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Nachdem die Bereiche, in denen besonders Gewalttaten zu spüren sind, analysiert worden sind, wird in diesem Teil die literaturwissenschaftliche Betrachtung der Gewalt bearbeitet. In der Literatur bzw. in der Moderne werden Themen freier gestaltet, so auch das Thema ‘Gewalt’. Die Autoren und Autorinnen haben die Pflicht das aufgegriffene Thema so zu behandeln, daß sie die Rezipienten nicht negativ beeinflussen.

Rolf Grimminger ist der Ansicht, daß die negativen Aspekte mit allen Faktoren vermittelt werden sollten, z.B. sind Gewalt, Schmerz und Tod elementare Tatsachen, deren typische Qualität durch die Stilisierungen der Künste als ein Immergleiches, mächtig Anderes hindurchscheint. Literatur– und kunstwissenschaftliche Leitperspektiven bleiben in den letzten Jahren von Thema ‘Gewalt’ nicht unbeeinfluβt.

Die Begriffe ‘Aggressivität’, ‘Vernichtung’ und ‘Selbstverlust’ nehmen in der Literatur einen festen Platz ein.117

Das Thema ‘Gewalt’ wird von den Autoren und Autorinnen nicht im Zusammenhang mit Komödien untersucht, denn Aggression bringt Distanz zwischen den Menschen und führt zur Disharmonie. Deshalb kann gesagt werden, daß Gewalt und Merkmale der Gewalt in einzelnen Werken so bearbeitet werden sollten, daß sie letztlich zu einer vielsagenden Gesamtheit zusammenkommen und die Leser mit Hilfe der negativen Haltungen zu positivem Verstehen führen.118 Besonders diese Haltung der Autoren erweckt bei den Lesern Neugier. In ‘Gewalt in den Medien’ wurde erwähnt, daß Filme,

116 Vgl. hierzu: Michaud Y., ebd, S.46.

117 Vgl. hierzu: Rolf Grimminger (Hrsg.), Kunst–Macht–Gewalt (München: Wilhelm Fink, 2000), S.7.

118 Vgl. hierzu: Rüdiger Scholz – Klaus Michael Bogdal (Hrsg.), Literaturtheorie und Geschichte (Opladen / Wiesbaden: Westdeutscher, 1996), S.237.

Computerspiele, Zeichentrickfilme und Serien die Zuschauer negativ beeinflussen können. Dagegen werden Gewaltereignisse in der Literatur von den Lesern anders rezipiert als von Medienkonsumenten.

Dörfler bezeichnet das Fernsehen nicht als Kommunikationsmittel, denn er ist der Meinung, daß mit dem Fernsehgerät kommunizieren unmöglich ist. Dörfler sieht den Fernseher als ein kaltes Medium, das wiederum keine Gefühle vermittelt. Dagegen hat die Literatur unschätzbare Vorteile, weil sie Gefühle und Vorstellunskategorien wie Erfolg, Wert und Angst bieten kann.119 Die Literatur gibt die Ereignisse der Gewalttaten mit Hilfe der Gefühle den Lesern wieder und wirkt nicht so kalt wie der Bildschirm.

Deshalb sollte in der Literatur besonders darauf geachtet werden, daß gewalttätige Haltungen in den Werken so erarbeitet werden, daß der Leser keine negativen sondern positive Ansichten aus dem Werk herauszieht.

Die Gründe der Gewaltdarstellung in der Literatur sind, daß die Autoren und Autorinnen die Themen so auswählen, daß sie die Ereignisse des Alltags wiederspiegeln. Die weltberühmten Romane “Dr. Jekyll und Mr. Hyde”120 (Dr. Jekyll and Mr. Hyde) von Robert Louis Stevenson und “Gott der Fliegen”121 (Lord of the Flies) von William Golding, die vorher schon zur Hand genommen wurden, können hier als gewaltbeinhaltende Werke aufgezählt werden. Auch Georg Büchners Werk

“Woyzeck”122, in der die Gewalt als Experiment an arme Menschen zum Vorschein kommt, kann unter anderen Werken hier benannt werden.

Grimminger deutet darauf hin, daß Gewaltthemen deshalb so oft in der Kunst auftreten, weil ihre formale Expression ‘Affinität’ zum Stil entgegenkommt. Er zeigt auch, daß dieser Effekt das Gewaltthema zur Gewaltphantasie des Werkes macht.123 Der andere Grund der Gewaltdelikte als Thema der Literatur ist, daß der Autor oder die Autorin selbst in den früheren Jahren ein Opfer der Gewalt war. Deshalb halten sie dieses Thema für wichtig und nehmen immer wieder ‘Gewalt’ als Motiv in ihren Werken auf.

