentierten Werte sind häufig veraltet und entsprechen nicht mehr den Kriterien, die an moderne Analyseverfahren zu stel-len sind. Vor dem Hintergrund neuer Technologien sind daher regelmäßige Anpas-sungen der hämatologischen RI an die aktuellen Standards, sowohl im technischen als auch statistischen Bereich, unumgänglich (ICSH 2014; SCHWENDENWEIN 2014).