119 Vgl. hierzu: Dörfler H., ebd, S.17.

120 Stevenson, ebd, S.4.

121 Golding, ebd, S.5.

122 Georg Büchner, Woyzeck, (Stuttgart: Philipp Reclam, 1987), S.5.

123 Vgl. hierzu: Grimminger R., ebd, S.27.

Sie sehen dieses Thema als ein aktuelles Thema der Gesellschaft und möchten somit dieses Thema nicht unbearbeitet lassen.124 Z.B. zeigt sich im Lebenslauf von Alfred Döblin, unter anderem Faktoren, gewaltbeinhaltende Ereignisse, die der Autor nicht leicht zu überwinden wußte. Das Leben von Döblin ist überfüllt von gewalttätigen Vorfällen, die er auch in seinen Werken wie “Berlin Alexanderplatz” und “Die beiden Freundinnen und ihr Giftmord” einzubetten pflegte.

Leser perzipieren Gewaltsituationen, die in den Werken zum Thema werden, auf unterschiedlicher Art. Und gerade auf dieses Thema greifen die Autoren und Autorinnen immer wieder zurück, denn sie sind der Ansicht, daß nicht sie die Veranlassenden der Gewalttaten sind und betonen, daß es keine direkte Verbindung zwischen Gewalt und Literatur, wie es bei den Medien der Fall ist, besteht. Sie sehen die Ursachen als ein Erziehungsproblem, für die sie keine Verantwortung tragen, und sind der Meinung, daß sie die einzelnen Leser nicht persönlich kennen und daß die Gewalttaten von unterschiedlichen Personen auf verschiedener Weise wahrgenommen werden. Manche Leser sehen Kriminalromane oder gewaltbeinhaltende Werke als erschreckend, andere Leser dagegen als unterhaltend. Hier ist es wichtig, wie der Autor und die Autorin die gewalttätigen Szenen im Werk behandelt.125 Gewagt kann hier gesagt werden, daß in den gewaltinhaltenden Werken sowohl der Blickwinkel der Autoren als auch der Blickwinkel der Leser eine sehr wichtige Rolle spielen.

124 Vgl. hierzu: Grabert W. – Mulot A. – Nürnberger H., ebd, S.270.

125 Vgl. hierzu: Andreas Hepp, Cultural Studies und Medienanalyse (Opladen / Wiesbaden:

Westdeutscher, 1999), S.204–210.

DRITTER TEIL

3. Alfred Döblin: Leben und Werke

Alfred Döblin wurde aus unterschiedlicher Sicht in vielen Arbeiten thematisiert.

A.Şebnem Yüce schrieb über Alfred Döblin ihre Magisterarbeit mit dem Titel ‘Alfred Döblin “Berlin Alexanderplatz” – Formen der Stadtwahrnehmung und Stadtdarstellung’.126 Auch Canan Ayhan schrieb ihre Magisterarbeit über Alfred Döblin mit dem Titel ‘Rationalitätskritik in Afred Döblins Roman “Berge, Meere und Giganten” – Alfred Döblin’in “Berge, Meere und Giganten” Adlı Romanında Us Eleştirisi’.127

Andere Arbeiten können an dieser Stelle auch zur Worte kommen. Georg Bayerle vergleicht in seinem Vortrag “Erkundung der Finsternis – Wucherungen im poetologischen Diskurs in der Literatur der Moderne: Döblin, Conrad, Céline”, daß die Eingangsszene von Döblins Roman in eine Welt der Tropen führt und geographisch sich um einen Urwald handelt. Dabei zielt Bayerle besonders auf den Roman “Amazonas”

von Alfred Döblin.128

Ewart Reder schreibt in seinem Vortrag unter dem Artikel “Wer war … Alfred Döblin”

über die Entstehungsgeschichte der Romane Döblins. Dabei deutet er besonders darauf hin, daß Döblins Name besonders mit seinem Roman “Berlin Alexanderplatz”

zusammen benannt wird. Auch Döblins Werke, wie das China – Opus “Die drei

126 http://www.yok.gov.tr

127 Vgl. hierzu: Canan Ayhan, Rationalitätskritik in Alfred Döblins Roman “Berge, Meere und Giganten” (İzmir: Unveröffentliche Magisterarbeit, Ege Üniversitesi, Sosyal Bilimler Enstitüsü, Alman Dili ve Edebiyatı Anabilim Dalı, 2002), S.10.

128 Vgl. hierzu: Georg Bayerle, “Erkundungen der Finsternis – Wucherungen im poetischen Diskurs in der Literatur der Moderne: Döblin, Conrad, Céline,” Arcadia – Interantionale Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Band 23, Heft 1 (2003), S.133.

Sprünge des Wang–lun”, das Schlächter– und Schlachtentableau “Wallenstein”, die futuristische Chronik “Berge, Meere und Giganten”, die expressionistische Erzählung

“Die Ermordung einer Butterblume, der Gesellschaftsroman “Pardon wird nicht gegeben” und die Romantrilogie “Das Land ohne Tod” werden von Reder in seinem Vortrag detaliert beschrieben.129

Die Werke von Alfred Döblin können besser verstanden werden, indem zuerst der Lebenslauf von Döblin ausführlich angesehen wird. Autobiographie von Alfred Döblin können bei der Analyse und Kritik seiner Werke behilflich sein. Denn die Werke zeigen immer wieder Ähnlichkeiten mit dem Lebenslauf des Autors oder wiederspiegeln bestimmte Ereignisse des Lebens vom Autor. Der Begriff ‘Gewalt’ hat im Leben von Alfred Döblin einen wichtigen Platz und dieser Aspekt seiner Persönlichkeit kann bei der Interpretation der Werke von Döblin nicht übersehen werden. Auch andere Ereignisse, die sein Leben und Werk beeinfluβten, sieht Döblin als Katastrophen seines Lebens. Alfred Döblins Leben und Werk ist zutiefst geprägt durch traumatische Kindheitserfahrungen.

Im Jahre 1888 verlieβ sein Vater die Familie und wanderte mit einer jungen Geliebten nach Amerika aus. Die Flucht des Vaters mit einer anderen Frau, die den noch nicht ganz zehnjährigen Knaben schockierte, ist jedoch nur die eindrücklichste und nachhaltigste Katastrophe. Diese Niederlage hatte ihre Vorgeschichte und ihre Nachwirkungen. Besonders im dichterischen Werk Döblins wird darauf häufig Bezug genommen: Die vielen Erzählungen mit Fluchtmotivik, aber auch in der fundamentalen und vielfältig gestalteten Vorstellung, daβ das Dasein des Menschen ‘abrupt’ ist, sind einige Beispiele für Döblins literarische Schaffung.130

Die Flucht des Vaters war für Döblin eine Niederlage, doch die Probleme innerhalb der Familie begannen schon vor der Flucht, die die Kinder damals schon beängstigten.

129 Vgl. hierzu: Ewart Reder, “Wer war … Alfred Döblin,” Der Literat – Fachzeitschrift für Literatur und Kunst, 45 Jahrgang (2003), S.14–15.

130 Vgl. hierzu: Helmuth Kiesel, Literarische Trauerarbeit – Das Exil– und Spätwerk Alfred Döblins (Tübingen: Max Niemeyer, 1986), S.29.

Zur Vorgeschichte der “Katastrophe”, als die Döblin selbst im

“Ersten Rückblick” die Flucht seines Vaters wertet, gehört die Ehekrise der Eltern: Folge einer von den Groβeltern angebahnten Zweckheirat gegensätzlicher Charaktere. Die Antagonismen zwischen dem künstlerisch vielseitig begabten Vater und der kaufmännisch nüchternen Mutter hat Döblin in den drei “Vatergeschichten” des “Ersten Rückblicks” farbig beschrieben. Zum Opfer dieser Gegensätze wurde er vermutlich nicht erst durch die Flucht des Vaters, sondern schon vorher, insofern die von Döblin explizit und implizit gelieferten Indizien erkennen lassen, daβ die elterliche Entzweiung auch die Kinder zutiefst in Mitleidenschaft zog.131

Das Leben von Alfred Döblin kann hier mit diesen Zeilen zusammengesetzt werden:

Der weltberühmte deutsche Autor Alfred Döblin, der am 10. August 1878 in Stettin als Sohn eines Schneiders geboren wurde, stammte aus einer normalen jüdischen Kaufmannsfamilie. Bereits auf dem Gymnasium begann Döblin mit seinen ersten Schreibversuchen, die aber damals nicht veröffentlicht wurden.132 Er studierte Medizin und arbeitete in der Irrenanstalt in Regensburg, er lebte von 1911–1933 als Spezialist für Nervenkrankheiten und als Kassenarzt in Berlin.

In seiner Praxis, die er zwischen den Jahren 1911–1931 führte, behandelte er vor allem Patienten aus der sozialen Unterschicht. Nebenbei produzierte er schriftstellerische Arbeiten, die er in den späteren Jahren in einem Band unter dem Titel “Die Ermordung einer Butterblume” veröffentlichte.133 Alfred Döblin studierte 1902 Neurologie und Psychiatrie in Berlin und Freiburg. Im Jahre 1905 promovierte er zum Dr.med.

Während seiner Tätigkeit in Spitälern, Laboratorien und in der Irrenanstalt zu Regensburg puplizierte Döblin in fachwissenschaftlichen Zeitschriften.134 Hiermit schrieb Döblin sowohl aus der Sicht eines Arztes als auch eines Autors.

131 Helmuth Kiesel, ebd, S.30.

132 Vgl. hierzu: Bernd Matkowski, Erläuterung zu Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz (Band 393, Hollfeld: C. Bange, 2003), S.10.

133 Vgl. hierzu: Grabert W. – Mulot A. – Nürnberger H., ebd, S.270.

134 Vgl. hierzu: Manfred Brauneck (Hrsg.), Autorenlexikon (Hamburg: Rowohlt, 1984), S.130.